Mmh. So erhaben (trotz dieses unsäglichen Bartes) der Auftritt des Vaters, so stilvoll, modisch und galant der Auftritt des Sohnes. In dunkelgrün, gold und mit einem Lächeln auf den Lippen begrüßte er mich und der erste Gedanke, der mir dabei durch den Kopf schoss: Nach ihren Sympathiebekundungen auf dem Forum würde mich die gute Paula hassen, wenn ich ihr von diesem erneuten Zusammentreffen erzählte. Oh, wie ich mich darauf freute! "Die Freude ist ganz meinerseits.", gab ich ihm charmant zurück, während meine Augen ihn einmal flüchtig von unten nach oben abtasteten. Als mein Blick dabei am Ende seine Augen traf, konnte ich mir ein verspieltes Lächeln nicht verkneifen, bevor ich mich ganz anständig (denn niemand hatte hier die Absicht, mit dem Caesar zu flirten.. oder doch?) dem Gespräch mit der Kaiserin zuwandte.
Etwas überrascht horchte ich auf, als mich die Augusta dann etwas unerwartet lobte. Sie hätte gehört, ich wäre eine verantwortungsvolle Postpräfektin gewesen. Während ich solche schmeichelhaften Aussagen von Männern sehr gerne hörte und genoss, machten mich solche Worte von Frauen immer etwas misstrauisch. Denn die meisten Frauen (der Frauen, die gesellschaftlich zählten!) belächelten mich wahrscheinlich für meinen Drang zur (auch finanziellen) Unabhängigkeit. Sie belächelten mich dafür, dass ich einer Arbeit nachging, statt mich auf dem Geld meines Gatten auszuruhen. Und wenn sie so ausgesprochen nett zu mir waren, dann war das nicht selten ein Zeichen dafür, dass sie sich entweder von mir bedroht fühlten (und mich lieber zur Freundin hatten, als dass ich gegen sie arbeitete) oder irgendetwas von mir wollten.
Aber fühlte sie die Kaiserin von mir bedroht? Bei den vielen Prätorianern um sie herum? Bei einem jungen Caesar, der dutzendfach attraktiver war als ihr alter, bärtiger Ehemann? Nein, das glaubte ich nicht. Also wollte sie etwas von mir? Auch das konnte ich mich im Moment nicht richtig vorstellen. Also lächelte ich erstmal nur höflich und blieb.. zurückhaltend. "Ja, es war und es ist nicht so einfach, sich als Frau in dieser Welt zu behaupten.", erklärte ich ihr dann. "Man muss härter arbeiten, mehr leisten, konsequenter durchgreifen, strenger und kompromissloser sein als.. naja.." ein Mann "um am Ende den selben Respekt und die selbe Anerkennung zu bekommen." Die Karriere eines Postpräfekten, der den Cursus Publicus mal eben so nebenbei beinahe 2000 Sesterzen (!) gekostet hätte, hatte (meines Wissens nach) keinen Knick bekommen wegen dieser "klitzekleinen Fehlleistung". Ich hatte das damals alles wieder halbwegs geradegebogen und.. hatte am Ende meiner Postpräfektur trotzdem bei meinem Patron Decimus und dessen Klient Iunius vorsprechen müssen für meine Auszeichnung (die ich dann im Tausch gegen "Annonae- statt Kanzleiprokuratur" bekommen hatte). "Ich versuche taff zu sein.. und immer selbst am Ruder zu sitzen. Denn der einzige Wind, auf den man sich wirklich verlassen kann, ist der Gegenwind." Tze, wie poetisch.
Ich winkte lächelnd ab. Denn der Abend war noch etwas jung für so ein Thema. Mode, Kleider, Designer - das passte jetzt doch viel besser! "Oh, gerne teile ich meine Erfahrungen auf diesem Gebiet mit dir." Wenn ich einem Schneider die Kaiserin als Kundin vermitteln könnte, würde ja ziemlich sicher auf für mich selbst etwas dabei rausspringen! (Ich träumte ja noch immer ab und an davon, dass einer der großen Namen dieser Branche mal eine ganze Linie nach mir benannte.. oder eine Kollektion.. oder meinethalber auch nur ein einziges Kleid.) "Vor allem würde ich dir raten, ich weiß, als Kaiserin spielt Geld für dich bestimmt keine Rolle, nicht nur hauptsächlich teuer einzukaufen und schneidern zu lassen. Denn eine gute Qualität hat immer auch ihren Preis." Ohne Frage. Das 1,3- bis 1,4-fache des handelsüblichen Standardpreises konnte man für eine edle Tunika oder einen schicken Mantel schon mal ausgeben. "Aber wenn ich sehe, dass sich tatsächlich auch Leute auf den Märkten rumtreiben, die auf.." Dummfang "die Tuniken für 50, Mäntel für 250, Togen für 500 und Seidentuniken sogar für 550 Sesterzen an gutgläubige, aber doch ahnungslose Frauen und Männer bringen...." Ich schüttelte nur verständnislos den Kopf, statt meinen Satz zu beenden. Denn nicht ohne Grund stand in der Lex Mercatus die magische Zahl 150% verankert. Und all diese genannten Preise lagen schon bei gut 58% bis sogar satten 100% ÜBER dieser 150er-Marke - und das hatte nichts mehr damit zu tun, für einen Mehrwert an Qualität auch mehr zu bezahlen. Davon war ich überzeugt. Im Gegenteil: Bei solchen Preisen nahm die Qualität nicht selten sogar wieder ab - um dem Verkäufer einen noch höheren Profit zu bescheren! In drei kurzen Worten: Das war Wucher. Nicht mehr. Nicht weniger.
Sim-Off:Ich nenne mal keine Namen, weil die Angebote offensichtlich auch schon wieder an den Mann/die Frau gebracht wurden dieses Woche. 
Ich beließ es erstmal bei diesem allgemeinen Ratschlag, damit ich später auch noch ein bisschen was zu erzählen hatte. (Wir standen hier ja noch alle, hatten uns mal gerade ein bisschen begrüßt.. noch niemand hatte uns einen Platz in dieser hübschen Oase angeboten.) Außerdem wurde ich jetzt auch vom Kaiser angesprochen. Da musste ich meinen Fokus auch ganz zwangsläufig von ihr ab- und vorübergehend ihm zuwenden: "Richtig, mein Kaiser.", stimmte ich ihm bereitwillig zu. "Man muss nur aufpassen, dass man rechtzeitig die Betreuung des Kleinen von einer Amme zu einem ersten Erzieher und Lehrer umstellt. Niemand wünscht sich schließlich einen verweichlichten.. und einen ungebildeten Sohn." ganz abgesehen von den unqualifizierten Flausen, die so eine Amme dem Kleinen am Ende noch einbläute. Ich verkniff mir einen kurzen Seitenblick (obwohl es sich an einer Stelle gerade sehr stark angeboten hatte) zu meinem Liebsten, lächelte stattdessen kurz und sah dann zur Augusta zurück. "Wo waren wir?"