Ein in mitleidenschaft gezogener Brief erreicht Praesidio XXII. Er scheint eine sehr lange Reise hinter sich zu haben und ging, laut des Überbringers, fast unterwegs verloren. Der Brief trifft also mit einer sehr großen Verzögerung ein - jedoch ist sein enthaltener Text noch relativ gut lesbar.
Geliebter Verus,
haben wir uns so unsere Leben vorgestellt, als wir damals von unserem, im Chaos der Aufstände versinkenden, Zuhause nach Rom aufgebrochen sind? Rückblickend stelle ich mir die Frage, was aus uns geworden wäre, wären wir geblieben. Vielleicht wäre es nicht minder schwer, aber vermutlich wären wir dann noch beieinander. Welch naive Gedanken, oder?
Heute sehe ich mich allein mit dem Stadtleben zurechtkommen müssen und wohl fühle ich mich immer noch nicht dabei. Wahrscheinlich liegt es auch an mir und ich bin wahrlich ein Landei das in der großen Stadt einfach untergeht.
Auf die Gesellschaft von meiner Nichte muss ich auch seit einer sehr, sehr langen Zeit verzichten. Im Gegensatz zu mir, ist sie regelrecht in Rom aufgeblüht und ihr Leben ist wohl um einiges aufregender und bunter als meines. Da ich ihr nicht mit meinem Kummer im Weg stehen will, lasse ich sie ziehen… auch wenn mir das ein wenig so vorkommt, als vernachlässigen ich meine Pflicht auf sie aufzupassen. Aber schlimmer finde ich den Gedanken, sie wie eine verbitterte Frau an ihrem eigenen Glück zu hindern. Meine bisweilen einzige Freundin die ich in Rom gefunden hatte, ist auch fortgezogen. Sie hat geheiratet und wie ich erfahren konnte, hat sie mittlerweile auch schon ein Kind bekommen.
Falls du dir um mich Sorgen machst, so sei beruhigt. Meine Familie in Rom sorgt gut für mich. Mir fehlt es an nichts, auch sind meine Ansprüche dahingehend wohl auch nicht besonders groß. Trotzdem versuche ich mich so gut es geht im Haushalt des Familienanwesens nützlich zu machen und zu helfen wo ich kann. Etwas von der Großzügigkeit die mir entgegen gebracht wird möchte ich somit zurückgeben und nicht den Eindruck erwecken, nur eine Last zu sein.
So glaube mir, wenn ich sage, dass ich wohl entgegen deiner dramatischen Befürchtung verarmt in den Gossen von Rom umher zu wandern, mich wohlbehütet im Kreise meiner Familie befinde. Also Sorge dich nicht Verus, mir geht es gut.
So schwer mir auch das Leben in Rom vorkommen mag, schwerer wiegt mein Herz bei der Ungewissheit wie es dir geht… Nur spärlich erreichen mich deine Nachrichten und es kam auch schon vor, dass eine davon kaum mehr zu lesen war. Die Vorstellung du würdest mir überhaupt nicht schreiben, passt nicht zu dem Verus den ich kenne und ich glaube dieser auch nicht. Daher, wenn dich dieser Brief erreicht, bitte verrate mir wie es dir geht. Ich kann das Bild von dir als Legionist mir kaum vorstellen. Dafür warst du immer viel zu sanft und einfühlsam - hast dich an anderen Dingen des Lebens erfreut. Wer bist du nun Verus, der schon so lange von mir getrennt ist? Bist du immer noch der liebevoll lächelnde junge Mann von damals, oder bist du zu einem stattlichen, respektablen Soldaten gereift?
Du weißt es vielleicht nicht, doch ich bete regelmäßig für dich und deine Kameraden und bitte Mars das er eure Schlachten und Kämpfe zum Sieg führt.
Bleibe am Leben, denn ich bin immer noch im Rom und erwarte deine Rückkehr.
Sehnlichst,
Calena