Als Unternehmerin war ich selten uninformiert. Denn wer uninformiert war, der ging meist gnadenlos unter. Aber seit ich meine Stelle hier auf dem Palatin angetreten hatte, war meine Informationslage plötzlich gleich nochmal so gut wie vorher. Deshalb entging es mir also auch nicht, dass ich (und nicht nur ich!) neuerdings geschäftliche Konkurrenz von ungewohnter Seite bekam - nämlich von städtischer! Genauer war es eine Stadt namens Mogontiacum in Germania Superior, die allem Anschein nach der Meinung war, dass auch eine Stadt mit Betrieben problemlos in meinem Fall Wachs produzieren und auf den Markt werfen konnte. Obwohl die Privatwirtschaft nicht ausverkauft war. Und obwohl diese kleine Stadt auch ganz bestimmt nicht der Staat war, der nach Lex Mercatus Paragraph 5 Absatz 2 "Produkte genau zum empfohlenen Preis anbieten" durfte, "wenn der Marktpreis aller Angebote dieses Produktes mehr als 150 % des empfohlenen Preises beträgt". (Zumal, und das nur nebenbei, die Stadt das Wachs auch mitnichten nur zum empfohlen Preis anbot.)
Kurz und knapp: Ich hatte natürlich nicht extra einen richtigen Termin mit ihm ausgemacht. Denn er war Procurator, ich war Procuratrix, wir arbeiteten beide im selben Haus unterm selben Dach. Ich hatte ihn nur durch einen meiner Untergebenen vor zwei Tagen wissen lassen, dass ich in zwei Tagen (das war dann also heute) in einer wichtigen und dringenden Angelegenheit in sein Büro kommen würde, um mit ihm über die Lex Mercatus zu sprechen. Und da war ich nun also, in meiner unübersehbaren, schwangeren Erscheinung. "Hallo. Ich grüße dich, Procurator Duilius. Ich bin Sergia Fausta, die neue Procuratrix a memoria. Mein Notarius hatte mich vor zwei Tagen angekündigt." Lernte man sich also endlich mal persönlich kennen. Aber nur deshalb war ich ja nicht hier. Ich setzte mich unaufgefordert. (Das nahm man mir mit meinem Bauch sicher nicht übel.) "Ich bin mir sicher, dir ist es auch schon zu Ohren gekommen, was sich zur Zeit in Mogontiacum in der Provinz Germania Superior abspielt, oder? Die Stadt hat, ich vermute durch Erbschaft, Betriebe in ihrem Besitz, die sie seit einiger Zeit dazu nutzt, um mit diesen Betrieben Waren zu produzieren und anschließend zu verkaufen.", kam ich ohne größere Umschweife gleich zur Sache. "Ich bin hier bei dir, um mit dir genau darüber zu sprechen, weil ich vermute, dass dieses Gebaren jeder rechtlichen Grundlage entbehrt. Oder nicht?" Ich ließ ihm einen kurzen Moment, bevor ich ihm meine Sicht der Dinge schilderte:
"Ich sehe das nämlich so: Der Kaiser und seine Kanzlei.. wir, der Palatin.. wir sind Rom.. wir sind der Staat. Nicht Alexandria, nicht Carthago, nicht Tarraco.. und ganz sicher auch keine kleine Provinzhauptstadt an der Grenze zum Barbaricum." Das unterstrich ich mit einem überzeugten Nicken. "Deshalb ist es also auch unsere Aufgabe, unser Recht und unsere Pflicht, bei Bedarf nach Paragraph 5 Absatz 2 der Lex Mercatus zu handeln und wenn nötig in die Märkte einzuschreiten. Es ist nicht, und ich wiederhole nicht die Aufgabe von Athenae, Pergamum und Damascus gemeinsam mit Burdigala, Londinium und.. Mogontiacum dafür zu sorgen, Engpässe in der Privatwirtschaft durch städtisches Wirtschaften auszugleichen." Meine Aufzählung sollte unterstreichen, wie viele Absprachen da nötig wären, wenn jede einzelne Stadt im Reich sich plötzlich als Staat sähe. Unkoordiniertes Chaos wäre vorprogrammiert, was natürlich anders wäre, wenn nur der Palatin, nur Rom hier ganz gezielt und präzise eingriff. "Damit stellt sich dann natürlich die Frage: Wenn nicht auf der Grundlage dieses Paragraphen, auf welcher Grundlage dann produziert und verkauft eine Stadt wie Mogontiacum Güter und Waren und greift damit manipulierend in die Privatwirtschaft ein?"
Denn: "Ich sehe das nämlich wirklich als Problem, wenn heute Mogontiacum, morgen Alexandria und übermorgen dann alle Städte des Reiches damit anfangen, ihre geerbten Betriebe nicht länger in die Privatwirtschaft zurückzuführen oder stillzulegen *, sondern stattdessen beginnen, mit ihren gewaltigen, keine Vermögenssteuer zahlenden Stadtkassen im Rücken unsere gesamte Privatwirtschaft langsam zu zerstören." Das konnte nicht im Interesse des Kaisers sein. Das konnte nicht im Interesse Roms sein. Und das konnte darum zuletzt auch nicht im Interesse der Kanzlei sein. "Um genau das zu verhindern und die Privatwirtschaft zu schützen, hat man den Vereinen in der Lex Communitatis verboten, nicht keine Betriebe zu besitzen, aber keine Gewerbe aktiv zu führen. Und wenn du mir darin zustimmst, dann denke ich, dass wir, der Palatin, wir, die kaiserliche Kanzlei im Namen des Kaisers Städte wie Mogontiacum genau daran erinnern sollten.", zeigte ich symbolisch mit meinem Zeigefinger. "Entweder sie unterlassen es, aktiv zu produzieren" gegen gelegentliche Erbschaftsverkäufe (zum Horten irgendwelcher nutzloser Dinge wollte ich niemanden zwingen) hatte ja keiner etwas einzuwenden "oder aber wir denken im Sinne der Gleichberechtigung aller Marktteilnehmer vielleicht darüber nach, in Zukunft auch von Mogontiacum regelmäßig eine Vermögenssteuer zusätzlich zu den sonstigen Abgaben ** einzuziehen.", hatte ich auch gleich einen Vorschlag für den Procurator parat, wie man Mogontiacum zu einem erneuten Umdenken "erziehen" könnte.
Sim-Off:* Mir ist keine SimOn-Erklärung dafür eingefallen, aber fakt ist, die Städte bekommen ja sogar Geld fürs Stilllegen eines Betriebs. (Falls er sich also zum Beispiel nicht verkaufen lässt.)
** Sonstige Angaben meint hier alle Steuern und Abgaben, die nur SimOn anfallen, in der WiSim aber nicht dargestellt werden.
Nach meinem längeren Sermon, der bestimmt auch nicht frei von Emotionen war (es ging hier immerhin auch um meine privatwirtschaftlichen Betriebe), holte ich einmal tief Luft. Jetzt war mein Kollege dran, etwas dazu zu sagen.