Beiträge von Aulus Tiberius Verus

    Die Nacht brach ein. Unmerklich kam die Nacht auch über die Iunia, die völlig verlassen an diesem Ort einsam in dieser Zelle verschlossen war. Auch die schrecklichen Geräusche schienen in die stille Ferne zu rücken. Nur das Wimmern, leise Flehen und die leidenden Gesänge blieben ihr erhalten, endeten nicht mehr, da sie sich im Mauerwerk festzuhalten schienen. Niemand sprach mit ihr. Niemand schien sich noch um sie kümmern, während das Gatter kein Entkommen zulassen konnte. Auch das schwache Öllicht schien die Iunia zu verlassen. Es verabschiedete sich in einem hellen Flackern, gab der Dunkelheit endlich den Raum, den sie an diesem Ort haben sollte. Der schwarze Schatten kroch schnell in jede Auge und füllte die Augen mit Schwärze. Kein Licht an diesem Ort war mehr gesehen und die Iunia war in völliger Dunkelheit angekommen, während die Mauern ihre verächtliche Kälte abstrahlten.


    Dies war eine Gruft für Träume und persönlichen Hoffnungen. Dennoch keimte an diesem Ort jener Widerstand, den Verus so verfluchte. Nicht die Flüche einer Frau ängstigten den Schlachtenmeister und Henker so vieler, sondern der Fluch des Widerstandes, der nicht mit einem Knüppel oder Schwert zu brechen war. Die Prätorianer fürchteten diesen Widerstand, der seine Angst verlor und sich auch im Untergang gegen die Mächte stellte, die die politische und gesellschaftliche Welt maßgeblich bestimmten. Es war ein Widerstand, der auch das eigene Leben opferte, um einer Idee zu folgen, die dieser Grausamkeit etwas entgegen stellte, was größer war; was besser war, als dieser stetige Verlust und Stillstand. Verus hatte seine Träume längst begraben, sich dem Stillstand ergeben, um sich träge von den finsteren Kräften versorgen zu lassen.


    Die Prätorianer hielten sich für die Zukunft, doch waren sie Vergangenheit, geschaffen von einem Kaiser, der um seine Macht fürchtete und sein Leben bewahren wollte, in unruhigen Zeiten. Sie waren gewachsen unter zynischen und machthungrigen Seelen, und stellten sich unter Caligula und Nero sogar in den Dienste einer herausgehobenen Macht mit einem absoluten Anspruch, gegen die Menschen dieser Stadt und der Welt. Niemand konnte sagen, wie viele Menschen sie verdammt und in namenlose Gräber geworfen hatten. Niemand wusste, was die Prätorianer wirklich auf sich geladen hatten, da selbst der Senat sie niemals für ihre Taten verurteilte. Sie waren auf eine perfide Art freigesetzt und gleichsam durch ihre Gegenwelt ständigen und permanenten Sachzwängen unterworfen. Grausamkeit verlangte immer neue Grausamkeit, um nicht Opfer einer ähnlichen Grausamkeit zu werden. Ihre Welt war schwarz, wie ihre Robenmäntel und Tuniken. Und diese Schwärze manifestierte sich gerade in diesem Raum, indem kein Licht blieb. Eine Ratte schnüffelte an Iunia und verschwand unlängst in der Dunkelheit.


    Die Nacht war lang, schien endlos, während sie das Gemäuer umhüllte, wie ein Leichentuch. Doch auch diese Nacht endete. Ein Soldat ging durch den Korridor und entflammte die kleine Öllampe mit einem Zündstein und ein wenig Öl aus einem Tongefäß, bevor er einen müden Blick in ihren Raum warf. Ihm war es vollkommen gleichgültig, was mit ihr geschehen war, sondern musste nur aus bürokratischen Gesichtspunkten feststellen, was mit ihr geschehen war. Lebte sie noch oder litt sie? Es war nicht wichtig, was er dabei fühlte, sondern es wurde in einer Liste vermerkt, die anderen zur Verfügung stand. Der prätorianische Wächter entfernte sich und schien dabei recht langsam zu schreiten. Er hatte es nicht eilig. Niemand hatte es hier eilig, da Zeit hier bedeutungslos war. Zeit war hier dehnbar, lösbar und am Ende leer. Es gab hier keinen Sinn oder Unsinn, sondern es passierte einfach. Gründe lieferten andere. Sinn suchten andere aber dieser Ort selber, war einfach nur hier und gleichsam aus der Welt gerissen, in diese Gegenwelt der Prätorianer, die so sehr pflegten, wie ihr unnahbares Außenbild. Der wahre Feind war längst in den Köpfen. Es war diese paranoide Furcht vor Andersartigkeit, Abweichlern und Feinden. Ihr Weltbild kannte nur Feinde. Die Suche endete nie. Und genau mit dieser festen Absicht würde dieser Ort für immer seinen Schrecken behalten.


    Iunia erhielt nichts. Garnichts, woran sie sich festhalten konnte, außer diesen Brief von Arsinoe, der mysteriös übersehen wurde. Drei Soldaten brachten eine junge Frau, die einen Sack über ihrem Haupt trug, und schwere Fesselketten ertragen musste. Ein Soldat öffnete den Verschluss des Gatters, schob es hektisch ruckelnd zur Seite und deutete in die Zelle. "Du bekommst Besuch, Gefangene. Wir haben eine Überfüllung erreicht und müssen ein wenig umräumen," erklärte der Soldat mit seiner kratzigen Stimme, die leicht einbrach, sobald er seinen Hals bewegte. Die beiden tragenden Soldaten warfen die junge Frau in einer einfachen und verschlissenen Tunika achtlos neben Iunia auf den Boden, bevor sie die Ketten ruckartig durch die Ringe an den Wänden zogen, um die neue Gefangene an der Wand in eine fixierte Pose aufzurichten. Der dritte Soldat half beim Aufrichten, während man die Frau an die Wand presste, um die Ketten mit einem Schloss zu schließen. Die Frau war nun an die kalte Wand gefesselt, keuchte elendig aber schrie auf, als ihre Gelenke erfahren konnten, was diese Pose für Belastungen auslöste, nachdem der dritte Soldat seinen Griff lockerte. Zum Abschluss riss man ihr den Leinensack vom Schädel und ging freundlich pfeifend aus dem Raum, während man sich erneut über ein Fest unterhielt, was bald stattfinden sollte. Mit einem lauten Knall schloss das Gatter, wurde verriegelt und die Soldaten waren wieder verschwunden. Die Frau erschöpft und gepeinigt durch die Ketten in der Zelle, blickte zu Boden, so dass erkennbar wurde, dass sie mehrfach mit Knüppeln geschlagen worden war. Auch ihre Haare hatte man ihr genommen, so dass nur eine zerkratzte Glatze blieb. Iunia konnte das Elend betrachten.

    Warum waren die Worte so ähnlich? Diese Welt war einsam. Sehr verlassen, so dass Verus inzwischen glauben musste, dass diese Gedanken, die auch Iunia gerade ausdrückte, der entscheidende Kern einer menschlichen Gesellschaft waren. Ihre leise Stimme, und ihre Unsicherheit trug sie, aber dennoch waren die Worte klar und deutlich. Sie wollte ihn verfluchen und sie hasste ihn. "Und wird dich das retten?" - fragte Verus mit dumpfer Stimme, die durch den Raum fuhr, wie eine Armee, um dann geräuschlos zu verebben. "Ich kenne diesen Hass," begann der Anwalt sündiger Seelen ohne sein Gesicht wirklich zu verziehen. "Ich habe diese Worte in vielen Sprachen gehört." Verus fühlte sich merkwürdig. Etwas geschah an diesem schrecklichen Ort mit ihm. Die Arbeit fiel nicht mehr leicht. Die letzten Tage hatten ihn über Gebot belastet und auch der Zweifel an Rom selbst war mittelbar spürbar. Zwar konnte der dogmatische Fanatismus die Ketten erhalten, die sein Herz zügelten aber etwas blieb zurück. Ein Hauch von Emotion, der durch die Augen zuckte, wie ein Blitz aus den Himmeln. "Glaubst du, dass sich Menschen ändern können?" Verus blickte an ihr vorbei auf die Wand. Eine graue Wand, die nicht nur Sinnbild für eine Politik war, sondern viel mehr in ihrer Farbe Bestätigung anbot. "Die Christen sagen, dass Liebe die Antwort ist," sagte der meuchelnde Großmeister, während er sich nervös über seine zitternde Hand vor. Diese kalte Angst war hier, kroch wieder in seine Glieder und nährte die Furcht niemals zu genügen. Er genügte einfach nicht. Denn dieser Mann war nicht nur ein durch sich selbst Getriebener, sondern auch ein Vertriebener seiner eigenen Macht. "Dein Fluch ist einer von vielen und auch nur eine leere Hülse. Etwas, was aus Hass geboren ist, und vergeht," stellte Verus gleichgültig fest.
    "Ist dort nicht mehr in dir? Nicht mehr als das?" Nun legte er seinen Kopf zur andere Seite und blickte sie im anderen Winkel an. "Ich verrate dir etwas," fielen zynische Worte aus seinem Mund, als er diese diabolische Grinsen zeigte, welches kaum merklich auf seinen Lippen lag. "Es gibt keine Wahrheiten. Es gibt nur Sichtweisen," erklärte der Mann mit frostiger Stimme, als er seinen Schädel wieder gerade ausrichtete. "Ich werde dir nun etwas vortragen, was deine kleine Welt vielleicht einer einfachen Tatsache eröffnet," meinte Verus und trat einen Schritt vom Gatter zurück.


    "Ich habe knietief in Schlamm und Knochen gestanden. Ich habe meine Lungen mit grauen Dämpfen gefüllt, während Rauch beißend in meinen Augen lag. Ich habe Armeen fallen sehen. Tausende Leben verschwunden. Ich marschierte über Lebende, wie Tote, um einer heiligen Idee zu dienen, die am Ende im Rauch zu Asche zerfiel. Ich habe Gräben und Befestigungen ausgehoben, auf Toten und sie alle begraben. Ich habe Abweichler ermordet, wo es keine Grenzen gab. Ich habe Menschen in ihrem Glauben verhungern lassen. Ein Haus von Schädeln im Wald. Die Unschuldigen, all die Unschuldigen, Iunia, werden verfolgt, getreten, geschlagen, erstochen, versklavt, hungern und ermordet. Sie werden uns fressen. Sie machen Schweine uns allen. Aus uns allen, während sie ihre Schnauzen in unsere Rippen rammen, um unsere Herzen zu fressen," trug Verus ein Gedicht vor und wandte sich dann ab, um Iunia alleine zu lassen. Er trat einfach ab und verschwand im Dunkeln.

    Immer kam Verus zur Erkenntnis, dass diese Iunia wahrlich keine Chrstin war aber eine werden musste, um die weiteren Pläne nicht zu gefährden. Dennoch kam ein wenig Reue auf, da er wusste, dass sie mitunter nur durch Zufall in diese Sache geraten war. Doch Willkür war Prinzip in gewissen Maßnahmen, um größeren Schaden von der Allgemeinheit abzuwenden. Die Säuberungen und Massenverhaftungen hatten stets auch erhebliches Willkürelement, um abschreckend und konsequent zu wirken. Ordnung war immer die Dominanz von Herrschaft und gleichzeitig war Herrschaft immer eine Form von Gewalt. Ob Verus nun den Knüppel einsetzte oder alleine der furchtbare Ruf seiner Prätorianer genügte, war ihm einerlei. Am Ende des Tages ging es um Sieg oder Untergang, wie auf einem Schlachtfeld. Sein Imperium hing an einem dünnen Seil, welches leicht durch Unruhe und Widerstand zu durchtrennen war.


    Also mussten viele Fäuste das Seil schützend umschließen, um es gegen Angriffe zu verteidigen. Auch eine Sanftheit und eine Friedenssuche konnten einen Angriff darstellen. Viele Einwohner verweigerten sich der einfachen Erkenntnis, dass ein Staat immer Gewalt brauchte, um Gewalt unter den Bürgern zu unterbinden. Ordnung war nur die Folge einer natürlichen Abfolge von Handlungen, die nicht immer sanft waren, sondern oft brutal. Verus war sicherlich nicht im Sinne eines griechischen Philosophen Demokrat, sondern viel mehr ein knallharter Machttheoretiker, der den Staat - folglich das Imperium - nur als Hilfskonstruktion für eine allgemeine Lebenswirklichkeit sah. Es musste einen Staat geben, um Barbarei zu verhindern und die Menschen in ihre Funktionen zu ordnen. Ohne Ordnung würde die Zivilisation zusammenbrechen und alles wäre verloren. Für Verus, der sein ganzes Leben Soldat war, war diese Brücke leicht zu schlagen. Lieber ein bisschen Grausamkeit, als einen dauerhaft grausamen Zustand für alle. Für einen Prätorianer heiligte der Zweck immer alle Mittel.


    Diese Stadt war nicht durch feine Sinne groß geworden, sondern durch einen gelebten Machtanspruch; erst in Italia, dann in der gesamten Welt. Verus machte sich keine Illusionen mehr von abgewogener Ästhetik, Künsten und Beschwichtigungen. Sie waren hier einfach nicht notwendig. Denn ihn rettete auch niemand mehr. Für Kunst und Kultur war im geschaffenen Friedensraum platz, den seine Männer und er jeden Tag mit ihren Knüppeln und Waffen errangen. Frieden war nur unter den Waffen möglich. Für eine Legionär war dies klar aber nicht für einen Bürger, der ein anderes Leben kannte und nicht in diese Abgründe blicken musste.


    Ihr Wimmern durchbrach seine Mauern. "Ist das wichtig?" - fragte er konternd und legte sein Kopf schie, wie ein Hundewelpe, der nicht verstand. Dabei weiteten sich seine großen und traurigen Augen, die immer noch ihren dämonischen Glanz behielten. Vielleicht befanden sich diese Iunia und er durch Zufall auf einer gemeinsamen Straße ohne Befreiung. Sie war Gefangene und auch er war Gefangener seiner Funktionen und Denkstrukturen. "Warum bedeutet dir ein Name so viel?" - war nun die zynische Gegenfrage und der Teufel trat näher heran, so dass sie nun seine kalte Fratze erkennen konnte, die nicht zu den Augen passen wollte. Eine Narbe zeigte sich im Gesicht. Zierlich, schmal aber sichtbar. Ein Soldat und nun ihr Advokat, welcher ihren Tod begleiten oder sie ins Leben führen konnte.

    Verus öffnete eine Schublade, zog einen Schinken hervor und legte ein paar alte Brote daneben. Soldatenbrot. Es war eine schnelle Speise, wie sie unter Offizieren üblich war, die kurzfristig und schnell speisen mussten. Verus rammte ein scharfes Messer in das Fleisch und drehte Licinus das Holzbrett zu. "Bediene dich," forderte Verus auf und lächelte scharf dabei. Denn Verus aß häufiger in seinem Büro und die Sklaven brachten bereits entsprechende soldatische Speisen unter, damit er seine Arbeit nicht vernachlässigen musste. Anders als andere Römer, die nur vier Stunden am Tag einer wirklichen Arbeit nachgingen, lebte Verus für seine Sache und war durchweg Soldat, was man an dieser Geste sehen konnte. Marcus würde diese Speise kennen. Üblich war nur ein wenig Knoblauchöl, um das Brot in dieses zu tunken, was leider fehlte. So blieb vorerst nur Brot und frischer Schinken, der bereits an einigen Stellen angeschnitten war. "Ich nehme an, dass du ahnst, dass ich bald nach Parthien aufbrechen soll," leitete der trecenarius vorsichtig ein und blickte dabei in seinen Becher. "Ich würde dies gerne vermeiden aber die Augusta gab mir einen vertrauenswürdigen Auftrag aber wir beide wissen, dass es dort allerhand Gefahren gibt. Meine Rückkehr ist ungewiss und bei der Lage in Rom mit den Christen, korrupten Beamten und einem latent trägen Senat, gehe ich sogar davon aus, dass dies eine Todesmission ist, um mich sauber zu entsorgen," sagte der Prätorianer recht monoton aber man merkte ihm dennoch eine gewisse emotionale Belastung an. "Aber du weißt, dass ich keine Wahl habe. Ein Befehl ist ein Befehl und ich werde nicht gegen meinen Eid handeln," versicherte er, obwohl er dies gelegentlich sicherlich getan hatte. Sein Eid war immer sehr flexibel und dehnbar. Doch in dieser Sache konnte er sich nicht mehr herauswinden und wollte es auch nicht. Seine Schuldgefühle und Albträume wollten enden und auch Verus hatte genug von diesem ewigen Kampf. "Aber, als Kamerad und Eidbruder, wollte ich dich nach deiner Meinung fragen und wie du die Sache bewertest," fügte er an und blickte Marcus mit traurig glasigen Augen an.

    Verus fühlte sich getrieben. Er hatte keine Zeit für sanfte Maßnahmen. Die Leere kam unaufhaltsam näher und er musste jede Maßnahme erklären und rechtfertigen, was wieder Zeit kostete. Seinen eigenen Tod vor Augen, ließ jedes Sandkorn in der Uhr tausendfach wertvoller erscheinen. Der trecenarius glaubte schlicht keine Zeit zu haben. "Ich werde mich beeilen aber deinen Ratschlag beherzigen," konterte Verus. Es dauerte einen Moment, bis er umschalten konnte. Weg von seinem Dienstgeschäft, hin zu etwas anderem. Nämlich seinen eigenen Wünschen, die durch Furcht und Angst stets um Beständigkeit rangen. Die Blicke der beiden soldatischen Männer, die diesem Reich so viel gegeben hatten aber auch einiges dabei verloren, kreuzten sich. Verständnis erfüllte Verus, der im alten Menecrates nicht nur einen Verbündeten sah, sondern auch einen ehrbaren Vater. Einen Familienmenschen, der sein eigener Vater niemals gewesen war. Die Claudier waren etwas Besonderes in dieser verlogenen Stadt. Anders als die Tiberier hatten sie echte Werte. Der Tiberius verachtete sein eigenes Haus so sehr, dass er sich schämen musste. Einen Namen, den er gerne ablegen würde, um dieser Schande zu entkommen, die ihn zu verfolgen schien. Nicht nur der Kaisermord oder die anderen Verfehlungen seiner Familie, die sich auch gegen ihn selbst richteten. Ein Tiberius lebte niemals frei von Schuld. "Ja," war die knappe Antwort, die gleichsam auch Verletzlichkeit offenbarte. Die Augen verloren diese Härte wieder und Verus zeigte etwas Menschlichkeit in Form einer Trauer und Traurigkeit. Er wirkte verlassen. "Wenn ich die Parthien Mission nicht abwenden kann, werde ich darin umkommen. Ich brauche jemanden, der meinen Namen ehrt und mich in die Gebete an die Götter einschließt. Natürlich werden die Kameraden für mein Grab aufkommen und auch meine Sterbekasse wird ihr übriges tun aber ich suche jemanden, der meinen Namen ehrt. Ich möchte wenigsten im Tode etwas Ehre verdienen, die mir zu diesen Zeiten verwirkt bleibt. Ich habe Angst um meinen Namen und mein Andenken," gab er zu und zog dabei andächtig Luft durch seine Nase.

    Verus zeigte sich emotionslos und zog schlicht seine Schultern hoch. "Das wird die Zeit zeigen. Ich werde aber nicht zulassen, dass solche Beziehungen das Imperium oder die Amtsgeschäfte gefährden. Der Kaiser vertraut mir in der Hinsicht, dass ich das Imperium vor inneren Feinde schütze und Aufstände unmöglich mache," erklärte er ein wenig selbstgerecht, ohne wirklich diese Selbstgerechtigkeit zu besitzen. Er fasste nur seinen ihm eigenen Auftrag in Worte ab. "Eine glaubwürdige Distanzierung setzt einiges voraus, Claudius. Mir reicht ein Lippenbekenntnis nicht, sondern nur eine echte Handlung gegen die Staatfeinde. Wenn ein Amtsträger Christ ist oder einen Christen unterstützt, macht er sich angreifbar und sollte sich glaubhaft durch Opfer und Handlung distanzieren," sagte der trecenarius monoton auf. "Ein Beispiel," begann er nun deutlicher zu werden, was er verlangen könnte. "Ein Vater, der seinen Sohn erwischt, der sich in eine Christin verliebt hat, muss seinen Sohn dazu bewegen, diese Christin zu verlassen und die Christin uns ausliefern! Der Sohn und der Vater müssen dem Staatskult opfern," war das kaltherzige Beispiel, welches jedes Mitgefühl vorerst verneinte. "Nur so lässt sich diese Seuche eindämmen und das Vertrauen in die Ordnung wieder herstellen," schloss Verus und blickte den Präfekten aufmerksam ob seiner Reaktion an.

    Es wurde kälter. Ein eisiger Wind durchzog den Korridor und umspielte das Gatter mit seinen frostigen Krallen. Die Wände schienen sich zu bewegen, während Füße durch den Korridor marschierten. Es waren Soldaten, da sie im gleichen Takt schritten und mit jedem Schritt fest auftraten, so als ob sie böse Geister vertreiben wollten. Es war eine Gruppe aus drei Prätorianern, die dunkle Tuniken trugen, ein cingulum militare und schwere Holzknüppel mit einem eingelassenen Zeichen, dem römischen Adler. Ihre Stiefel waren mit Nägeln beschlagen und klangen in jedem Schritt nach, als sie über den Steinboden kratzten. Schlagartig wurde es ruhig, als die Prätorianer eine Zelle unweit von Iunias Kammer öffneten und man Schläge hören konnte, die immer wieder äußerster Brutalität vollführt wurden. Nicht einmal ein Wimmern kam aus der Zelle hervor, als die Legionäre einen scheinbar toten Körper aus dem Raum schliffen. Sie zogen ihn an den Füßen heraus, wie ein altes Vieh, welches verendet war. Man kam mit der Leiche an Iunias Zelle vorbei. Die Person war entkleidet, zeigte unendliche viele Blessure, teilweise verheilt und einige frische Wunden. Auch Brandblasen zeigten sich, die bereits aufgeplatzt waren. Die Person war in einem schrecklichen Schicksal vergangen und die letzten Schläge hatten sie nicht mehr erreicht. Es war nur eine Art Lebendkontrolle der Prätorianer, die in ihrer Brutalität sicherlich zweifelhaft war. Die Prätorianer zeigten keinerlei wirkliches Interesse an ihrer Arbeit und unterhielten sich sogar dabei über belanglose Dinge, wie ein baldiges Familienfest oder ein gemeinsames Saufgelage. Die tote Person kümmerte sie nicht, sondern wurde wie ein Objekt behandelt, was man nun entsorgte. Iunia konnte erkennen, wenn sie sich dem Gatter näherte und es wagte hinaus zu blicken, dass sich am grauen Ende des Korridors ein Handwagen befand, auf den die Soldaten schon zwei andere Tote aufgeladen hatten. Ihre Körper hatten sich bereits verfärbt und wirkten aufgedunsen. Man warf die letzte Person darauf und nahm den Handkarren, um diesen in Richtung Ausgang zu ziehen. Der Wagen näherte sich Iunias Zelle und der Anführer der kleinen Truppe wagte es sogar Iunia ein unverschämtes Lächeln zu zuwerfen, bevor er mit seinem Knüppel gegen das Gitter schlug. "Zurück," schimpfte seine alte Stimme, obwohl er eigentlich noch nicht sehr alt war. Doch dieser Ort machte ihn älter. Tiefe Falte und zerstörte Augen blickten Iunia an. Was hatte dieser Mann bereits getan oder gesehen? Genug, da sein Gesicht unmenschlich verzerrt wirkte, da es keinerlei Regung vollbringen konnte, außer dieses falsche Lächeln. Der Wagen zog weiter und entschwand im Dunkel des Korridor. Nur ein modriger Gestank blieb zurück, der erst jetzt wirklich wirksam werden konnte. Fäulnis machte sich breit. Die Pestilenz des Ortes wurde greifbarer und auch unsichtbare Hände schienen aus dem Boden nach ihr zu greifen, als wieder die unheimlichen Gesänge von Trauer und Leid durch die Wände schallten, verzogen und verzerrt durch Stein und Beton. Es dauerte aber nicht lange, da tauchte ein Mann auf. Ein einziger Mann, der sich vor das Gatter stellte und still sowie stumm hineinblickte, ohne mit ihr zu sprechen. Auch er trug einen Knüppel in seinen Händen, aber andere Stiefel, die eines Offiziers und trug eine wertvolle Halskette mit einer Figur. Auch wirkte die Tunika wertvoller, wenn auch aus gleichem Stoff gefertigt, da man sich an diesem Ort immer schmutzig machte. Selbst allein nur dadurch, dass man ihn kannte und betrat. Verus hatte sich eingefunden, um diesen Fund zu bewerten. Mit gelangweilter Bewegung verstaute er den wuchtigen Knüppel an seinem Gürtel, um näher an das Metall zu treten. Beobachtung schuf Erkenntnis. Und Verus beobachtete mit kalten Augen, die dämonisch glänzend im Licht des Ortes zum Vorschein traten. Er war der Herr dieser Hölle und als Teufel war auch Advokat aller Seelen.

    Mit schnellen Schritten geleitete er seinen prätorianischen Kameraden in sein Arbeitszimmer, wo bereits einige Dokumente auf dem großen Arbeitstisch ausgebreitet lagen. Eine halbleere Karaffe Wein sprach für einen langen Tag. Verus schenkte dem Iulius ungefragt ein und reichte ihm den Becher. Es handelte sich um einen guten und süßen Wein von herausgehobenener Qualität. Verus hatte es sich angewöhnt zu trinken, um mit der Belastung klar zu kommen. Und auch um einige Gedanken abzutöten, die ihn stets verfolgten. Verus schloss die Tür hinter dem Iulius. "Marcus," sagte Verus erleichtert und nahm seinen eigenen Becher auf, um mit ihm anzustoßen. "Ich danke dir, dass du gekommen bist," teilte der verzweifelte trecenarius seine Emotionen mit, die auch in seinem Gesicht sichtbar waren. "Es gibt Dinge, die muss ich im Vertrauen mit dir besprechen, auch fern der Hierachien," klärte er seinen alten Freund auf, um Missverständnisse gleich aus dem Weg zu räumen, obwohl er wohl damit neue Fragen erschuf. "Du hast sicherlich Hunger?" - fragte Verus in römischer Sitte, um seinen Gast standesgemäß zu behandeln.

    Verus öffnete in der Aufmachung eines einfachen Handwerkers; einfache Leinentunika und ein sehr einfacher Gürtel aus zerkratztem Leder, jene Porta und lugte vorsichtig heraus. "Marcus," sagte er leise, so als ob überall feindliche Ohren wären. "Komm' herein," lud er seinen Kameraden ein.

    Es handelte sich tatsächlich um einen Brief, der auf einem Stück Stoff geschrieben war, welches alt war. Die Farbe der Schrift war vertrocknet Rot, scheinbar so als ob eine Person diese Zeilen mit ihrem eigenen Blut geschrieben hatte. Der Brief drohte in den Händen zu zerfallen und doch hatte er Bestand.


    Ich weiß nicht, ob du mir glauben wirst, diese Zeilen lesen wirst oder ich dich überzeugen kann, dass dies nicht eines ihrer Spiele ist aber das kümmert mich nicht mehr. Denn ich bin einfach nur ich. Das konnten sie mir an diesem Ort nicht nehmen. Mein Name ist Arsinoe. Ich denke nicht, dass ich noch lange leben werde. Aber ich wollte jemanden über mein Leben berichten, bevor es schlicht vergessen wird. Dies ist wohl mein einziges Bekenntnis und ich schreib es wahrlich auf einem Stück altem Stoff meiner Gefängniskleidung.


    Ich bin vor 27 Sommern in Ravenna geboren worden. Meine Familie war nie arm aber auch nicht reich und wir zogen von Ort zu Ort. Mein Vater war Händler. Ein berühmter Händler für teure Stoff. Ich liebte diese Stoffe. Doch ich erinnere mich nicht mehr sehr an diese Jahre. Nur an die langen Reise und den Regen. Diesen wunderschönen Regen, der uns zu begleiten schien. Ich unterstützte meinen Vater aber hatte auch meine eigenen Ziele. Das Theater zog mich an aber ich dürfte nie auf großen Bühnen spielen. Das Theater sei uns Frauen verboten, sagte man mir. Und doch fand ich Anstellunge als fahrende Tänzerin und Schauspielerin auf wilden Bühnen.


    Die Römer schätzten wohl mein fremdes Äußeres, welches sie an Persien oder Ägypten erinnerte. Mein Vater verstarb leider früh an einer Krankheit und meine Mutter versuchte den Handel ohne ihn fortzusetzen. Meine Mutter war eine starke Frau, die es schaffte uns vor der Zeit abzuschirmen, die aufzog. Ich weiß nicht genau, was diese Zeit auslöste. Ich weiß nicht einmal, warum sie uns so hassten.


    Sie hassten uns einfach. Es begann mit Worten. Unschönen Worten und dann begannen die Übergriffe, erst von Nachbarn, dann von Soldaten und schließlich entriss man mich meiner Familie.


    Mein Bruder wurden von einem einstigen Familienfreund im Handgemenge um wertvolle Stoffe erschlagen, weil die Soldaten sagten, dass wir als Christen keinen Besitz verdient hatten. Dabei hatte ich nie Streit gesucht, sondern wollte nur in Frieden leben. Ich verstehe es nicht, warum sie uns solche Namen gaben.


    Man brachte mich in diese Zelle. Man schlug mich, bedrängte mich, eine Aussage zu tun, weitere Christen zu verraten. Die Prätorianer folterten mich auf verschiedene Weisen, mit kaltem Wasser, Feuer, Opium und Schlafmangel. Immer wieder Schläge und Tritte. Aber am meisten verletzte mich ihre Verachtung, dass sie mich nicht mehr als Mensch sahen. Sie blickten mir nicht einmal in die Augen, während die Soldaten diese grausamen Dinge taten.


    Ich kann nicht glauben, dass Menschen so herzlos sein können. Doch ihr Hass ist stark und ich kann nicht erklären, warum wir so hassenswert sind. Wir wollten doch nur Frieden und die Liebe des Herrn. Doch genau an diesem Ort fand ich meinen Glauben. Je mehr sich mich bedrängten, folterten und Gewalt antaten, umso mehr begriff ich, dass sie machtlos waren. Ihre Gewalt und Brutalität war nur Ausdruck ihrer Unfähigkeit zu Liebe und Frieden. Sie würden am Ende verlieren, denn wenn alles erobert und zerstört wäre, hätten sie nur noch ihre einsame Asche. Sie haben versucht, mir meinen Namen zu nehmen, meine Person zu zerstören, doch das haben sie nicht geschafft.


    Ich bin ein Mensch gewesen, der nun zu Gott gehen kann. Ihre Schläge und Worte haben hier keine Macht mehr. Sie hatten nie Macht über uns, sondern allein wir selbst entscheiden uns. Gott behütet die Liebenden, die Friedfertigen und Sanften. Ich werde nicht hassen. Nicht verzweifeln und aufrecht in meinen Tod gehen. Sei mutig, der du das liest. Ich verstecke diesen Brief vor ihren Augen, damit er einer Seele Hoffnung geben mag, die leiden soll aber nicht leiden muss. Sie haben auch keine Macht über dich, wenn du glaubst. Glaube an das Gute und die wunderschönen Dinge des Lebens! Lebe jeden Atemzug und zeige ihnen, dass sie keine Macht über dich haben. Niemals haben werden.


    Selbst wenn sie dich töten, können sie dir nicht dein gelebtes Leben nehmen. Egal, was du von mir halten magst, wie du gelebt hast, ich möchte, dass du weißt, dass ich dich gerne kennengelernt hätte. Dich umarmt hätte und wir gemeinsam gelacht hätten. Diese Welt mag uns hassen aber wir hassen sie nicht. Egal, was dir widerfahren wird, ich glaube an dich.


    Deine Arsinoe

    Verus war überzeugt, dass die Zusammenarbeit der Prätorianer mit dem Stadtpräfekten für überzeugende Ergebnisse sorgen würde. Immerhin arbeiteten wichtige Organisationen des römischen Staates eng zusammen, um die gewünschte Agenda umzusetzen: Rom musste obsiegen. Verus war ein Fanatiker aber nicht dumm. Sein Interesse lag nur oft im Kontrast zu sanfteren Gemütern.


    Einst war er selbst sanft und rücksichtsvoll aber durch einen langen Dienst war dieses Attribut seiner Persönlichkeit ins Gegenteil verkommen. Im Geschäft war er hart und brutal, um die etablieren Interessen umfänglich zu verteidigen. "Du wirst alle notwendigen Informationen und Erkenntnisse erhalten, damit deine Amtsführung gesichert ist," versicherte der trecenarius loyal und betonte dies sogar durch ein fürsorgliches Nicken. Die Augen waren dabei geschlossen, ehe er sie wieder im gewohnten Ton seiner frostigen Kälte öffnete; diese verteufelte Traurigkeit, die gleichsam Leere war. Auf den Kommentar konnte Verus eingehen, da dies tatsächlich ein Beweis für den Versuch der Manipulation gewesen wäre. Der trecenarius musste also elegant über dieses Problem hinweg steigen, um das gemachte Vertrauen nicht zu vernichten. Immerhin wertschätzte er den Claudius sehr. Ein echter Verbündeter, der jedoch auch seine Fallstricke hatte. Seine seltsame Ehre verhinderte ein übermäßig radikales Vorgehen, so dass Verus seine Säuberungen nicht verdeckt aber behutsam und langsam durchführte. Man säuberte die Staatsfeinde Stück für Stück, Woche für Woche, bis die Zahlen erreicht waren, die Verus selbst mit seinem Stab quotiert hatte.


    Der trecenarius war inzwischen bei den einfachen Klassen gefürchtet, denn das Gesetz kannte keine Gnade mehr. "Nach meinen Informationen besuchte die begierige Iunia Axilla mit Verwandten das Haus der Iulier, um dort an einer cena teilzunehmen. Auch scheinen die Iunia rege Kontakte zu pflegen, einst zu Iulius Dives, dann zur entschwundenen Sergia Fausta und nun ist dieser wundersame Aufstieg verwirklicht, begünstigt durch den derzeitigen procurator a memoria. Die Namen, die Iunia Axilla kennen und hofieren, reichen weit, Claudius," formulierte der trecenarius seine bekannten Berichte und blickte den Präfekten mit seinen Eisaugen an. "Auch scheint sie öfters gegen Abend aufzubrechen, und suchte wohl nach Angaben noch nicht gesicherter Quellen, ein Haus eines bekannten christlichen Predigers auf. Dieses Haus ist inzwischen geräumt und der Prediger...," sagte Verus und brach dann ab, um dies besonders zu betonen: "... verschollen." Es war klar, was Verus als Meuchelmeister damit meinte. Man hatte den unliebsamen Störer entsorgt. "Das reicht uns selbstverständlich noch nicht für eine Festsetzung, sondern wir müssen diese Person noch eine Weile beobachten, um sicher zu gehen. Wir werden diesen Fall sauber bearbeiten, Claudius. Heikel ist dies nur, weil aus dem Hause der Iulier auch wichtige Offiziere stammen und dieser Kontakt sie kompromittieren könnte," meinte der Prätorianer nüchtern.

    Es war dieses Gefühl. Ein Dröhnen in der Ferne, welches ihn fürchten ließ. Es war eine paranoide Gewissheit, eine fremde Melodie, die Wahrheit verhieß. Rom war in Gefahr. Nicht nur durch fremde Feinde, sondern viel mehr durch sich selbst. Verus und seine Fanatiker sahen die Abfolge der Ereignisse genau vor ihren Augen. Sie alle hörten dieses furchtbare Geräusch, welches still aber beständig, etwas von ihnen einforderte. Es war diese Melodie, die sie antrieb und ermächtigte, das zu tun, was in ihren Reihen taten. Sie unterwanderten Rom, nahmen Plätze und Raum ein, um für diesen letzten Kampf gerüstet zu sein. Einen Kampf, den sie unweigerlich erwarteten. Jeden Tag. Verus stützte sich auf sich seinen Arbeitstisch. Im Halbkreis vor ihm standen jeweils seine wichtigsten Offiziere und Soldaten, um ein Gespräch von außerordentlicher Dringlichkeit zu führen. Die aktuelle Lage verlangte es. Denn dieses politische Dröhnen näherte sich. Die Prätorianer, insbesondere der Stab um den Tiberius, sahen sich durch den paranoiden Wahn angesteckt, den sie einst selbst geschaffen hatten.


    "Wir können keine weiteren Säuberungen durchführen," meinte ein centurio, der abgekämpft und erschöpft wirkte. Kratzspuren in seinem Gesicht zeigten Belastungen und seine Augen wirkten leer aber gleichsam traurig. "Wir arbeiten doch nur noch auf Basis von ungesicherten Gerüchten," ergänzte der Mann, während Verus seinen Blick nicht anhob. Seine Hände zitterten in den Fingerspitzen.


    "Ich stimme zu. Wir sind bereits überdehnt und die Männer brauchen dringend eine Pause. Der carcer ist annähernd gefüllt und die Endbearbeitung der Fälle zieht sich bereits in die nächsten Monate. Wir haben keinerlei Möglichkeiten mehr, all die politischen Gefangenen und Staatsfeinde sauber zu bearbeiten," meinte ein altgedienter Offizier, der sichtlich beunruhigt wirkte. Auch an ihm waren die Aktionen in Rom in vergangener Zeit nicht spurlos vorbei gegangen. Niemand konnte eine derartige Belastung durchgehend ertragen. Verus verlangte derzeit Unmögliches, um einen erneuten Aufstand zu ersticken.


    "Das ist Schwachsinn," schrie Verus und blickte erbost mit starrenden Augen in die Gesichter der Anwesenden. "Ich dulde diese Schwäche nicht! Ich dulde diese Schwäche nicht," stampften seine Worte, als er sich vom Tisch entfernte und mit der Faust gegen die Wand schlug. Schmerz durchfuhr seine Knochen, als er wütend um seine Beherrschung rang. Schlafmangel und Belastung hatten auch ihm zugesetzt. Seine Hand färbte sich rot durch den plötzlichen Einschlag, als er diese sanft von der Wand zurückzog. Im Putz waren ein paar Risse entstanden und ließen ein wenig Lehm abbrechen. Es war diese Angst, die ihn wieder heimsuchte. Er dürfte diesen Kampf nicht verlieren. Nicht sein Rom verlieren, auch wenn sein Rom längst nur noch ein fanatisches Dogma war. "Wir sind die letzte Linie. Die allerletzte Linie in diesem Imperium, welche uns noch vom Chaos trennt. Diese Schädlinge. Diese Subjekte greifen uns alle an und ihr gedankliches Gift zersetzt jede Ordnung, die wir uns aufgebaut haben. Ihr wollt eine Fürsprache für Staatsfeinde halten?" Verus trat direkt vor seine Soldaten und ging den Halbkreis mit langsamen Schritten ab. Die Männer zeigten eine unnahbare Angst in ihren Gesichtern, während sie simultan peinlich berührt zum Boden blickten. Verus Ausstrahltung durchsetzte den Raum, wie der Eindruck einer Schlacht.


    "Aber, trecenarius...," wollte ein centurio anmerken, als Verus ihn an beiden Schultern packte und ihm direkt in die Augen blickte, als dieser erschrocken seinen Blick anhob. "Ja," wollte Verus nun wissen und ließ in seinem Ausdruck keinerlei Zweifel, dass er selbst zu allem bereit war. Wahnsinn der unsterblichen Angst, die jede Organisation dieser Art befallen konnte. "Wir sind keine Verräter," antwortete der centurio vorsichtig mit leiser Stimme und Verus ließ von ihm ab, um wieder in die Mitte zu treten. "Genau," konterte der trecenarius wieder leiser und deutete auf die geschloßene Tür des Raumes. "Hinter dieser Tür ist ein Schlachtfeld. Dort findet ein endloser Krieg statt. Ein Krieg, um Ordnung und Sicherheit. Ein Krieg, um unsere natürliche Ordnung, die uns Frieden und Glück gebracht hat. Das Imperium würde ohne uns enden. Ohne uns, gäbe es kein Imperium. Unser Kampf erlaubt das Imperium erst," erklärte Verus und seine Wangen zuckten dabei. "Jeder Gedanke gegen uns, gegen unsere Ordnung, ist Verrat. Jeder Wille und jede Handlung gegen uns, ist Verrat," forderte nun seine Stimme und die Soldaten blickten wieder beschämt zum Boden. "Wir dienen Rom!" - schrie Verus fanatisch und seine Augen weiteten sich benommen. Es war dieser Fanatismus, der noch Sinn ergab, und Rechtfertigung schuf, für all die Grausamkeit, die erdulden und erfahren musste. "Wir dienen Rom", antworteten die Soldaten und blickten mit erkalteten Gesichtern auf.


    "Wir werden das Imperium nicht enden lassen. Hier ziehen wir unsere endgültige Linie und nun werden wir uns dem Problem widmen, wie wir mehr Platz für mehr Gefangene erhalten können und die Bearbeitung aller Fälle beschleunigen können," sagte der trecenarius nun leiser und kehrte wieder in die kühle Sachlichkeit zurück, die ihn sonst auszeichnete. "Ich möchte kein - Nein - mehr hören oder ein - Wir können nicht -," forderte er betont ein und nahm wieder an seinem Schreibtsich Platz, weil sein Knie erneut schmerzte, die Kriegsverletzung aus Germanien. "Die Säuberungen gehen weiter, bis wir davon ausgehen können, dass kein Aufstand mehr möglich ist," erklärte damit seine Meinung und seinen Entschluss. Und meinte damit in erster Linie seine eigene Betrachtung.


    Sim-Off:

    *im carcer ist derzeit wohl Platz für 140 Personen, also zur Beruhigung der SL: es wurden nur 140 Personen "gesäubert". ;)

    Verus lag erschlafft auf dem Boden. Seine Tunika war mit Schweiß durchtränkt. Er hatte seine Übungen abgebrochen, als ihm ein unbekanntes Gewicht auf die Lungen gedrückt hatte. Gedanken waren zerfallen und selbst der Sport konnte den Mann nicht von seiner Plage befreien. Verus wurde klar, dass etwas geschehen musste. Die geplante Flucht in seinen eigenen Tod, würde das grundsätzliche Problem mit seiner kleinen Familie nicht lösen. Was sollte aus Luna und seinem Sohn werden? Ohne ihn würden die Feinde, die er sich schnell machen musste, über seine Nachkommen herfallen und diese niedermachen. In Rom gab es kein Verzeihen oder eine Gnade. Sein Sohn würde als Bastard nicht anerkannt werden, seine Ehefrau Luna nur als Konkubine gelten und sein Vermögen würde durch den Kaiser beschlagnahmt werden, wenn sich die Kräfte durchsetzen würden, die sich bereits gegen ihn sammelten. Allen voran am Kaiserhof selbst. Dies war das nun bekannte Gewicht auf seinen Schultern, welches ihn abbrechen ließ. Er lag dort, um den kalten Stein zu spüren. Der Boden gab ihm Sicherheit und auch die Gewissheit, dass er bald für immer auf dem Boden der Welt liegen würde. Der Tod eines Soldaten lag auf dem Schlachtfeld. Im Bett zu versterben war ehrlos und auch nicht Strafe genug für seine schuldbeladenen Gedankenwelten. Er wollte für etwas Büßen, was er nicht einmal zu verantworten hatte. Dennoch konnte er es nicht. Die Pflicht und die Verantwortung ketteten ihn fest. Er konnte Luna mit dieser Welt nicht allein lassen. Nicht mehr. Dieser Mann war tatsächlich noch zu Liebe in der Lage und ihre Liebe gab ihm tatsächlich Zuversicht, auch wenn die Belastungen immer größer wurden. Verus wollte frei sein. Für einen Moment einfach nur hier liegen und hoffen. Etwas Mensch sein, bevor wieder die Härte und die Brutalität in sein Leben kamen. Er vermisste seine Luna.

    Einige Tage später, tat Verus erneut seine Pflicht und tauchte im Geleit von seinen zwei engsten Leibwächtern auf. Er durchquerte die Hallen unberührt, ungestört und eiligst. Diese Pflicht hatte ihn leer gemacht. Es blieb nicht mehr viel, außer dieser Pflicht. Getrieben von einem militärischem Eifer und einem prätorianischen Fanatismus, wollte er den Kaiser im Rahmen seiner Möglichkeiten informieren. Obwohl sein Wunsch gegenüber der Pflicht geringer war. Verus, als trecenarius, übersah viele Operationen und Einsätze des Reiches, so dass seine Zeit auch für eine solche Unterredung begrenzt war. "Imperator," grüßte Verus, flankiert von seinen Loyalisten. "Ich habe einen mündlichen Bericht über die aktuelle lage vorzubringen. Er betrifft die Nachverfolgung der Aufständischen, das Christenproblem, und erheblich den Mord an jenem Senator." Der Kaiser sollte zumindest den Fokus des Gespräches einordnen können, damit man sich nicht unsinnig verlor und sich nicht gegenseitig die Zeit stahl. Verus hatte sich den Ruf eines kalten Rationalisten erarbeitet, der wenig übrig hatte, für Höflichkeiten oder soziale Protokolle. Er war ein harter Kämpfer des Imperiums und zeigte dies auch im Umgang, der stets geprägt war von dieser abweisenden Sachlichkeit und dieser düsteren Aura eines Schattenmannes.

    Schwere Füße suchten ihren Weg, als man die Frau, die man auf Geheiß des dunklen trecenarius in Gewahrsam genommen hatte, durch die wenig beleuchteten Korridore des Kerkers trug. Zwei Prätorianer trugen sie, so dass ihre Füße nicht einmal den Boden berührten, sondern ihre Fußspitzen über den kalten Steinboden geschliffen wurden, weil ihr Körper in einem festen Griff von starken Armen eingeklemmt war. Der Halsring war ihr nicht abgenommen worden und scheuerte bei jeder Bewegung gegen ihr Kinn, während die Fesseln an ihren Handgelenken für einen ziehenden Schmerz sorgten, da man die Fesseln noch enger gezogen hatte, um den Transport zu erleichtern. Der Ort war umgeben von diesigen Dunst und einem ekeligen Gestank von Pein und Leid. Schweiß geronn hier mit Blut und Angst zu einem süßlich-bitteren Geruch, der einem schlicht in die Nase stieg und dort verweilte, wie ein Quälgeist. Man konnte ihn nicht wegdenken oder nicht wahrnehmen. Die Soldaten hatten sich schlicht daran gewöhnt und verbanden mit diesem Geruch ihre Arbeit. Hin und wieder schrie eine Person unter Schmerzen auf, andere weinten und andere sangen in ihren Muttersprachen seltsam traurige Lieder, bevor erneut Peitschen und Hiebe durch die Mauern schallten. Ein wirklich düsterer Ort war dieses Gefängnis der Prätorianer und es hatte schon viele Seelen gebrochen, um sie der schwarzen Sache Untertan zu machen. Iunias Transport war ohne Probleme verlaufen und man hatte sie bei Ankunft von den Christen getrennt, die scheinbar eine andere Destination hatten; die aber nahe genug war, dass sie einige bekannte Gesichter auf dem Weg hinab beobachten konnte.


    Die Prätorianer schienen die Gefangenen in verschiedene Gruppen einzuteilen aber die Iunia war wortlos an diesen Ort verbracht worden. Dieser Ort verletzte ohne eine Handlung. Er war dieser Welt entrückt und doch so weltlich. Ein Gehilfe riss das Gatter auf, welches nun diese Frau vor der Außenwelt bewahren sollte. Es knirschte und stöhnte, als sich das Metall mühsam zur Seite bewegte. Ein Flüstern aus einer anderen Welt, als Caerilia unschuldig in die Zelle geworfen wurde. Der Boden war kalt, zwar mit Wasser abgewaschen aber man konnte noch gut die Spuren von einsamen Gefangenen erkennen, die ihre Fingernägel in den Boden getrieben hatten, um etwas zu spüren. In den Kerben fanden sich noch Reste von Blut. Eingetrocknet und längst vergessen. Man hinterließ der Frau nicht viel, dennoch fesselte man sie nicht an die angebrachten Ringe an der dunklen Wand. Etwas, was anderen Gefangenen vorbehalten war, die in den Nachbarzellen ihr kümmerliches Ende erwarteten, um von dieser Gefangenschaft befreit zu werden. Es gab kein natürliches Licht, nur ein Licht einer billigen Öllampe im Korridor, welches stets flackerte.


    Eine Matte aus Leinen war ihre einzige Decke neben einem Kissen aus gleichem Stoff, gefüllt mit Stroh. Es fand sich kein Bett, nicht einmal ein Eimer im Raum. Nur ein kleines Loch, welches mit einem Gitter versehen war, durch das sie Wasser rauschen hören konnte. Dieses Gitter schien ein Abort zu sein, durch den Prätorianer Müll oder andere Reste aus dem Raum entfernen konnten. Der Kanal unter dem Gitter war sehr klein und würde niemals eine Person behergen können, doch das fließende Wasser hatte eine beruhigende Ausstrahlung, da es diesen Ort verlassen konnte. Vielleicht war es das einzige Geräusch an diesem Ort, welches nicht mit Leid verbunden war. Noch nicht. Die Prätorianer traten noch einmal nach der Frau, als diese auf dem Boden angekommen war, bevor sie sich wortlos entfernten. Ihr Halsring schlug mit einem lauten Geräusch auf den Boden, fest verschlossen um ihren Hals und unlösbar, solange sie kein Hilfsmittel fand. Das Gatter fiel unter dem eifirgen Gehilfen zurück und ein großer Riegel donnerte herab. Sie war gefangen und auch der Gehilfe entfernte sich mit einem gurgelnden Ton. Wieder Geschrei und Lärm. In der Nachbarzelle litt jemand unendliche Qualen, ohne das die Iunia ausmachen konnte, warum er dieses Leid ertragen musste. Sein Flehen und Bitten drang unverständlich durch die Mauern. Ein höllisches Erleben. Wenigstens hatte sie eine Decke und ein Kissen. Ein Luxus in dieser Festung des Schmerzes. Doch in einer Mauerspalte leuchtete etwas merkwürdig im diesigen Licht des Ortes. Jemand hatte dort ein Stück Stoff versteckt, welches beschrieben schien. Unklare Schriftzeichen würden bei näherer Betrachtung klarer werden. Es war ein Brief. Zu ihrem Glück hatten sich durch den unsanften Sturz auf den Boden, die Handfesseln ein wenig gelockert, so dass mit ein wenig Zeit diese abstreifen konnte, um ihre Hände von ihrem eigenen Rücken zu befreien.

    Verus rang mit sich. Nicht, weil ihn die Situation überforderte, sondern weil er sie schon zu oft erlebt hatte. Die emotionale Verfassung der Frau war ihm hingegen vollkommen gleichgültig. Niemand kümmerte sich wirklich um seine Gefühle, und die Legionen hatten ihm auch den Zugang zu einer solchen Gefühlsduselei erschwert. Härte und Stärke waren das Kredo eines Soldaten. Mit Emotionen, wie Mitgefühl oder Liebe, tötete und verstümmelte es sich schlecht. Ein Gladius konnte nur mit eisiger Präzision und Gefühlskälte ausreichend zielgerichtet geführt werden. Ein wirklich guter Soldat fühlte nichts, sondern handelte einfach. Nicht ohne Grund verschwendete die Legion sehr viel Zeit auf Abhärtung und Konditionerung, damit die Soldaten ohne großartige Emotionen in die Schlacht gingen. Es bewahrte ihn auch davor, zu viel über seine Handlungen nachzudenken oder einen Reuekomplex zu entwickeln. Leider war Verus in dieser Hinsicht kein guter Soldat. Er dachte zu viel nach. Vielleicht erlaubte ihm dies einen Zugang zu höheren Weihen aber kostete ihn zusehens seine Zuversicht und diese heimtückische Reue machte sich breit. Verus seufzte, als er sich erneut als dieses Monster fühlte, was er nun einmal war. Ein losgelassener Horror aus den Abgründen des Imperiums, gefordert und gefördert für nur einen Zweck, die Schatten der Macht zu verbreiten. Pluto hatte seine heimliche Freude an diesem Tag.


    Ihr Flehen war bekannt, erwartbar und nicht ausdrücklich neu. Gerade Frauen neigten dazu mit ihren Tränen und Emotionen, wie mit einem Maskenspiel, zu spielen, um Schaden von sich abzuwenden. Ihre Rollen wechselten sie schnell aber auch Verus wechselte seine Rollen schnell. Dies hatte er gekonnt von Sergia Fausta erlernen können, die ganz Rom mit ihrem Spiel hinter das Licht geführt hatte. Doch die causa Sergia war bereits erledigt und Verus war froh darum. Eine Spielerin weniger auf dieser furchtbaren Bühne, die Rom nun einmal war. In letzter Zeit nistete sich der bleibende Gedanken ein, dass es vielleicht in der Ferne besser war. Weit weg von den diesen Spielen, die hier alle zu pflegen suchten. Verus war mit sich im Unklaren, wie er verfahren sollte. Der Prätorianer blickte in den sich schwarz färbenden Himmel, beobachtete die vorbeiziehenden dünnen Wolken, die bereits vom Mond bestrahlt wurden. Ein nicht hässlicher Anblick. Verus hatte noch einen Sinn für Ästhetik, obwohl er durch seinen Drill praktische Lösungen stets bevorzugte. Ästhetik hatte im Leben eines echten Soldaten keinen Platz. Wuchtige Formen und Kanten dominierten seinen Alltag. Es tat gut, seinen Blick für einen Moment von diesem menschlichen Fiasko abzuwenden, welches sich hier darstellte. Diese Christen wurden zu einer echten Plage, obwohl Verus in diesem Gedanken vergaß, dass er selbst diese Plage beschworen hatte, um seine Brutalität zu installieren und zu demonstrieren. Fanatismus erleichterte Brücken in unliebsame Regionen des Handelns. Der Blick fiel wieder herab, auf die bekümmerte Iunia, welche zerbrochen und zusammengesunken vor seinen Augen verweilte.


    "Aha," machte Verus bitter. Ein spürbarer Sieg für die Schattenmänner. Ihre Tränen, ihr Weinen, würde ihr nicht helfen. Schon andere hatten versucht, Verus zur Aufgabe zu zwingen aber der trecenarius gab niemals auf, wenn seine Interessen noch umzusetzen waren. Die Iunia konnte nicht wissen, wie dieses Spiel gespielt wurde. Sie konnte noch nicht verstehen, was Rom wirklich am Leben hielt. Erst jetzt spürte der Meister so etwas, wie Mitgefühl. Er verstand, dass sie mit Sicherheit in diese Sache geraten war und er sie benutzen konnte, um weitere Interessen zu verfolgen. Diese Überzeugung war da, dass sie nützlich sein konnte. Und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch war. Eine Iunia an der Leine würde den Prätorianern eine weitere Familie ausliefern, wie einst die Claudia. Inzwischen waren die Claudia mit dem Stadtpräfekten eifrige Verbündete seiner Sache. Eine merkwürdige Entwicklung, dass der gerade praefectus urbi nun klar auf Seiten der Prätorianer stand, und dies auch gegen Teile der römischen Bevölkerung. Seine Pläne, die er konstruierte, waren weitreichender als die von Verus, der nur auf schlichte Kontrolle und Machenschaften setzte. Ein Tyrann herrschte nicht nur durch Brutalität. Verus blickte schweigend auf diese Frau herab, wie als ob er ein Kunstwerk betrachten würde. Er suchte etwas in ihr, was ihm einen Ratschluss für die weiteren Pläne ermöglichte. Eine polare Stille suchte ihren Weg, ließ diese Iunia ohne Antworten zurück, während die Soldaten ihr Handwerk um sie herum verrichteten. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis Verus antwortete.


    "Du wirst sterben," eine Wahrheit, die jeden Menschen ereilte aber Verus würde sie nicht töten, sofern sie ihm keinen guten Grund gab. Eine Wahrheit, die nun gebraucht wurde, und in ihrer Bewertung lag. Ihr Stolz lag in Trümmern und ihre Würde war ausgeliefert. Verus und seine Handlanger hatten etwas gefangen nehmen können, was kostbar war. Nicht nur eine wohlhabende Iunia, sondern auch Wissen aus dem Hause selbst. Dies war sogar noch viel wichtiger für die paranoide Welt der Prätorianer. Sie war nützlich. "Führt sie in die Gefangenschaft ab," rief Verus lautstark, damit die Frau in ihrem Weinen dies nicht überhören konnte. "Sie erhält eine eigene und saubere Zelle," befahl Verus, als dem Schatten zwei Soldaten hinzutraten, um die Iunia fest zu packen. Man verbrachte sie zu den anderen Gefangenen, wo sie durch Zufall auch ihren Sklaven wiederfand. Es war das übliche Verfahren. Die Iunia würde bearbeitet, eingeordnet und schließlich schlussbearbeitet werden. Verus würde wohl doch nicht von seinem erlernten Weg abweichen, der kaltherzig und gerade war. Auf dem Transportwagen saßen die Christen und vermeintlichen Christen zusammengekettet durch Halsringe und ihre Hände waren fest mit jenen Seilen verbunden. Auch Iunia legte man einen Halsring aus altem Metall an, welcher einige Kratzspuren zeigte. Die Gefangenen wimmerten leise, während andere beteten und ihren Gott beriefen. Immer wieder gingen Prätorianer vorbei, um gelegentlich mit ihren Knüppeln auf die Schultern zu schlagen, um für Ruhe zu sorgen. Der Wagen würde bald in Richtung castra davonrollen.

    Rache. Ein einfacher Gedanke wurde wirksam. Nicht gegen die arme Frau gerichtet, sondern gegen jedes Ungemach und Widrigkeit dieser Stadt. Verus hatte in seiner langen Karriere als Soldat viele Städte besetzt, Dörfer niedergebrannt und bereits Erfahrung in diesem blutigen Handwerk. Er fand nicht Gefallen am Kriegshandwerk selbst, sondern an jenem Gefühl der süßen Rache an der Gesellschaft. Für ihn war alles menschliches Handeln gebunden durch Emotion und Wahn der Illusion, dass ein Mensch Bedeutung haben konnte. Niemand hatte wirklich Bedeutung, nicht einmal er selbst. Er hatte die Leichenfelder von Dakien gesehen. Deren Angesicht ließ ihn nicht mehr los. Es hatte ihn verändert. Dieser Mann hatte finsteren Schlachten erlebt und hatte in seinem Kampf mehr geopfert als nur seine Moral. Natürlich war es möglich, dass diese Frau unschuldig war aber in seinem Weltbild spielte Wahrheit keinerlei Rolle mehr. Natürlich war es gut, Fakten zu kennen aber in der Ausführung spielten kalte Erwägungen eine Rolle und jene Bestätigung, dass die Macht in der Manipulation jener Wahrheiten lag. Durch zynische Arbeit gegen die Wahrheiten, durch Lügen und Misstrauen schuf Verus ein jenes Umfeld, was ihm Macht verlieh.


    Es machte Menschen mundtot, ließ sie zornig schweigen und gleichsam ließ es sie Rache an Schuldigen, wie Unschuldigen, fordern. Jene Rache, die er schon lange lebte. Die Wut war stets ein schlechter Berater und die Prätorianer hatten diesen Berater vielen Menschen zur Seite gestellt. Diese Christenkampagne verfolgte einen klaren Zweck, und auch die Gewalt und Brutalität, die er scheinbar gegen niederen Menschen dieser Welt richtete, um einen erneuten Aufstand zu verhindern, war in Wahrheit sein Aufstand gegen falsche Eitelkeiten und die Arroganz dieser Stadt. Er opferte die Schwäche einer Trägheit gegen die Gewalt des Wandels. Verus hoffe, dass er eines Tages hinter den Leichen, Opfern und Hinterbliebenen etwas fand, was es wert war. Iunia war durch Zufall in diesen Umstand geraten. Sie konnte nichts für diese Welt. Und sie konnte mit Sicherheit nichts für die Grausamkeiten des römischen Staates. Dennoch war sie nun fest verwoben mit dem Krieg, den die Prätorianer seit ihrer Gründung führten. Gegen die Wahrheit und gegen die Freiheit. Sie dienten stets politischen Zielen und saßen einem falschen Gericht vor. Verus zeichneten in diesem Augenblick keine weichen Gesichtszüge aus. Seine Augen wirkten frostig, so als ob aus ihnen Eisblitze zucken konnten.


    "Hm!"Er betrachtete die Frau aufmerksam, fast durchschauend, so als ob er wissen würde, wer sie wirklich war. Der trecenarius hatte schon viele Menschen brechen sehen, sie reduziert auf Kernbestandteile ihrer Persönlichkeit, um diese für weitere Interessen zu verwenden. Es war genau dieser Blick, den auch der Kaiser unheimlich fand. Verus war eine unheimliche Person geworden, dessen Kameraden blind folgten, da sie wussten das hinter dieser Fassade tatsächlich etwas lauerte, was sie brüderlich verteidigte. Verus war Kamerad. Ein Diener der Gemeinschaft und kämpfte mit seinen Untergebenen auf den selben Feldern bis zum Untergang. Dies hatte er stets bewiesen. Er teilte aber nicht nur dies, sondern war auch gefürchtet für seine Netzwerke und geheimen Schatten, die mit ihrem Flüstern ein jedes Gift verbreiten konnten. Nicht ohne Grund waren mit seinem Amtsantritt viele Menschen verschwunden, die einst gegen Rom oder die Prätorianer vorgegangen waren. Die angebrachte Gewalt schauderte Verus nicht einmal mehr, obwohl er sich wünschte, etwas hierzu zu fühlen. Er wollte etwas fühlen, fern dieser Rache, aber dort war nichts mehr. Eine ferne Erinnerung an Menschlichkeit lag bei ihm und entfloh in diese entfernte Nähe. Sie war noch greifbar aber dennoch unerreichbar für einen kampferfahrenen Soldaten, der mehr sehen und erdulden musste, als viele Söhne und Töchter dieser Stadt, die sich hinter Reichtum und schicken Mauern verstecken konnten. Mit Kraft, Mut und Klugheit hatte sich Verus diese Position erarbeitet aber hierzu eine Krankheit in sein Herz gelassen, deren Tentakel nach allem griffen, was ein Herz brauchte und es gierig zerstörten. Enttäuschung war eine Bestätigung und Verus hatte jede Forderung an diese Gesellschaft eingestellt. Sollten sie ihn alle verfluchen, wie einst Sulla. Sollten sie ihn verdammen, solange sie ihn fürchteten und er seinen Weg gehen konnten. Er opferte diese kranken Weg für einen fanatischen Glauben und Dogma, dass Rom obsiegte. Nicht diese Stadt, sondern diese absolute Idee von Recht und Ordnung, die Römer gerne pflegten. Die Iunia konnte nicht verstehen, was die Fanatiker um Verus bewegte. Nicht einmal der Kaiser verstand dies vollens. Doch dieser Wahnsinn wuchs mit jedem Soldaten, der seinen Eid bei den Prätorianern leistete. Es war eine Ideologie gewachsen, die keinerlei Abweichung duldete. Es war eine Zeit angebrochen, wo Verrat nicht mehr nur politisches Mittel war. Verus war nur Wirt für eine alte Idee von Rom, die auch Sulla bewegte. Das Militär wollte die Probleme dieser Gesellschaft mit ihren Mitteln lösen; Ungerechtigkeiten mit Brutalität und Grausamkeit beseitigen. Ein ewiger Kampf um Deutungshoheit entbrannte, und doch war dies für diesen Augenblick nicht von Bedeutung, denn diese Frau war ausgeliefert. Ihr gekauerter Zustand kümmerte Verus nicht, sondern wurde nur vermerkt, wie man einen Sachverhalt schlicht notierte. Irgendetwas wollte Mitgefühl zeigen, wurde aber durch die Dominanz des militärischen Drills verboten. Dennoch erinnerte sich Verus an dieses Gefühl, dass etwas nicht richtig sein konnte. Verus richtete die Vitis gegen die Iunia, um diese gegen ihr Kinn zu pressen, damit sie ihren Kopf etwas weiter hob. Er wollte ihr Augen sehen.


    "Eine Iunia," gab er zynisch von sich und dieser Umstand kam ihm gerade gelegen, da er so einen Bonus gefunden hatte, um Einfluss auf einen der Tribuni seiner Prätorianer auszuüben; und gleichsam konnte er so Iunia Axilla eine Falle bauen, die mit einem Feind in den Reihen der Administration verheiratet war. Ein Tyrann hatte sein neues Schlachtfeld gefunden. Eine Iunia war ihm ausgeliefert aber trotz dieses feinsinnigen Umstandes, war nun Vorsichti angebracht, damit die politische Absicht und das dogmatische Interesse nicht gegen die Prätorianer gerichtet werden konnte. Die Statores dürften sich nun keinerlei Fehler erlauben und die Bearbeitung dieses Vorganges bedurfte tatsächlich weniger Brutalität, sondern mehr Manipulation, die nicht selten grausamer war, wie vergangene Opfer der Schatten in panischer Angst berichten konnten."Wer sich bei den Christen bettet, ist wohl ein Christ," erklärte der trecenarius selbstischer und lachte finster auf. Seine Lache war unehrlich und falsch; gespielt aber gleichsam verdammungswert, da sie sich gegen die Würde der Iunia richtete. Sein Stab nickte, hielt sich aber zurück, um dem Schattenmeister nicht ins Wort zu fallen. Denn sie wussten, dass nun eine andere Bearbeitungsweise angebracht ist. "Lügen," stellte Verus fest. "Ich denke, du bist schuldig, wie angeklagt," meinte der Tiberius und spuckte neben Iunia auf den Boden, weil sich etwas Schweiß mit Blut vermengt hatte und einen fürchterlichen Geschmack im Mund erzeugte. Auch Gerüche legten sich auf seine Zunge und erzeugten diesen typischen Geschmack von Konflikt. Soldaten schmeckten und rochen Krieg. Und diese Eindrücke setzten sich fest. Wenn eine Hand eine Waffe im Kampf geführt hatte, konnte sie jenes Gewicht nicht mehr vergessen und somit war jede Handlung mit dieser Hand in einen Vergleich mit dieser Schwere gewoben. Dieser Ort begann zu stinken. Das Flehen der Iunia kümmerte Verus nicht, der in seinem Schädel Pläne durchging, wie dieser Sachverhalt zu verwenden war. "Eine Hinrichtung ist wohl nicht zu vermeiden," log nun der manipulative Verus, um den Druck gegen diese Frau zu erhöhen und eine Fassade der Angst zu errichten, bevor er sie in das weitere Verfahren überführen wollte. Seine Entscheidung war bereits gefallen, während man die üblichen Arbeiten im Umfeld weiter fortsetzte. "Die weiteren Wagen sind eingetroffen," meldete ein Soldat in Verus Ohr, so dass Verus die Vitis sinken ließ. Er ließ von diesem Vorgang ab, um kurzfristig die Organisation anzuleiten. Er blickte zum Leichenhaufen, der bereits fast vollständig verladen war und blickte dann zu den anderen Wagen, die bereits herangerumpelt waren. "Centurio Pertinius," rief Verus laut und der Centurio trat herbei. "Lade die Gefangenen auf und verbringe sie mit einem Wachzug zum carcer. Ich möchte dass dieser Platz sauber und schnell geräumt wird," befahl Verus sachlich und der Centurio entgegnete gewohnt militärisch. Man begann also die ersten Gefangenen auf die Wagen zu treiben. Verus hingegen wandte sich wieder der Iunia zu und blickte sie todernst an.