Institutionalisieren? Kurz guckte ich ungläubig. "Mit Verlaub, mein Kaiser, aber soweit ich weiß, muss hier eigentlich gar nichts weiter institutionalisiert werden.", widersprach ich vorsichtig. "Denn das Ius liberorum bezeichnet "zusammenfassend verschiedenartige Vorrechte und Privilegien, welche seit der Ehegesetzgebung des Augustus den mit Kindern gesegneten Vätern und Müttern, beziehungsweise diesen gleichgestellten Personen gegenüber eingeräumt" werden.", zitierte ich einen Satz aus meinen Notizen. "Oder anders gesagt ist die für Recht erklärte Lex Iulia et Papia eigentlich Grundlage genug für eine Verleihung des Ius trium liberorum." Fand ich zumindest - und hatte natürlich auch prompt ein passendes Beispiel zur Hand: "Anders hätte auch dein Vorgänger Cornelius dieses Recht gar nicht wirksam verleihen können. Und das hat er." Darüber hatte ich mich als Procuratrix a memoria, als Archivleiterin der kaiserlichen Kanzlei, natürlich vorab informiert. "Mit anderen Worten liegt es schon jetzt ganz in deinen Händen, dieses Recht an Männer wie Frauen rechtmäßig zu verleihen." Nochmal ein kurzer Blick auf meine Notizen: Dass er gut daran tat, nicht jede Verleihung über eine große Audienz zu Hofe zu zelebrieren.. das hatte ich ja schon gleich zu Beginn gesagt. (Und so eine schicke Urkunde, wo mein Name mit der gleichen Tinte wie der unter anderem zweier Augustae geschrieben stand, das fand ich in meinem Fall ja auch viel fescher.)
Nächste Frage. "Zu den finanziellen Vorteilen.. zählt.. vor allem erstmal, weniger finanzielle Nachteile zu haben.", drehte ich den Satz erstmal um. "Denn die Lex Iulia et Papia sagt ja, dass, wenn jemand in einem gewissen Alter nicht in einer anständigen Ehe lebt, dann zum Beispiel nicht dazu in der Lage ist, testamentarisch zu erben." Juristisch nannte man so eine unverheiratete Person dann Caelebs und nannte es eine "Inkapazität", dass diese Person kein testamentarisches Erbe antreten konnte. Aber so wie der Kaiser hier gerade auf mich wirkte, beließ ich diese Fachbegriffe lieber mal auf meiner Wachstafel. "Wer zwar ordentlich verheiratet ist, aber trotzdem kinderlos", man nannte so jemanden Orbus, "der verliert nach der gleichen Lex Iulia et Papia immerhin noch die Hälfte einer ihm zugedachten Erbschaft oder eines ihm zugedachten Legats." Eine Strafe, die deshalb auch Orbitätsstrafe oder eben Strafe für Kinderlosigkeit hieß. "Von diesen Sanktionen ist natürlich nun jeder befreit, dem du das Ius trium liberorum verleihst." Lag ja schließlich auf der Hand, dass zum Beispiel jemand, der das Dreikindrecht besaß, im juristischen Sinne nicht kinderlos sein konnte. - Umgekehrt war natürlich klar, dass man zur Umgehung einer Strafe für Kinderlosigkeit nicht zwingend das Drei-kinderrecht brauchte. Aber eh ich erst erklären musste, dass dieser Vorteil eben eher einer für die Leute war, denen man das Ius trium liberorum ehrenhalber verlieh, verschwieg ich den Gedanken lieber einfach komplett.
"Aber natürlich sind die finanziellen Vorteile nicht alle nur in der Befreiung von Sanktionen zu finden. Manche Vorteile sind eben auch echte Prämien für den Kinderreichtum.", den man nach diesem Recht entweder ehrenhalber hatte (deshalb hieß es ja Ius trium liberorum) oder eben auch wirklich - so wie ich zum Beispiel: Ich hatte ja wirklich auch drei Kinder zur Welt gebracht (auch wenn nur noch zwei von denen lebten; aber das spielte für die Zählung ja keine Rolle). "Zum Beispiel der freie Eintritt in Theateraufführungen wäre da so eine Sache. Aber auch der ganze Teil mit dem Unterschreiten eines Mindestalters oder der Bevorzugung bei Ämtervergaben, auch wenn das jetzt natürlich keine direkten finanziellen Vorteile sind." Ich nickte in einem Akt der Selbstbestätigung und beendete meine Ausführungen damit erstmal. Der Kaiser sollte ja auch nicht völlig erschlagen werden von dem, was ich alles erzählte.
Sim-Off:Oder anders gesagt: Mehr hab ich neben der über allem schwebenden Befreiung von der Geschlechtsvormundschaft jetzt auch gar nicht so konkret herausgefunden.
Nach kurzem Überlegen fügte ich noch hinzu: "Vestalinnen besitzen dieses Recht übrigens ipso iure. Das heißt erstens, dass du ihnen dieses Recht nicht verleihen musst, weil sie es als Vestalinnen ja eh schon haben. Und das heißt zweitens natürlich auch, dass die finanziellen Vorteile, die sich aus dem Ius trium liberorum ergeben, am Ende nicht größer sind.. ja, nicht größer sein können als die finanziellen Vorteile einer Vestalin." Ich lächelte etwas eigenwillig. Denn das klang jetzt, wo ich es ausgesprochen hatte, irgendwie nicht mehr ganz so beruhigend, wie es sich in meinem Kopf vorher noch angehört hatte.