Beiträge von Aulus Tiberius Verus

    Allein in der einfachen Dienstkleidung der Prätorianer trat Verus wortlos auf. Er blickte sich um und nickte dem Mann im Vorzimmer zu. Man kannte sich. Mit einer fließenden Bewegung trat Verus weiter in den Innenraum des Hauptzimmers. Dort nahm er eine gespielte Haltung vor dem neuen Stadtpräfekten ein. "Ave," grüßte Verus förmlich und lächelte bitter. "Consular," fügte er an und nickte dann auch seinem alten Kampfgenossen Menecrates zu. Denn beide verband etwas, was nur wenige Männer verbinden konnte: Loyalität. Im Zuge der Kommission und darüber hinaus, hatten sich beide Männer bekannt gemacht und waren durch Umstände eng verbunden worden. Verus wollte nicht allzu öffentlich seine verspätete Achtung ausdrücken, da die Speculatores und Statores nicht gerne öffentlich auftraten und sich von den regulären Einheiten unterschieden. Verus wollte vertraulich mit Menecrates sprechen. Ein echtes Gespräch ohne politischen Eindruck.

    Verus näherte sich allein in der Aufmachung eines Bettlers und klopfte in gebeugter Haltung an die Tür, bevor er diese öffnete und eintrat. Er wartete im Hinterraum auf die Hausbelegschaft, wie es nach römischer Sitte üblich war. Eingangstüren waren nicht verschlossen über den strahlenden Tag. Mit müder Bewegung ließ er sich auf einer Wartebank nieder.

    Die Sachlage war erörtert. Verus zog seine Schlüsse und beließ dieses Unterfangen als gescheitert. Vielleicht lag die wahre Macht ja nicht in der Würde, sondern in der Unwürde. Verus war unwürdig, gescheitert und hatten nur seine Machenschaften und Intrigen. Die Lügen und die Schutzburg seiner Geheimnisse, die ihm seine Männer gaben. Als Trecenarius hatte er die Macht der Dunkelheit, des Misstrauens und der Angst. Er würde nie mehr zu den großen Lichtern gehören und wollte es vielleicht auch nicht mehr. Verus musste in dieser Sekunde akzeptieren, dass dieser Kampf um das Licht verloren war. "Gut, ich danke für deine Worte, Imperator," schloss der trecenarius enttäuscht ab. Jetzt galt es bis zum endgültigen Untergang die Geheimnisse und Pflichten zu wahren. "Du hast für Klarheit gesorgt und ich werde dies berücksichtigen," deutete Verus an und seine Augen bekamen diesen heimtückischen Glanz der Leere. "Ich bedanke mich und werde nun zu meinen Dienstpflichten zurückkehren," sagte er und trat wortlos mit lautloser Bewegung ab. Es schien fast so, als ob er in den Schatten verschwand.

    "Wahnsinn?" - Verus leistete sich ein wahnsinnig-zynisches Lächeln. "Manchmal ist genau jener Wahnsinn die Lösung für ein chaotisches Problem. Die Subura war stets ein Problem. Ein großes Problem für die staatliche Ordnung," erklärte der Prätorianermann nüchtern mit einem gewissen Unterton der Kaltschnäuzigkeit. In Gedanken war dieser Plan ausgereift. Zu ausgereift, denn er kannte keine Gnade. Gnade war ein Begriff, welcher Verus abhanden gekommen war. Er verstand diese Welt nicht mehr und wollte sie mit soldatischer Brutalität lösen, wenn nicht sogar erlösen. "Oh," machte der trecenarius. "Dann müssen die Ketten wohl halten und die Angreifer beseitigen," kommentierte er mit kaltem Blick, der todessehnsüchtig keinerlei Emotion bereit hielt. "Für Katakomben habe ich bereits eine Lösung. Eine entsprechende Lösung," antwortete Verus makaber. Er wollte Licinus, der skeptisch war, nicht noch mehr ins Ungemach stoßen. "Die Frage mit den Mietskasernen ist bereits in Arbeit. Meine Mittelsmänner übernehmen gerade für uns das Geschäft. Wenn die subura derartig geordnet ist, werden wir als Prätorianer erheblichen Einfluss genießen und den Wildwuchs eindämmen können. Einen wilden Busch muss man ganz zurück stutzen, um ihn erneut wachsen zu lassen," erklärte der Trecenarius seinen berechnenden Plan, der nicht nur ihn, sondern auch die Prätorianer in eine außerordentliche Machtposition rücken sollte. "Die Maßnahmen sind bereits eingeleitet. Die Christen werden verantwortlich sein," beugte sich Verus vor und nickte Licinus zu. "Ich brauche deine Unterstützung. Deine Mithilfe, da ansonsten die Maßnahmen in eine Richtung abwandern, die wir tatsächlich nicht kontrollieren können. Das ist keine Sache des Wunsches oder der Moral, sondern der Prätorianer. Du hast einen Eid geschworen, mein Bruder," forderte der Schattenmeister ein.

    Die ganze Welt beobachtete das Versagen eines Mannes, der eigentlich nur jene Liebe suchte, die er gerade verwarf. Er verwarf alles durch militärische Konditionierung und Abhängigkeit von seiner ihm eigenen Angst. Alle Oper in seinem Leben war umsonst und verschwendet. Selbst der Versuch der Rückeroberung seiner eigenen Würde scheiterte in dieser stillen Agonie. Es gab keine Lösung, keine klare Linie und eine Antwort für einen Mann, der sich selbst herzlos machen wollte. Sein Paradies war längst verloren, in der Vergangenheit und dem verlorenen Wunsch. Angst bestimmte seine Welt, getrieben durch Umstand und Verstand. Der Wunsch nach einem neuen Eden war hier. Der Wunsch nach einer Erlösung, dem Neubau eines Heimes mit seinen Geschwistern und doch blitzte nur das Versagen in seinen Augen. Verus versagte. Er scheiterte an sich selbst, obwohl er in allen anderen Dingen mit Brutalität siegte. Doch dieser Mann war hilflos getrieben in sein eigenes Überleben, als die erwartete Reaktion seines Bruders ausblieb. Verus musste realisieren, dass die Zeit als Bruder für ihn verloren war; verloren, wie seine Liebe, die in einem Lichtblitz deutlich wurde, während er seine Augen erneut öffnete. Verus wollte kämpfen, während die Welt sein Versagen beobachtete. Die Arme sanken herab und die Augen starrten auf die sich entfernende Familie. Etwa entriss ihm sein Fundament, als er mit beiden Fäusten wütend auf den Tisch schlug und nicht von seinem Stand ausbrechen konnte. Tränen füllten erneut seine Augen, die seinen leeren Blick umschlossen und um sehnsüchtige Menschlichkeit bettelten. Noch wenige Schritte und seine Geschwister mitsamt Luna wären für ihn verloren. Verlust kannte er.


    Er hatte viel geopfert, um der trecenarius zu werden. Ein Soldat Roms. Doch war er nicht mehr bereit, noch mehr zu opfern. Verus war der göttlichen Gnade eines Menschen gefallen, alles verloren und doch wollte er nicht kampflos schwinden und den letzten Rest verlieren, der noch von einem einstigen Menschen übrig geblieben war. Alles, was noch möglich war, lag in dieser verlustreichen Handlung, der letzte Aufgabe eines Soldaten, der um seine Liebe und mitsamt Herz rang.


    "Doch es gibt noch eine Familie," rief Verus mit trauriger Stimme, als er sich endlich aufmachte, um seinen Geschwistern hinterher zu fallen. Mit schnellen Schritten holte er auf. "Alles, was ich immer wollte, war eine Familie," sagte er eindringlich und überholte seine Geschwister, um sich vor diese zu stellen. "Alles, was ich immer wollte, war euer Vertrauen. Ich habe nur verlernt und vergessen, was dieses Vertrauen ist," erklärte er einsichtig und seine Finger zitterten, wie sein Blick, umschlossen von wankenden Augenlidern. "Ich weiß, dass ich vieles verspielt habe. Vieles aufgegeben habe, dass ich geflohen bin... dass ich ein - Uns - nicht verstanden habe ...," sortierte er stammelnd Worte, als er Emotionen erweckte, die einen Soldaten schwach machten. "Ich weiß, dass ich uns kein Heim geboten habe...," gestand er ein. "Ich weiß, dass ich nicht der Bruder für euch war, der ich hätte sein müssen. Egal, was die Umstände verlangt haben, ich hätte mich nicht flüchten dürfen. Doch habe ich es getan... Ich habe es getan," suchte er Vergebung in ihren Gesichtern. "Ich habe zugehört," versicherte der gebrochene Mann, dessen Stand nicht mehr durchdrungen von militärischer Stärke war, sondern eher gekrümmt. Die prätorianischen Wachen folgten und umschlossen die Familie drohend, da die Prätorianer ihren gefallenen Teufel nicht aufgeben wollten. Verus war aus ihrer Sicht in erster Linie Prätorianer und erst dann Familienmensch. Dieses Disput konnte die Sicherheitslage beeinträchtigen, so dass sie aufmerksam beobachteten und im Zweifel einschreiten würden, wenn Caudex oder Corvina aggressiver wurden. Verus bemerkte diese Geste seiner Männer und schickte sie fort: "Lasst uns allein. Das ist eine Sache der Tiberii," verlangte der trecenarius und die Prätorianer zogen sich murrend in die umliegenden Bereiche zurück, so dass die Familie tatsächlich richtig alleine war. Für einen Moment hatte der prätorianische Eid keine Macht mehr. Verus fühlte sich verlassen, aufgegeben aber ertrug dies aus tiefer Reue für sein Versagen. Nicht nur als Mensch, sondern auch als Bruder. "Es gibt eine Familie. Es muss eine Familie geben," sagte er seine Geschwister mitleidig anblickend. "Lasst mich euch als Bruder umarmen. Wenigstens dies, bevor ihr geht," war der letzte Wunsch in emotionaler Agonie.

    Entweder Verus entschied sich für einen Kampf oder für die Flucht. Doch beides wollte nicht passen. Nicht mehr möglich erscheinen, nachdem die Vergebung errungen werden musste. Seine ihm eigene Zuversicht in die kalte Welt zerfloss im Bedürfnis, endlich ein Zuhause zu finden. Doch die Person, geprägt durch eine traurige Vergangenheit, konnte nicht einfach handeln. Sie war in sich gefangen, gehalten durch Ketten der Furcht. Er fürchtete sich, dass seine Familie auch Verrat üben konnte. Diese Welt war voller Lügen und Verrat, so dass der trecenarius zweifeln musste aber dies nicht wollte. Er wollte nicht an seiner Familie zweifeln, selbst wenn er Vergebung verlangte. Verus musste aufgeben. Sich selbst aufgeben, um sich zu erheben. Der Schritt war schwierig, denn die Bestie des Krieges lungerte. Vielleicht war es das Schicksal von verdammten Männern, durch die Hand ihrer Liebsten zu sterben? Verus erhoffte sogar diesen Tod, dass sein Bruder oder seine Schwester ihn töten würden, damit diese Verurteilung endete. Ihr Verrat wäre vollständig und perfekt. Für Verus gab es nur diese eine Welt, die ein Gefängnis für alle war. Wo die Tiere die Gnade des Unwissens hatten, waren die Menschen wissend. Und leider - trotz ihrer Hybris - waren die Menschen auch nur Tiere, gehalten durch Umstand und Gelegenheit. Gesellschaft war Verkleidung. Gesetze, die Peitschen und Gewalt die natürliche Ordnung. Ohne Staat würden die Menschen zerfallen und Verus wusste ganz genau, dass auch seine Familie zerfallen würde. Dennoch konnte er so nicht weitermachen. Nicht mehr. Das Kriegsschwein raffte sich unter dem Gewicht von unzähligen Gewichten auf, um sich seiner Familie zu nähern. Eine neue Ordnung musste etabliert werden. Auch wenn diese Schwäche war. Verus gestand sich seine Schwäche ein und breitete seine zur finalen Geste aus, um seine beiden Geschwister in seine Arme zu schließen, darauf das sie ihm ihre Dolche in den Rücken rammen würden. Er akzeptierte dieses Ende. Sehnsüchtig und erwartungsvoll schloss er seine Augen.

    "Danke," versuchte sich Verus an einer alten Höflichkeit. Trotz der Versicherung seines Kaisers, war Verus unsicher. Seine Würde war nur schwierig wieder herzustellen. Immerhin hatte er sich selbst mit Gefühlen der Reue belastet. Nicht einmal eine größere Heldentat konnte seine gefühlte Schuld aufwiegen, die er mit sich trug. Eine Schuld, die in ihrer Natur den Soldaten nicht fremd war. Verus war ein Meister seines Faches und gerade diese Meisterschaft war mit dieser unlösbaren Schuld verbunden, dass er wusste, wie man Menschen tötete und es bereits mehrfach im Namen seines Rom getan hatte. Im Krieg war er eine Bestie und im Frieden ein Gefangener. Nicht einmal die Quelle der Vergebung konnte sein stetiges Leid lindern, welches diese Seele gefangen hielt. Das dunkle Licht schien endlos und somit konnte er nur auf die Erinnerung setzen. Eine Erinnerung durch andere, die seine Taten beurteilen würden. Ein Urteil der Zeit, welches ihm vielleicht die Schuld abnehmen konnte oder ihn endgültig zu Grunde richten, indem man ihn vergaß und verdammte.


    "Ja, Dacia," wiederholte Verus abwesend, seine eigenen Erinnerungen pflegend. "Auszeichnungen sind ohne Anstand wertlos. Sie sind nur Metallgegenstände, wenn man sie nicht mit Herz und Verstand vergibt," kommentierte der trecenarius schnell aber unterließ eine Ausführung, da diese den Kaiser verunsichern konnte. Und Verus zumindest erneut in eine unangemessen fordernde Position brachte. "Deine Versicherung, dass die Augusta sich dieser Sache annimmt, ehrt mich," sagte der Mann nun wieder aufmerksamer und dies auch in der Gewissheit, ein enges Band zur Kaiserin zu unterhalten. Immerhin gab es auch an diesem Hofe Querverbindungen und Netzwerke. "Vielleicht klärt sich endlich dieser anstandslose Zustand auf," teilte Verus seine Hoffnungen mit und blickte den Kaiser wieder mit seinen ihm eigenen zynisch-kalten Augen an. "Die Männer werden dir dafür danken. Wir dienen dir und werden es weiterhin tun. Dieser Eid hilft uns sehr, mein Imperator," gab der trecenarius seinem "Supreme Leader" ebenso eine Versicherung, auch in der Gewissheit, dass er wenigstens durch den Kaiser eine Bestattung erhalten würde.


    Seine kümmerlichen Sorgen waren damit vorerst beruhigt, dass zumindest etwas von ihm Bedeutung hatte. Etwas in dieser Welt blieb, die er nicht immer besser machte. Vielleicht war nun die Gelegenheit gekommen, eine alte Bitte wieder aufkeimen zu lassen? Eine zusätzliche Versicherung für Verus Handlungen als trecenarius und auch ein Zeichen, welches Verus benötigen konnte, um sich auch intern gegen Intrigen abzusichern? Verus war vorsichtig aber in dieser Sache lange Zeit zu ruhig gewesen. Wie einst unter Caligula und Nero wollte er als trecenarius ins Klientel des Augustus aufgenommen werden, damit dieser zumindest ein enges Vertrauensverhältnis pflegen konnte und Verus in seinem Amt in direkter Befehlsweisung des Kaisers agieren konnte; stets gebunden an den Namen des Hauses. Auch war es dadurch leichter Geheimnisse zu bewahren oder merkwürdige Aktionen abzudecken, wenn man als Klient des Kaisers agierte. Es war einst üblich gewesen und Verus wollte diese Üblichkeit wieder etablieren, damit er freier agieren konnte; für sein Rom.


    "Ich habe noch eine persönliche Bitte, mein Imperator," leitete der trecenarius höflich ein und senkte dabei leicht sein Haupt. "In meiner Dienstbarkeit, meiner Treue zu Rom und dir, möchte ich dich bitten, mich als deinen Klienten zu akzeptieren, damit du auch meiner Person stets sicher sein kannst. Ich habe bemerkt, dass du emotionale Reaktionen auf meine Anwesendheit gezeigt hast, die auf eine gewisse Diskrepanz hindeuten und vielleicht sogar Unwohlsein aber dies entspricht nicht meinem Anspruch an meine Dienstbarkeit dir gegenüber. Ich verlange keine besondere Förderung, sondern möchte schlicht deinem Hause dienen, nicht nur in meinem Amt, sondern auch als Person als dein Klient," erklärte der trecenarius ruhig und betont.


    Licinus war clever und durchschaute bereits den Irrsinn eines Unterfangens, welches so auch nicht geplant war. Verus schmunzelte bitter und zynisch. "Ich wusste, dass du zu gut dafür bist," meinte Verus anerkennend und zog die Schultern hoch, da er eigentlich diese Art der Arbeit von ihm fernhalten wollte. Eine Arbeit, die brutal und schmutzig war, so dass sie auch viele Unschuldige treffen würde. "Mit dem Hinweis auf unsere Verschwiegenheit," leitete Verus seine Ausführung ein, um Licinus vollens ins Boot zu holen. "Ich plane, einen Teil der subura in Brand zu setzen, so dass sich ein Großteil des Gesindels aufmacht, wer sich jedoch unüblich davonstiehlt, wird durch unsere Männer aufgegriffen. Ich vergleiche es mit einem Fischer, der auf Wasser schlägt, und Fische in ein Netz treibt. Wir zünden ein paar Blöcke an, treiben die Massen in unsere Reihen und ziehen bei Bedarf geeignete Ziele heraus. Wer sich nicht über die ausgebereiteten Wege entziehen möchte, ist ohnehin verdächtig. Der Brand wird auch endlich für Übersichtlichkeit im Gebiet sorgen, da dort sicherlich nicht jedes Haus rechtens errichtet wurde. Durch das Eindämmen dieses Wildwuchses und die Säuberung dieser Unerwünschten, werden für die nahe Zukunft Aufstände aus subura ausschließen können. Asche begräbt auch Probleme, Marcus," berichtete Verus eiskalt und ließ nicht einmal einen Hauch Emotion durchblicken, da es für den trecenarius eine sachliche Überlegung war. "Auch werden wir damit ein paar christlichen Zellen los, die in der subura ansässig sind. Im Nachgang wäre es auch plausibel die restliche Bevölkerung davon zu überzeugen, dass es die Christen waren und eines ihre Rituale dafür verantwortlich war. Kaiser Nero war auch einst davon überzeugt, dass die Christen dies taten und ich werde mich seiner Lehre gerne anschließen," untergrub sich der trecenarius zynisch.

    Es war ein Sturm. Ein Sturm zog nicht nur durch dieses Haus, sondern auch durch die Seelen der Betroffenen. Ein Sturm, so brutal und überfordernd, dass er unaufhaltsam seine Winde peitschte. Verus stand im Auge des Sturmes, nahm die Worte der Beteiligten entfernt wahr. Er hatte oft genug Konflikte ertragen, ausgefochten und angefacht, um diese für sich oder andere zu entscheiden. Der Konflikt war sein Lebensinhalt. Die Gewalt war seine Lebensbestimmung geworden. Unter seinem Befehl waren die Amazonen vernichtet worden. Unter seinem Befehl wurden ganze Feinde des Reiches niedergemacht.


    Der trecenarius war der Herrscher der Peitschen und tödlichen Waffen in diesem Imperium, welches mit seiner unfertigen Gerechtigkeit, die Last einer Minderheit auf die Schultern einer Mehrheit legte. Verus weinte nicht nur, um diese Welt, sondern auch um seine Familie. Wie sehr wünschte er sich eine Erlösung von der Gewalt. Einen echten Frieden und doch war ihm vollens klar, dass es in Rom nie wirklichen Frieden geben konnte. Es gab nur einen vorübergehenden Waffenstillstand, der jeden Tag mit Blut und Grausamkeit errungen werden musste. Seine schwarzen Soldaten durchsuchten, durchkämmten und durchsetzten ganze Häuser. Seine Horden an inoffiziellen Meuchlern und Agenten unterstützten nicht nur die Stadt, sondern auch eine alte Idee. Verus war eine Plage, eine segensreiche Plage für alle Widerstände, Störer und Feinde des Imperiums. Und doch war er auch sich selbst eine Plage; eine echte Heimsuchung, denn er hatte verlernt, den Frieden zu suchen. Krieg war die Wahl. Konflikt war die Antwort auf ein zerrüttetes Leben, welches Pein und Folter kannte. Verus wollte seine Familie sogar verlieren. Sie waren ein Hindernis; eine Schwäche in einer Welt, die mehr nahm als sie gab. Die Straßen bluteten unter seinen Klingen, während andere an seinem Gift erstickten und die Christen ihrem Messias folgten. Er würde sie alle brennen lassen und doch brannte bereits etwas in seinem Leben. Seine Familie. Sie zerfiel unter der Asche der Verzweifelung. Verus keuchte als die okkulten Klänge durch seinen Verstand fuhren, wie ein Kriegswagen.


    Dumpfe Töne, fordernd und einfordernd, die sich seines Verstandes bemächtigten und deutlich machten, was Verus wirklich geworden war. Die Tentakel seiner Vergangenheit, umschlungen seinen Hals, unterdrückten eine freie Atmung, als ihm diese verächtliche Reue widerfuhr. Er spielte diese Musik. Fleißig und tapfer spielte die Musik auf, wie eine verdammte Spieluhr seiner Schuld. Sein Vater wanderte als Geist im Schatten, als er er hinter Luna blickte. Die Zeit blieb stehen. Stillstand. Endlich Ruhe, als seine Wahrnehmung zum Erliegen kam. Eine Epiphanie setzte ein. Eine wahre Erkenntnis, die nicht beschreibar war. Der Hass ließ von ihm ab und die mächtigen Tentakel seiner Schuld zogen sich in die Untiefen des Kraken zurück, der nicht nur Pluto diente, sondern auch jenem Zorn des Krieges. Hörte Verus Regen, der auf das Dach schlug? Spürte er etwa Regen auf seiner Haut? Dieser verdammte Regen, den er einst in Dakien und später auch in Germanien so intensiv erlebt hatte; ein Regen, der den Tränen der Götter nicht unähnlich war. Ein Regen, der so brechend und doch so erlösend, in die Natur schlug. Ein Regen, der einen Sonnenschein erst schön machte, wenn er vorbeigezogen war. Dieser Regen, der Blut und Schlamm fortwusch, bis der Mensch im Angesicht der Wolken frei stand. Diese Melodie war es. Es regnete. Nicht nur in der Außenwelt, sondern auch in der Innenwelt des Mannes, den man zu sehr mit seinem Amt verband. Verus weinte mit gleichen Tränen, wie seine geliebte Luna.


    Sie war der Mond in seinem Leben, welches nur eine lange Nacht kannte. Und der Regen gab beiden ihre Würde zurück. Seine Augen fokussierten Luna, als sich die Zeit aus dem Stillstand befreite und der Moment mit all seiner brutalen Macht zurückkehrte. Verus spürte die Hand seiner Schwester in seiner Hand, und schließlich auch die Hand seines Bruders in seiner anderen. Verus realisierte, dass er nicht nur eine Narbe, sondern auch eine Wunde, in sich trug, die sein Vater ihm zugefügt hatte. Eine Wunde, die ihn antrieb und die Fehler einforderte, die sein Leben begleiteten. Gewalt wollte mit Gewalt beantwortet werden. Und doch konnte Verus nicht mehr. Er wollte sie nicht mehr. Nicht mehr hier. "Wir sind eine Familie," setzte er Wort für Wort einen Satz zusammen. "Ich bin nicht, wie Vater," erklärte Verus mit salziger Stimme, als der Regen von einem festen Donner untergraben wurde. "Vergebung," war das Wort, was ihm schwer fiel und so sprach er es getragen und langatmig aus. Etwas, was er wirklich suchte und vielleicht jetzt finden konnte.

    Verus musste handeln. Nicht aus Pflicht oder falscher Überzeugung, sondern weil er eine emotionale Verantwortung hatte. Nicht viel wusste er über die Liebe oder emotionale Strukturen aber eines wusste dieser Mann ganz genau, dass Luna mehr verdiente als Ketten. Ihre Ketten waren schon lange nur symbolischer Natur gewesen, da Verus nie die Absicht hatte, sie wirklich als Sklavin zu betrachten. Dennoch machte das Recht da keinen Unterschied. Auch wollte er nicht, dass sein Sohn in seinen Jugendjahren als Unfreier galt. Natürlich würde der trecenarius alsbald seine Hebel in Bewegung setzen, um eine Adrogation seines Sohnes zu erreichen, damit dieser ein echter Tiberius war. Luna würde dann nicht mehr seine Mutter sein aber wen kümmerte das Papyrus? Dafür musste er jedoch zeitnah entsprechende Schritte einleiten. Tief getroffen von seinen eigenen Empfindungen, getragen auch von der Erinnerung an die Liebe zwischen Luna und ihm selbst, trat er mit dem Kind auf seinen Armen in das Zimmer seiner stets Geliebten. "Luna, Idun," sagte er beide Namen, die diese Frau trug, obwohl ihr alter germanischer Name heute keinerlei Bedeutung mehr hatte. Namen waren ohnehin nur Worte, welche durch Emotionen Bedeutung erhielten. Verus, für einen Moment aus schlichter Existenz gerissen, betrachtete seine Luna aufmerksam. Er war besorgt, dass dieser rechtliche Schritt sie überfordern konnte aber dieser bedeutsame Schritt musste aus Gelegenheit und Verantwortung gegangen werden. Auch aus Dankbarkeit für die Hoffnung, die sie ihm gegeben hatte. "Er ist kein Sklave," sagte der besorgte Vater zur Mutter und trat an das Bett heran, um auf sie herab zu blicken, als sie Zimmerdecke anstarrte. Mitgefühl war gewachsen und Verus fand einen Teil seiner Menschlichkeit in diesem Augenblick wieder. "Ich werde dich freilassen, meine Liebe. Ich werde dich von den rechtlichen Ketten befreien und du wirst keine Sklavin sein und dein Kind ist auch kein Sklave," versprach der Soldat mit fester Stimme und zeigte Luna ihr Kind. "Es ist unser Sohn. Und ich werde nicht zulassen, dass man ihm schadet," versicherte der Mann mit tränenreichen Augen. "Ich werde die Angestellten anweisen, dass sie als Zeugen bestätigen, dass du während der Geburt bereits frei warst und werde zeitnah ein rückdatiertes Dokument aufsetzen," begann er als guter Römer mit einer Bewertung der Sachlage und einer Lösung des Problems, welches hier nur ein Rechtliches war. "Zeitnah werde ich in Rom alles für eine Adrogation vorbereiten lassen, damit er auch ein Tiberius werden kann aber bis dahin..." Er legte das Kind sanft in die Nähe ihrer Hände, löste die Fesseln, die Luna immer noch hielten. Hatte der Arzt dies vergessen? "Es ist unser Kind," verpflichtete er nun seine Geliebte, als er sich herabbeugte, um ihre Stirn mit hingebungsvoller Liebe zu küssen. "Ich bin da," sagte der leise und setzte sich zu ihr ans Bett, während das Kind merkwürdig ruhig verweilte. Es atmete und lebte. Es kam nach Verus, welcher auch nie viel geschrien hatte.

    Würde. Eine Definitionsfrage. Für einige war sie ohne Bedeutung und für andere überlebenswichtig. Die Frage der Würde beschäftigte den trecenarius recht lange. Nicht, weil er plötzlich in anderen würdevoller Existenzen sah, sondern viel mehr, weil er sein eigenes Leben bedauerte. Er war gefangen in seinen Kreisen, die immer enger wurden. Eine fremde Art der Hysterie überfiel ihn, die offen und gleichsam verschlagen, zu entfremdeten Wahrnehmungen führte. Wahrnehmungen, die in seiner Welt durchaus echten Bestand hatten aber für die Außenwelt grausame Höllenbilder der Paranoia waren. Angst war sein Machtinstrument, welches gutes Gift war. Aber Giftmischer verstarben oft selbst an ihrem eigenen Gift. Um die Menge an Gift zu dosieren, trank Verus sein eigenes Gift, um sich mitunter dagegen zu immunisieren. Doch die Immunität stellte sich nur in Form einer seelischen Taubheit ein. Seine Zeit lieb ab. Nicht schnell aber beständig. Er war hier in dieser Stadt ein Fürst, einer der Mächtigen, die etwas an sich gerissen hatten, um es zu verwenden. Es ging für den trecenarius schon lange nicht mehr allein um sich selbst, sondern um sein Rom, welches durchsetzt war mit augenscheinlichen Feinden. Seine Macht benutzte der würdelose Meuchelmeister getrieben von dieser Idee. Rom war alles, was er erbetete und doch war diese Idee so furchtbar kalt und hinterließ ihm nicht einmal eine Würde. Sie nahm diese sogar im Gegenteil mit jeder Handlung, die er mit dieser Idee rechtfertigte. Die Rechtfertigung Rom hielt nicht immer, was sie versprach. Manchmal war sie auch schlicht eine Lüge, um die Sachzwänge erträglich zu machen, die mit Gewalt und Macht kamen. Verus war in eine morbide Falle getappt. Oder die Gesellschaft brauchte diese Falle und die Leute, die in diese hineintappten. Was war schon Gesellschaft? Eine Konstruktion von Gewalt und Abhängigkeiten. Verus war zynsich und blickte seinen Imperator müde an. "Ich habe keine Würde," versicherte Verus enttäuscht.


    "Als dein trecenarius kann ich auf Ehre und Anstand keine Rücksicht nehmen, sondern muss Rom und deine Wünsche mit erheblicher Macht schützen. Dennoch, nach all dem, was ich für Rom durchlebt habe, scheint mir selbst die Würde der Anerkennung verwehrt. Ich habe in Dakien gekämpft, wurde nach Germanien versetzt, habe dort gekämpft und grausame Dinge für Rom ertragen. Ich habe sie für eine stabile Ordnung ertragen und nun ertrage ich sie erneut und werde dennoch nicht beachtet. Duccius Vala verordnete einst aus Gehässigkeit eine gleichsame Auszeichnung an, wie ein Soldat, der an einem Feldzug schlicht teilgenommen hatte. In Dakien erhielt ich nicht einmal eine Auszeichnung für die Beseitigung tausender Aufständischer. Selbst hier in Rom, nach all der Arbeit und dem Geschäft als trecenarius, fühle ich mich ohne jede Würde," erklärte der um seine Seele besorgte Mann.


    "Falls ich sterben sollte und die Gefahr besteht, weil ich gegen viele Christen ermittle und diese befinden sich sogar in höchsten Kreisen, werde ich würdelos sterben und meine Familie, die mich ebenso für meinen Lebensweg verachtet, wird mich schlicht als Asche verstreuen lassen. Dabei verkennen sie, dass ich nie eine Wahl hatte. Salinator hat mir jedweden anderen Weg verbaut. Erst jetzt kann mein Bruder wieder den standeswürdigen Weg gehen. Ich stehe allein mit meinen loyalen Männern. Alles, was ich habe, ist dieses Kommando. Und wenn wir ehrlich sind, kann mit dem Amt eines Vollstreckers und Meuchlers nicht viel Würde errungen werden, da die Gesellschaft dieses Amt zwar fürchtet aber auch verachtet. Der einzige, der mir meine Würde in Form einer Anerkennung zurückgeben kann, bist du, Imperator. Ich diene dir und wünsche mir schlicht, dass mir erlaubst, mich und meine Männer zu ehren, die soviel für dich tun," offenbarte der Tiberius mit wehklagender Stimme. "Ich möchte dir weiter als trecenarius tapfer dienen und dir in privater Zeremonie mitsamt meiner Einheit einen vollständigen Treueeid in persona stellen," ergänzte er die Anforderung, die auch seine Soldaten gestellt hatten.

    Das Ende eines Imperiums. Das Imperium der Tiberii zerbröselte erneut, durch Gewalt und Macht. Verus nahm die Vitis entgegen, um auf diese herab zu blicken. Ja, er war ein guter Soldat. Brutal, zielgerichtet und gehorsam. Der Mann diente Rom mehr als gut und zerstörte Feinde des Reiches mit aller Härte aber hier... funktionierte dieser Mann nicht mehr. Verus war machtlos und ausgeliefert. Das Höllenfeuer loderte bereits unter ihm. Mit einer gezwungenen und eingeübten Bewegung erhob er seine Schlagwaffe, um erneut Macht und Obrigkeit zu üben. Verus wollte sich, gewohnt, für die Gewalt entscheiden, die vieles abwürgte und leichter machte. Doch etwas hinderte ihn. Das Stück Holz fiel aus seiner zittrigen Hand. Wortlos blickte er auf seinen Bruder, als die Worte ihre Wirkung nicht verfehlten. Die Vitis fiel auf den Boden. "Was ist bloß in diese Welt geraten...," meinte Verus und ließ sich in seinen Sedes zurücksinken. Er war müde, erschöpft von all der Macht und sogenannten Stärke, die alles vergiftete. Immer wieder sprachen sie von Ehre, Macht und Stärke zeigen, Widerstand leisten, sich durchsetzen und Standhaftigkeit. Alles leere Floskeln für eine einfache Tatsache: man übte Gewalt und suchte eine Begründung dafür. "Das natürliche Gesetz der Gewalt," meinte Verus und erkannte etwas über sich. Jede Handlung hatte Konsequenzen. "Es gibt keinen Unterschied," war die Antwort. Er diente Rom und Rom hing selbstverständlich als Staat auch der natürlichen Gewalt an. Gewalt war der Ursprung der Authorität. Alle folgenden Authoritäten orientierten sich an der gewalttätigen Handlung. Gesellschaften basierten auf Unterwerfung unter eine gemeinschaftliche Idee oder geteilte Sache, auch wenn sie dies gerne verkleideten und die Römer schöne Begriffe für Gewalt gefunden hatten, blieb am Ende nur eine einfache Wahrheit übrig. Man tat sich Gewalt an. Immer wieder. Ob nun durch Waffen oder Worte. Gewalt war der Schlüssel und der Kern einer jeder Gesellschaft. Der Umgang mit der Gewalt regulierte schlicht, was in einer Gesellschaft als adäquat und nicht adäquat galt. In diesem Staat hatte Rom alle Gewalt bei sich und gab sie über ein sogenanntes Imperium weiter. Auch Verus besaß eine erstaunliche Teilhabe an der Staatsgewalt. Ihm wurde bewusst, dass er nicht anders war, als sein Vater; vielleicht sogar brutaler als dieser, da er sich noch heute hinter schönen Worten versteckte. Er suchte einen Grund und Begründung aber am Ende übte er Gewalt aus, weil er Gewalt ausübte. Er war hineingeraten in diesen Kreislauf aus Angriff und Verteidigung. Immer wieder musste er sich im Konflikt beweisen. Diese einfache Erkenntis erleichterte die geschundene Seele um ein Bleigewicht, doch die Reue blieb. Nicht der Vater war allein Schuld, auch nicht die Gesellschaft, sondern er selbst. Er musste sich selbst verzeihen. Gnade mit sich zeigen, um anderen Gnade geben zu können. Es war zu leicht einen Fluchtpunkt zu suchen aber die Erkenntnis über die Gewalt selbst nahm einem jede Gelegenheit zur Flucht. Man war Teil des Ganzen. Stets war man ein Teil des Ganzen. Herrschaft war ein brutales Unterfangen und Rom mit all seinen Sklaven, seinen Legionen und auch Gesetzen war nichts anderes als ein großes Unterfangen. Die Welt war niemals einfach und doch durchzogen von dieser Gewalt. Jeder ahmte sie auf verschiedene Weisen nach. Der eine durch Worte, der andere durch Widerstand und der andere suchte bewusst nach dem Knüppel. Sie war in dieser Welt, ging nicht aus ihr und war fest verbunden mit all dem, was man Gesellschaft nannte. Erkenntnis und Verlust hielten sich in diesem Atemzug die Waage. Verus verlor etwas von sich und vermisste es nicht. Es war diese Leichtfertigkeit der Gewalt. Er handelte nicht mehr gedrillt und gesteuert, sondern fiel in diese seltsame Starre der Nachdenklichkeit.

    Wieder diese verdammte Dunkelheit. Dieser Zorn, der so sicher und doch so grausam war. Immer wieder schug sein Herz pulsierend, als sein Bruder über den Vater sprach. Verus war einst geflohen, mit seiner Calena, um auch diese wieder zu verlieren. Seine Flucht führte ins Militär, wo er erneut Gewalt und diese Abhärtung erleben musste, die sein Vater so sehr liebte. Männer mussten stark sein. Immer stark sein. Und doch war Verus niemals stark gewesen. Seine Gewalt war Flucht und Selbstbetrug. "Die Welt ist ein Drecksloch, Nero," konterte Verus und gab damit seine tiefe Verachtung preis, die er inzwischen allen Dingen schenkte. Nur eines hielt ihn gänzlich vor der zynischen Brutalität seines Vaters fern: die Liebe zu Luna und die Hoffnung, dass er sein Kind zu einem besseren Menschen machen konnte, als er selbst war. Nicht mit Gewalt, sondern mit Mitgefühl und Gnade. Genau in diesem Gedanken fand die Kriegsbestie Zuversicht. "Unser Vater war ein Monster aber diese Welt wird von Monstern gemacht," erklärte Verus seinem Bruder mit kaltem Blick. "Gewöhne dich daran, dass Rom Gewalt ist. Dieses Imperium ist auf Gewalt errichtet und auch deine kleine Sklavin ist durch Soldaten, wie ich einer bin, entführt worden. Wir zerstören Völker und Reiche, damit Rom leben kann," sagte der trecenarius bitter. "Es tut mir leid," versucherte Verus einen Hauch Rechtfertigung, als ihm klar wurde, was diese Familie einst wirklich zerstört hatte. Der Vater hatte diesen Namen deutlich mehr geprägt und alle zu diesem Schicksal verdammt. Diese Hölle trug auch seinen Namen. "Ich habe in Dakien hunderte Unschuldige ermorden müssen. Hunderte Menschen und Tausende versklavt, auf Befehl und Wunsch dieser einen Urbs. Ich habe erstochen, verbrannt, stranguliert, tot geprügelt, niedergerungen, ausgepeitscht, bespuckt, nieder gemacht, vertrieben, entrissen, angekettet, die Augen ausgebrannt, zerschnitten, geschnitten, mit der Vitis geschlagen...," schrie Verus lautstark und seine Augen füllten sich mit Tränen, als er mit beiden Fäusten auf seinen Schreibtisch schlug. "Diese Welt ist gewalttätig. Diese verdammte Welt ist ein böser Witz und unser Vater..." Der Tiberius schluchzte gebrochen, als die Erinnerung ihn übermannte. Verus sah ein, was geschehen war und was aus ihm geworden war."... hatte Unrecht." Die Stimme brach ein und mit zittrigen Händen griff er zu seinem Becher Wein, um aus diesem einen Schluck zu trinken, bevor er mit Zorn und Wut gegen die Wand hinter Nero schleuderte. Ein blutroter Fleck blieb zurück. "Es gibt noch etwas anderes. Irgendwo...," blickte er seinen Bruder eindringlich ein. Dann schleuderte er auch die Vitis zur Seite, die vor ihm lag. "Ich bin ein Soldat und kann nichts anderes mehr sein. Nichts Besseres. Unser Vater hat mir die Gelegenheit genommen, etwas anderes zu sein. Aber du kannst mehr sein als ein Monster, Nero," forderte er ein und seine Lippen bebten dabei in Angst. "Sei etwas Besseres und aus diesem Grund versuche ich dich von Fehlern fernzuhalten. Ich versuche euch zu beschützen und anders als unser verhasster Vater, tue ich dies aus Liebe," sprach der gebrochene und traumatisierte Soldat, der mit seinen Erinnerungen kämpfte, die seine Augen vollständig einnahmen, wie eine fremde Armee. "Ich grabe längst mein leeres Grab, Nero. Ich bin verloren in dieser Welt, die ich gleichsam grausam mache aber du musst sie nicht grausam machen. Du kannst sie besser machen aber vergiss' niemals, dass diese Stadt Rom purer Machtanspruch ist. Und Macht verdirbt immer. Absolute Macht verdirbt absolut," teilte der erfahrene Meuchelmörder seine Lebensweisheit. "Es tut mir leid, dass ich nicht der Bruder bin, der ich sein müsste...," gestand der Soldat endlich.

    Welche Absichten hatte ein Mann, der die Welt fürchtete? Verus schlenderte genügsam neben seinen Imperator. "Die Namensgebung obliegt dir, Imperator. Es handelt sich um männliches Tier," vermeldete Verus und deutete auf den Käfig. "Es ist Geschenk, welches nichts verlangt. Ich erwarte mir keine Gunst oder Zuwendung," sagte der trecenarius. "Nur eines, wenn mir etwas zustößt, dass du für ein geeignetes Begräbnis meiner Person sorgst. Ich habe die Sorge, dass mir etwas zustoßen könnte, da ich in Bereichen ermittle, die überaus gefährlich sind. Zwar halten wir eine Sterbekasse vor aber die Ehrung und Begleitung des Toten durch den Augustus würde zumindest meinem Tode etwas Würde geben," teilte Verus seine Sorge offen mit.