Naja! Was sollte ich sagen? Bis auf die eine oder andere staubige Ecke, einen wackeligen Sitzplatz im Büro des Stationarius und zwei undichte Fenster, zwischen denen es unentwegt Zugluft gab, war am Gebäude selbst so spontan nichts auszusetzen, fand ich. Jedenfalls waren das keine Probleme, die meiner gesonderten Aufmerksamkeit bedurft hätten. Darum konnte und hatte sich der mansioführende Stationarius selbst zu kümmern! "Ja, ganz schön alles soweit.", teilte ich ihm also wenig enthusistisch mein vorläufig positives Feedback mit. "Das freut mich, Präfektin.", nickte der Stationarius erleichtert. "Mich auch. Wenn du dann so freundlich sein würdest und mir die vorhin geforderten Unterlagen zukommen ließest?", streckte ich ihm auffordernd meine offene Hand entgegen und hatte schon wenig später, was ich haben wollte. "Dann, bis morgen. Valete!", verabschiedete ich mich unpersönlich in den Raum hinein, bevor ich die Mansio verließ und mich getragenerweise ins helvetische Anwesen meines Cousins begab. "Vale, Präfektin!", antwortete mir der Stationarius noch ungehört. Dann wandte er sich an seinen eigenen Vorzimmerschreiber: "Callimachus hatte recht. Das ist eine arrogant und eingebildete, herrische, selbstverliebte Ziege!", fluchte er. "Aber eine ziemlich gutaussehende..", seufzte der Schreiber etwas schwermütig und fing sich dafür den Ellbogen seines Vorgesetzten ein. "An die Arbeit!"
Unterdessen erreichte ich irgendwann die Casa Helvetia, wo man mich mittlerweile natürlich erwartete. Mein Cousin Titus war nicht da. Leider. Ich hätte ihm gerne ausgeführt, wie gut es doch in der Stadt, in der er gerade "duumvirte", aussah. Oder war seine Amtzeit schon zu Ende? Keine Ahnung. Was interessierten mich auch irgendwelche provinziellen Wahlen in so einem Kleinkleckersdorf?!? Ich vermutete einfach, dass Titus noch arbeitete und deshalb noch nicht da war. Und vermutlich war die Lage hier auch nur deswegen so gut, weil er genau das tat - von früh bis spät arbeiten. (Ich sollte ihn nämlich auch am nächsten Morgen nicht zu Gesicht bekommen.)
So zog ich mich also gleich in mein Zimmer zurück, wo ich erst still etwas aß, bevor ich mir die Akten der Mansio zu Gemüte führte. Abrechnungen, Berichte, Abrechnungen, Abrechnungen, Berichte, Quittungen, .... Bis ich alles sortiert und durchgesehen hatte, war es längst dunkel draußen geworden und fast Mitternacht. Die Rechnungen waren soweit fehlerfrei und auch formal korrekt, wie es auch sonst kaum Auffälligkeiten gab. Das hieß: Genaugenommen war da nur eine einzige Sache. Immer wieder tauchten in beinahe regelmäßigen Abständen Kaufbelege für neue Einrichtungsgegenstände auf, denen stets eine Schadensmeldung vorausging, die wiederum in jedem einzelnen Fall irgendwo auch einen gewissen Blasius mal als Verursacher, mal auch nur als Zeugen einschloss. Zufall? Verarschen konnte mich allein! Da hätte ich am nächsten Tag also noch ein ernsthaftes Gespräch mit einem vermutlich trampeligen Volltrottel zu führen, der heute seinen letzten Arbeitstag gehabt hätte. Solche ständigen Ausgaben würde der Cursus Publicus unter meiner Führung hier nämlich nicht dulden! Mit einem gemeinen Grinsen legte ich mich zu Bett.
Am nächsten Morgen zurück in der Mansio Ostiensis waren tatsächlich alle hiesigen Mitarbeiter pünklich angetreten, während in der Casa Helvetia noch meine sieben Sachen zusammengepackt und erneut auf meine Kutsche verladen wurden. Moment! Standen wirklich ausnahmslos alle hier arbeitenden Leute vor mir stramm? Der Stationarius reichte mir zwei Krankheitsmeldungen. Und wessen Namen konnte ich darunter lesen? "Nicht so schnell.", hielt ich den Mansiochef sofort auf und zeigte auf den mir aufgefallenen Namen. "Was ist mit diesem Peregrinus hier?" Sichtlich ertappt blickte mich der Ostorier sprachlos an. "Ich erwarte eine Erklärung! Nach meiner Ansprache in deinem Büro!", funkelte ich ihn aus schmalen Augen böse an, bevor ich mich von ihm ab- und den übrigen Postbeamte zuwandte. Es folgte eine kleine Rede, die ich so ähnlich zuvor auch schon in Antium, Misenum, Neapolis und so weiter gehalten hatte. Ich konnte sie faktisch im Schlaf, was meiner Selbstsicherheit auch zu entnehmen war. "Anmerkungen? Wünsche? Fragen? - Keine? - Dann ab an die Arbeit und macht mich stolz!", schloss ich letztlich. Dann ging es ab zur peinlichen Befragung ins Büro des Stationarius....
Das hieß: Zunächst hatte ich natürlich noch keine Ahnung, dass meine Befragung so peinlich werden würde - für den Ostorier. Ich hatte ja nicht ahnen können, wie sich der peregrine Blasius seinen Namen verdient hatte! Es stellte sich heraus: Der Kerl war ein Schläfer, genauer ein Hoch-Schläfer, der auf genau diesem Weg nicht nur vom Sklaven zum Libertinus (erst jetzt erfuhr ich, dass er gar kein Peregrine war!) aufgestiegen war, sondern sich auch diesen Job hier so geangelt hatte. Und ich konnte bereits jetzt ganz deutlich sehen, wie mir der Stationarius Ostorius in ein paar Jahren ausgerechnet diesen Blasius als seinen Nachfolger vorschlagen würde.... "Diese 327 Sesterzen 86 erwarte ich zurückgezahlt an den Cursus Publicus von Italia in spätestens 14 Tagen! Ist mir egal, ob aus deiner oder seiner Tasche, Hauptsache das Geld kommt an! Verstanden?!" Ein Nicken folgte meinem auffordernden Blick. "Und künftig erwarte ich, dass es Lohnabzüge oder sonstwas gibt, falls soetwas nochmal passiert! Unter keinen Umständen möchte ich hier nochmal jemanden dabei erwischen, wie "in der Hitze des Gefechts" entstandene Unfälle über den Cursus Publicus abgerechnet werden! Habe ich mich klar genug ausgedrückt?!", wetterte ich und schlug auch für die Leute außerhalb des Officiums abschließend einmal kräftig auf den Tisch. "Ja, Praefecta.", antwortete der Stationarius halblaut. "Dann ist ja gut. Ich wünsche dir noch einen schönen Tag. Vale bene!", verabschiedete ich mich mit freundlichster Stimme und süßem Lächeln auf den Lippen. Kurz darauf setzte ich meine Dienstreise fort. Das nächste große Ziel: Tarquinia! >>>
(Warum ich niemanden aufgrund des Vorfalls gefeuert hatte? Nichts wäre mir lieber gewesen als das, nachdem diese Hafenstadt mir so langsam wie ein Zentrum dieser abnormen Gelüste vorkam! Meinen Verlobten hatte ich ja auch hier kennengelernt. Allerdings musste man diesen selbstgefälligen Nutzen auch mit den entstehenden Kosten vergleichen. Und da stand für den Ostorius zu Buche, dass er die Mansio gut im Griff zu haben schien, wie ich einmal mehr über ein schmutziges Geheimnis den Stationarius hoffentlich ganz gut in den Griff bekommen würde. Da sollte er auch ruhig sein kleines Spielzeug behalten dürften, um von diesem Tag für Tag für Tag aufs Neue daran erinnert zu werden, an wessen Rockzipfel er letztlich hing!)