Beiträge von Sergia Fausta

    Sim-Off:

    Falls jetzt wegen mir mit der Ernennung der Magistrate gewartet wird: Ich dachte eigentlich nicht, dass aus der Vereidigung der designierten Konsuln noch eine größere Nummer gemacht wird. Sind ja keine IDs, die Konsuln, sondern nur NPCs.... ;) Ich wollts halt nur erwähnen, weil sich das bei der Gelegenheit gerad iwie anbot. Fand ich. 8)


    Ich war mir nicht sicher, ob man dem Kaiser erzählt hatte, welchen ungeplanten Verlauf ein kleiner Kennlerntermin auf dem Palatin am Ende genommen hatte. Sicher war ich mir nur: Spätestens heute würde ihm die kleine Veränderung an mir (und nein, es war nicht die Frisur, und ich trug auch kein neues Duftöl) bestimmt auffallen. Weil ich noch nicht komplett wieder bei Kräften war, begleiteten mich auch heute neben einem Notarius wieder Prima und Secunda. (Auch da gabs heute also keine Verändungen).


    Es hatte viel zu tun gegeben seit der letzten Besprechung. Und das Reich hatte auch keine Rücksicht darauf genommen, was ich seit der letzten Besprechung hier alles durchmachen musste. Deshalb hatte ich auch heute wieder jede Menge Punkte vorbereitet und mitgebracht. Und deshalb tat ich auch erstmal so, als wäre nichts gewesen und fing gleich an. "Ich grüße dich, mein Kaiser." Mein Lächeln war heute ein bisschen müder und glanzloser, wegen der Anstrengungen der letzten Tage. Ich setzte mich auf den Platz, wo ich auch beim letzten Mal schon gesessen hatte. Dann ließ ich mir gleich die erste Wachstafel von meinem Notarius geben. "Es gibt wieder Vieles zu besprechen, weswegen ich am besten gleich anfange.. unzwar hier an deinem Hof. Es geht um den Beamten Cossus Carpinatius Ruga, der seit längerer Zeit schon wirklich gute und zuverlässige Arbeit als Primicerius ab epistulis leistet." Ich machte eine kleine Pause. "So zuverlässig und gut, dass ich meine, dass er dir hier nicht mehr optimal von Nutzen ist. Ich bin mir sicher, er könnte noch mehr für dich leisten.. wenn du ihn mehr für dich leisten lässt." Das ließ ich als Ende des ersten Teils schonmal so stehen.


    Stattdessen kam ich nun zum zweiten Teil. "Aber ich habe gleichzeitig auch weniger gute Nachrichten aus dem Ludus Gallicus zu berichten. Der dortige Director Ludi.. wenn du ihn kennst, dann weißt du, dass er leider nicht mehr so kraftvoll und jung ist wie du, mein Kaiser.. kämpft scheinbar immer öfter mit seiner Altersvergesslichkeit." Ich nickte betroffen. (Auch wenns mich eigentlich nicht berührte.) "Ich würde dir deshalb sehr raten, ihn von seinen Aufgaben freizustellen. Damit er sich besser um seine Gesundheit kümmern kann. Und damit zum Wohle des Reiches ein anderer seinen Platz einnehmen kann." Ich schob eine kleine Kunstpause ein. Dann verband ich die beiden Teile zu einem gemeinsamen Punkt. "Willst du beide Probleme.. ein Mann, der dir aus gesundheitlichen Gründen gerade kaum nützlich sein kann, und ein Mann, der in seinem jetzigen Amt einfach nicht genug Möglichkeiten hat, um sein ganzes Potenzial und seinen ganzen möglichen Nutzen für dich einzubringen.. willst du diese beiden Probleme einfach und effektiv lösen, dann rate ich dazu, den Primicerius Carpinatius in den verdienten Ritterstand zu erheben und ihn anschließend zum Nachfolger des aktuellen Director Ludi Gallici zu ernennen." Und damit den Posten leer zu räumen, auf dem ich anschließend diesen Helvetius Severus installieren.. äh.. beim Procurator ab epistulis für ein Vorstellungsgespräch empfehlen wollte. "Mit seiner Zuverlässigkeit und seiner Tatkraft, die er hier als Primicerius ab epistulis an den Tag legt, bin ich mir sehr sicher, dass er eine hervorragende Wahl wäre.", setzte ich mich für den Mann ein, nur um danach meinen Blick auf die Wachstafel fallenzulassen und nachzuschieben: "Oder ich könnte mich natürlich auch noch nach anderen Alternativen umsehen." Mein Vetter Helvetius Varus war ja zum Beispiel sogar schon Ritter und wäre bestimmt auch dafür geeignet.. Andererseits: War der zur Zeit überhaupt hier in Rom? Und interessierte der sich überhaupt für den Ludus Gallicus? (Oder interessierte er sich nicht für den Ludus Matutinus noch etwas mehr?)

    Ich wartete ein bisschen und ließ meinen Vorschlag wirken: "Entweder sie unterlassen es, aktiv zu produzieren, oder aber wir denken im Sinne der Gleichberechtigung aller Marktteilnehmer vielleicht darüber nach, in Zukunft auch von Mogontiacum regelmäßig eine Vermögenssteuer zusätzlich zu den sonstigen Abgaben einzuziehen." Dann räusperte ich mich kurz. "Denn wie gesagt: Rom ist ja der Staat und niemand sonst. Und wenn Rom der Meinung ist, dass man in die Märkte eingreifen muss, dann hat Rom dafür auch Kapazitäten, die sich im Einklang mit den Gesetzen nutzen lassen." Und falls irgendwo Kapazitäten fehlten, dann konnte man sich die sicher (zum Beispiel auch durch den Kauf irgendeines städtischen Betriebs) schaffen. "Aber wenn jemand anderes als Rom, jemand anderes als der Staat" Diese Gleichsetzung betonte ich hier nochmal. "ein Teil der Privatwirtschaft sein oder werden will, dann sollte doch darauf geachtet werden, dass das nicht auf Kosten der Privatwirtschaft, sondern zu den Regeln der Privatwirtschaft passiert." Oder etwa nicht?

    Die Rede begann. Und wie zu erwarten gewesen war, verherrlichte Marcus mit jedem einzelnen Wort seine adoptierte Tochter. Denn eine pflichtbewusste, treue Jungfrau? Jungfrau war sie beim Eintritt bei den Vestalinnen hoffentlich noch gewesen. Das ließ sich ja überprüfen und ich wusste: Ich hätte sowas sicher immer überprüft, wenn ich die Obervestalin des Vereins gewesen wäre. Nur Pflichtbewusstsein und Treue (gerade zu ihrer neuen Familie), das hatte ich nicht gesehen, als sie für einen netten Flirt in der Nacht unbemerkt aus dem Haus geschlichen war.... Aber ich zwang mich, darüber nicht mehr nachzudenken. Ich konzentrierte mich nur auf meine Rolle als Stiefmutter, die in würdevoller Zurückhaltung trauerte.. und ein Auge auf ihren Sohn hatte.. und das andere gelegentlich dem Caesar zu warf.. und sich streichelnd um ihren Schwangerschaftsbauch kümmerte. "Lass ihn reden.", sagte ich mir und versuchte einfach nur mit halbem Ohr hinzuhören, wenn er diese unschuldige Iulia wieder mal über den goldenen Klee lobte.


    (Eigentlich. Eigentlich war sie bei genauerer Betrachtung ja gar nicht mal so unschuldig an ihrem "Kampf gegen alle anderen". Mich hatte sie schon am ersten Tag mit ihrem Auftreten gegen sich aufgebracht. Dass sich niemand freuen würde, wenn rauskam, dass sie nachts heimlich irgendwelche Soldaten traf, war die große Überraschung auch nicht. Und wer wusste schon, was sich die Iulierin hinter den Mauern des Vestalinnen-Hauses noch hatte zu Schulden kommen lassen. Darüber konnte man nur spekulieren.)


    Erst als Marcus mich auf einmal so ansah und zu sich winkte (kurz nachdem er irgendwas von gemeinen Intrigen geredet hatte), wurde ich wieder aufmerksamer. Ohne zu wissen, was mich erwartete, stand ich auf und ging gemeinsam mit unserem Sohn zu ihm. Denn ich konnte ja jetzt schlecht in aller Öffentlichkeit aus meiner Rolle fallen und die Eigensinnige spielen. (Genauso wenig eigentlich wie er mich jetzt in aller Öffentlichkeit für den Tod seiner Tochter verantwortlich machen konnte. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf beruhigte ich mich und ging ein kleines bisschen selbstsicherer.) Am Ende wars dann auch halb so schlimm. Marcus legte viel Gewicht auf Kinder (um die gings in fast jedem Satz) und weniger Gewicht auf die Familie (die kam immer nur mal mit dazu). Das fiel mir natürlich auf. Ich versuchte trotzdem zu lächeln, als er hier von der besseren Zukunft sprach. Was sollte ich auch sonst anderes tun?


    Der Kaiser als auch irgendwie Vater schloss sich der Aussage meines Mannes mit ein paar eigenen Worten an, während die Brotausgabe so langsam anfing. "Ich möchte mich wieder hinsetzen.", sagte ich Marcus nach einer Weile ins Ohr und strich mir symbolhaft über den Bauch. Das Stehen war anstrengend und ging sehr auf meinen Rücken. Außerdem wollte ich auch den letzten Teil der Bestattung einfach nur noch hinter mich bringen, um dann Iulia Torquata endlich vergessen zu können und mich voll und ganz auf meine Kinder zu fokussieren. Ganz genau.

    Kein Glück. Ich kam offenbar nicht drum herum, jetzt zu gebären. Andererseits: Dann wäre die ganze Schwangerschaft endlich vorbei. Vor allem die Unannehmlichkeiten beim Schlafen, überhaupt beim Liegen, bei längerem Sitzen, natürlich auch beim Stehen, dazu beim Essen, das ständige Gerenne zur Toilette, die Probleme beim Anziehen (was konnte ich trotz meiner Schwangerschaftsfigur noch tragen?), die Probleme beim Anziehen (der Tätigkeit - vor allem, wenn es an die Sandalen ganz unten an meinen Füßen ging), überhaupt die verminderte Beweglichkeit und Ausdauer, .... und und und.. und noch viel mehr. Hatte also vielleicht auch sein Gutes, das alles jetzt einen Monat weniger ertragen zu müssen. Wären da nur nicht die vielen Gefahren für das Kind.. pardon, die Kinder. Plural. Und wären da vor allem nicht diese riesigen Schmerzen, die zwischen mir und dem Vorbeisein dieser Geburt standen.


    Von dem Fachausländisch (aegyptisch, griechisch, was auch immer), das die Medica mir an den Kopf warf, verstand ich kein Wort. Was bitte war diese Fontanelle, die das erste Kind hatte? Musste man das irgendwie behandeln? Oder war das sowas wie ein gutes Omen? Ich hatte keine Vorstellung. Aber: Es hört sich gut an. Denn die Frau wusste offensichtlich, was sie tat. Das war gut zu wissen. Da sah ich im ersten Augenblick glatt darüber hinweg, wie diese Leibärztin des Kaisers gerade mit mir redete. ..bis.. "Der.. das.. RAU..UUAU..S!", beschwerte ich mich unter Schmerzen. Ohne Erfolg. Ich war die Frau seines Patrons. Ich war bald sowas wie eine seiner Vorgesetzten. Ich war.. gerade trotzdem nicht in der Lage, mich gegen diese Unverfrorenheit zu wehren. Der Mann räumte den Schreibtisch frei. Dann wollte er mir auf den Schreibtisch helfen. Mit einem Klatschen schlug ich ihm auf die Hand. "Fass mich nicht an!", giftete ich ihn an und versuchte, allein aufzustehen und allein auf den Tisch zu kommen. Aber in meiner Situation: Keine Chance. Ich kapitulierte schon nach dem ersten Versuch und ließ mir helfen. Ausnahmsweise.


    Ich kam auf der Tischkante zu sitzen, die Füße auf den Armlehnen eines Stuhls. Die Plinierin setzte sich auf diesen Stuhl und ich war froh, dass sie den Helvetius jetzt schickte, um mir den Rücken zu stärken. Nicht weil ich seine Hilfe brauchte (die brauchte ich natüürlich nicht). Aber weil er auf der anderen Seite ganz einfach nichts verloren hatte. Dann dauerte es nicht lang und wieder kamen diese ungeheuren Schmerzen. Ich griff instinktiv eine Hand, Arm, irgendwas von dem Helvetius und klammerte mich mit meiner rechten Hand so fest daran, dass er vielleicht sogar meine einwandfrei manikürten Fingernägel in seiner Haut spüren konnte. "AaaAARRG!", begann ich dann zu pressen. "Ich werde ihn.. UMBRINGE..AARRG..N!" Oh ja. "Ich werde.. AaaAARRG.. ihn vierteilen.. lass..AARRG..en! Und dann lass ich.. AaaAARRG.. ihn an die Löwen ver..RAARG..füttern!" Das hörte sich nach einem tollen Plan an. "Dies..aaAARRG Stümper wird sich noch wün..NNN..schen, mich nie kennengelernt zu ha..AARRG..ben!", fluchte ich mit rotem Kopf gegen diesen Idioten, der Schuld daran hatte, dass meine Kinder zu früh kamen und ich nicht darauf vorbereitet war. "AaaAARRG!", presste ich noch ein letztes Mal angesetrengt, bevor ich das Gefühl hatte, als hätte ich den ersten riesigen Melonenkopf erfolgreich durch das kleine Mauseloch hinaus in die Freiheit gedrückt. Der Schweiß in meinem Gesicht ließ mein dezentes Makeup verlaufen. Meine Kleider klebten ebenfalls ein bisschen. Und ich hatte keine Kraft mehr (außer in meiner noch immer fest zudrückenden rechten Hand). "Ich kann nicht mehr.", teilte ich der Plinierin meine Erschöpfung auch gleich mit, auch wenn mir eine kleine Pause jetzt wahrscheinlich trotzdem niemand gönnte.

    Klasse. Da hatte ich mir zum Schluss also glatt noch selbst ein Ei gelegt. "Gut. Ich werde alles Nötige veranlassen und vorbereiten lassen.", was bei genauerem Nachdenken darüber so viel aber dann doch zum Glück gar nicht war. Denn die designierten Magistrate wussten ja durch die Aushänge schon Bescheid. Der Kaiser wusste spätestens durch mich jetzt Bescheid. Das Volk wusste entweder durch die Aushänge Bescheid oder es interessierte sich eh nicht für die Politik. Oder es war zufällig dann da und schaute bei den Vereidigungen zu. Wer fehlte, waren nur die Prätorianer, die ich deshalb von einem meiner Notarii sicherheitshalber nochmal darüber in Kenntnis setzte. Dann war auch das abgehakt.


    Ich stand auf von meinem Platz. "Dann sehen wir uns bei der nächsten Besprechung. Vale, mein Kaiser." Zufrieden mit mir selbst verließ ich (gefolgt von Prima, Secunda und meinem Notarius) das Besprechungszimmer und machte mich wieder an die Arbeit. Denn mit einem hatte der Kaiser völlig recht: Ich war nach diesem ersten Gespräch als seine Procuratrix a memoria bestimmt nicht unterbeschäftigt.

    Es war der Notarius Papirius Carbo, den ich nach der Bitte des Kaisers, mich um die Vorbereitungen für die anstehende Vereidigung der designierten Konsuln durch den Kaiser, in die Kommandantur der Palastwache schickte. Denn wenn der Kaiser auf dem Forum Romanum die Vereidigung der Konsuln vornahm (und sich nachher vielleicht auch noch anschaute, wie die neuen Konsuln dann die designierten Prätoren bis runter zu den Vigintivirn vereidigten), dann brauchte der Mann ja seinen üblichen Personenschutz. Und auch wenn die Prätorianer sicher schon seit Wochen Bescheid wussten (Wer hatte die Aushänge mit den vielen Terminen und Fristen, die zu dieser Wahl gehörten, nicht gesehen?), erinnerte man sie lieber einmal zu viel als einmal zu wenig..


    Carbo klopfte als an die Bürotür des Kommandanten, wartete kurz und trat dann ein. "Salve. Ich bin Notarius Papirius Carbo und komm im Auftrag der Procuratrix a memoria. Sie lässt daran erinnern, dass der Kaiser morgen auf dem Forum Romanum die designierten Konsuln des nächsten Jahres vereidigt und dafür natürlich seinen üblichen Schutz", wie auch immer "üblich" dabei aussah, "brauchen wird." Ja, das wars dann eigentlich auch schon. "Ist klar, dass ihr das sicher schon ewig wisst, weil die Aushänge in der Stadt ja auch kein Geheimnis sind, aber sie will trotzdem nochmal daran erinnern. Sie ist halt die Procuratrix a.. memoria." Carbo zuckte entschuldigend mit den Schultern und wartete noch, ob irgendwer irgendwelche Fragen dazu hatte, bevor er wieder ging.



    Dann war auch das also erstmal geklärt. "Gut. Ich werde dir dieses Dossier zur nächsten Besprechung vorlegen.", versprach ich und lächelte kurz. "Gibt es bis dahin sonst noch etwas, das ich für dich tun soll? Irgendwelche Aufgaben hier in der Kanzlei? Irgendwelche Vorbereitungen für deinen baldigen Auftritt auf dem Forum Romanum, wenn du die Konsuln des nächsten Jahres vereidigst?" Das war ja auch so eine gesetzliche Pflicht des Kaisers, auch wenn die eher ins Metier des A libellis fiel (deshalb hatte ich das auch nicht selbst als eigenen Punkt auf meiner heutigen Agenda gehabt). "Oder sonst irgendetwas?" Ich erwartete natürlich nicht unbedingt, dass sich der Kaiser jetzt noch irgendwelche Dinge für mich ausdachte. Denn wenn er noch einen Wunsch hatte, versuchte ich den natürlich noch zu erfüllen. Aber eigentlich fragte ich nur aus Höflichkeit.. und damit er sah, dass ich mit dem heutigen Tagesgeschäft hier fertig war und er mich bis zur nächsten Besprechung wieder an meine sonstige Arbeit entlassen konnte.

    War das mein erstes Kind? "M-m." Ich schüttelte den Kopf. "Und mein Na..a.. AARGH..me ist Sergia Fausta, Procura..a.. AU..ARGH..trix a memoria." Hatte ich das etwa nicht gesagt? Ich schaute kurz ein bisschen ungläubig drein. Dann riss ich meinen Mund auf vor Schmerz, ohne dass dabei ein Laut ertönte. "Hhhh.. Hu-hu-huu.. Hhhh.. Hu-hu-huu..", versuchte ich mich dann mit Atmen irgendwie wieder etwas runterzufahren und zu beruhigen.


    Genau da machte mir nun aber die Plinierin selbst einen fetten Strich durch die Rechnung. "Zwei?!?" Das war.. "Das geht nicht! Ich bin noch nichtmal bereit für eine Geburt. Denn ich hab ja auch noch einen ganzen Monat Zeit damit. Zwei, das ist.. unmöglich. Das geht nicht. Dafür bin ich erst recht noch nicht vorbereitet. Das geht nicht.", versuchte ich der Leibmedica des Kaisers klarzumachen. Ich sah ihr einen Moment in die Augen, dann wechselte meine Stimmung. Ich zog die Hand, die ich eben noch gedrückt hatte, ruckartig ein Stück näher zu mir. "Hör zu. Das hier ist weder der Ort noch die Zeit für Scherze. Und erst recht nicht für eine Geburt. Du bist Medica. Also tu gefälligst etwas, dass das hier aufhört!", forderte ich sie unmissverständlich auf. Denn auch wenn ich die Befürchtung hatte, dass sie es nicht mehr aufhalten konnte, wollte ich trotzdem nichts unversucht lassen, hier vielleicht doch nochmal drumherum zu kommen und diese ganze Geburt nochmal etwas aufzuschieben.. oder besser: die zwei Geburten aufzuschieben. (Ich sollte meinen eigenen Arzt, diesen Stümper, mit meinen eigenen Händen vom tarpeischen Felsen stoßen für die Unfähigkeit, sowas nicht zu merken oder, schlimmer noch, mir bewusst zu verschweigen!)

    Es fiel mir nicht leicht, mir das einzugestehen (oder es womöglich sogar noch offen zuzugeben), aber ich bekam ein klitzekleines bisschen Panik, wenn ich daran dachte, dass ich hier ohne meinen Medicus allein in dieser kleinen Kammer auf dem Palatin saß, anstatt im Beisein von Medicus und jeder Menge Sklaven in der Domus Iulia zu sein. Dazu passierte all das hier einen ganzen Monat zu früh! Das letzte, was mir da noch fehlte, war ein Kerl, der keine Ahnung hatte, und mir trotzdem erzählen wollte, wos lang ging (als wenn ich darauf nicht schon im Normalfall bisweilen allergisch reagierte). "Sag mir gefälligst nicht.. wasIchTunUndLa..a..ha..ARGH ..assen soll!", keifte ich ihn an. Denn irgendwo musste ich ja hin mit meiner klitzekleinen Panik und meinen nicht ganz so klitzekleinen Aggressionen. (Wenigstens kam er anschließend von allein auf die Idee, dass ich in meiner Situation auf irgendwelche Notarii und andere nur gaffende "Besucher" echt verzichten konnte.)


    Dann musste ich warten, und warten. Mein ohnehin oft nur dünner Geduldsfaden riss.. mehrmals. Bei jedem Anflug einer Wehe erneut. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit (ich wusste natürlich, rein theoretisch, dass mich meine Wahrnehmung hier täuschte) vernahm ich die Frauenstimme, die sich mir als Plinia vorstellte. Mir fiel sichtlich ein Stein vom Herzen, als sie ergänzte, dass sie die Leibmedica des Kaisers war. "Ein Glück.", war ich erleichtert. "Ich habe schon seit einigen Stunden immer wieder diese Schmerzen. Ich dachte, das sind nur besonders kräftige Tritte, weil mein Kind ja auch schon so groß ist.. Aber dann war hier plötzlich alles nass, obwohl mir mein Arzt noch vor fünf Tagen bei Iuno geschworen hat, dass ich noch einen ganzen Monat meiner Schwangerschaft vor mir habe!", plätscherten die Sorgen wie ein Wasserfall aus mir heraus, während ich ganz ungewöhnlich für mich vergas, mich auch nur mit einem einzigen Wort der Plinierin vorzustellen. "Verstehst du? Das passiert hier alles viel zu früh! Das darf jetzt noch gar nicht passieren!" Nicht zu vergessen wollte ich auch gar nicht, dass es jetzt schon passierte! Denn ich wusste zwar noch, wie unfassbar schön das Gefühl gewesen war, nach einer erfolgreich überstandenen (und vor allem überlebten) Geburt sein Kind im Arm zu halten. Aber ich wusste auch noch ziemlich gut, wie schrecklich schmerzhaft die Geburt selbst damals gewesen war! Und darauf war ich jetzt ganz sicher noch nicht vorbereitet.


    Die Medica Plinia versuchte mich zu beruhigen.. was ihr natürlich nur in Ansätzen gelang. "Was soll das heißen, bloß keine Sorge? Ich.. Hhhh.." Einatmen. "Huuu.." Ausatmen. "Ich weiß, du bist die Leibmedica des Kaisers." Das hatte sie gesagt. "Aber das passiert alles zu früh! Das darf jetzt noch nicht passieren. Ich bin jetzt noch nicht bereit dafür. Mein Medicus hat erst vor fünf Tagen gesagt, dass ich noch gut einen Monat vor mir habe. Das ist früh!" Ganz davon abgesehen, dass das hier auch kaum der richtige Ort war, um ein Kind auf die Welt zu bringen. In soeiner kleiner Besenkammer konnte man vielleicht Kinder zeugen, wenn man nicht aufpasste. Aber hier gebahr man doch kein neues Leben! Da kündigte sich nun die nächste Wehe an und ich drückte panisch krampfhaft die Hand der Plinierin. Ich war noch nicht dafür bereit. Nicht jetzt. Nicht heute. Nicht dieses ganze übergroße Baby. (Ich schwor mir, ich würde sie würde sie wirklich eine zu groß geratene Longina nennen, wenn sie nicht mindestens noch einen Tag drinnen blieb und mich mit diesen beschissenen Wehen in Ruhe ließ!)

    Der Kaiser wirkte etwas überrascht. Aber er wollte anscheinend trotzdem wenigstens mal darüber nachdenken. "Ich stelle dir gerne ein Dossier hierzu zusammen.", antwortete ich ihm und fügte hinzu: "Und vielleicht weiß sich ja der Senat am Ende auch für deine Pietas", das respektvolle Verhalten gegenüber dem verstorbenen Valerianus (dessen zwei Nachfolger hatten sich ja nicht besonders respektvoll nur um das Erbe des letzten Ulpiers geprügelt, salopp gesagt) "durch einen Nomen Honoris zu revanchieren." So unwahrscheinlich wäre das ja nicht.


    Sim-Off:

    "One of his first acts as Emperor was to persuade the Senate to grant divine honours to Hadrian, which they had at first refused; his efforts to persuade the Senate to grant these honours is the most likely reason given for his title of Pius." (Wiki: Antoninus Pius)


    Wäre noch zu klären: "Möchtest du, dass ich den Pontifex pro magistro auch gleich anschreibe und zu einer Audienz auf den Palatin lade oder willst du erst das Dossier hierzu haben, bevor eventuell eine Einladung an den Pontifex geht?" Außerdem achtete ich darauf, wie der Kaiser auf die Sache mit dem Nomen Honoris reagierte. Denn wenn er diese Idee gut fand, dann musste ich mir den Pro magistro ja vielleicht selbst noch kurz vornehmen. (Der Kaiser sollte sich ja nicht selbst für sowas beim Pro magistro ins Gespräch bringen. Einerseits. Aber andererseits musste irgendwer dem Pro magistro ja diesen "Tipp" schon geben. Denn mit seiner Stellung sollte so ein Vorschlag im Senat am Ende schon von ihm kommen. Meinte ich.)

    Zitat

    Original von TIBERIUS AQUILIUS SEVERUS AUGUSTUS


    "Wo steckt Tiberius?" fragte er ein wenig irritiert.


    Der Palastdiener vom Raumeingang trat pflichtschuldig an den Kaiser heran und erklärte dem Herrscher im Vertrauen, was er wusste (oder glaubte zu wissen).


    Sim-Off:

    PN.

    Ad Praefectum Aegypti
    Quintum Minidium Geminum

    Regia Praefecti
    Polis Alexandreia - Alexandria et Aegyptus



    Wer das Siegel brach, konnte das Schreiben lesen.

    SERGIA Procuratrix a memoria MINIDIO Praefecto Aegypti s.d.


    Der Kaiser hat mit Wohlwollen deinen Lagebericht zur Kenntnis genommen und ist erfreut, dass du die Provinz Alexandria et Aegyptus und die Classis Augusta Alexandrina so gut in seinem Namen verwaltest und führst.


    Deshalb wird es dich freuen, dass der Kaiser dein Ansuchen genehmigt und den Nauarchus Appius Decimus Massa bei seiner ehrenvollen Entlassung aus der Flotte mit einer Hasta Pura für seine hervorragenden Dienste als Offizier der Classis auszeichnet. Eine Urkunde samt zugehöriger Auszeichnung liegt diesem Schreiben bei.
    Auch stimmt der Kaiser zu, dem Decimus zur Entlassung aus dem Dienst ein Grundstück bei Alexandria im Wert von 5.000 Sesterzen zukommenzulassen. Welches Grundstück genau dies sein wird, überlässt er deinem Urteil. Das restliche Entlassungsgeld in Höhe von 2.500 Sesterzen wird dem Decimus hingegen bar überwiesen.


    Zuletzt liegt dem Brief noch eine Urkunde zur Erhebung in den Ritterstand bei. Diese ist dem Nauarchus Appius Decimus Massa bei der Rückkehr von seiner Patrouillenfahrt zu überreichen. Er soll sich an die kaiserliche Kanzlei wenden, wenn er nach seiner ehrenhaften Entlassung aus der Flotte erneut in die Dienste des Imperiums treten möchte.


    Sergia Fausta


    IN NOMINE IMPERII ROMANI
    ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI


    ERNENNE ICH
    Appius Decimus Massa


    ZUM
    Eques Romanus



    Es ist ihm ab heute gestattet, die Abzeichen
    der Equites zu tragen, den Ritterring und
    den Latus Angusticlavius.


    ~ PRIDIE KAL DEC DCCCLXV A.U.C. ~
    (30.11.2015/112 n.Chr.)




    IN NOMINE IMPERII ROMANI
    ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI


    VERLEIHE ICH
    APPIUS DECIMUS MASSA


    MIT WIRKUNG VOM
    PRIDIE KAL DEC DCCCLXV A.U.C.
    (30.11.2015/112 n.Chr.)


    EINE
    HASTA PURA



    FÜR SEINE HERVORRAGENDEN DIENSTE ALS OFFIZIER DER CLASSIS


    IN NOMINE IMPERII ROMANI
    ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI


    ERNENNE ICH
    Appius Decimus Massa


    ZUM
    Eques Romanus



    Es ist ihm ab heute gestattet, die Abzeichen
    der Equites zu tragen, den Ritterring und
    den Latus Angusticlavius.


    ~ PRIDIE KAL DEC DCCCLXV A.U.C. ~
    (30.11.2015/112 n.Chr.)




    IN NOMINE IMPERII ROMANI
    ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI


    VERLEIHE ICH
    APPIUS DECIMUS MASSA


    MIT WIRKUNG VOM
    PRIDIE KAL DEC DCCCLXV A.U.C.
    (30.11.2015/112 n.Chr.)


    EINE
    HASTA PURA



    FÜR SEINE HERVORRAGENDEN DIENSTE ALS OFFIZIER DER CLASSIS


    Mein direkter Kontakt zum Ab Epistulis hatte sich bisher (aus offensichtlichen Gründen: Ich war eine Frau und er leitete die Kanzleiabteilung, die sich um den ganzen Militärkram kümmerte) sehr in Grenzen gehalten. "Nicht dass ich wüsste, nein.", konnte ich ihm da also auch nur antworten. "Aber selbst wenn, dann solltest du dich trotzdem nicht zu sehr darum kümmern. Der Mann braucht schließlich niemanden, der ihm aalglatt immer nur nach dem Mund redet. Der Mann braucht vor allem einen Primicerius, der als Vorsteher der Schreiber der Abteilung auch selbst ein bisschen Persönlichkeit hat." Anders konnte man ja auch keiner ganzen Schreiberabteilung vorstehen. "Vor allem am Anfang aber natürlich auch nicht zuviel Persönlichkeit. Eben einen guten Kompromiss." Ich zuckte mit den Schultern. Der Helvetius packte das schon.


    Dann vom einen auf den anderen Moment wurde ich ganz still und meine Gedanken begannen zu rasen. Sollte ich es dem Helvetier sagen? Oder sollte ich ihn jetzt einfach so galant wie möglich rausschmeißen? Aber schaffte ich es noch unauffällig nach Hause? Und wenn nicht, wer sollte mir hier helfen? Einer meiner Notarii, die schon mit einer kleinen Archivumordnung teilweise hoffnungslos überfordert waren? Mit großen Augen sah ich meinen Gast an. Ich lächelte schmal, ernst und etwas verkrampft. "Wenn unser Gespräch über deine Zukunft hier.. damit fürs Erste inhaltlich alle wichtigen Punkte abgedeckt hat.. vielleicht sprechen wir dann noch kurz über meine.. Zukunft?" Ich schluckte. "IchGlaubeNämlichIchBekommeEinBaby." Tief einatmen. "Hhhh." Und wieder ausatmen. "Huuu." Und weitersprechen. "UndWennDirDaranGelegenIstDassIchDirNochIrgendwieHelfe.. Hhhh.. Huuu.. DannSolltestDuJetzt.. A..ha..AAARGH.. VerdammtNochmalDeinenArschHochkriegenUnd.. Hhhh.. HilfeHolenWarumTutDasSoWeh." Denn der Stuhl, auf dem ich hier saß, war nass.. wie in: fruchtwassernass. Das merkte ich deutlich."GEHHH..RGH!!" Ruhig atmen, Fausta. "Hhhh.. Huuu.... Hhhh.. Huuu."

    Es dauerte nur kurz, bis der Leichenzug an der Rostra angekommen war. Aber der Weg reichte dennoch aus, um dem Caesar zweimal beiläufig ein kleines Lächeln zu schenken. Denn wenn ich ihn in letzter Zeit schon so oft zu Gesicht bekam (auf der Hochzeit Flavia Domitillas, zur Cena in der Domus Flaviana, bei seinem Auftritt als Iudex vor Gericht und jetzt also auch hier), dann musste ich mich ihm gegenüber natürlich von meiner besten Seite präsentieren (auch wenn ich zugeben musste, dass die Tradition mit den zerzausten, offenen Haaren mir nicht gerade optimale Voraussetzungen zum Glänzen bot). Außerdem musste ich natürlich auch auf meine Rolle achten. Erstens. Treusorgende Mutter. Dafür hatte ich zum Glück auch etwas Unterstützung zweier Sklavinnen, die den kleinen Marc trugen und beschäftigten. Zweitens. Schwangere Ehefrau. Dafür musste ich zum Glück nicht viel machen. Meinen runden Bauch sah man ja, sodass man sich denken konnte, dass ich wieder "in freudiger Erwartung" war. Und drittens. Trauernde Stiefmutter. Das war der schwierigste Teil, auch wenn ich mich für die Variante der Trauer in würdevoller Zurückhaltung entschieden hatte. Aber trotzdem war es natürlich nicht leicht, Trauer für jemanden zu zeigen, um den man eigentlich nicht trauerte, nicht mal ein bisschen.


    Auf der Rostra angekommen setzte ich mich ebenfalls auf einen der Plätze. Den kleinen Marc, der auf dem Weg hierher von einer seiner Erzieherinnen getragen wurde (mir als Schwangeren mutete das hoffentlich auch keiner zu), nahm ich jetzt auf meinen Schoß. Seine beiden Erzieherinnen stellten sich wenige Schritte entfernt etwas im Hintergrund auf (so ähnlich wie das die Leibwachen der Kaiserfamilie taten). Dann wartete ich darauf, dass auch dieser Teil des Programms hoffentlich einfach nur kurz und schmerzlos und schnell vorüberging.

    Die kaiserliche Familie erreichte das Atrium Vestae. Nach und nach kamen auch die Klienten meines Mannes hierher. Und natürlich auch die bezahlten Musikanten und Trauerfrauen fanden sich irgendwann hier ein. Soweit so nicht ungewöhnlich. (Jedenfalls dafür, dass heute eine Vestalin zu Grabe getragen wurde.) Aber mitten während ich hier draußen mit meinem Sohnemann wartete (offiziell natürlich auch, um ihm in seinen jungen Jahren den Anblick seiner toten Adoptivschwester und seines trauernden Vaters etwas zu ersparen), da sahen meine Augen plötzlich auch diesen Decimus hier ankommen. In Begleitung ausgerechnet dieser Quintilia, mit der er sich (das war mir natürlich nicht entgangen) vor einiger Zeit verlobt hatte. Ja, da hatten sich wirklich die richtigen zwei gefunden: Sie, die sich selbst mit Sklaven auf eine Stufe stellte, und er, der auch auf Männer stand - und der vor allem glaubte, dass zwischen zwei Männern, ihm und Marcus, wirklich je mehr sein konnte als zwischen Marcus und mir. (Meine Hochzeit musste ihm wohl bewiesen haben, wie absolut falsch er damit lag. Denn jetzt war er ja selber verlobt.)


    Aber fast mehr noch als über ihn hätte ich mich bei ihrem Anblick über diese Quintilierin ärgern können: Die tauchte zur Feier des Tages doch wirklich mit perfekt frisierten und hochgesteckten Haaren hier auf! Dass ihr Haar nicht zerzaust war, geschenkt. (Sie gehörte ja zum Glück auch nicht zur Familie.) Aber wenn man schon hierher kam, um dieser Vestalin Iulia die letzte Ehre zu erweisen, dann konnte man ja wohl wenigstens auf das Hochstecken verzichten und die Haare als Zeichen von Respekt und Trauer offen tragen! Ich war wieder mal empört über das Auftreten dieser Frau, die neuerdings als Verlobte dieses Decimus ja ein Teil der höheren Gesellschaft sein wollte. Hätte sie ihre Tage oder Migräne haben sollen.. oder wäre sie mit ihrem Verlobten erst auf dem Forum Romanum anonym zur Menge gestoßen.. aber dieser Auftritt.. ohne Worte.


    Und genauso verhielt ich mich auch. Ohne Worte schenkte ich den beiden nur einen missbilligenden Blick, bevor ich mich bei einer der Aufpasserinnen meines Sohnes vor allem über die heutige Erscheinung dieser Quintilia ausließ. Unzwar so, dass vielleicht auch noch der eine oder andere umstehende Klient meines Mannes ein paar Teile meiner Kritik mitbekam. Erst als sich der Trauerzug langsam formierte, ließ ich von diesem unschönen Thema ab und konzentrierte mich voll und ganz auf meine Rolle als treusorgende Mutter, schwangere Ehefrau und natürlich in würdevoller Zurückhaltung trauernde Stiefmutter. So ging es dann ab zur Rostra...

    Ich winkte ab, versuchte herunterzuspielen und das Thema beiseite zu wischen. "Jaja, alles in Ordnung. Es ist nur wieder einer dieser Tage.. viel Stress.. nicht mit dir aber mit einigen der Notarii, die ich dabei überwache, das Kanzleiarchiv etwas umzuordnen, neuzuordnen und zu verbessern. Es geht schon wieder." Meinen Worten schickte ich noch ein entschuldigendes Lächeln hinterher, dann versuchte ich ins Gespräch zurückzufinden. "Wir waren gerade bei deiner Zukunft.", rief ich mir in Erinnerung. Denn meinen ersten Punkt hatte der Helvetier offensichtlich auf Anhieb gut verstanden. Ich tat selten etwas aus Mitgefühl oder Gutherzigkeit heraus. Ich tat Dinge, weil sie mir entweder direkt nutzten oder aber indirekt nutzten, indem sie Schaden von mir abwandten oder die Vorteile anderer so neutralisierten, dass ich nicht mehr im Nachteil war. (Aus dem Grund beschäftigte ich mich auch so sehr mit der Lex Mercatus und den Märkten und wies darauf hin, wenn andere sich nicht an die Regeln hielten und ich, die sich daran hielt, dadurch indirekt benachteiligt wurde.)


    Aber zurück zur Zukunft des Helvetiers: Er wollte über kurz oder lang einen Prokuratorenjob in der Kanzlei. Das war einerseits gut, weil er offenbar genau wusste, was er wollte. Aber das war irgendwie auch schlecht, weil ich ebenfalls nicht vorhatte, mich hier so schnell wieder vertreiben und von irgendwem ersetzen zu lassen. "Du sagst also, dass du nach deinen Verwaltungs- und den folgenden Kanzleierfahrungen einige Erfahrungen im militärischen Bereich sammeln willst. Dann werde ich schauen, dass der Primicerius ab epistulis bald für für seine treuen und guten Dienste in der Kanzlei in den Ritterstand erhoben wird", denn Standeserhebungen fielen sogar direkt in mein Ressort, "und gratis dazu auch gleich noch ein neues Amt, ein ritterliches Amt erhält." Dafür war ich zwar nicht so direkt zuständig, aber man musste es dem Kaiser nur richtig verpacken und dann beschwerte der sich schon nicht. Vielleicht könnte ich ihn als Procuratrix a memoria ja zum Beispiel daran erinnern, dass der Director Ludi des Ludus Gallicus schon ein ganz schön alter Sack war, dessen Gedächtnis langsam etwas löchrig wurde, sodass man ihn durch einen jüngeren, frischen Ritter ersetzen sollte.. "Sobald das erledigt ist, wird sich der Procurator ab epistulis, der sich auch um alle Personalfragen des Kaisershofs kümmert, auf die Suche nach einem neuen Primicerius machen. Ich organisiere dir sofort einen Vorstellungstermin und der Rest liegt dann bei dir.. Oder.. meinst du, dass du dafür ebenfalls noch meine Unterstützung brauchst?" Auf meinen Namen konnte er sich ja auch so eigentlich berufen - gerade wenn ich diejenige war, die ihm den Termin bei meinem Kollegen klarmachte.


    Was ich nicht aussprach: Organisierte ich dem Helvetius das Amt als Primicerius beim Ab epistulis, dann wäre das in ferner Zukunft vielleicht auch kein schlechtes Argument, ihn eher auf den Stuhl des Ab epistulis zu setzen und weniger auf den des A libellis. Und das war gut für mich, weil: Eine Frau perspektivisch natürlich niemals Ab epistulis werden konnte, sehr wohl aber A libellis.. "Also? Was sagst du?" Zu meiner letzten Frage genauso wie zur Sache selbst.

    Hey. Gibts noch Opfer, Wagenrennen, Weihesteine? Die aktuelle Auswahl ist nämlich irgendwie nicht so hilfreich für mich. Entweder sagt mein Geldbeutel nein oder es bringt meinem lila Balken nicht viel.... -.^


    Gruß, Fausta

    Ja, der Mann war mir irgendwie sympathisch. Denn ich konnte mitfühlen mit ihm. Nicht weil sein Vater sich frühzeitig aus dem Leben verabschiedet hatte und der arme, arme Helvetius seitdem ohne Vater dastand und trotzdem irgendwie klarkommen musste. Nein, das war mir herzlich egal. So war das Leben. Hart aber ungerecht. Immer. In zehn von neun Fällen. Ich als Frau in dieser männlich dominierten Karrierewelt wusste das nur zu gut! Aber ich konnte nachvollziehen, wie es war, wenn man sich um sein Erbe betrogen sah; wenn man von klein auf fest damit gerechnet hatte, seine Karriere mit einem Ritterring am Finger zu beginnen - nur um dann irgendwann enttäuscht feststellen zu müssen, dass man doch viel weiter unten anfangen musste.. als Stationaria.


    Dann kam der Helvetier auf sein Anliegen zu sprechen. "Ich will dir helfen, Helvetius. Nicht nur weil du der Klient meines Mannes bist und er mich darum gebeten. Aber auch weil ich weiß, wie es ist für jemanden, der in deinen Sandalen steckt." Das hatte ich ja gerade erzählt. "Deshalb verrate ich dir jetzt auch zwei Dinge.", lehnte ich mich ein bisschen nach vorn, erhob ich meinen rechten Zeigefinger und mahnte meinen Gast, gut aufzupassen. "Erstens. Wenn du den richtigen Leuten dein Vertrauen und vor allem deine Loyalität schenkst, dann dann ist fast jeder Posten erreichbar." Gerade als Procuratrix a memoria saß ich schließlich an der Quelle, um zum Beispiel entweder den einen oder den anderen Primicerius für eine Beförderung (wohin auch immer, Hauptsache weg von seinem jetzigen Posten) vorzuschlagen. Da konnten Stühle manchmal schneller frei werden, als man vielleicht dachte. "Und zweitens. Solltest du schon jetzt darüber nachdenken, wo du nach einer Erhebung zum Ritter mal hin willst. Soll es zum Militär gehen, sitzt du in der Abteilung des Ab epistulis besser, weil du über alles Militärische hier eigentlich ständig im Bilde bist und weißt, wer wo sitzt, wer was macht und wer wen braucht. Soll es dagegen in die zivile Verwaltung gehen, dann kann so ein Wissen sicher auch manchmal ganz nützlich sein.", wenn man als Procurator Annonae die Kontaktleute der alexandrinische Flotte, die für den Schutz der Getreidelieferungen zuständig waren, ein bisschen kannte oder wenn man als Director Ludi vielleicht Kontakte zu irgendeiner Grenzlegion hatte, die gelegentlich mal ein paar potenzielle Gladiatoren einfing. "Trotzdem würde ich dir da dann eher den Posten als Primicerius a libellis empfehlen."


    Ich lehnte mich wieder ein bisschen zurück, um zu verdeutlich, dass die Lektion vorbei war. Da, "A.. au.. a.", war wieder dieser Schmerz. (Diese Longina wollte mich heute anscheinend wirklich ärgern.. und wenn sie nicht aufpasste, dann bekam sie später auch wirklich noch diesen Namen. Longina. Und damit sollte sie dann mal einen Mann finden.) Bevor er etwas sagen konnte, hielt ich schon meine Hand beruhigend in Richtung des Helvetiers. Denn ich ließ mir von einer Laune meines Kindes ganz bestimmt nicht dieses Gespräch hier versauen! Es dauerte einen kurzen Moment. Dann gings mir wieder gut. "Ich weiß, das ist viel verlangt, so weit schon in die Zukunft zu planen. Du hast noch keinen Ritterring und sollst dir trotzdem schon überlegen, in welche Richtung dein erstes Ritteramt gehen soll.", machte ich anschließend wieder weiter, als wäre nichts passiert. (Denn hier war ich die Prokuratorin und nicht ein gewisser Jemand in meinem Bauch.) "Aber wenn du darüber nachdenkst, wirst du die Vorteile dieser vorausschauenden Planung sicher erkennen." Daran hatte ich keinen Zweifel.