Beiträge von Aulus Tiberius Verus

    Verus hörte seinen eigenen Herzschlag, welcher pulsierend in seinen Ohren rumorte. Sein Leben verronn unentwegt, hoffnungslos war er gefangen in seinem eigenen Verfall und die Zeit um seine Ziele zu erreichen war immer zu knapp. Es konnte jederzeit enden und all die Mühen wären dann vergebens. Sein Vermächtnis war keine Ehre, kein großer Name, sondern eine Idee oder viel mehr eine feste Überzeugung, dass die Gesellschaft eine Ordnung in Stein und Macht brauchte. "Das wird schwierig. Ich denke nicht, dass ich diese Bescheinigung erhalte, da üblicherweise nach Gesundung ein Krankenurlaub ansteht. Das weißt du. Man stellt keinen Soldaten direkt nach Gesundung wieder ins Feld und belässt ihn noch im Krankenstand, um spätere Schäden auszuschließen. Ich weigere mich aber mehrere Woche ohne Aufgaben herumzusitzen, wenn Rom derartig in Gefahr ist. Betrachte es als Notstand," forderte Verus ein, da er sich gedrängt sah, unbedingt zu handeln. In seiner irrigen Betrachtung war keine Zeit mehr übrig, um Rom zu retten. Es gab immer etwas zutun. Immer etwas zu korrigieren. "Stertinius war immer bekannt für ein ausschweifendes Leben. Ich hatte bereits die Vermutung aber seine Berichte gaben mir noch keinerlei Anlass," überlegte Verus offen, als sein Kamerad dieses Thema beiläufig ansprach. "Vielleicht hast du endlich einen Anknüpfungspunkt gefunden. Ich werde dir gerne die Originale zukommen lassen. Ich muss nur in der Geheimkammer schauen, da er sehr schreibfreudig war und allerhand berichtet hat," meinte der trecenarius und schloss somit vorerst dieses Thema ab. Es gab Wichtigeres und wenn Verus etwas zusicherte, hielt er dies auch. Ein Versprechen eines Prätorianers war immer auch eine Drohung. Es wurde stets erfüllt.


    Verus blickte sich verschwörerisch um. "Ich glaube, dass Rom durchsetzt ist. Es gibt mitunter eine Verschwörung gegen die staatliche Ordnung. Ich habe Quellen und Beweise dafür, dass der Anschlag auf mich und andere einer erweiterten Zersetzung dient. Jemand versucht Rom von Innen zu zersetzen, um ein noch nicht bekanntes Ziel zu erreichen. Fakt ist, dass wohl die Christen verstrikt sind. Aus diesem Grund habe ich in letzter Zeit in diese Richtung gearbeitet, um dieses Element aus der Verschwörung zu entfernen aber die trägen Politiker und der weiche Augustus weigern sich, die Gefahr zu sehen," flüsterte der trecenarius fast, um Lauscher auszuschließen. "Dabei gibt es beachtliche Hinweise auf diese Gefahr. Es gab Morde an Senatoren, Anschläge und diese Varia Geschichte, die zwar offiziell aufgeklärt ist aber noch immer hat sie einen faden Beigeschmack. Dann dieses dubiose Auftauchen von diversen Zwischenfällen und Zufällen innerhalb dieser Stadt. Etwas stimmt hier nicht, Marcus. Weil ich dieser Sache nachgehe, gab es wohl diesen Anschlag auf mich, um diese Ermittlung zu beenden. Ich komme näher aber ich brauche noch Zeit und freie Hand," gab Verus offen zu und offenbarte sich damit ein wenig. "Dazu scheinen die Parther aktiver zu werden: ein parthischer General zeigte sich offen feindlich gegen Rom und marschiert mit seinen Truppen wohl gegen die Grenze aber hält sich noch zurück. Meine Quellen vor Ort schweigen sich noch aus. Darüber habe ich auch noch nicht gesprochen, da ich dies selbst untersuchen muss, bevor ich auf unzuverlässige Quellen einen Krieg beginnen lasse. Aber Rom bindet mich, da diese verdammte Lage hier so furchtbar kompliziert ist," schloss der trecenarius seine Sorgen ab und blickte den Iulius mit ernsten und durchdringenden Augen an.

    Mit festen Schritten, im Geleit seiner engsten Vertrauten, kehrte Verus nach Wochen seiner Abwesendheit in die Hallen seiner Ordnungsmacht zurück. Kalte Liebe, erfroren im Wahn der loyalen Tapferkeit, wollte die Pläne der einstigen Zeit wieder erwecken, um endlich Rom vom Chaos zu befreien. Doch dafür müsste Blut fließen. Echtes menschliches Leid geschaffen werden, um endgültig einen brauchbaren Frieden zu erzwingen. Verus, getrieben von Angst und Eifer, wollten wieder tanzen. Nicht den schönen Tanz auf einem Ball, sondern den unschönen Tanz des Konfliktes. Wenn das Leben ihn umgab, verzweifelte Verus aber wenn der Kampf ihm folgte, lebte er als Prätorianer. Die stampfenden Schritte auf dem Boden verhießen seine Ankunft. Der gesundete Trecenarius strahlte fordernde Rache aus. Er verlangte Vergeltung, auch wenn er selbst für dieses Schicksal verantwortlich war. Er trug mit vielen anderen die Verantwortung für die aktuellen Entwicklungen in Rom. Ihr Spiel war frei von Menschlichkeit aber angereicht mit Gier und Machthunger. Nicht, dass Verus es so bezeichnen konnte aber in seinen Augen war Ordnung und Sicherheit verpflichtend. Es gab kein Entkommen aus diesem Tanz, dessen Musik unentwegt in Rom aufspielte. Der Verband an seinem Oberarm, nur mäßig durch die dunkle Tunika verborgen, bremste ihn nicht mehr. Das cingulum, der Pugio und das gegürtete Gladius, zeigten seinen Willen, wieder vollens im Dienst zu stehen. Fühlte er Reue? Mit Sicherheit aber war bereits zu verfangen in diesem Gift der Macht. Mit seinem Rebstock hämmerte er kurz an die Tür des officium, bevor er eintrat. Ihm folgte sein persönlicher Stab aus erfahrenen Statores und Speculatores. Der cornicularius staunte nicht schlecht aber konnte den eiligen Verus nicht aufhalten, so dass der Trecenarius in das Amtszimmer des Iulius einfiel. "Salve," grüßte Verus fordernd knapp. Er blickte sich um und umstellte mit seinen Männern fast den Schreibtisch des armen Licinus. "Ich melde mich zurück und ich bin bereit das Notwendige zutun," verkündete der von kalter Macht geleitete Verus. Dann nickte er seinem alten Kameraden zu. "Männer wartet Draußen. Ich denke, dass wir nun etwas Vertrauliches besprechen," meinte Verus und die Einheit, die Verus oft umgab, rückte vorerst in den Hof ab, um dort auf Befehle zu warten. Der Auftritt war abgeschlossen. "Marcus," seufzte Verus und stützte sich auf dem Tisch ab. "Rom ist in Gefahr...," offenbarte der geübte Schauspieler seine tiefen Sorgen, die ihn im Wahn anleiteten. Sein Sicherheitswahn, ein Wahn der stetigen Kontrolle, forderte immer wiederkehrende Ängste ein. Als Eidbrüder waren sie eng verbunden und zu gegenseitigem Schutz verpflichtet. Ein Verrat unter Prätorianern war nahezu unmöglich, so dass Verus sein Vertrauen in den altgedienten Iulius setzte.

    Eine perfekte Konfusion aus widerstreitenden Kräften zerstörte jede Zuversicht auf ein Ende oder einen Angebinn. Dieser Moment war zeitlos, losgelöst von der Gesellschaft und machte sie alle gleich. Sie waren Brüder, verschworen durch Eid und Blut, welches kein Entrinnen kannte. Einst würde Pluto ihre Seele haben, wenn sie dieses Leben versagten. Eine Tortur war das Leben, und die Brüder in Zusammenkunft Erlösung. Die evocati waren ein Zeichen, eine Gemeinschaft und Absolution von Moral und Weltlichkeit. Sie taten, was sie taten, weil sie es taten. Sie kämpften, weil sie kämpften, um einen ewigen Kampf zu führen. Die Geheimnisse der Prätorianer waren dunkel, nicht immer gefährlich aber immer durchzogen von dieser falschen Freiheit. Als alle die heilige Speise verspeist hatten, ließ Verus die Schüssel zurückreichen und wankte um die Gruppe an Anwesenden. Immer wieder zog er Kreise, wie ein Raubtier, um seine Brüder. "Wir leben, um zu dienen. Wir leben, um uns Brüder zu sein. Wir leben, um Rom zu verteidigen. Wir leben, um uns zu verteidigen," erklärte der magister forschend. Seine Augen, mit den im Rausch geweiteten Pupillen suchten die Gesichter der armen Gebundenen ab. "Wir sterben, um zu dienen. Wir sterben, um uns Brüder zu sein. Wir sterben, um Rom zu verteidigen. Wir sterben, um uns zu verteidigen," sagte der Mann mit aller Gewissheit, dass er nichts anderes als ein Todesgelübdte verlangte. Die Prätorianer, nicht nur Militäreinheit, sondern auch Kult, waren deshalb so gefährlich. "Wir sind evocati," rief Verus wohlwissend und blieb dann wieder vor dem Altar stehen. "Bis in den Tod und Untergang," fasste der magister zusammen und breitete seine Arme ausgestreckt aus. "Ruft es hinaus! Ruft es, damit es Rom hört!" - war die klare Aufforderung. "Bis in den Tod und Untergang!" Auch Verus war gewillt, alles zu opfern, um seinen Eid zu erfüllen. Er hatte auch nicht mehr viel. Alles, was ihm blieb, war dieser Rausch und Wahnsinn.


    "Legt euch ab, ruht euch aus. Die Nacht beginnt und ich rufe zum nächsten Eid auf," erklärte Verus, der als magister den großen Ritus überwachte. Auch er selbst würde alsbald auf einem Wolfsfell zur Nachtruhe - in all seiner schönen bedeckten Nackheit - zusammenbrechen.


    ~ Es folgten zwei weitere Tage mit Ausrufungen, heiliger Speise und anbetungsvollen Eiden gegenüber Mars, den Prätorianern und Rom.


    Schließlich endete die Zeremonie mit einem abschließenden Ritus am dritten Tag gegen frühen Nachmittag. Verus, der inzwischen vollkommen enthemmt und entrissen war, tanzte mit unruhigen Schritten durch den Tempel, während er immer wieder das Wort "evocati" sagte, fast sang und ausrief. Der berauschende Weihrauch verzog sich niemals, umfasste jeden im Raum und auch der ölige Schein der Flammen gab sein Licht hypnotisierend frei.


    Verus blieb abrupt stehen, als man einen geschmückten Tier über eine Rampe hinaufführte. Dieser war weiß und war augenscheinlich ebenso dezent betäubt worden, da er sehr ruhig und abwesend wirkte. Das Tempelportal öffnete sich wieder, gab den Blick auf den Stier frei, der auf ein Gestell in der Vorhalle geführt wurde, wo ein Tempeldiener und ein Opfermeister. Verus registrierte dies und war zufrieden. Dies war das Zeichen, dass die Zeit abgelaufen war. "Männer," schrie Verus im Zustand seiner himmlischen Weisheit. "Sucht eure gesegneten Rüstungen und legt diese an," war der himmlische Befehl, den er elegant Wort für Wort sang, während er sich selbst mit nun mit festen Schritten aufmachte, um seine Rüstung, welche erheblich nach heiligem Öl und Farbe roch, zu finden. Diese lag am Altar und mit geübten Händen begann er sich einzukleiden und auszurüsten. Es dauerte dennoch länger als üblich. "Stellt euch alle in Reihe vor dem Altar auf," war schließlich die weitere Anweisung, nachdem alle eingekleidet waren. Verus würde nun mit Ritus die geweihten Waffen übergeben. "Im Namen Roms, im Namen des Mars Ultor, überreiche ich dir deine Waffe," erklärte der magister, der die jeweiligen Schwerter vom großen Altar anhob, einmal durch ein heiliges Feuer schwenkte, und dann an den Besitzer übergab. Der Stier wurde bereits geweiht und zwei Priester umwehten auch diesen mit Weihrauch. Verus hatte ein irres und heiliges Lächeln auf seinen Lippen, was Drogen geschwängert war. Seine Augen waren weit aufgerissen und seine Pupillen weit, als auch tief schwarz.


    "Folgt mir," sagte Verus zu seinen Brüdern, während er im Gehen seinen Helm aufsetzte. Sein eigenes Gladius hatte er im Schnelldurchgang gesegnet, um zeitnah am Stier anzukommen, da die große Opferung der Höhepunkt war. Das Gestell war hoch genug, dass die Männer bequem daran stehen konnten, jedoch mussten sie auf ihre Helme achten, damit die Zier nach am Gerüst hängen blieb. "Helme auf," forderte er ein, da er feststellte, dass noch nicht alle vollständig bekleidet waren. Mit einer geordneten Handbewegung deutete er jedem seinen Platz unter dem Gestell an. Er selbst baute sich in Richtung Ausgang und Portal auf, um hinaus zu blicken. "Im Namen Roms, im Namen des Mars Ultor und zur Segnung dieser Männer durch das göttliche Rom und den mächtigen Mars Ultor , werden wir diesen Stier opfern und erbitten den Segen für die Cohortes Praetoriae. Ich präsentiere die evocati," rief er hinaus und die Priester und Tempeldiener tanzten um das aufgebaute Gestell, während der Stier regungslos verharrte, gehalten durch eine goldene Schnur.


    Doch bevor die Operhelfer ihren blutigen Ritus beginnen konnten, wurde der Haruspex aufgefordert. Ein spezielles Auffangbesteck an einer langen bronzenen Stange wurde unter den Stier gehalten, damit man die Gedärme zu seinen Gunsten auffangen konnte.


    Der Opferdiener und Opfermeister traten über die hölzerne Treppe hinauf, um den großen Opferschnitt am Bauch des Tieres zu vollführen. Ein Singsang setzte wieder unter Zimbelspiel ein. "Mars Ultor!" - schrie Verus, und der Schnitt wurde gesetzt, der mit viel Kraft den Stier tötete. Der Schnitt am Hals gab bereits eine Menge an Blut frei, welches über die darunter stehenden evocati fiel und der Schnitt am Bauch, der die Gedärme freilegte, gab noch mehr Blut frei, welches hinabtropfte und die Soldaten wirklich in Blut badete. Die Rüstungen nahmen das Blut auf und die Männer schien wirklich rotgefärbt zu sein. Verus breitete genießend seine Arme aus, und sah im Blut eine Reinigung von seinen Verfehlungen. Der Rausch erlöste ihn von der Vernunft.


    Später würde man noch in die geheime Grotte des Pluto, in der Nähe der castra, wandern, um dort auch Pluto um einen Segen zu bitten. Immerhin war auch Pluto ein Schutzgott der geheimen Meuchler. Dort würde dann auch der rituelle Kampf stattfinden und ein großes Saufgelage, vielleicht sogar eine Orgie. Doch nun wartete man, dass sich die Menge an Römern versammelte, um unter Applaus die bald herausschreitenden evocati als Verteidiger dieser Stadt zu begrüßen.


    Sim-Off:

    Ich habe es mal ein wenig beschleunigt. :D

    Zerschlagen waren die Träume des Mannes, der einst mit Hoffnungen und Wünschen gesegnet war. Alles, was ihm geblieben war, war dieser krankhafte Glaube an ein Rom, welches in dieser Form niemals existiert hatte. Er war verfahren, angekettet an eine Idee, die ihm alles nahm und seinen Glauben beflügelte, denn ohne dieses Rom wäre alles, was er bisher im Leben getan hatte, vergebens. Es gab nichts, außer Luna, welches mit guter Intention versehen war. Alles war durchzogen von diesem plutonischen Schwarz, dessen Anbetung, wie Gift war. Selbst wenn Verus seine Dienst beenden würde, ein Entkommen gab es nicht mehr. Was getan war, war getan und stand somit brennend in der Welt. Die getöteten Seelen auf den Schlachtfeldern seines Lebens, waren die Meister seiner Folter. Ein gemeines Gedicht, welches seinen Verstand forderte und den Wahnsinn fühlbar machte. Reue schmerzte und doch war sie nur eine schwache Antwort auf mittelbare schuldige Taten für ein Rom. Der Soldat Tiberius war ein Gläubiger der Ordnung und ein Feind der Freiheit. Doch auch Feinde fanden gelegentlich eine Absolutlion in einem Hauch Frieden. Sein Atem beruhigte sich, als ihm eine fremde Gnade gewährt worden war. Keine göttliche Macht, sondern schlicht die Zeit erlaubte ihm ein Erwachen aus seinem Wahn der ungnädige Reue. Verus schreckte auf, blickte sich verstört um und spürte die Wunde an seinem Arm, welche pulsierte. Die Zeit zerfloss in jedem Atemzug, als er auf seine Luna blickte, welche eine fremde Göttin berief. Einen Namen, den er nur aus Germanien kannte. Die Göttin der Unterwelt, ein Anruf der Furcht, der freudlos den Terror eines bösen Gedankens offenbarte. Mit schmerzenden Muskeln, erhob sich der altgediente Mann aus seinem Krankenbett, um seiner Geliebten zur Hilfe zu eilen. Doch geschwächt, konnten seine Beine ihn nicht tragen, so dass er auf halbem Weg zwischen seinem und ihrem Bett zusammenbroch, um sich mit seinen Armen am Bettgestellt seiner Luna hinauf zu ziehen. "Ich bin da," stammelte er diese Worte zusammen, liebevoll und mitfühlend. Er war hier, nur für sie. Liebe war ein Band, welches unendlich und doch für einen Menschen begrenzt war. Die Zeit trennte, was die Liebe verband. Erst jetzt bemerkte er die Fesseln aus Stoff, die Luna am Bett hielten. Traurig aber gehindert durch seinen eigenen Zustand, legte er nur seine Stirn auf ihren Schädel, um sie zu beruhigen. Ein hilfloser Versuch eines Mannes, der sich seiner selbst der größte Feind war.

    Sim-Off:

    Passt! Es verkürzt es ein wenig und wir können fortsetzen ;)


    Die Riten war ein tiefes Band aus Blut und Weihrauch, welches das Bewusstsein stark beeinflusste. Für alle, die diesem Makel ausgesetzt waren, zerfloss die Zeit und eine Macht schien sich zu erheben, die selbstsicher und zuversichtlich machte. Verus entfernte sich wieder ein paar Schritte von den Gezeichneten, wie sie auch genannt wurden und breitete erneut die Arme zu einer Segensgeste aus, die er in Richtung des Mars richtete. "Bis in den Tod," rief Verus erleichtert und gleichsam willfährig ausgeliefert. Er hatte keine Wahl mehr. Unaufhaltsam brannte sich dieser Ritus der evocati in seinen Körper und somit seinen Verstand. Der Weihrauch, der Gesang und all die Umstände veränderten die Person maßgeblich zu etwas Neuem. Eine Erfahrung, die gleich machte und alle Grenzen, die zwischen den Personen standen, einriss. Aus diesem Grund, weil jeder Prätorianer diese Riten durchlief, war es für Außenstehende unglaublich schwer, die Kameradschaft zu durchbrechen. Die Prätorianer standen geschlossen, egal, was auch geschah und waren auch bereit für ihre Brüder oder ihre Sache unterzugehen, da dieses Gelübde sich mit all dem Rausch und Zustand ins Bewusstsein brannte. Verrat an der Sache war ausgeschlossen. Selbst Verus war dadurch verändert worden und erneut zeigte sich der Wahn im Nebel, der bewusst unbewusste Grenzen durchbrach. Er fühlte sich mächtig, so durchdrungen von einer Unbesiegbarkeit, wie viele die heute hier waren. Mars stand über ihnen und reichte ihnen seine Macht für einen Hauch sowie Atemzug. "Bis in den Tod... Bis in den Tod," wandte er sich zurück, ließ die segensreichen Arme sinken und deutete dann mit einer schwingenden Geste zu immer noch latent betäubten Gesichtern, der evocati. "... für Rom und die Brüder," rief er lautstark und spuckte dabei in den feinen und diesigen Nebel. Die Tropfen aus dem trockenen Mund fielen auf den Marmoraltar. Sein Stand wurde schwach, als zwei Tempeldiener eine große Bronzeschale mit einem blutroten Brei reichten. Verus konnte diese kaum halten aber wankte mit groben Schritten zu den knieenden evocati. "Die blutige Speise des Mars, bereitet dich vor. Die blutige Speise des Mars, ist dein Leben," lallte der magister fordernd und griff dann mit seiner prankenhaften Hand einseitig in die Schüssel, um dem ersten in der Reihe diesen dick- sowie zähflüssigen Brei als Speise anzubieten. Er zog dabei feste Schlieren und wirkte fast, wie Kuchenteig. Es hieß nun, diesen anzunehmen und zu verspeisen. Man roch nicht, dass er mehr oder minder aus Opferblut eines Stieres bestand, welcher extra einen Tag zuvor geopfert worden war.

    Nachdem er das gleiche rituelle Verfahren bei seinem alten Kameraden Iulius Licinus angewendet hatte, und dieser nun auch ein blutiges Zeichen in seinem Nacken trug, legte Verus die Klinge auf den Altar, zu den anderen Waffen, bevor er seine Arme ausbreitete und nach einer weiteren großen Nase aus dem Nebel triefenden Weihrauchgefäß, welches unweit des Altars stand, erhaben das Ritual fortsetzte. Er fühlte sich frei und getragen von himmlischen Mächten. "Wenn die Welt, kalt und leer erscheint, der Wind einsam durch die Ebene hallt, ist hier ein Feuer, welches für euch brennt. Blut vergossen, um Blut zu geben. Wenn der Krieg uns eine Wahrheit zeigt, stehen wir als Brüder zusammen. Niemals mehr getrennt, unter Mars, als Evocati," sprach Verus andächtig, während er in einem seltsamen Licht erschien. Mit bewussten Schritten, da er sich mit Mühe aufrecht halten, trat er wieder vor Iunius Silanus, der immer noch kniete. "Mein Bruder," beugte sich Verus als magister herab, um beide Hände den Schädel seines neuen Bruders zu legen, dann senkte er seinen Kopf herab, um mit dessen Stirn die Stirn seines knieenden Gegenübers zu berühren. "Ich gelobe dich zu schützen. Ich gelobe dich zu verteidigen. Ich gelobe dir wahrhaftig und tapfer zu sein," sagte der berauschte Geist des Trecenarius mit hauchender Stimme, bevor er die Berührung sich in eine Umarmung wandelte und die breiten Arme des magisters den armen Gezeichneten umschlossen. "Mein Bruder," sagte Verus erneut, bevor er die Umarmung löste. "Gelobe," forderte der magister ein, während der Nebel um die Beine des Iunius kroch.

    Die ersten Stunden vergingen zäh im diesigen Dunst des Rausches. Ein magisches Flüstern, welches als Freund und Feind auf Befehl des Mars in seine Ohren drang und die stampfende Zimbel umspielte jedes Wort, welches unverstanden durch das Herz bohrte. Eine Plage war dieser Nebel, der seine Seligkeit erzwang. Er ließ niemanden mehr gehen, so gebührlich lag er auf den Lungen und ließ die Gedanken nicht mehr frei. "Magister," rief der Vorsteher mehrfach, während hinter den Altar trat und wandte sich dann zur großen Statue um. Er breitete seine Arme aus. "Mars Ultor...," sang die unmelodiöse Stimme des Mannes, der diesem Tempel vorstand. "Ein magister aus dem Kreise der evocati wird sich erheben, um den neuen evocati dein Zeichen zu verleihen, damit sie niemals mehr von dir und deiner Macht gelöst werden können. Sie sollen Brüder unter dem Zeichen sein," lobpreiste der Priester und wandte sich zurück. Verus, in ferner Trance, erhob sich mühsam von seinem Fell, um mit überaus schweren Schritten vor den Altar zu schreiten. Er keuchte in dieser Luft, die ihm jeden Sinn verstellte. Zwei Tempeldiener brachten eine gereinigte Ritualwaffe aus fein gearbeitetem Gold, in dessen Spitze ein Stück Stahl eingelassen war, welches erheblich geschärft worden war. Diese Klinge lag auf einem Seidenkissen, welches aus Purpurstoff gearbeitet war. Auf der Klinge standen merkwürdige Zeichen aus alter Zeit, die kein Mensch mehr entziffern konnte. "Ich nehme diese Klinge, um Mars dienen," rief Verus lautstark, als er auf das Kissen griff, während sich die beiden Diener auf ihre Knie begaben, um dem magister diesen Dolch ehrbar anzubieten. Die öligen Feuer brannten hektisch auf und gaben zum Dunst noch ein fremdes Licht ab, welches grün zu strahlen schien oder waren es die merkwürdigen Farben, die sich im heiligen Rausch zeigten? Der Tempelpriester verließ den Altar, um vor die abgelegten Prätorianer zu treten. Er legte diesen - einer nach dem anderen - seine Hand auf den Rücken und flüsterte in deren Ohren: "Lass' das Feuer des Krieges in dein Herz, damit es die Wahrheit zeigt. Lass' den Schmerz in dein Herz, damit er dir Wahrheit zeigt. Lass' den Segen deiner Brüder in den Herz, damit er dir Wahrheit zeigt. Lass' Mars dich begleiten, damit er dir Wahrheit zeigt. Erhebe dich auf deine Knie und senke dein Haupt." Dann trat der Vorsteher zurück und reihte sich in den Singsang ein. "Evocati... Evocati...," rauschte durch den Nebel, wie einer dringlicher Glaube, der die Welt entrückte. Verus tauchte die Klinge in ein heiliges Gefäß, welches zwischen den Waffen auf dem Altar stand, so dass ein Essiggemsich sichtbar wurde, da es stinkend abtropfte und selbst den Nebel durchschnitt. Mit der erneut gereinigten Klinge trat er nun vor Iunius Silanus, der nun der Erste war. "Ich werde dich Bruder nennen. Du wirst mich Bruder nennen," sagte der magister, als er dem angehenden evocatus die Klinge zeigte. "Du wirst im Zeichen des Mars stehen, wie ich im Zeichen des Mars stehe," hauchte der Trecenarius fast, da er immer noch latent benommen war und trat hinter Silanus. Mit einer behutsamen Bewegung setzte er die Klinge im Nacken des Mannes an. "Mars fordert deine Treue; wie du treu sein wirst, gegenüber deinen Brüdern. Wir werden gemeinsam stehen. Wir werden gemeinsam siegen. Wir werden niemals weichen, bis alle Feinde Roms gebrochen sind. Ich bin dein Bruder, du bist mein Bruder. Evocatus," betonte Verus als er die Klinge sanft ins Fleisch drückte und ein altertümliches Zeichen in den Nacken ritzte. Es entstand ein Dreieck, welches zum Abschluss - nachdem Verus einen Schritt zurückgetreten war - mit dem gleichen Gemisch aus Essig und diversen Kräutern übergossen wurde. "Evocatus," schrie Verus und zeigte die goldene Waffe mit der blutbefleckten Spitze in Richtung der Marsstatue, bis er wieder zum Gefäß ging, um diese zu reinigen. Dann trat Verus zum nächsten Opfer des Ritus, dieses mal Iulius Licinus.

    "Konsul," nickte Verus ab und verstand, was der Claudius nicht mal wirklich verborgen mit dieser neuen Zusammenarbeit bezwecken wollte. Einst hatte der Konsul gegen die Prätorianer gestanden und sich nun - dank der Umstände - auf die Seite der Machenschaften gestellt. Eine Ironie lag darin, dass der ehrbare Claudius Menecrates mit der schmutzigen Arbeit der Prätorianer in Zusammenarbeit geriet. Verus sah dies als erstaunlichen Sieg an und fühlte eine bösartige Glückseligkeit. Damit war sicher, dass zumindest in weiten Teilen die Prätorianer einen erheblichen Einfluss genossen und über diesen Einfluss konnte er zusehens seine Agenda gegen die verdammungswürdigen Christen umsetzen. Brennen sollten sie, wie alle Staatsfeinde! Reinigendes Feuer hatte Verus immer fasziniert, so dass - trotz seiner eigenen schmerzhaften Erfahrung mit brennendem Öl - dies als beste Waffe im Umgang mit den feindlichen Ideologien sah. Feuer machte sichtbar, was ansonsten unsichtbar war. Die Christen sollten sichtbar untergehen. Ein Genuss lag darin, dass all die Arbeit am Ende die Stärke Roms wiederherstellen würde. Diese verteufelte Schwäche, die Rom befallen hatte, würde dann in der Angst und dem Terror seiner Prätorianer abfallen. Man würde Rom reinigen und endlich eine neue Stabilität erschaffen, wenn alle feindlichen und lauten Elemente zum Schweigen gebracht waren. Sie wollten keinen Krieg und doch brachte Verus ihnen einen Krieg. Einen Krieg, den er auch gegen sich selbst führte. "Das kann und werde ich," versicherte der Trecenarius mit gewissenhafter Absicht, den Konsul mit in den Abgrund hinab zu reißen. Paranoia als wahnhafte Angst war ansteckend.

    Verus überlegte eine Sekunde, bevor er antwortete. "Ich denke, dass er vertrauenswürdig werden kann. Er muss nur begreifen, was wir hier tun und sich von alten Verbindungen in die Kanzlei lösen. Wir sind Prätorianer und dienen größeren Dingen, als bloßen Ränken und persönlichen Wünschen," meinte der Trecenarius und ließ offen, was er mit diesen Dingen meinte. Vibius würde klar sein, dass die Prätorianer oft eigene Interessen verfolgten, die am Ende nur einer Sache wirklich dienten. "Ich denke, dass er sich mit der Zeit mein und dein Vertrauen erarbeiten kann aber üblicherweise würde ich wichtige Informationen im Bezug mit unserem Geschäft weitgehend zurückhalten," fügte Verus an und wollte damit sichergehen, dass die aktuelle Bearbeitung der Christen nicht konkrekt im Detail bekannt wurde. Noch war nicht abzuschätzen, wo der Iunius stand. Verus war paranoid und band Leute gerne an sich, damit sie keine andere Wahl mehr hatten, als der prätorianischen Sache zu dienen. Der neue Tribun würde noch lernen, was es hieß wirklich loyal einer Sache zu dienen. Verus hatte dies lernen müssen und war sogar bereit dafür zu sterben.

    Dieser Kaiser war ja wirklich schwieriger zu bearbeiten als ein germanischer Fellhändler, dem man ein bisschen Schmiergeld abnehmen wollte. Verus musste sich beherrschen, nicht den großen Plan zu vermitteln, um diese Sache abzukürzen. Doch dieser Kaiser war zu sanft, um den großen Plan zu verstehen, so dass Verus und seine Speculatores es dabei beließen, diesen manipulieren zu wollen. Verus musste also seine aktuelle Strategie anpassen, um das Problem mit diesem Imperator ein wenig zu umschiffen. Rom brauchte jedwede Handlung und Funktion. "Sie stellen sich mit ihrem Glauben gegen den Kaiserkult, gegen die Vergöttlichung unserer Stadt und leisten passiven sowie manchmal aktiven Widerstand gegen unsere Staatspraxis. Sie weigern sich deine und Roms Herrschaft zu akzeptieren und verweigern sich sogar der Gesetzesmacht, indem sie einen Gott über das Recht stellen und von einer kranken Liebe predigen, die sogar Kindsopfer beinhaltet. Ja, sie opfern Kinder auf dem Altar eines David," vermittelte Verus eine Mischung aus Wahrheit und Gerücht. "Weil sie vollkommen gegen Rom und deine Authorität stehen, sind sie eine erhebliche Gefahr. Andere Kulte fügen sich gemeinfördernd in unsere Gesellschaft ein. Doch die Christen haben ein Alleinvertretungsanspruch und sehen ihre Glauben als alleinige Wahrheit an. Sie sind Fanatiker und ihre Predigt ist nicht nur aufrührerisch, sondern auch gefährlich für das Leben der normalen Bürger. Die Christen unterlaufen das Prinzip unserer vielseitigen Gesellschaft und sollten allesamt geächtet werden, insbesondere da sie Menschenopfer praktizieren." Der Trecenarius blickte den Kaiser eindringlich und auffordernd an, diese Schrecklichkeit zu akzeptieren und in der Sache fortzuschreiten.

    Verus spürte eine gewisse Gefahr für seine Geschäfte und beobachtete den Kaiser eindringlich mit seinen toten Augen. Der Unwillen in der Stimme entging dem Trecenarius nicht. Nun musste der Prätorianer sanfter agieren, um die Pläne nicht in Gefahr zu bringen. "Sie waren Beteiligte und ein Teil des Führungskaders aber nicht federführend," musste er eingestehen. Es war besser zumindest etwas einzuräumen, als das gesamte Feld zu räumen. "Dennoch ist ihre Position eine Gefahr für unser Imperium. Zumal es bei den Resten dieses Aufstandes, die sich bei Capua versteckt halten, nicht nur um Christen handelt, sondern auch um flüchtige Sklaven."

    Ein Sieg. Ein diabolischer Sieg entfaltete sich vor Verus, der mit einer gelungenen Armbewegung seine Männer einteilte, um die Wachposten der abrückenden Urbaner zu ersetzen. Natürlich hatte er genug Männer mitgebracht und diese waren deutlich ästhetischer in ihren Togae als die brachialen Urbaner mit ihren Rüstungen. Verus liebte die offensichtliche Heimlichkeit und das Understatement seiner Soldaten, die brutal aber auch mutig sein konnten. Sie brauchten keine Rüstungen in Rom, sondern ihr Name als Prätorianer und ihre Brutalität waren vielen Lehre genug. Niemand legte sich mit den Prätorianern an. Man tötete nicht nur, sondern zerstörte Leben durch Angst und Terror. Und Verus begann diese Schreckensherrschaft zu genießen. Er verwandelte sich - trotz Widerstand - in ein kaltes Monster, welches eigenen Plänen folgte, die aus dominanten Interessen geboren wurden. Der Trecenarius als Amt veränderte jede Person zum Schlechten. Wenn Macht immer korrumpierte, war absolute Macht absolut korrumpierend. Als Trecenarius konnte er fast frei gegen jede Person im Imperium vorgehen und tat dies auch im großen Interesse seines Roms. Auch dieser ausgewachsene Plan der Christenverfolgung und der Herrschaft durch einen permanenten Angstzustand, war in Kreisen seiner Kameraden sinnvoll und wurde mit kalter Effizenz umgesetzt. Rom würde politisch brennen und Verus genoss bereits jetzt den Gedanken daran, wie einfach die zukünftige Arbeit sein würde, wenn jeder in dieser Stadt Angst hatte und man jeden als Christ diffamieren konnte, um daraus einen politischen Gewinn für die eigene Sache zu erzeugen. Es machte so vieles leichter und man würde weitaus besser schützen können, wenn man endlich den Terror etablierte, der notwendig war, um diese Stadt vor dem geborenen Chaos zu bewahren. Der Senator, der Tribun und seine Handlanger waren entschwunden. Mit einem ausdrucklosen Blick studierte er das Zeichen. Alles verlief wahrlich nach Plan. Er kniete sich herab, um mit seinen Fingern die Spur zu berühren. Es sollte so aussehen, als ob er tatsächlich Interesse an diesem Mord hatte. Tatsächlich hatte man bereits ein Opfer als Sündenbock vorbereitet und entsprechend abgerichtet, damit zeitnah Ergebnisse ohne große Mühen gezeigt werden konnten. Die Prätorianer mussten nur ein wenig Ermittlungsarbeit simulieren und den abgerichteten Sündenbock gerecht vorbereiten, damit alles glaubhaft erschien. Diese Verschwörung erlaubte vieles aber verzieh kein Einzelversagen. Verus war ein wenig besorgt, dass diese ganze Geschichte instabil werden konnte, wenn die Ermittlungen unschlüssig verliefen. Insofern würde er sich anstrengen, beschäftigt zu wirken und einige - auch Unbeteiligte - befragen.

    Auch der Abgesandte des Trecenarius befand sich unter den Anwesenden, um sich ein abschließendes Bild des Decimus zu machen, der eine wichtige Stelle fernab von Rom antrat. Vielleicht wollte er dem Mann bei Gelegenheit auch eine Warnung mitgeben, da er selbst diese Region, die der Decimus nun im Namen Roms beherrschen sollte, kannte. Dennoch würde sich der Abgesandte, der später seinem Vorgesetzten berichten würde, nicht in den Vordergrund drängen. Mit seinen beiden vertrauten Offizieren hielt er sich angenehm zurück und blickte sich aufmerksam von einer abseitigen Ecke des Raumes um. Man wollte meinen, dass er zu den prätorianischen Leibwachen gehörte, die er zum Teil auch befehligte. Er trug die gewöhnliche Toga eines Prätorianers, damit er nicht allzu martialisch wirkte und man die dezente Würde dieser Hallen wahrte. Auch war es besser nicht jedem offen eine Waffe zu zeigen. Nun hieß es warten.

    Alles, was Verus wollte, war Kontrolle. Eine kleine Hoffnung, dass nicht alles willkürlich in dieser Welt war. Der Trecenarius wertschätzte eine staatliche Ordnung, ein geordnetes Machtgefüge aus Interessen, die berechenbar waren. Das Chaos einer ungeordneten Gesellschaft war für ihn nicht denkbar und er würde alles dafür tun, dass die Welt niemals ungeordnet wurde. Doch dabei war die Welt stets von Zufällen abhängig. Verus verkannte die natürliche Welt mit der menschlichen Welt. Die menschliche Welt war zeitweise einer Ordnung zu unterwerfen, bis auch diese wieder zerbrach. Ständige Veränderung zeichnete die Welt aus aber Verus, gebrochen durch seine Umstände, wollte keine Veränderung, damit sein idealisiertes Rom Bestand haben konnte. Lieber ließ er alles brennen und verdammt sein, nur damit dieses Ideal überlebte. Selbst Rom sollte brennen, damit die Ordnung Bestand hatte. Das oberste Prinzip eines Staates. Dinge hatten ihren Platz und waren dort durch Umstände und Funktion hinverfügt worden. Freiheit verstand Verus nicht mehr. Vielleicht hatte es für ihn auch nie eine derartige Freiheit gegeben. Ein Trugschluss war zu glauben, dass er - trotz seiner oft mitfühlenden Gedanken - ein Freund der Freiheit wäre. Verus war ein Feind der Freiheit. Denn Freiheit und seine Ordnung schlossen permanent aus. Verus war ein gefügiger Soldat und legte diesen Anspruch auch auf die Welt an. Wenn die Welt sich nicht mit milden Mitteln ordnen ließe, würde er sie mit Gewalt und Terror ordnen. Für diesen Mann gab es keine Unschuld. Er konnte den ewigen Kreislauf aus Gewalt und Gegengewalt nicht durchbrechen. Ihm wurde Gewalt angetan, also suchte er sein Heil ebenso in der Gewalt gegen andere. Die gesellschaftliche Macht war Gewalt. Eine Ordnung, die allein aus der Macht der Waffen und der Obrigkeit, entstanden war. Zerrüttete und blinde Seelen, die umherstreiften, um sich an ihre Sicherheiten zu klammern, die sie mit Blut zu verteidigen. Auch Verus verteidigte seine Werte durch einen Angriff und unterdrückte intolerant alles, was nicht in sein idealisiertes Bild passte. Er verachtete sogar jede Bewegung, die Liebe und Freiheit predigte. Verus kannte die Liebe aber konnte niemals verstehen, warum Liebe als gesellschaftliches Prinzip greifen sollte. Auch Freiheit erschien ihm als Illusion und Lüge. Niemals war jemand wirklich frei in einer Welt der Willkür, die nur durch starke Ketten eines Staates am Chaos gehindert werden. Für seine blinde Seele war das Leben ein leerer Traum. Fast nihilistisch und zynisch betrachtete er die Wachstafel vor sich, die er sich herangeholt hatte, um darauf zu markieren, dass der Auftrag des Vibius abgeschlossen war. "Das ist löblich," kommentierte Verus, als der Griffel ein paar Buchstaben ins Wachs schnitt. "Ich wertschätze deine Dienstbereitschaft, Decurio," lobte der Trecenarius, der nun wieder von der Tafel aufblickte, um diese auf den Stapel mit den erledigen Befehlen zu legen. "Den Bericht erhalte ich, wie gewohnt, in einer versiegelten Tabula," forderte Verus noch ein und leistete sich keinerlei Regung in seinen toten Augen. "Lass' dir aber Zeit. Der Abschluss ist vermerkt und ich brauche den Bericht nicht sofort," wehrte der Mann sofortige Arbeit ab, da Verus diesen Bericht auch gegenlesen musste und somit auch wieder gebunden war. Der Trecenarius war ein vielbeschäftigter Mann. "Übrigens: Der neue Tribun Iunius ist noch nicht ins Ritual gebunden und noch nicht berechtigt über Geheimnisse informiert zu werden. Er ist noch nicht im Blute einer von uns Prätorianern," versicherte sich Verus, damit Vibius nicht redeselig mit den anderen Offizieren sprach. Geheimnisse mussten stets gehütet werden.

    Verus würde Rom lieber brennen lassen, als seine Fantasie von Rom zu gefährden. Männer, die wie Verus waren, war die Welt egal, solange gewisse Pflichten erfüllt wurden. Verus war ein Mann des Krieges und würde die Welt brennen lassen, wenn dies dem verdorbenen Ideal diente, welchem er zu dienen glaubte. Monster wurden nicht geboren, sondern gemacht. Und wenn der Kaiser nicht in dieses Ideal passte, würde auch Verus in alter Tradition diesen eigenhändig erwürgen müssen oder in den Freitod zwingen, wie es viele Prätorianer vor ihm mit anderen unliebsamen Kaisern getan hatten. Die Prätorianer waren eine größere Gefahr als der Kaiser bisher annehmen wollte. Einen Mann zu ermorden war für Verus keinerlei Aufopferung mehr, viel mehr eine Frage der Sinnhaftigkeit. Reue verspürte er nur in der Nacht und im weinseligen Zustand. Und wenn der Beschluss erging oder Verus selbst dieser Mord sinnvoll erschien, würde er diesen auch auf die Gefahr hin, danach selbst zu sterben, umsetzen. Dieser Tiberius war so zynisch dem Leben gegenüber, dass er nicht einmal das Leben des Kaisers wertschätzte. Auch nicht einmal sein eigenes Leben. Der Kaiser war eine Funktion und Verus schützte eine Funktion. Kalte Machtspiele in einer ewigen Stadt, die so haltlos waren. "Der Fall wird restlos aufgeklärt," versicherte der monsterhafte Trecenarius mit seinen leblosen Augen. "Der Bericht wird zeitnah erfolgen," sagte der Offizier mit fester Stimme, die jedoch ohne Emotion und Schwere war. Fast einem lauten Flüstern gleich. Unangenehm war diese Art zu sprechen, da sie keine Verlässlichkeit besaß und nichts, woran sich ein Gegenüber festhalten konnte. Verus hatte sich diese Sprechweise angewöhnt, um keinerlei Emotion zu vermitteln. Emotionen waren immer eine Gefahr und Einfallstore. "Es ist möglich, dass der Aufstand nicht derartig beendet ist, wie wir es uns wünschen. Nicht alle Varia Anhänger, viele Christen darunter, sind gefasst oder getötet worden. Einige sind aus Rom in Richtung Capua geflohen aber dort nie angekommen. Wir müssen annehmen, dass sich in den Wäldern oder im Umland aufhalten," vermerkte der Trecenarius. "Wenn wir dies bereits ansprechen. Habe ich freie Hand diese letzten Bedrohungen niederzumachen?" - Und natürlich würde auch Verus auch diese Genehmigung sehr weit auslegen.

    Gebunden durch die schweren Ketten seiner Verantwortung, blickte Verus nicht einmal von seinen vielen Wachstafeln auf, als der entstandte Offizier zurückkehrte. Verus kannte die Berichte, die Aufgaben und Funktionen. Der Trecenarius, durch seine Aufgabe kaltherzig und berechnend, wollte sich nicht den Anschein eines Menschen geben. Er war hier die Funktion; bedeutungslos als Mensch aber bedeutungsvoll in seiner Pflicht. Verus lebte, um zu dienen. Zwar nicht im Sinne einer ehrbaren Dienstbarkeit gegenüber einem Herren, sondern gegenüber einer alten Idee, die schon viele Opfer verlangt hatte. Jeder musste sich entscheiden und Verus hatte sich für die Flucht in einen wahnhaften Idealismus entschieden. Jedoch waren seine Ideale nicht immer kompatibel mit einer geordneter Freiheit oder der Allgemeinheit. Sein Rom war ein Trugbild, was ihm bewusst war und dennoch arbeitete daran, dieses Rom Wirklichkeit werden zu lassen. Mit jedem Befehl und jeder Entscheidung nahm sein Rom immer mehr Gestalt an. Auch wenn Verus längst wusste, dass er selbst in diesem Rom nicht leben würde. Für seine Art Mensch war selten Platz in der Gesellschaft und doch schufen diese Menschen die Gesellschaft durch ihre kalte Aufopferung. Sie zahlten den Preis in ihrem Wahn für eine Progression und Stabilität. Sinister waren die Pläne dieser Progression. Verus blickte erst nach einer gefühlten Ewigkeit auf und beließ den Decurio in seiner Position. Der Trecenarius musterte seinen Untergebenen aufmerksam. "Rühren," vermeldete der Kommandeur und schob die gerade gelesene Wachstafel zur Seite. "Dein Auftrag war wichtig und ich bin froh, dass dieser so zeitnah erledigt werden konnte und dies auch ohne eigene Verluste," erklärte der Trecenarius sachlich und nickte dem Vibier ernstlich zu. "Doch unsere Arbeit endet niemals, Soldat." - eine kalte Warnung, denn Verus hatte für Vibius Vespa eine Aufgabe vorgesehen, doch war dieser Mann noch nicht bereit für diese brutale Aufgabe, so denn er ihn vorerst mit einer gewissen Ruhepause versorgen wollte. "Du hast dir einen Urlaub verdient. Du und deine Männer. Ich stelle euch zwei Tage frei. Kommt an und versorgt eure Tiere," teilte Verus seinen Entschluss mit.