Verus näherte sich mit seiner Einheit aus dem Rücken den in die Enge getriebenen "Aufständischen", wie sie absofort bezeichnet wurden. Es war eine Frage der Deklaration und Nomenklatur. Wie benannte man etwas? Verus war inzwischen recht geübt darin, die Berichte und Schriftstücke entsprechend anzupassen, dass er niemals rechtswidrig oder gegen den Kaiser handeln konnte. Aufständische waren doch stets zu bekämpfen. Und am Ende des Tages zählte nur das, was in den Akten stand. Ein Mensch konnte rein rechtlich noch leben, obwohl sein Leib längst tot im Tiber versank. Eine gesunde Praxis war diese Anpassung der prätorianischen Schriftstücke. Verus entwickelte sich immer mehr zu einem Tyrannen, der in seinem Machtbereich mit Anspruch und Macht herrschte. Die subura und die Christen verfluchten seinen Namen. Die Flüche waren jedoch Musik in seinen Ohren, der ihre Ablehnung genoss. Sein ganzes Leben war er verachtet worden, niedergehalten von Feinden und Freunden, so dass jeder Flucht in ein verkanntes Glück gewandelt wurde. Dieser Mann war verdammt zu einem Leben, welches er eigentlich niemals wollte.
Einst war Salinator für sein Schicksal verantwortlich, nun seine eigene Familie und diese verteufelten Aurelii mit ihrer eitlen Arroganz. In Wahrheit entsprach keiner der Ansprüche beider Familien noch der Wirklichkeit. Ihre Titel und einbrechenden Vermögen konnten nicht die Macht seiner Geheimnisse ersetzen. Im Militär und allen voran innerhalb der Prätorianer hatte er etwas Besseres gefunden, als den steten Verrat durch seine eigene Familie. Verus fühlte sich verraten und verkauft an dieses Leben, welches er hier darstellte. Inzwischen peitschten die panischen Flüche gegen seine Ohren, wie einige ihm den Tod wünschten oder um ihr Leben flehten. Die Reihen waren fest geschlossen, als die Prätorianer aus dem Rücken, die ersten Leute zu Boden rissen, um diese mit einfachen Seilen zu fesseln. Bei Widerstand schlugen sie mehrfach mit ihren Knüppeln zu. Gelegentlich stachen geübte Offiziere in die Menge, so dass alsbald Blut den Boden durchtränkte und die Panik die Menschen auseinander riss. Durch die geschlagenen Lücken konnten weitere Körper aus der Menge entfernt werden, um durch gedrillte Prätorianer den Fesseln zugeführt zu werden. Die Maschine lief geordnet ab. Das Blut auf Verus Klinge war inzwischen eingetrocknet, glänzte aber noch im diesigen Licht des Sonnenunterganges. "Verdammt seist du," schimpfte ein gefesselter Christ, zu dem der trecenarius herabblickte, um diesem mit seinem Fuß fest ins Gesicht zu treten. Verus beäugte den Anblick kalt und ging weiter. "Gute Arbeit," kommentierte der Offizier die Arbeit seiner Kameraden, bevor er sein Gladius wieder in den versteckten Tragegurt führte. Das leidvolle Flehen ignorierte er. Er hatte es zu oft gehört und oft war es auch nur ein purer Reflex von verdammten Personen. Sein eigenes Flehen hatte ihm in Dakien oder Germanien auch kein Heil gebracht. Diese Welt war hart und grausam; je schneller auch diese Menschen dies begriffen, umso besser wäre es für sie.
Nur eine Zusammenarbeit konnte sie noch retten. Auch Iunia Caerellia wurde alsbald von kräftigen Händen gepackt, einen Meter über den Boden gerissen, bevor man sie mit einem Strick fesselte. Verus stand unweit der hübschen Iunia, wenn auch abgelenkt durch eine Einteilung und eine Wachstafel, die man ihm in die Hände gedrückt hatte. Die Arbeit war erledigt. Ein Großteil der "Aufständischen" war im Gewahrsam, ein Teil verwundet und ein weiterer Teil tot. Iunia wurde aufgerichtet und in die Menge aus Gefangenen gebracht, die auf dem Boden in sitzender Pose kauerten, bis die großen Viehwagen anrollen konnten. Verus hatte auch den Abtransport bereits geplant.
Ein Wagen traf bereits ein und dessen hölzerne Räder klapperten über den Stein. Jedoch wurde der Wagen, wie in Rom üblich, nicht von Vieh gezogen, sondern von Sklaven und hatte einen bestellten Fuhrmann, der zu Verus ging. "Salve," grüßte der Transportunternehmer, dessen Wagen für diese Unternehmung gebucht worden waren. Für ihn war es nur ein Geschäft. "Wie ich sehe, waren die Helden Roms mal wieder erfolgreich...," scherzte er bitterböse mit eitlem Zynismus. Verus wandte sich um, während einige Soldaten im Hintergrund noch ein paar widerspenstige Gefangene mit Stockhieben bearbeiteten. Deren Geschrei störte ein wenig die anbrechende Unterhaltung, so dass Verus lauter sprechen musste. "Gut, dass du angekommen bist. Die restlichen Wagen kommen auch noch?" - fragte der Offizier, der eine schnelle Abwicklung wünschte. "Ja, aber sie verzögern sich ein wenig aber du kennst das ja. Wir schaffen genug Wagen heran. Wieder zuerst die Toten?" Verus blickte zu dem kleinen Haufen an Leibern, welche gerade durch andere Soldaten auf Befehl ihres optios zusammengebracht wurden. Die Prätorianer trugen jeweils einen Körper zu zweit und warfen diesen achtlos auf den kleinen Haufen. Ein Soldat zählte mit einer Wachstafel die Toten und notierte sich Auffälligkeiten für eine spätere Bearbeitung. "Es sind ja nicht viele aber ja," war die Antwort. "Ich verstehe," sagte der Fuhrunternehmer und deutete auf seine Handlanger, die den Fuhrgriff fallen ließen, um den Soldaten zu helfen. Der kleine dickliche Unternehmer nickte Verus dankend zu und begann mit seiner Arbeit, gleichgültig ob dieser Tatsache, dass er bald Leichen transportierte. Geld stank nicht. Verus hingegen blickte wieder auf seine Tafel, während er geleitet von seinem Stab zu den Gefangenen trat, die mehr oder minder lebendig waren. Auch die Verletzten hatte man inzwischen dorthin verbracht. "Ihr alle werdet beschuldigt, gegen Rom aufgewiegelt zu haben, gegen die staatliche Ordnung revoltiert zu haben, den Kaiser beleidigt zu haben und die römischen Staatsgötter negiert zu haben," erklärte der trecenarius ohne jegliche Betonung in seiner Stimme. Schließlich blickte er von seiner Tafel auf. Nun waren gut die groben Blutflecken auf seiner Tunika zu erkennen, die sich durch den Stoff zogen, wie ein Farbmuster. Auch sein Geleit zeigte entsprechende Kampfspuren, schienen diese aber vollkommen zu ignorieren, da Soldaten es gewohnt waren, im Blut zu stehen. "Eure Gruppe ist hiermit aufgelöst," stellte er sachlich fest und gab die Wachstafel mit einer kühlen Bewegung zur Seite, wo sie von einem Adlatus angenommen wurde. Es herrschte ein georndetes und reges Treiben von einzelnen Soldaten, die alle ihre Aufgaben hatten. Es war durchdacht und zwei Soldaten räumten sogar die Trümmer zur Seite, während eine kleine Gruppe mit Besen und Lappen Blutspuren im Groben beseitigten. Die erschöpften und niedergeschlagenen Kampfeinheiten hatten sich zur Absicherung etwas zurückgezogen und gönnten sich verdünnten Wein aus mitgebrachten Karaffen. "Ihr seid Christen," sagte Verus und blickte nun Iunia direkt ins Gesicht. "Du wirkst nicht, wie dieser Abschaum," merkte er an, als er die junge Frau betrachtete. Sie wirkte in der Tat auf Verus unpassend gekleidet, wenn auch ihre Kleidung unter dem brutalen Übergriff gelitten hatte. Der trecenarius riss die Frau aus der Menge und schubste sie zwischen seinen Stab, die eine Gruppe um sie bildeten.
Verus hatte keine Zeit für Feinheiten, da er nur ein begrenztes Zeitfenster für diesen Einsatz hatte. "Schmuck und feine Stoffe," merkte ein Offizier an und schlug mit seinem Knüppel unsanft aber nicht fest gegen ihren Oberschenkel. "Schlimm," antwortete Verus. "Jetzt haben diese Christen sogar schon Einfluss auf die noblen Familien." Doch nun war ihm auch klar, dass er diese Frau nicht einfach abfertigen konnte, ohne einen größeren Prozess. "Dir ist klar, was wir gegen dich vorbringen, Christin?" - spuckte Verus beim Sprechen. "Schade, sie wäre eine gute Sklavin," meinte ein vorbeitretener Soldat. Der trecenarius hielt inne, zog seine Vitis (jenen Disziplinarstock) und schlug dem Prätorianer kräftig auf den Rücken. "Disziplin, Miles!" Verus wirkte ungehalten, denn dieser Verstoß gegen Disziplin war in seinen Augen furchtbar. Als Centurio hatte er gelernt, jeden Verstoß gegen die Hierachie und Ordnung zu bestrafen, was er auch sofort tat. "Einen Monat Gerste und vier Stockhiebe durch deinen Centurio," befahl Verus, während der Soldat Haltung annahm. Der Centurio des Mannes eilte herbei und bestätigte den Befehl mit einem lautstarken: "Jawohl!" Danach trat Verus wieder zurück, wo die Iunia immer noch im Kreis stand. "Dein Name?" - fragte Verus nun etwas freundlicher, wobei seine Stimme immer noch laut war, da die Wehklagen und das Wimmern immer noch über dem Ort lagen.