Beiträge von Sergia Fausta

    Ich nickte und stand auf von meinem Platz. "Dann sehen wir uns bei der nächsten Besprechung. Vale, Imperator." Dazu ein spitzes Lächeln. Denn auch wenn ich es beim letzten Besprechungspunkt eben ganz gut maskieren konnte, war ich wegen der Geschichte mit dem Ius trium liberorum immernoch sauer. Nur deshalb nannte ich ihn jetzt nicht "mein Kaiser", wie das sonst immer machte. Sondern jetzt war er für mich hier gerade nur der beratungsresistente Heerführer, der vielleicht kämpfen konnte und Ahnung hatte von Kriegsstrategien, aber nicht von Recht und Gesetz und Ordnung. Der Imperator, der auf dem Rücken seiner Armee seinen Willen durchsetzte und sich später dann wundern würde über die Konsequenzen des Ganzen. (.. "Et tu, Brute?" - Na gut, vielleicht nicht ganz so krass.)


    Und mit einem eleganten Hüftschwung, den ich auch während meiner zweiten Schwangerschaft nicht verlernt hatte, ging ich ab. Dampf ablassen.



    Ui, da war aber jemand dünnhäutig. Da amüsierte mich die ganze Situation natürlich gleich noch ein bisschen mehr. Aber ich hatte gerade das Gespräch mit dem Aemilius aufgenommen. Da blieb ich dann natürlich auch erstmal dabei. "Oh. Dein Verlust tut mir natürlich Leid.", heuchelte ich dann. (Denn für aufrichtiges Mitleid kannte ich die Aemilier halt einfach zu wenig.) "Aber findest du es nicht trotzdem etwas.. harsch, von einem "Feind" zu sprechen?", wollte ich dennoch wissen. "Immerhin haben damals auf beiden Seiten Römer gekämpft und ihr Leben gelassen. War nicht sogar dein Verwandter Iulius" Wie hieß der Kerl? Richtig: "Proximus selbst Kommandeur der Stadtkohorten zu dieser Zeit?" Die Frage richtete sich an den Gastgeber. Und auch wenn ich ganz unschuldig guckte: Innerlich machte es mir eine große Freude, diese Cena durch solche pikanten Details noch ein bisschen zu "würzen". "Versteh mich nicht falsch, Aemilius. Ich bin heilfroh, dass dieser maßlose Vescularius sein gerechtes Ende gefunden hat. Aber du kannst ja schlecht einen Soldaten dafür verantwortlich machen, dass er gerade hier in Rom in einer Einheit diente und nicht in den Germaniae, wo die Legionen auf der richtigen Seite gekämpft haben." Den Satz ließ ich kurz stehen. Dann musste ich natürlich nochmal ein bisschen Salz in die Suppe streuen: "Zumindest den einfachen Soldaten kannst du das ja schlecht vorwerfen. Was anderes ist es natürlich, wenn es um ein Mitglied des Kommandostabs einer Einheit geht." So wie bei Iulius Proximus. Aber auf den Schluss durfte der Aemilius alleine kommen.


    Während ich darauf wartete, dass der Aemilius jetzt unerfreut den Gastgeber über Iulius Proximus ausfragte, sah ich zum Horatius rüber. Und ich überlegte mir: Wäre diese Cena nicht viel lustiger, wenn der Vetter meines Mannes an gleich zwei Fronten versuchen müsste, die Gäste wieder zu beruhigen? "Und Horatius, es tut mir Leid, falls dich meine Bemerkung gekränkt haben sollte.", tat ich mitfühlend, obwohl es mir jetzt gerade natürlich herzlich egal war, wie sich der Horatius fühlte. Als Senator sollte der sich mal nicht so anstellen! "Du kannst dir sicher sein, dass wir alle hier wissen, dass deine Tochter aus gutem Hause kommt." Ich sah zu Iulius Centho, während ich weiter mit dem Horatier sprach. "Wie oft hat er uns das schon wissen lassen .." Ich nickte einfach mal, auch wenn ich mich nicht erinnerte, ob ich beim Essen überhaupt schonmal den Namen Horatius in diesem Zusammenhang gehört hatte. "Darf ich fragen: Deine Tochter aus gutem Hause, ist sie eigentlich schon versprochen?" Beiläufig (aber natürlich vollkommen berechnend) sah ich kurz zum jüngeren Iulius. Dann ließ ich mir einen Becher verdünnten Wein reichen. "Die Herren? Worauf stoßen wir an?", fragt ich zum Schluss mit unschuldigem Lächeln in die Runde und dachte: Vielleicht auf eine spontane Verlobung?



    Ich nickte und machte mir die gedankliche Notiz: Valerianus Geburtstag wurde als Termin vom Kaiser präferiert. "Und soll ich den Pontifex pro magistro noch auf den Palatin bitten? Denn ein Gespräch mit ihm könnte vor einer Besprechung der Sache im Senat ja vielleicht ganz sinnvoll sein." Sowohl was das Kultische betraf, als auch das andere. Denn irgendwer musste ihn ja vielleicht auch erstmal auf die Idee bringen, dass nach dem Antrag des Kaisers zur Konsekration Valerianus jemand (der im Staatskult auch von größerer Bedeutung war und eine Autorität darstellte) einen Antrag stellte, den Aquilier mit dem Namen Pius zu ehren. (Dass der Flavius schon in einer anderen Sache eingeladen war, wusste ich natürlich gerade nicht.)


    Ansonsten war der Punkt Divinisierung damit dann erstmal abgeschlossen. Und der Punkt Ulpianum-Eröffnung auch. Da musste ich als nächstes jetzt nur einen Kostenplan erstellen, um damit beim A rationibus Gelder locker zu machen. Dann brauchte ich die Rückmeldung des Kaisers gerade in Bezug auf seinen Sohn. Denn wenn die Spiele nicht vom Sohn ausgerichtet (und eröffnet) wurden, dann konnte ich mir den Gang zum Procurator Familiarum Gladiatoriarum ja sparen und stattdessen gleich nach einem geeigneten Ädilizier suchen, der Rom noch keine Spiele geschenkt hatte.... Und meinen Patron und meinen Onkel, und meinen Mann und den Tiberius (sowie einen Prudentius, wenn ich da irgendeinen fand), die schrieb ich am besten parallel zum Finanzplan schon mal an und erkundigte mich nach deren Vorstellungen. Denn ich konnte ja nur Reden einplanen von Leuten, die auch irgendetwas sagen wollten. Oder vielleicht hatten die auch noch andere Anregungen.. Aber das gehörte jetzt gerade nicht hierher. "Mehr hätte ich für heute dann erstmal nicht auf meiner Agenda.", schloss ich also erstmal ab und wartete, ob der Kaiser sonst vielleicht noch irgendetwas wollte.

    Bevor das Gespräch zwischen dem Vetter meines Mannes und mir weiterlaufen konnte, ging es zu den Klinen. Denn dort musste auch ich jetzt natürlich einen angemessenen Platz finden: Die beiden Kinder (und wer noch nicht mal das simple Hallo einer Frau erwidern konnte, wirkte auf mich eben nicht gerade erwachsen) hatten es sich offenbar auf dem Lectus summus bequem gemacht. Die beiden Auguren-Gäste lagen auf dem Lectus medius. Da würden der Iulius und ich dann wahrscheinlich auf dem Lectus imus Platz finden, dachte ich mir. Er als Gastgeber auf dem Summus in imo, dem traditionellen Gastgeber-Platz, und ich halt eben rechts daneben. Aber es kam anders. Ich beobachtete den Blick des Iuliers zum Aemilius. Und dann bot mir der Letztere seinen Platz auf dem Lectus medius an.... und ich war kurz irritiert. "Vielen Dank.", sagte ich aber trotzdem und nahm den Platz an. Denn wenn mich der Vetter meines Mannes unbedingt auf der Gästekline haben wollte, obwohl er mich eben noch als Hausherrin vorgestellt hatte, dann nahm ich eben auf dem Lectus medius Platz. Auch wenn das den Iulius natürlich gleich wieder ein paar seiner eben erst gewonnenen Sympathiepunkte bei mir kostete.


    Auf die Frage nach der Iulia mischte sich dann auch der junge Iulius kurz mit einem Kommentar ein. Ich lächelte schmal. Denn dieser Kommentar bedeutete ja nichts anderes, als dass er sehr wohl mein Erscheinen mitbekommen hatte und mir sogar beiläufig ein bisschen zugehört und Aufmerksamkeit geschenkt hatte. (War scheinbar doch noch nicht alles hoffnungslos verloren mit dem.) "Im Theater?" Ich sah für einen Moment zwischen dem älteren Iulius und dem Horatius hin und her. "Da kann ich nur hoffen, dass ihr sie nicht ohne Aufsicht dorthin gelassen habt.", amüsierte ich mich. "Denn auch ich war mal ein Mädchen in diesem Alter. Deshalb kann ich euch sagen: Zwei Mädchen, die behaupten, sie gingen ins Theater, noch dazu in eine schwere Tragödie.." Ich machte eine vielsagende Handbewegung mit meiner rechten, die sagen wollte: Solche Behauptung war nicht immer eine Lüge. Aber solche Behauptung war eben auch nicht immer die Wahrheit. "Was ist mit dir, Aemilius? Hast du Kinder?" Wenn der Mann schon so freundlich war, mir seinen Platz anzubieten, dann konnte ich ihn dafür auch ein bisschen mit einbeziehen und ihm meine Aufmerksamkeit zuteil werden lassen. Ich lächelte in seine Richtung. Denn das war eben das Muster, nach dem ich gestrickt war: Wer mir etwas gab, dem war ich meistens auch bereit, etwas zurückzugeben ..

    Ja, vielleicht scheute ich am Ende auch einfach nur den unnötigen Bürokratie-Aufwand im Fall von alles andere als unwahrscheinlichen Änderungen an der Lex Iulia et Papia. Und das nicht nur als Procuratrix der Kanzlei, sondern auch als Privatfrau. Denn ich hatte einfach keine Lust darauf, nach einer eventuellen Erweiterung der Privilegien aus dem Ius trium liberorum diese dann erst großartig hier beantragen zu müssen. Ich wollte auch bei einer Gesetzesänderung ohne Extra-Aufwand für mich gleich alle Privilegien haben, die mir dann zustanden. Oder mit anderen Worten: Ich wollte das Ius trium liberorum (nicht mehr, nicht weniger, nur ganz genau das) verliehen bekommen und nicht nur irgendeine starre und damit völlig unflexible Ansammlung irgendwelcher Privilegien (selbst wenn die heute "zufällig" die gleichen Privilegien waren, die sich auch aus dem Ius trium liberorum ergaben). Dafür hatte ich jetzt gekämpft. Und dafür würde ich wieder kämpfen, wenn es bei der nächsten Besprechung dann in die Verlängerung ging....
    Oder vielleicht half hier ja auch nur die knallharte mathematische Logik: Bezeichne groß A das Ius trium liberorum bestehend aus den Einzelprivilegien klein a_1 bis klein a_n. Dann wollte ich, dass man groß A verlieh. Der Vorschlag des Kaisers aber lief darauf hinaus, dass man nur klein a_1 bis klein a_n verlieh. Denn das genau passierte ja dadurch, dass man ganz starr bei der Verleihung festlegte, welche Privilegien man verlieh (und welche demzufolge nicht). >> Und wozu führte das? >> Wenn der Senat oder der Kaiser groß A um klein a_0 erweiterten, dann hatten alle, denen groß A verliehen worden war, dann sofort auch das Privileg a_0. Bei allen anderen, wo bei der Verleihung ganz explizit aufgeführt stand, dass sie die Privilegien a_1 bis a_n bekamen (und demnach also keine anderen Privilegien) musste dann überall nachgebessert werden und jetzt auch noch gesondert a_0 verliehen werden. Das war umständlich. Das kostete Zeit. Das kostete deshalb auch Geld. Und es war damit einfach eine vollkommen unsinnige Idee. Denn wozu waren die Einzelprivilegien a_1 bis a_n zu einem Gesamtpaket groß A verpackt worden? Bestimmt nicht, damit man nachher trotzdem aufwändig a_1 bis a_n verlieh.


    Zurück zum Ulpianum: Ich machte mir ein paar Notizen. Octavius Anton. War das nicht der Großvater meines Mannes? Annaeus Florus. War das nicht ein Verwandter meines Onkels Kaeso? Und die Tiberier. Da hatte der Senator Tiberius Lepidus ja schon ein bisschen meine Sympathie gewonnen bei seiner öffentlichen Hinrichtung der beiden Duccianus und Vettianus damals. Zum Budget schrieb ich mir auf, dass ich am besten einfach einen Kostenplan erstellte, den der A rationibus entweder direkt absegnen konnte oder mir mit Streichungen zurückschickte. Ein direktes Gespräch (wo schon das mit dem Census kaum vorankam) wollte ich lieber umgehen. Ja. Außerdem ein Häkchen hinter die Gladiatorenspiele. "Dann solltest wir über eine Einbindung deiner Frau und deines Sohnes am besten bei der nächsten Besprechung nochmal reden.", schlug ich vor. "Oder du schickst einen Diener einfach mit einer kurzen Notiz in mein Büro." Das wäre vielleicht sogar noch einfacher.
    Ich wechselte unauffällig die Wachstafel und machte noch schnell eine Ergänzung darauf. "Vielleicht können wir in dem Zusammenhang auch kurz das Thema "Divinisierung des Valerianus" nochmal anschneiden. Hierzu hattest du dir ja ein Dossier von mir gewünscht. Das habe ich nun hier." Ich reichte es dem Kaiser:



    Apotheosis Valeriani


    Pro:


      [*] Anknüpfung an Zeit der Ulpier = Zeit des Wohlstands und Friedens (im Gegensatz zu: Vescularius / Cornelius = Zeit von Unruhen und Bürgerkrieg bzw. von Siegern und Besiegten)


      [*] Divinisierung Valerianus = Symbol der Neutralität (im Gegensatz dazu: Vorgänger haben Divinisierung Valerianus verpasst, weil beide am Ende nur für ihre eigene Partei und ihre eigenen Ziele standen; nicht für GANZ Rom)


      [*] eventuelle Belohnung der Pietas durch den Senat (z.B. durch Nomen Honoris: Pius)
      >> Vorschlagung (einer Belohnung) durch den Pontifex pro magistro sinnvoll


      [*] passende Geste zur Einweihung vom Ulpianum?
      - vielleicht am 27.10. = Geburtstag Valerianus?
      - oder am 28.07. = Tag, an dem Iulianus Kaiser wurde und nach Kriegswirren die Ordnung im Reich wiederherstellte (Parallele zur heutigen Zeit)?


    Contra:


      [*] Konsekration Valerianus muss traditionsgemäß vom Senat beschlossen werden (Rede erforderlich)


      [*] Einrichtung eines neuen Flaminats und Ernennung eines Flamen Valeriani (als Teil der Flamines Divorum)
      >> Aber: ist sicher kein Muss und könnte vielleicht auch durch Erweiterung des Flamen Iuliani zum Flamen Iuliani et Valeriani umgangen werden (Besprechung mit dem Pontifex pro magistro ratsam)


      [*] mehrere Jahre seit Tod Valerianus vergangen
      >> Aber: Apotheose der Iulia Augusta auch erst 13 Jahre nach ihrem Tod nicht durch Tiberius oder Gaius sondern durch Claudius


      [*] gesundheitliche Schwäche Valerianus
      >> Aber: selbst Divus Augustus zu Lebzeiten sehr oft krank; trotzdem wurde er divinisiert


      [*] Valerianus Rückzug aus dem Tagesgeschäft; wenig Präsenz; wenige Taten (?)
      >> Aber: trotzdem kein Stillstand (Neuordnung der Provinzen; Verbannung Patrizier aus Ritterposten; letzter vollständiger Census; und Vieles mehr)
      >> Und: je stärker der Fokus beim Ehrenden, umso geringer die Aufmerksamkeit für den Geehrten....



    "Ich dachte mir, jetzt, wo du das Ulpianum und seine Einweihung ansprichst, wäre die Divinisierung des Valerianus vielleicht thematisch ganz passend dazu.", erklärte ich beiläufig, während der Kaiser Zeit zum Lesen hatte. "Man müsste natürlich vorbereitend den Senat erstmal die Konsekration beschließen lassen. Aber mit dem Beschluss in der Hinterhand wäre das sicher der i-Punkt bei der Eröffnung des Ulpianums, wenn du für den letzten regierenden Ulpier ein Flaminat begründest oder halt das seines Vaters auf ihn ausweitest und ihn damit zum Divus Valerianus erklärst." Ja. Das wars erstmal, was ich dazu noch zu sagen hatte. Meine ersten zwei Terminvorschläge standen ja auch auf der Tafel. Deshalb sagte ich erstmal nichts weiter dazu, sondern überließ dem Kaiser das Wort.

    Es dauerte seine Zeit, bis meine Untergebenen alle meine Wünsche erfüllt hatten. Aber irgendwann stand Cornelianus nervös vor meinem Schreibtisch und verlas mir seine zwei langen, langen Listen:


    IN NOMINE IMPERII ROMANI
    ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI


    VERLEIHE ICH
    [NAME DER FRAU]


    MIT WIRKUNG VOM
    [DATUM]


    DAS
    IUS (TRIUM) LIBERORUM


    BESTEHEND AUS:
    I. BEFREIUNG VON DER TUTELA MULIERUM


    II. BEFREIUNG EINER FREIGELASSENEN VON DER TUTELA LEGITIMA DURCH IHREN PATRON


    III. BEFREIUNG VON DER STEUER DER LEX IULIA DE MARITANDIS ORDINIBUS FÜR UNVERHEIRATETE


    IV. BEFREIUNG VON DER INKAPAZITÄT DER UNVERMINDERTEN ANNAHME TESTAMENTARISCHER ERBSCHAFTEN UND LEGATE


    V. BEFREIUNG VON DEN ERBRECHTLICHEN BESCHRÄNKUNGEN DER LEX VOCONIA


    VI. RECHT AUF FREIEN EINTRITT IN THEATERAUFFÜHRUNGEN


    VII. RECHT AUF BESSERE SITZPLÄTZE IN THEATERN UND CIRCI ALS RANGGLEICHE PERSONEN OHNE IUS (TRIUM) LIBERORUM


    VIII. RECHT EINER PATRONIN GEGENÜBER IHREN FREIGELASSENEN KLIENTEN AUF DIE PORTIO VIRILIS (DEN ERBTEIL EINES SOHNES)


    IX. RECHT ALLER EIGENEN TÖCHTER, EINE WAHL ZUR VESTALIN ABZULEHNEN, WENN AUCH DEREN VATER DAS IUS (TRIUM) LIBERORUM BESITZT



    [SIEGEL PER PROCURA AUGUSTI]


    IN NOMINE IMPERII ROMANI
    ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI


    VERLEIHE ICH
    [NAME DES MANNES]


    MIT WIRKUNG VOM
    [DATUM]


    DAS
    IUS (TRIUM) LIBERORUM


    BESTEHEND AUS:
    I. BEFREIUNG VON DER STEUER DER LEX IULIA DE MARITANDIS ORDINIBUS FÜR UNVERHEIRATETE


    II. BEFREIUNG VON DER INKAPAZITÄT DER UNVERMINDERTEN ANNAHME TESTAMENTARISCHER ERBSCHAFTEN UND LEGATE


    III. BEFREIUNG EINES FREIGELASSENEN, DER NICHT ALS SCHAUSPIELER ODER TIERKÄMPFER ARBEITET, VON DEN MUNERA, OPERAE UND DONA GEGENÜBER SEINEM PATRON ODER SEINER PATRONIN


    IV. RECHT AUF FREIEN EINTRITT IN THEATERAUFFÜHRUNGEN


    V. RECHT AUF BESSERE SITZPLÄTZE IN THEATERN UND CIRCI ALS RANGGLEICHE PERSONEN OHNE IUS (TRIUM) LIBERORUM


    VI. RECHT EINES SENATORS AUF BESSEREN SITZPLATZ IM SENAT ALS RANGGLEICHE SENATOREN OHNE IUS (TRIUM) LIBERORUM


    VII. RECHT AUF VORZUG GEGENÜBER EINER ÄHNLICH QUALIFIZIERTEN PERSON OHNE IUS (TRIUM) LIBERORUM BEI DER VERGABE VON ÄMTERN


    VIII. RECHT AUF ERLASS SO VIELER JAHRE EINES MINDESTALTERS FÜR EIN AMT, WIE MAN LEIBLICHE KINDER HAT


    IX. RECHT DES AMTIERENDEN CONSULS MIT MEHR KINDERN ALS SEIN KOLLEGE, IM ERSTEN MONAT DES AMTSJAHRES DIE FASCES ZU FÜHREN.


    X. RECHT ALLER EIGENEN TÖCHTER, EINE WAHL ZUR VESTALIN ABZULEHNEN, WENN AUCH DEREN MUTTER DAS IUS (TRIUM) LIBERORUM BESITZT



    [SIEGEL PER PROCURA AUGUSTI]


    Sim-Off:

    Falls noch jemand ein paar historische Privilegien zur Hand hat: Immer her damit! => PN.
    Je unhandlicher, länger und detailierter diese Listen werden, umso besser. ;)


    Ich lächelte gehässig, aber zufrieden. "Und wie schön handlich diese Pamphlete doch sind! Da wird sich der Kaiser bestimmt drüber freuen." Denn alles andere würde ja bedeuten, dass er seinen eigenen Unsinn am Ende doch noch erkannte. "Aber sag mal, lässt sich das nicht sicherheitshalber trotzdem noch ein bisschen aufblähen? Was ist zum Beispiel mit dem Testierrecht für Frauen?", wollte ich wissen. "Äh.. also.. das ergibt sich eigentlich schon direkt aus der Befreiung von der Vormundschaft.." Ich zuckte mit den Schultern. "Na und? Der Kaiser hat mir gegenüber sehr deutlich gemacht, dass er jeden Dreck.." Huch? Ich lächelte wieder ganz böse lieb. "..jedes noch so winzige Detail auf diesem Wisch haben will. Also schlage ich vor, dass wir ihm seinen Wunsch erfüllen und auch so kleinteilig und detailreich wie möglich sind." Ob nun neun Punkte oder zehn Punkte.. den Unterschied macht das ja jetzt auch nicht mehr.


    Und während Cornelianus sich gleich dranmachte, mir meinen Wunsch zu erfüllen, damit ich dem Kaiser seinen Wunsch erfüllte, träumte ich schon lächelnd ein bisschen weiter: "Hach, Cornelianus. Und jetzt stell dir vor, dass in ein paar Jahren vielleicht ein Tertullius oder Orfitius kommen" Die Namen waren natürlich einfach nur zufällig von mir aus der Luft gegriffen. "und jeder von ihnen verändert ein kleines Detail an der Lex Iulia et Papia.. sagen wir zum Beispiel am Erbrecht. Und dann flattern der Kanzlei von heute auf morgen mal eben so tausende Ansuchen auf einmal ins Haus, weil all die vielen davon betroffenen Leute natürlich sofort von diesen Neuerungen profitieren wollen." Ja, ich konnte mir diese Sturmflut von Schreiben schon richtig bildhaft vorstellen. "Und dann versinkt die Kanzlei erst monatelang in einem kaum zu ertragenden Aktenstau, bevor der Kaiser", der ja selbst dann noch bestimmt nicht (!) seinen fahrlässigen Fehler eingestehen würde, "dann hunderte neue Mitarbeiter teuer einstellt, damit die Kanzlei vielleicht irgendwann mal wieder staufrei funktioniert." Und ich? Ich würde dann wahrscheinlich einfach kündigen und den Kaiser auf seinem selbstverschuldeten Mist sitzenlassen. (Natürlich nur mit den Worten: "Ich habs ja gesagt.") Oder.. naja.. vielleicht würde ich es mir auch einfach nur mit einer satten Gehaltserhöhung vergüten lassen, dass ich blieb und den Schlamassel, in den ER die Kanzlei gerade sehenden Auges manövrierte, für ihn auflöste. Das würde ich mir noch überlegen, bis es soweit war.

    Ich kam von meinem letzten Gespräch mit dem Kaiser zurück in mein Büro. Und ich war alles andere als glücklich. Eigentlich war ich sogar ziemlich unglücklich. Und wenn man es ganz genau nahm, dann war ich sogar absolut frustriert und stinksauer. "ARG!", feuerte ich lautstark meine Unterlagen einmal quer durch den Raum, nachdem die Bürotür hinter mir geschlossen war. "Wie kann man nur so beratungsresistent sein!?!", fluchte ich. Denn das wollte mir absolut nicht in meinen Kopf. "Cornelius, wie konntest du nur.." so verdammt früh aus dem Leben scheiden und es zulassen, dass dadurch soeiner auf den Thron kam! (Gut, der hatte mich erst zur Kanzleiprokuratorin befördert. Aber das sah ich in meinem Ärger jetzt natürlich nicht. - Ich sah nur seine Ignoranz. Und ich erinnerte mich an den ersten öffentlichen Auft-Ritt seiner Frau. Und ich war hochgradig verärgert.)


    Einer meiner untergebenen Mitarbeiter (er hieß Cornelianus und fühlte sich wahrscheinlich angesprochen, als ich den Namen Cornelius erwähnte) öffnete vorsichtig die Tür und schlich schüchtern ins Büro. Ich hörte ein zaghaftes Räuspern. "Ja?" Ohne ihn weiter zu beachten, ging ich hinter meinen Schreibtisch (setzt mich aber nicht hin, dazu war ich viel zu aufgebracht). "Erstens. Ich will die Lex Iulia et Papia auf meinem Schreibtisch. In ihrer ausführlichsten Form. Zweitens. Ich will eine Liste aller Privilegien des Ius trium liberorum." Ich fixierte den Kerl. "Und damit meine ich jedes einzelne und noch so winzige, haarspalterische, bürokratisch-pedantische Privileg, das sich IRGENDWIE auftreiben lässt." Der Kaiser wollte Details? Oh, DIE sollte er jetzt kriegen! "Und ich verspreche dir, es werden hier Köpfe rollen, wenn ich die Liste in meinen Händen halte und sie nicht bis auf den Kanzleiboden reicht!" Denn ich hatte den Kaiser davor gewarnt, dass es unhandlich und unpraktisch und hochgradig unsinnig war, was er sich da wünschte. Und das würde ich ihm mit größter Entschlossenheit vor Augen führen, damit SELBST ER in seiner Beratungsresistenz nicht mehr die Augen davor verschließen konnte!


    Der Freigelassene stand wie angewurzelt da. "Und drittens, das ganze bis gestern!", scheuchte ich ihn, damit er endlich in die Gänge kam. Kaum war der Kerl aus meinem Blickfeld verschwunden, wandte ich mich wieder meinem Selbstgespräch zu. "Der hohe Herr will jedes noch so winzige Detail auf seinen Urkunden haben? Weil er glaubt, dass das alles dann richtig schön "jus-ti-zi-a-bel" wird?" Der Aquilier sollte daran ersticken, wenn er dieses Wort noch einmal vor mir in den Mund nahm! "Fein. Er wird schon sehen, was er sich damit einbrockt.... wenn ich ihm ganz treu jedes. einzelne. Privileg. raussuche und zu Papyrus bringe." Denn es sollte mir ja am Ende niemand unterstellen, dass ich irgendetwas vergessen hatte oder irgendwem irgendein Privileg absichtlich vorenthalten wollte. "Und räumt hier mal jemand diesen SAUSTALL auf!?!" Die Wachstafeln, die ich eben hier durch die Luft gefeuert hatte, lagen ja immernoch kreuz und quer auf dem Boden verteilt..!

    Tja. Schien wohl so, als wenn selbst der enorme Extra-Aufwand als Argument hier nicht auf fruchtbaren Boden fiel. Dabei war gerade das ja eigentlich ein mehr als eingängiges Kontra. Denn wurden die Privilegien aus dem Ius trium liberorum vermehrt: Alle, denen dieses "Mehr" auf ihrer Urkunde fehlte, würden sich sofort bei der Kanzlei melden, um auch dieses Extra für sich noch einzustreichen. Und wurden die Privilegien aus dem Ius trium liberorum beschnitten, dann war die Kanzlei ebenfalls in größtem Zugzwang, vielen tausenden Menschen das "Weniger" schleunigst rechtskräftig abzuerkennen. - Das konnte man drehen wie man wollte: Solche Tausend-Privilegien-Regelung war aus bürokratischer Sicht der reinste Horror! Da konnte man das Ius trium liberorum dann konsequent eigentlich auch gleich ganz abschaffen, wenn man am Ende eh nur noch tausende von Einzelprivilegien verlieh, aber das Dreikinderrecht als großes Gesamtpaket eben nicht mehr.
    Hochgradigen Unsinn fand ich das also noch immer. Aber schön. Was sollte ich machen? Mehr als ins Gewissen reden konnte ich dem Kaiser nicht. Am Ende traf ER dann die Entscheidung. (Caligulas Berater hatten ihn sicherlich auch davor gewarnt, ein Pferd zum Consul zu machen. Aber mehr als immer wieder auf den Kaiser einreden, war eben nicht möglich. - Auch wenn Aquilius bestimmt nicht mit dem Leben dafür bezahlte, so wie Caligula damals.... kurz bevor er seine Pläne für den Gaul Incitatus Wirklichkeit werden lassen konnte.)


    Ich lächelte also unzufrieden schmal und machte mir eine kurze Notiz. "Natürlich." Vertagten wir den Punkt eben. Vielleicht half ja die Zeit dabei, dass er die Unsinnigkeit seines Wunsches erkannte. Und ich würde mit meinen Vorschlägen am Ende aber sicher auch den meinen Teil dazu tun, dass ihm der Gefallen an seinem Wunsch noch verging! - Aber da sprach der Kaiser dann auch schon das nächste Thema (ein eigenes, das nicht auf meiner Liste stand) an: Die Einweihung vom Ulpianum. "Welchen Umfang soll diese Veranstaltung denn haben?", war natürlich gleich mal meine erste Frage dazu. Denn auch wenn er von einer "kleinen Aufgabe für mich" gesprochen hatte, gab es ja klein.. und es gab KLEIN (oder mit anderen Worten: eher ein bescheidenes groß). Außerdem notierte ich mir auf einer leeren Wachstafel gleich mal:
    - meinen Patron fragen, ob er als Fertigsteller der ewigen Baustelle eine kleine Rede halten wollte
    - "Du wirst sicherlich persönlich die Hauptrede des Festakts halten wollen, nicht?" Eigentlich nur eine rhetorische Frage, glaubte ich.
    - einen Termin finden.. vielleicht ja.. oja, da hatte ich sogar gleich schon eine erste Idee
    - "Gibt es schon eine offizielle oder inoffizielle Liste, wer jetzt alles dort geehrt wird?" Vielleicht konnte man da ja noch ein paar Angehörige mit einbeziehen.
    - das Budget nicht vergessen: "Hast du mit dem Procurator a rationibus schon die Höhe des Budgets besprochen?" Ansonsten musste ich das wohl noch machen. (Und das, wo er sich schon in der Sache mit dem Census bisher immer sehr.. wortkarg gab.)
    - Rahmenprogramm abstecken: Dabei schieden irgendwelche Militärparaden natürlich gleich mal kategorisch aus. Erstens. Zum decimischen Kommandowechsel war sowas gerade erst gewesen. Zweitens. Mir widerstrebte jede Art der Zusammenarbeit gerade mit einem Praetorianer. Und drittens. Gerade dem Praetorianer würde ich auch bestimmt keine Bühne zu seiner Selbstdarstellung überlassen. (Da würde ich noch eher diesen Barbaren Duccius mit triumphalem Pomp aus Germanien herschaffen lassen, als dass es soweit kam.) "Brotspenden?" Die waren ja immer gut. Theater? Diesen ganzen Kultur-Bereich hatte der Consul Flavius erst gemacht. "Und vielleicht ein paar Gladiatorenkämpfe nach der Einweihung? So zur Feier des Tages?" Denn die Wagenrennen hatte ja erst der Cornelius für sich beansprucht. Damit konnte sich der Aquilier jetzt bestimmt nicht von seinem Vorgänger abheben.


    Was könnte man noch bedenken? Ich kratzte mich beiläufig im Nacken.
    "Willst du deine Frau irgendwie gesondert in die Veranstaltung mit einbeziehen? Ich frage, weil ja die Frau des Divus Iulianus damals zur Schirmherrin über das ganze Ulpianum-Projekt erklärt worden war." Jetzt war sie tot. Da wollte vielleicht die Veturia die Möglichkeit nutzen, selbst ein bisschen herauszustechen. "Oder vielleicht dein Sohn?" Ich überlegte. Dann nickte ich. "Gladiatorenspiele vorausgesetzt, müssten die natürlich auch von irgendwem eröffnet werden. Und wenn du die Hauptrede bei der Einweihung des Ulpianums hälst, könnte den Part natürlich auch jemand anders übernehmen." Ich dachte weiter nach. "Ja, eigentlich wäre das vielleicht gar nicht mal so unklug. Denn dein Sohn ist zwar dem Rang nach ein gewesener Ädil. Aber Spiele ausgerichtet hat er ja bisher nicht, soweit ich weiß." Da bot sich hier also eine Chance. "Oder ansonsten könnte ich natürlich auch schauen, ob ich vielleicht einen anderen Ädilizier auftreiben kann, der hier seine Pflicht an Rom noch.. "nachholen" müsste.", bot ich alternativ an und hatte so ein Gefühl, dass ich da zur Not bestimmt einen geeigneten Kandidaten auftreiben könnte....

    Ich machte große Augen, verkniff mir aber ein spontanes "Alle??", das mir schon ausspruch-fertig auf der Zunge lag. Denn irgendwie schien es keinen Sinn zu machen. Der Kaiser nahm meinen Rat einfach nicht an. Er redete einerseits von "Justiziabilität" und wollte aber andererseits genau in die Richtung stürmen, die dafür mit Abstand am unpraktischsten war. Aber schön. Ich war ja geduldig(er geworden, seit ich die Mutter von zwei kleinen Kindern war). "Alle Privilegien auf eine Urkunde? Oder getrennt eine Ausführung für Männer und eine für Frauen?", ging ich also erstmal ganz praktisch auf seine Wünsche ein und war mir trotzdem sicher: Ob ich es trennte oder nicht, würde am Ende den großen Unterschied auch nicht mehr machen. Unhandlich wurden die Urkunden damit sowieso allesamt. Und das allein war ja noch nichtmal das Schlimmste....


    Ein zögerliches "Oder.." durchbrach meine Pause. "..willst du vielleicht erst nochmal einen Tag darüber nachdenken und vielleicht auch mit meinem Kollegen aus der Rechtsabteilung darüber sprechen? Denn natürlich möchte ich deinen Wünschen gerne folgen, mein Kaiser. Aber mit Verlaub muss ich sagen, dass es bestimmt einen juristischen Grund hat, dass auch in deiner Lex Aquilia de imperio ja nicht jedes einzelne Privileg haargenau aufgeführt steht....", merkte ich in meinem letzten Versuch, ihn von dieser Idee abzubringen, an. "So wie es Divus Augustus und seinen Nachfolgern erlaubt war, heißt es da stattdessen nicht nur einmal oder zweimal, sondern in fast jedem einzelnen Abschnitt." Ein vorsichtiges Lächeln, damit ich durch meine vielen Widerworte nicht heute noch einen Kopf kürzer wurde. "Dazu möchte ich vielleicht auch auf die Möglichkeit von Gesetzesänderungen hinweisen.. und darauf, dass es sicher jede Menge Kapazitäten kostet, wenn nach einer Erweiterung oder Einschränkung der Privilegien aus dem Ius trium liberorum nicht dutzende oder hunderte, sondern tausende Urkunden in veränderter Form neu ausgestellt werden müssten." Allein schon deshalb war das to-tal unpraktisch und strebte seinem Wunsch nach "Justiziabilität" to-tal entgegen. "Vielleicht willst du dir also doch nochmal.. etwas durch den Kopf gehen lassen.. wie dein Vorgänger bei diesem Recht vorgegangen ist." Immerhin hatte er sich vorhin ja sogar noch dafür interessiert (bis er dann fand, dass ihm das so gar nicht gefiel). "Denn dein Vorgänger schrieb auf Urkunden meist einfach am Ende den Satz, Alle mit dem Ius trium liberorum verbundenen Rechte und Privilegien seien der .. ausgezeichneten Person gewährt. Die Variante ist einfach und vor allem ohne Anpassung jederzeit rechtssicher. Auch wenn sich die Bestimmungen der Lex Iulia et Papia vielleicht mal ändern." Lautlos atmete ich durch und war gespannt, ob er sich wenigstens davon jetzt etwas überzeugen ließ.


    Sim-Off:

    Mir ist ja klar, dass die Leute auch so halbwegs wissen sollen, womit sie da eigentlich ausgezeichnet werden/wurden und was das Ius trium liberorum für sie überhaupt bedeutet. Aber: Wäre das nicht trotzdem eher was, das man nicht sim-on auf irgendwelche Urkunden schreibt, die schneller in den Untiefen des Forum verschwinden, als einem das lieb ist? Sondern eher was, das lieber sim-off zum Beispiel gut zugänglich im Tabularium zu finden sein sollte?

    Hm. Offensichtlich erwartete ich mal wieder zu viel. Denn von meinem grüßenden "Salvete" fühlte sich scheinbar kein einziger der Gäste angesprochen. Weder einer der Auguren, noch der Enkel des Triumphators Decimus. Und auch der junge Iulius Avianus sah nur kurz auf von seinem Essen, bevor ihm der Nachschub an Nahrung offensichtlich wichtiger war als wenigstens ein stummes Kopfnicken zum Gruß. Ganz ehrlich, mit dieser Verteilung seiner Prioritäten würde es sein Vater mit Sicherheit alles andere als leicht haben, eine Dame von Stand zu finden, die bereit war, diesen Jungen irgendwann zu heiraten. (Aber gut. Das war ja am Ende nicht meine Sorge.)


    Fast schon froh war ich da, dass mich wenigstens der Vetter meines Mannes nicht übersah und ignorierte. Im Gegenteil: Er stand sogar auf von seinem Platz und kam mir etwas entgegen! Da schenkte ich ihm doch glatt ein schmales Lächeln, auch wenn er erstmal nur schlechte Nachrichten für mich hatte: Er wusste auch nicht, wo mein Mann gerade war. (Ich vermutete ja, auch wenn ich dafür keine Beweise hatte, dass er bestimmt wieder bei seiner "Selbsthilfegruppe für traumatisierte Ehemänner und Väter" rumlungerte. Tze.) "Gerne nehme ich das Angebot an.", antwortete ich dann, dass ich bleiben würde. Und es erfüllte mich sogar mit einem kleinen bisschen Genugtuung, als ich anschließend als Hausherrin vorgestellt wurde. (Das war im Übrigen auch einer der Gründe, weshalb ich alles andere als traurig war, dass Iulius Centho sich bislang nicht neu verheiratet hatte. Meinetwegen konnte das ruhig auch weiter immer so bleiben!)


    Ja, und dann wurden andersrum die Gäste mir vorgestellt: Aemilius Pansa. Ich nickte und lächelte schmal. Horatius Septimus. Ich nickte und schenkte auch dem ein schmales Lächeln. Decimus Scipio. Und nochmal nickte ich nur stumm und lächelte schmal. Denn ich hatte die Leute ja alle schon gegrüßt, als ich den Raum betreten hatte. Ganz so, wie ich es gelernt hatte. Ganz so, wie ich fand, dass es sich gehörte. Und das wiederholte ich jetzt bestimmt nicht, nur weil die hohen Gäste hier scheinbar Gurken auf den Augen und Garum in den Ohren hatten. So weit kam es ja wohl noch! - Nein. Solange ich ignoriert wurde, ignorierte ich auch die Ignoranten. Ganz einfach. "Ich sehe deine Tochter gar nicht.", suchte ich also das Gespräch mit der einzigen Person im Raum (das Sklavenpack ausgenommen), die mich nicht ignorierte. "Ist sie bei ihrem Bruder, dem jungen Iulius Fusus?" Mädchen waren da ja manchmal so.. wie nannte man das.. mädchenhaft. Spielten Mutti für ihre jüngeren Geschwister und so.

    Justiziabel? Natürlich war dieser eine Satz, diese Zusammenfassung, in der Form nicht richtig "justiziabel". Aber wozu sollte er auch? Es gab die Lex Iulia et Papia. Die war gültiges Recht. Und Teil dieses Gesetzes war faktisch auch das Dreikinderrecht. (Das genau hatte ich mit diesem Satz ja ausdrücken wollen.) Da war es mir gerade vollkommen schleierhaft, wieso der Aquilius etwas schon Geregeltes unbedingt nochmal regeln wollte, damit es am Ende dann doppelt geregelt war. Das wollte mir nicht einleuchten. Kein bisschen. Und deshalb musste ich jetzt auch nochmal nachfragen, was er denn eigentlich wollte. "Eine konkrete Vorlage kann ich gerne erstellen, mein Kaiser. Nur muss ich dann nochmal nachfragen: Willst du eine Vorlage zum Veröffentlichen? Also eine Vorlage, die das in der Lex Iulia et Papia geregelte Dreikinderrecht nochmal regelt?" Mit anderen Worten: Wollte er die Lex Iulia et Papia in dem Bereich vielleicht sogar verändern? "Oder willst du eine Vorlage nur für dich? Also eine Vorlage, die alle wesentlichen Punkte zum Ius trium liberorum nochmal auf einem Dokument zusammenfasst?" Mit anderen Worten: Wollte er, dass ich meine Erklärungen von eben nochmal alle zum Nachlesen für ihn aufschrieb? - Gespannt sah ich ihn an.


    So richtig sinnvoll fand ich dabei natürlich weder das eine noch das andere. Denn logisch war es nicht das Problem dieses Kaisers, wie sein Vorgänger sowas gehandhabt hatte. Sein Problem war am Ende nur, wie er selbst die Dinge regelte. Und welchen Eindruck er damit machte, wenn er das Rad unbedingt noch ein zweites Mal erfinden wollte.

    Institutionalisieren? Kurz guckte ich ungläubig. "Mit Verlaub, mein Kaiser, aber soweit ich weiß, muss hier eigentlich gar nichts weiter institutionalisiert werden.", widersprach ich vorsichtig. "Denn das Ius liberorum bezeichnet "zusammenfassend verschiedenartige Vorrechte und Privilegien, welche seit der Ehegesetzgebung des Augustus den mit Kindern gesegneten Vätern und Müttern, beziehungsweise diesen gleichgestellten Personen gegenüber eingeräumt" werden.", zitierte ich einen Satz aus meinen Notizen. "Oder anders gesagt ist die für Recht erklärte Lex Iulia et Papia eigentlich Grundlage genug für eine Verleihung des Ius trium liberorum." Fand ich zumindest - und hatte natürlich auch prompt ein passendes Beispiel zur Hand: "Anders hätte auch dein Vorgänger Cornelius dieses Recht gar nicht wirksam verleihen können. Und das hat er." Darüber hatte ich mich als Procuratrix a memoria, als Archivleiterin der kaiserlichen Kanzlei, natürlich vorab informiert. "Mit anderen Worten liegt es schon jetzt ganz in deinen Händen, dieses Recht an Männer wie Frauen rechtmäßig zu verleihen." Nochmal ein kurzer Blick auf meine Notizen: Dass er gut daran tat, nicht jede Verleihung über eine große Audienz zu Hofe zu zelebrieren.. das hatte ich ja schon gleich zu Beginn gesagt. (Und so eine schicke Urkunde, wo mein Name mit der gleichen Tinte wie der unter anderem zweier Augustae geschrieben stand, das fand ich in meinem Fall ja auch viel fescher.)


    Nächste Frage. "Zu den finanziellen Vorteilen.. zählt.. vor allem erstmal, weniger finanzielle Nachteile zu haben.", drehte ich den Satz erstmal um. "Denn die Lex Iulia et Papia sagt ja, dass, wenn jemand in einem gewissen Alter nicht in einer anständigen Ehe lebt, dann zum Beispiel nicht dazu in der Lage ist, testamentarisch zu erben." Juristisch nannte man so eine unverheiratete Person dann Caelebs und nannte es eine "Inkapazität", dass diese Person kein testamentarisches Erbe antreten konnte. Aber so wie der Kaiser hier gerade auf mich wirkte, beließ ich diese Fachbegriffe lieber mal auf meiner Wachstafel. "Wer zwar ordentlich verheiratet ist, aber trotzdem kinderlos", man nannte so jemanden Orbus, "der verliert nach der gleichen Lex Iulia et Papia immerhin noch die Hälfte einer ihm zugedachten Erbschaft oder eines ihm zugedachten Legats." Eine Strafe, die deshalb auch Orbitätsstrafe oder eben Strafe für Kinderlosigkeit hieß. "Von diesen Sanktionen ist natürlich nun jeder befreit, dem du das Ius trium liberorum verleihst." Lag ja schließlich auf der Hand, dass zum Beispiel jemand, der das Dreikindrecht besaß, im juristischen Sinne nicht kinderlos sein konnte. - Umgekehrt war natürlich klar, dass man zur Umgehung einer Strafe für Kinderlosigkeit nicht zwingend das Drei-kinderrecht brauchte. Aber eh ich erst erklären musste, dass dieser Vorteil eben eher einer für die Leute war, denen man das Ius trium liberorum ehrenhalber verlieh, verschwieg ich den Gedanken lieber einfach komplett.


    "Aber natürlich sind die finanziellen Vorteile nicht alle nur in der Befreiung von Sanktionen zu finden. Manche Vorteile sind eben auch echte Prämien für den Kinderreichtum.", den man nach diesem Recht entweder ehrenhalber hatte (deshalb hieß es ja Ius trium liberorum) oder eben auch wirklich - so wie ich zum Beispiel: Ich hatte ja wirklich auch drei Kinder zur Welt gebracht (auch wenn nur noch zwei von denen lebten; aber das spielte für die Zählung ja keine Rolle). "Zum Beispiel der freie Eintritt in Theateraufführungen wäre da so eine Sache. Aber auch der ganze Teil mit dem Unterschreiten eines Mindestalters oder der Bevorzugung bei Ämtervergaben, auch wenn das jetzt natürlich keine direkten finanziellen Vorteile sind." Ich nickte in einem Akt der Selbstbestätigung und beendete meine Ausführungen damit erstmal. Der Kaiser sollte ja auch nicht völlig erschlagen werden von dem, was ich alles erzählte.


    Sim-Off:

    Oder anders gesagt: Mehr hab ich neben der über allem schwebenden Befreiung von der Geschlechtsvormundschaft jetzt auch gar nicht so konkret herausgefunden.


    Nach kurzem Überlegen fügte ich noch hinzu: "Vestalinnen besitzen dieses Recht übrigens ipso iure. Das heißt erstens, dass du ihnen dieses Recht nicht verleihen musst, weil sie es als Vestalinnen ja eh schon haben. Und das heißt zweitens natürlich auch, dass die finanziellen Vorteile, die sich aus dem Ius trium liberorum ergeben, am Ende nicht größer sind.. ja, nicht größer sein können als die finanziellen Vorteile einer Vestalin." Ich lächelte etwas eigenwillig. Denn das klang jetzt, wo ich es ausgesprochen hatte, irgendwie nicht mehr ganz so beruhigend, wie es sich in meinem Kopf vorher noch angehört hatte.

    Sim-Off:

    Falls ich störe, gebt Bescheid und ich finde einen Grund so unerwartet wieder zu gehen, wie ich gekommen bin. ;)


    Es waren Gäste im Haus. Das deswegen besonders geschäftige Treiben des Sklavenpacks war mir natürlich nicht entgangen. Und auch wenn man mich nicht eingeladen hatte zu dieser kleinen Veranstaltung, warf ich mich trotzdem einmal gut in Schale und stand schon bald in einem Traum aus dunklem Marineblau, meinen Perlohrringen und einer passenden Frisur an der Schwelle zum Triclinium. - Und schwupps, war ich auch schon drin.


    Kurz zupfte ich hier und dort nochmal an meinen Haaren etwas herum, während ich darauf wartete, dass mich die Männer der Runde entdeckten und begrüßten. Vielleicht brauchte ich also nur zu reagieren. Vielleicht musste ich aber doch selbst die Initiative ergreifen. Ganz egal: Ich grüßte trotzdem nur ganz kurz und beiläufig mit einem "Salvete" die Anwesenden. Anschließend schwebte ich mit einem geübten Hüftschwung (und das durfte man ruhig wörtlich nehmen, weil es Jahre in Anspruch genommen hatte, bis ich das endlich so perfekt drauf hatte) zum Vetter meines Mannes herüber. "Du..", redete ich ihn absichtlich nicht mit seinem Namen an. Denn auf der einen Seite wollte ich ihn vor seinen Gäste natürlich nicht in die Bredouille bringen, indem ich ihn nur distanziert als Iulius oder Iulius Centho anredete. Andererseits war ich aber auch immernoch verstimmt darüber, dass er sich noch nicht bei mir entschuldigt hatte dafür, dass er mich ungefragt einfach so bei meinem reinen Cognomen Fausta genannt hatte. (Und diese Entschuldigung erwartete ich noch - egal, ob in Worten oder in einer aufmerksamen Geste.) "..du hast nicht zufällig meinen Mann gesehen?", erkundigte ich mich. "Wir wollten eigentlich heute Abend ins Theater." Eine Lüge, die mir ohne mit der Wimper zu zucken ganz leicht über die Zunge ging. "Aber ich habe das Gefühl, als wäre ihm irgendetwas anderes mal wieder wichtiger." Ich seufzte gespielt und sah dann erwartungsvoll zu den Gästen, die man mir hoffentlich gleich vorstellte.

    Sim-Off:

    * Auch hier natürlich nochmal eine Entschuldigung für die ungeplante und ungeplant lange Abwesenheit.


    Ich atmete kurz (*oder vielleicht auch etwas länger) durch. "Zunächst: Ja, es ist absolut üblich, das Ius trium liberorum natürlich auch an Männer zu verteilen. So geschehen zum Beispiel im Fall des Valerius Martialis oder auch Plinius Minors.", belegte ich. Die Frage war ja noch recht schnell und einfach zu beantworten gewesen. "Zum Vorgehen bei der Verleihung kann ich dir sagen, dass es hier zunächst einige formale Regeln gibt." Das würde im Folgenden jetzt der etwas längere Part werden:


    "Erstens. Drei Kinder, die alle mindestens 9 Tage alt wurden, berechtigen zum Dreikinderrecht.
    Zweitens. Zwei Kinder, die beide mindestens 3 Jahre alt wurden, berechtigen ebenfalls zum Dreikinderrecht.
    Drittens. Ein Kind, das mindestens ein ehefähiges Alter erreicht hat, berechtigt auch zum Dreikinderrecht.
    Viertens. Als Kinder werden hierbei immer nur die leiblichen gezählt, sodass ein in Adoption gegebenes Kind mitzählt, während ein selbst adoptiertes nicht mitzählt."


    Ich ließ eine kurze Pause. "Diese Regeln gelten so natürlich nur für Freigeborene. Bei Freigelassenen müssen es vier statt nur drei Kinder sein." Aber wer wollte sich schon mit denen herumschlagen? Die waren mir im Großen und Ganzen herzlich egal. "Nach den formalen Regeln nun zu den Ausnahmen." Denn die gab es ja auch zu Haufe:


    "Da hätten wir zum Beispiel den Fall des schon erwähnten Plinius Minor, der vor gar nicht so langer Zeit erst von Traian mit diesen Recht bedacht wurde, obwohl er nicht ein einziges Kind in die Welt gesetzt hat. Allerdings bei einem so herausragenden Mann, der noch dazu am Ende ganze dreimal verheiratet war und es also rätlich versucht hat, eine Familie zu gründen, da hat man natürlich eine Ausnahme gemacht.
    Ein anderes Beispiel ist eigentlich keine Ausnahme. Aber Augustus.. also der erste Augustus, der deine heutige Stelle innehatte.. hat damals auch seiner Frau Livia explizit dieses Recht verliehen, um damit natürlich auch politisch ein Zeichen zu setzen.
    Und nicht zuletzt ist eine Verleihung ehrenhalber natürlich auch immer eine ganz gute Sache, wenn man jemanden dezent auszeichnen möchte. Denn damit verschenkst du kein teures Geld oder kostbares Land, verleihst keine prächtige Hasta Pura oder marmorne Statue, und gestattest auch keine aufwändige Ovation durch halb Rom. Stattdessen vergibt du nur mit einem einfachen Schreiben ein paar Rechte, die dir aus deiner Position vermutlich eher klein vorkommen, die aus einer anderen Perspektive aber vielleicht auch anders wahrgenommen werden."


    Soviel erstmal zu dem Punkt der Ausnahmen. "Die Bedeutung, welche das Dreikinderrecht gerade für Frauen sui iuris hat" Sie wurden damit vor allem von der Geschlechtsvormundschaft befreit. (Ich bräuchte endlich keinen Tutor mehr!) "brauche ich dir sicher nicht weiter auszuführen. Männer auf der anderen Seite, weil du dich speziell nach ihnen erkundigt hast, erhalten neben einigen finanziellen Vorteilen vor allem die Möglichkeit, schneller in den Ämtern aufzusteigen.. einerseits zum Beispiel durch das Erlassen einiger Jahre bei Ämtern mit festem Mindestalter.. andererseits indem man sie bei Amtsvergaben für gewöhnlich anderen Bewerbern vorzieht." Das hörte sich jetzt sicher erstmal wieder etwas formal an. "Stehst du vor der Wahl und musst entscheiden, welcher Senator der nächste Statthalter von Tarraconensis wird, oder musst entscheiden, welchem von zwei Rittern du als nächstes die Sorge um deine Provinz Ägypten überträgst, dann kann das Ius trium liberorum da also gut und gerne auch mal der entscheidende Tropfen sein, der eine festgefahrene Pattsituation ganz leicht auflösen kann." Ich nickte. "Und das nicht willkürlich und ungerecht, sondern ganz so, wie es auch der erste Augustus sicher nicht anders gemacht hat." Ganz legitim (und legal sowieso) sozusagen.

    Sim-Off:

    Entschuldigt bitte. Ein kleines Motivationstief zuzüglich zum Vorweihnachtsstress.


    Ich war erschöpft. Aber Aufgeben war jetzt trotzdem nicht. Ich musste.. musste auch das zweite Kind jetzt irgendwie auf diese Welt bringen. Die Plinia gab dazu den Ton an. Und der Helvetius unterstützte mich ebenfalls. "Hgrr..AARGH!" Ich hatte es fast geschafft. Der erste Zwilling war schon geboren. Die Hälfte, so rein rechnerisch, lag damit schon hinter mir. So versuchte ich mir schönzureden und mich zu motivieren. "Hgrr..AARGH!" Weniger anstrengend wurde es leider kaum (nur ein bisschen durch den Helvetius). Aber es half mir trotzdem durchzuhalten, bis auch der zweite Zwilling endlich da war. Und es war.. ein Junge.


    Fix und fertig legte ich meinen Oberkörper auf den Tisch ab. Das zweite Kind war ein Junge, wiederholte ich in Gedanken. Aber das Gefühl wie bei dem kleinen Faustinchen, auf die ich mich schon seit Monaten freute (denn ich hatte ja immer gewusst, dass es ein Mädchen werden würde!), stellte sich trotzdem nicht ein. Es war fast so, als wäre das gar nicht mein Kind; als wäre das nie passiert; als hätte ich nur ein Kind geboren und jetzt gab man mir zwei. Ja, ich war selbst ganz verdutzt und überrascht. Denn meinen kleinen Marc liebte ich ja auch von seinen kleinen Zehchen bis zu den Haarspitzen. Und das gleiche warme Gefühl hatte ich auch für die kleine Fausta. Nur für ihren Bruder fühlte ich gerade irgendwie.. gar nichts.


    Die Medica sprach mich an. Konnte ich mich allein hinsetzen oder sollte die Sklavin meine Tochter ablegen. "Nein.", antwortete ich ohne zu denken. Die kleine Iulia Fausta sollte nicht einfach irgendwo abgelegt werden! "Ich schaff das schon." Mit Müh und Not stützte ich mich mit meinen Armen wieder in eine sitzende Position hoch, während der Helvetius zur Plinia ging und sie sich um die Nabelschnur kümmerte. Dann bekam ich auch den Jungen zu Gesicht. Er sah kleiner und schwächlicher aus als meine Tochter. Ich versuchte trotzdem zu lächeln und beschloss in diesem Moment, dass ich ihn "Faustus." nennen wollte. Denn das passte ja irgendwie, wenn seine Schwester Fausta heißen sollte. Viel mehr Wärme fühlte ich aber trotzdem nicht für ihn. Deshalb wandte ich mich ein bisschen enttäuscht (von mir selbst) auch lieber gleich wieder ab. Ich wollte mich jetzt auf die Nachgeburt konzentrieren, damit ich bald einfach nur noch mit meiner Tochter nach Hause konnte. Und mit meinem Sohn, natürlich.

    Ich nickte und gab meinem Notarius ein Zeichen mitzuschreiben: "Den Director Ludi lade ich zum nächsten möglichen Termin ein." Das war ja keine große Sache, nur ein Brief. "Und ob Carpinatius Ruga den Census erfüllt, werde ich bis dahin natürlich ebenfalls überprüfen lassen.", auch wenn ich mir sicher war, dass wenn nicht er, dann mindestens seine Familie bestimmt nicht arm war. Denn war der Name Carpinatius nicht ziemlich eng mit dem Namen Verres und dessen einträglicher Statthalterschaft in Sizilien verbunden? Was man eben hier und da so hörte.... Einen kleinen Moment sagte ich nichts und ging nur in mich. Wenn das Gespräch mit dem Director Ludi so verlief, wie ich mir das ungefähr erhoffte, und der Primicerius Carpinatius am selben Tag aus seinem eigenen Familienvermögen den ritterlichen Census aufbringen konnte, dann fehlte eigentlich nur noch, dass der Name des Helvetius auf der Bewerberliste für die frei werdende Stelle des Primicerius ab epistulis landete. *


    Sim-Off:

    * Oder kurz gefragt: Darf ich das also anstoßen?


    Mehr konnte ich im Augenblick also nicht tun. (Denn um das nicht-ritterliche Kanzleipersonal kümmerte sich ja der Ab epistulis. Da brachte es nichts, jetzt den Kaiser damit zu behelligen.) Also konnte ich zum nächsten Punkt kommen. Ich ließ mir wieder eine Wachstafel reichen. "Als nächstes würde ich gerne eine Angelegenheit mit dir besprechen.. ein bisschen in eigener Sache." Ich hatte den Punkt extra nicht als allererstes angeschnitten. Ich wollte aber auch nicht bis ganz zum Schluss damit warten. "Unzwar geht es um das Ius trium liberorum, um das ich nach der Geburt meines ältesten Sohnes, und meiner Zwillinge vor kurzem, gerne bitten will.", erzählte ich erstmal nur die erste Hälfte der Wahrheit. Dann machte ich eine kleine Pause, bevor ich die zweite Hälfte nachschob. "Und ich möchte.. bei der Gelegenheit.. gleichzeitig auch noch einige weitere Verleihungen des Dreikinderrechts anregen. Dazu habe ich dir einmal eine kleine Liste vorbereitet." Und die sah so aus:



    Ius trium liberorum


    Veturia Serena, Augusta
    - ehrenhalber


    Sentia Laevina, Augusta
    - erfüllt die formalen Voraussetzungen:
    - hat eine Tochter (Cornelia Prima) in ehefähigem Alter


    Manius Flavius Gracchus, Senator & Pontifex pro magistro
    - erfüllt die formalen Voraussetzungen:
    - hat 3 Kinder (M' Flav. Gracchus, Flav. Flamma, T. Flav. Gracchus)


    Aurelia Prisca, Ehefrau des Manius Flavius Gracchus
    - ehrenhalber


    Marcus Decimus Livianus, Consular & Praefectus Urbi
    - erfüllt die formalen Voraussetzungen:
    - hat 2 Kinder (Dec. Flava, M. Dec. Flavus) über 3 Jahre


    Aelia Vespa, Ehefrau des Marcus Decimus Livianus
    - erfüllt die formalen Voraussetzungen:
    - hat einen Sohn (G. Prudentius Primus) in ehefähigem Alter


    Marcus Iulius Dives, Senator
    et Sergia Fausta, Eques & Procuratrix a memoria
    - erfüllen die formalen Voraussetzungen:
    - haben 3 Kinder (M. Iul. Dives, Iul. Fausta, F. Iul. Dives)


    Duccia Venusia, Eques & Schwägerin des Marcus Decimus Livianus
    - erfüllt die formalen Voraussetzungen:
    - hat u.a. eine Tochter (Decima Sevilla) in ehefähigem Alter



    Jede Menge Leute hatte ich mir da rausgesucht. Insgesamt waren es 9 Namen. Und 8 von diesen 9 wussten nichtmal davon, dass ich sie auf meine Liste geschrieben hatte (und die 9. Person war ich selbst). "Die Namen der beiden Augustae erklären sich bestimmt von selbst.", fing ich dann an und brauchte sicher nicht zu sagen, dass schon der erste Augustus seiner lieben Livia dieses Recht extra verliehen hatte (es war also nicht schon Teil des Augusta-Titels). Das war anders als bei den Vestalinnen, denen man dieses Recht nicht erst nochmal verleihen musste. (Deshalb hatte ich den Namen Decima Messalina auch nicht mit aufgeschrieben.) "Manius Flavius Gracchus habe ich aufgelistet, weil er dein Stellvertreter als Pontifex Maximus ist und er die formalen Voraussetzungen erfüllt. Seine Frau hast du ihm vor einiger Zeit confarreatisch angetraut. Und auch wenn sie nicht die formalen Voraussetzungen erfüllt, wäre es sicher kein so sehr schönes Zeichen, wenn du jetzt nur einem Ehepartner dieses Recht gibst." Außerdem betrachtete ich Prisca als meine Freundin. Überhaupt in allererster Linie deshalb hatte ich sie und ihren Mann hier auch ohne ihr Wissen aufgeschrieben. Gerade zur schönen Saturnalienzeit würde sich die Gute bestimmt darüber freuen!


    Und weiter mit dem nächsten Paar. "Marcus Decimus Livianus habe ich aufgelistet, weil er in seinem Amt als Praefectus Urbi ebenfalls dein Stellvertreter ist und mit seinen 2 leiblichen Kindern über 3 Jahren die formalen Voraussetzungen erfüllt." Denn genau so wurde ja gezählt: In Adoption gegebene Kinder durften mitgezählt werden, selbst adoptierte hingegen nicht. "Und seine Frau Aelia Vespa erfüllt anders als Aurelia Prisca sogar selbst die formalen Voraussetzungen mit ihrem ehefähigen Sohn, sodass du für diese gleichzeitige Verleihung sogar nichtmal eine Ausnahme machen müsstest.", führte ich weiter an.. und hatte natürlich im Hinterkopf: Livianus war mein Patron. Aus dem Grund hatte ich seinen Namen und den Namen seiner Frau ohne ihr Wissen auf meine Liste gesetzt. "Ja, die nächsten sind dann mein Mann und ich." Da lag der Eigennutz sogar noch viel mehr auf der Hand, sodass ich erstmal nichts weiter dazu sagte. "Und zum Schluss habe ich hier noch Duccia Venusia aufgeführt. Denn sie erfüllt die formalen Voraussetzungen, ist eine Schwägerin des Stadtpräfekten und eine der weniger Ritterinnen im Reich. Außerdem ist sie verwitwet." Da konnte sie zur Stärkung ihrer selbst dieses Recht bestimmt gut gebrauchen, dachte ich mir, auch wenn ich sie nicht kannte. Trotzdem waren das Verwitetsein und ihr Ritterring die beiden Gründe, aus denen ich sie mit auf meine Liste geschrieben hatte. Denn ich fand sie als Karrierefrau so auf dem Papier ganz sympathisch (..auch wenn sie eine Duccia war). Und warum sollte ich eine andere Karrierefrau, die alle Voraussetzungen erfüllte, nicht einfach mal unterstützen?


    Außerdem hatte die Zusammensetzung meiner Liste ja noch einen anderen Grund: "Falls du dieser vorgeschlagenen Liste zustimmst, denke ich übrigens, dass eine gemeinsame Bekanntmachung in einem Dokument sinnvoll ist." Sodass mein Name in einer Liste mit zwei Kaiserinnern, und den Gattinnen von Pontifex pro magistro und Praefectus Urbi stand. Und mit noch einer weiteren Karrierefrau an Bord wurde der Kuchen, an dem ich hoffentlich Anteil bekam, nur noch größer..

    Du schaffst das?? Das machte mir irgendwie nicht gerade den größten Mut. Ich schaffte mich höchstens selbst, ja. "HAARRG!", presste ich, brauchte aber gleich wieder eine Pause. Ich schnappte nach Luft. Und wieder: "HAARRG!" Und eine Pause. Und wieder presste ich. Und wieder kam das zweite Kind einfach nicht. Und mir schwanden so langsam meine Kräfte dahin.... Die Plinia begann damit, mir einen Rhythmus vorzugeben. Ob das besser klappte? Ich versuchte es.. und presste.. und atmete.. und presste.. und atmete.. und hatte trotzdem nicht das Gefühl, dass es voran ging. Ich hatte das Gefühl, dass das zweite Kind einfach noch nicht einen ganzen Monat zu früh raus wollte. Oder wollte ich vielleicht einfach nur nicht mehr?


    Ja, vielleicht auch das. Konnte sein, konnte nicht sein. Ich war so langsam wirklich echt fix und fertig. Selbst zum Zetern fehlte mir zunehmend die Puste. Und sogar das Zudrücken meiner rechten Hand beim Helvetius wurde langsam etwas weniger kräftig. Ohne einen sinnbildlichen Tritt in meinen Hintern sah ich vor meinem innern Auge schon, wie das heute hier nichts mehr wurde. (Ich erinnerte mich dabei an meine Mutter, die immer irgendwie eine Liebe gewesen war. Nur einmal, als sie hinter den kleinen Flirt zwischen mir und diesem Alexander gekommen war, da hatte sie mir eine richtige Ansage gemacht. Da hatte ich wirklich fast ein bisschen Angst vor ihr bekommen - und mich sogar einen verflixten ganzen Monat lang an jedes einzelne Wort von ihr gehalten.)


    Ich bekam mit, wie mir der Helvetius jetzt noch mehr helfen sollte. Aber irgendwie schien er.. sich ein bisschen zu zieren? Zu zögern? "Nun mach.. und hab dich nicht so." schlug ich ihn nicht sehr fest mit meiner Hand auf den Arm. Seine kalten Hände (hatte er kalte Hände?) merkte ich anschließend kaum. Denn ich hatte wirklich gerade mit Größerem, also wirklich Größerem zu kämpfen, als nur mit einem paar ein bisschen kalter Hände. Männer. Gaben bei Tageslicht immer vor, die größten Helden zu sein. Aber kaum dass sie mal einen kleinen Schnupfen hatten, starben sie gleich. Und kaum dass sie mal ein bisschen bei der Geburt helfen und mich unterstützen sollten, war ihre größte Sorge (unterstellte ich ihm einfach), dass sie vielleicht ein bisschen zu kalten Hände haben könnten. Wäre ich jetzt nicht so ausgelaugt, ich hätte dem Kerl eine Ansage gemacht, die meine Mutter nicht besser hingekriegt hätte! "A..araargh.", blieb mir so aber nur die erschöpfte Äußerung meiner Schmerzen übrig.

    Genau das hatte ich befürchtet. Und ich ärgerte mich darüber, dass ich es überhaupt so laut ausgesprochen hatte. Und ich ärgerte mich darüber, dass diese Medica hier so tonangebend mit mir sprach. Denn ich war die Ritterin! Ich war die Prokuratorin! Und ich.. "Ich.. pre..aaAARGR..sse doch! Ich pr..AARG..sse!", versuchte ich trotz allem nicht klein beizugeben und presste mit aller Kraft (meine Finger in den Arm des Helvetius hinein und das erste Kind aus mir heraus).


    Dann war die Kleine auf der Welt. Hatte ich doch gewusst, dass es ein Mädchen war! Ich lächelte unter einigen Schweißtropfen erschöpft. (Und jetzt, wo sie da war, würde ich natürlich den Pluto tun, zuzulassen, dass irgendwer der Kleinen den hässlichen Namen Longina, "die Lange", verpasste! Denn wie sexy bitte war das, wenn allein der Name sagte, dass sie vielleicht sogar ihrem späteren Ehemann mal auf den Kopf spucken könnte?!? Ich war überzeugt: Eine Frau durfte größer sein als ihr Mann - aber bitte nicht länger. Auch nicht nur dem Namen nach.) "Faustina.", hauchte ich also nur, als mir die Sklavin meine kleine Tochter zeigte. Denn ich würde meinen Mann aber mit allergrößter Sicherheit daran erinnern, dass in unserem Ehevertrag klar und deutlich stand, dass unsere erste Tochter nach mir (und also auch nach meiner Urgroßmutter Cornelia Fausta) Iulia Fausta heißen sollte.


    Das kurze Durchatmen tat gut. Fast vergaß ich meine Schmerzen beim Anblick des kleinen Faustinchens. Sie war einfach perfekt, auch wenn sie noch so klein war. Ich wollte sie am liebsten gleich nehmen und ganz nah bei mir halten. Aber als ich gerade meine Arme nach ihr ausstrecken wollte, holte mir ein heftiger Schmerz zurück ins Bewusstsein, dass ich diese Geburt noch lange nicht überstanden hatte. "A..aaha!", beschwerte ich mich und krallte mir wieder den zwischenzeitlich losgelassenen Helvetius. Ob ich dabei die gleiche oder eine andere Stelle von Hand oder Arm zu fassen bekam, merkte ich nicht. (Wer sollte jetzt auch auf sowas achten!) "Es geht nicht mehr, wirklich nicht mehr.", teilte ich meine Sorgen gleich wieder mit der Plinia (und hoffte unterbewusst wahrscheinlich darauf, dass sie mir nochmal irgendwie die Kraft gab und mich antrieb, um das hier irgendwie zu bewältigen).

    Der Caesar erschien, der göttliche Wille zur Verhandlung wurde eingeholt, mein Onkel eröffnete die Verhandlung und sein Gehilfe grüßte mich aus der Entfernung. Ich grüßte mit einem schmalen Lächeln zurück und neigte dabei kurz meinen Kopf. Dann konzentrierte ich mich aber lieber wieder auf den Caesar.. der mich hier in der ersten Reihe allerdings scheinbar noch nicht entdeckt hatte.. sodass ich dann also notgedrungen mal hörte, was der Flavius so erzählte.


    Ich erfuhr: Der Flavier war der Patron des Klägers, er ging von Mord (und nicht etwa Totschlag) aus und er sah in dem angeklagten Sohn des Getöteten den Täter. Außerdem erfuhr ich (und zog dabei sehr überrascht die Augenbrauen empor): Er gab offenbar nicht besonders viel auf unser römisches Recht. Denn genau das sagte er ja: Es ginge ihm nicht um Regeln und Gesetze, es ginge ihm stattdessen um Gerechtigkeit. Oder mit anderen Worten: Er fand unsere römischen Gesetze nicht gerecht. Ob das wohl meinem lieben Onkel so gefiel? Hm.


    Aber auch im zweiten Teil der Rede überzeugte mich die Strategie der Anklagevertretung jetzt nicht besonders. Denn der getötete Vater wurde als arm bezeichnet und hilflos. Und das waren beides keine großartig guten Eigenschaften für einen Vater. Vielleicht war der Kerl ein Nichtsnutz gewesen, arm, hilflos, untalentiert und zu nichts zu gebrauchen. Vielleicht hatte er es am Ende einfach verdient, der Familie und der Gesellschaft nicht länger eine Last zu sein? - Nein. Mitleid war für mich kein Argument, für irgendwen Partei zu ergreifen oder mich mitreißen zu lassen. Nie. (Hoffentlich setzte die Gegenseite nicht auf das gleiche Pferd. Sonst wurde das hier ganz schnell eine ganz schön trostlose Nummer.)


    Ein bisschen sorgenvoll (nicht dass der Flavier am Ende hier wirklich noch gegen diesen "Unbekannt" verlor!) sah ich rüber zur Verteidigerseite. Mal sehen, was von da so kam..