Beiträge von Iunia Sibel

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    Mirjam


    Nachdem Simon, der Wirt verhaftet worden war und die Taberna hatte schließen müssen, herrschte eine gespenstige Ruhe in dem Haus, in dem bis vor wenigen Wochen noch so viel Leben gewesen war.
    Eine dünne Staubschicht lag bereits auf den Tischen der Schankstube. Auf einigen Tischen befanden sich noch halbvolle Becher und Teller mit Essensresten, die niemand weggeräumt hatte. Ein Fest für Maden und anderes Ungeziefer. In der Küche war seit Wochen der Herd kalt geblieben. Auch hier vergammelten Lebensmittel, die keiner mehr aß. Die Gäste, die ein Zimmer gemietet hatten, waren entweder verhaftet worden oder überstürzt abgereist.


    Nur Mirjam, Simons Frau hauste hier noch. Völlig abgemagert und ungepflegt geisterte sie in der Nacht durch das Haus.
    In der Nacht, als die Stadtwache ihren Mann abgeholt hatte, war sie um Jahrzehnte gealtert. Laut klagend hatte sie sich die Haare gerauft, hatte die Soldaten angefleht, Gnade walten zu lassen. Ohne Erfolg. Jammernd und weinend hatte man sie zurückgelassen. Nunn hielt sie sich versteckt, traute sich nicht mehr auf die Straße hinaus und vertrieb jeden, der es wagte, nach ihr zu sehen.


    Als an diesem Tag der Prätorianer die Schankstube betrat, hielt sie sich zuerst vor seinen Blicken verborgen. Insgeheim beobachtete sie ihn durch den Türspalt und wunderte sich nach einiger Zeit. Er hatte einfach nur Platz genommen und verhielt sich so, als warte er auf die Bedienung.
    „Was willst du hier?, rief sie schließlich. Sie wollte eigentlich nur, dass er endlich wieder ging und sie alleine ließ.

    …hätten gefehlt und dann wäre sie in Sicherheit gewesen. Dann hätte sie sich retten können, denn jedermann wusste, dass die Urbaner nicht zimperlich waren. Aber dann war diese zitternde Stimme, die ihren Namen rief. Sie kam von einer auf dem Boden kauernden Frau, die ziemlich übel zugerichtet worden war. Ihre Nase blutete stark und sie hatte einige Blessuren am Kopf davongetragen. Schützend hielt sie ihren rechten Arm, der offensichtlich gebrochen war. Beroe hielt inne und erkannte ihre Freundin Rachel wieder. Schockiert von ihrem Anblick waren sämtliche Fluchtgedanken erst mal auf Eis gelegt. Ihre Freundin konnte sie in diesem Zustand nicht einfach zurücklassen. „Rachel! Was ist passiert? Wer hat dich nur so zugerichtet?“ Die Lykierin beugte sich zu ihr hinunter und versuchte ihr so gut es eben ging, zu helfen. „Ich bin gestolpert und hingefallen. Manche sind über mich gestolpert oder sind einfach auf mir herum getrampelt. Dem Allmächtigen sei Dank, dass ich noch lebe.“
    Beroe sah zu den Stadtwachen hinüber, die damit begonnen hatten, die Menschen zusammenzutreiben. Noch hegte sie die Hoffnung, dass sie vielleicht doch noch fliehen konnte – zusammen mit Rachel natürlich. „Rachel, wir müssen hier weg! Kannst du aufstehen?“ Beroe versuchte sie hochzuziehen, doch Rachels schmerzverzerrtes Gesicht ließ ihre Hoffnungen bald zunichtewerden. „Du musst ohne mich gehen!“, rief Rachel.


    http://imageshack.us/a/img28/5536/e9dg.gif In der Zwischenzeit hatte man Ioannis unten im Keller dingfest gemacht. Von zwei Urbanern festgehalten, die nicht besonders zaghaft mit ihm umgegangen waren, leistete er keinen Widerstand, sondern strömte noch immer diese innere Ruhe aus, als ob ihm nichts und niemand etwas anhaben konnte.

    Beroes Kopf schmerzte furchtbar, als sie wieder zu sich kam. Mit den Fingern strich sie sich durch ihr Haar und fühlte eine große Beule. Zum Glück blutete sie nicht.
    Als sie sich umsah, bemerkte sie, dass sie nicht mehr unten im Kellergewölbe war, wo sie zuvor zusammengesackt war. Irgendjemand musste sie von unten hier nach oben getragen haben.
    Neben ihr saß eine Frau, die eine Platzwunde am Kopf hatte und leise vor sich hinwimmerte. Noch immer herrsche ein großes Durcheinander. Die Urbaner versuchten diejenigen, die nicht hatten fliegen können, zusammen zutreiben. Da die Lykierin aber ein gesundes Misstrauen gegen alle hegte, die in einer Uniform daherkamen (und da ließ sie Avianus ganz außen vor), war sie sich ganz sicher, dass es wohl besser war, wenn sie so schnell wie möglich von hier verschwinden würde. Also versuchte sie, sich so unauffällig wie möglich davonzustehlen. Nur keine hektischen Bewegungen machen und nicht die Aufmerksamkeit der Stadtwachen auf sich ziehen. Fast hatte sie es schon geschafft. Sie war dem Tor schon ganz nah. Nur noch wenige Schritte…

    Die Lage verschlimmerte sich. Panik machte sich breit. Frauen begannen hysterisch zu schreien und liefen durcheinander. Kinder begannen zu weinen. Einige der Männer versuchten ihre Familien in Sicherheit zu bringen, andere wiederum versuchten die verängstigten Leute zu beruhigen und wieder andere, die jedoch eindeutig in der Minderzahl waren, bereiteten sich vor, das Kellergewölbe mit aller Macht zu verteidigen.


    Beroe war mittendrin. Ihre Freundin war von ihr getrennt worden. Sie selbst wurde hin und hergeschoben und wusste nicht, wohin sie sollte. Anfangs rief sie noch nach Rachel doch in all dem Durcheinander ging ihr Rufen unter. Als dann plötzlich die ersten bewaffnete Urbaner die Treppe herunter gestürmt kamen, waren alle aus. Aus reiner Verzweiflung heraus suchten die Menschen nach einem Ausweg. Sie schrien, manche stürzten und wurden beinahe totgetreten. Andere wurden gegen die Wände gedrückt. Beroe versuchte sich einen Weg zur Treppe zu bahnen und gelangte aber so direkt in den Fokus der Stadtwachen. Plötzlich erhielt sie einen Schlag, sie sank zu Boden, dann wurde alles um sie herum schwarz.

    Anfangs hatte sich Beroe etwas deplatziert unter all diesen Leuten gefühlt. Außer Rachel kannte sie hier keinen Menschen und außerdem, war ihr der Sinn und Zweck dieser Versammlung nicht ganz geheuer. Sie hatte ja schon so manche Gerüchte über die Christinaner gehört, allerdings hatte sie sich bis dahin kaum damit beschäftigt, was daran wahr oder nur reine Fantasie gewesen war.
    Nun aber, unter all diesen Leuten, hatte sie selbst die Gelegenheit, herauszufinden, was an diesen Gerüchten daran war.
    Rachel nicht von der Seite weichend, fiel es ihr anfangs schwer, Ioannis´ Worten, die er an die Menschenmenge richtete, zu folgen. Doch irgendwann begann er von Liebe, Hoffnung und Vergebung zu sprechen und plötzlich glaubte sie, sich selbst angesprochen zu fühlen. Allmählich fiel all ihre Anspannung von ihr ab. Ihre Augen hingen nun nur noch an Ioannis, jenem geheimnisvollen Mann, der bei Simon und Mirjam untergekommen war und die Fähigkeit besaß, alle seine Zuhörer in seinen Bann zu ziehen.
    „Der Herr ist voll Liebe und Erbarmen, voll Geduld und unendlicher Güte,“ sagte er und er versicherte jedem, dass es seinem Gott nicht darum ging, wer man war, sondern wie es im Herzen eines jeden Menschen aussah. Allein das zählte. Und selbst diejenigen, die bisher ein Leben in Sünde geführt hatten, waren diesem Gott willkommen. Damit sprach er ihr aus der Seele. Eine Welt, in der es nicht wichtig war, was oder wer man war. In der nur die Tat zählte. Sie stellte sich vor, wie sie in einer solchen Welt leben könnte. Und wie in einer solchen Welt ihre Beziehung zu Avianus lwäre, den sie doch so schrecklich vermisste.


    Während Beroe durch das, was sie hörte, ganz in Ioannis´ Bann gezogen worden war, begann sich ganz unmerklich ein Tumult unter den Zuhörern auszubreiten. Einer der Anwesenden hatte einen Mann entdeckt, den er erkannt hatte und ihm nun vorgewarf, ein Spitzel der Urbaner zu sein. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich dies unter den anderen herum sprach. Schließlich verstummte auch Ioannis, als ein Mann aus der Menge etwas rief, was viele noch mehr verunsicherte. „Die Urbaner sind da!“

    Vollkommen durch den Wind, so hätte man sicher Beroes Gefühlszustand am besten beschreiben können. Als ihr Kunde gegangen war, hatte sie sich ihre Kleider wieder übergestreift und rannte nach unten, zur Haustür hinaus auf die Straße. Dort atmete sie erst einige Male tief durch, bis ihr endlich die Tränen kamen, die ihr schließlich stumm die Wangen hinunter kullerten. Sie begann einfach zu laufen. Wohin war vollkommen gleichgültig. Einfach nur weg. Weg von hier. Am besten so weit weg wie möglich von diesem verdammten Leben. Seit Avianus‘ Abreise hatte sie sich noch nie so einsam und verlassen gefühlt, wie jetzt.
    Sie lief einfach weiter, bis sie vor sich einige Leute wahrnahm, die noch zu dieser späten Stunde unterwegs waren. Es waren sogar Frauen dabei. Offenbar hatten sie ein bestimmtes Ziel, denn sie liefen geradewegs in eine Richtung. Beroe erkannte unter ihnen ihre Freundin.


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    „Rachel?“ Während die Gruppe ihr Tempo etwas verlangsamte, um schließlich stehen zu bleiben, wandte sich die Angesprochene zu Beroe um. „Beroe! Was machst du hier?“ Die Lykierin wischte ihre Tränen aus dem Gesicht. „Ich musste einfach raus und brauchte unbedingt frische Luft.“ Rachel erkannte den Kummer in Gesicht ihrer Freundin, auch wenn sie nicht den Grund dafür wusste. Doch eines wusste sie. Es gab einen Ort, an dem sie Trost finden konnte.
    „Willst du mit uns kommen“, fragte sie schließlich und noch ehe Beroe etwas einwenden hätte können, wurde sie von Rachel mitgezogen.
    Irgendwann verschwanden sie in einem Eingang, hinter dem sich eine lange dunkle Treppe befand, die anscheinend nach unten, unter die Erde führte. Fackeln, die an der Wand befestigt waren, leuchteten ihnen den Weg. Von unten drangen allmählich Stimmen von vielen durcheinander sprechenden Leuten an ihre Ohren, die erst verstummten, als eine resolute männliche Stimme zur Ruhe aufrief.


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    Die Treppe endete schließlich in einer Art Keller, in dem sich bereits eine große Zahl von Menschen versammelt hatte. Bei näherem Hinsehen erkannte man neben den Peregrinen und Sklaven auch vereinzelt römische Bürger.
    Beroe blieb in Rachels Nähe, die einige der Anwesenden kannte.
    "Brüder und Schwestern im Geiste, ich sage euch, es ist so weit: Jetzt wird Gott seine Herrschaft aufrichten und sein Werk vollenden. Ändert euer Leben und glaubt dieser guten Nachricht!" Beroe erkannte den Fremden aus dem Osten, der bei Simon und Mirjam in der kleinen Taverne untergekommen war. Nun sprach er zu all diesen Leuten, die ihm aufmerksam zuhörten.

    Der Germane, der im Gegensatz zu Beroes Körpergroße wie ein Riese erscheinen mochte, zog sie bereits mit seinen Augen aus. Die Lykierin blieb wie angewachsen stehen und wirkte ein wenig hölzern. Auch als der Germane seine Hände um ihre Schultern legte und sie unerwartet sanft mit seinem Daumen streichelte, fühlte sie nur ein fast unangenehmes Kribbeln.
    Sie versuchte, seinem Blick auszuweichen, als er ihre Tunika öffnete und der wollene Stoff an ihrem Körper herab in die Tiefe stürzte. Ihre Nacktheit kümmerte sie nicht weiter. Nur als der Germane sich bediente, um sie zu vernaschen, wie er sagte, empfand sie einen Ekel. Nie wieder, so hatte sie es sich selbst versprochen, wollte sie sich wieder für Geld verkaufen müssen. Nun nun? Nun war sie hier, mit diesem Mann, der seine Gelüste an ihr befriedigte.
    Beroe erlangte schließlich die Gewissheit, dass sie immer eine Lupa bleiben würde, ganz gleich, wie sie es wenden würde. Sie brauchte das Geld, was der Germane ihr für ihre Dienste geben würde. Doch im Augenblick war es mehr der Germane, der sich selbst bediente und nicht bedient wurde. Am Ende würde er ihr ihren Lohn verweigern, wenn sie sich nicht endlich zusammen riss.


    Sie begann sein Haar sanft zu streicheln, währen er sich vor ihr beugte. „Komm, wir legen uns auf mein Bett.“ Sanft aber bestimmt zog sie ihn an seiner Schulter, auf dass er ihr folgte.
    Sie legte sich vor ihm auf das Bett und lockte ihn lächelnd mit einem Fingerzeig zu sich.


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    Mirjam


    Unten in der Schänke indessen ging es hoch her. Inzwischen waren nahezu alle Tische wieder besetzt. Mirjam und Simon hatten ordentlich zu tun.
    Der Wein floss in Strömen, besonders an dem Tisch an dem der seltsame Gast mit seinen noch seltsamer wirkenden Gesellen saß.
    Mirjam schenkte den Wein in die Becher und scherte sich nicht groß darum, was der Gast in seinem beginnenden Rausch von sich gab. Solange er friedlich blieb und die Einrichtung nicht in Mitleidenschaft gezogen wurde, war alles gut.

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    In Begleitung seiner verbliebenen Tischgenossen verließ Ioannis die Taberna und atmete erst einmal die reine kühle Luft ein, die ihn draußen erwartete. „Es ist frisch geworden!“ meinte er zu einem seiner Begleiter, als er einige Schritte machte. „Ja, die Nächte können kalt werden,“ bestätigte ihm dieser und wies dem Lykier die Richtung, in die sie gehen mussten. „Hier lang. Man wartet sicher schon auf uns!“


    Ioannis , der von seinen Begleitern umringt wurde, folgte gerne der Anweisung. Er war fremd in dieser Stadt und ohne die Hilfe eines Einheimischen wäre es wohl schwerlich gewesen, zu jenem Ort zu gelangen, den sie nun aufsuchen wollten.
    „Wir müssen vorsichtig sein, Rabbi“, warnte einer seiner Begleiter. „Überall können Leute lauern, die uns nicht wohlgesonnen sind.“ Doch der Fremde blieb unvermittelt stehen und blickte ihn sehr eindringlich mit seinem gütigen Blick an. „Habt keine Angst und vertraut auf den Herrn. Wenn ihr stark im Glauben seid, wird euch nichts geschehen,“ entgegnete er ihm mit seiner sanften Stimme und setzte dann seinen Weg fort.

    Irgendwie schaffte es Beroe, ihre Bedenken für eine Weile zur Seite zu schieben. Sie konnte das Geld wirklich gut gebrauchen! Und außerdem, Avianus war nun schon so lange weg. Keiner konnte ihr sagen, wann er wieder zurückkommen würde… und ob er wieder zurückkommen würde… Auch wenn sie nicht viel darüber wusste, doch eines war ihr ganz klar, der Weg nach Germania war lang und nicht ganz ohne Gefahren.


    Der große Blonde folgte ihrer Aufforderung ohne weiteres. Bevor er aber den Tisch verließ, sagte einer seiner Freunde noch etwas in einer für ihre Ohren recht eigenartigen Sprache. Doch es genügte nur, in die Gesichter der beiden Männer zu schauen, um halbwegs zu verstehen, worum es wohl ging. Sie spürte die Augen des anderen, der sie mit seinen Blicken scheinbar auszog. Dennoch ließ sie sich davon nicht beirren. Beroe hatte es aufgegeben, nach Mirjam oder gar Simon zu schauen. Der Wirt duldete es, was hier vorging. Letztlich war es gut für sein Geschäft.



    Am Tisch der Christen saßen nur noch eine Handvoll Männer, darunter auch jener Fremde, um den sich alle geschart hatten. Er hatte einen bereits ziemlich abgewetzten Lederbeutel unter seiner Tunika hervorgeholt und kramte nun einige Münzen hervor, die er auf dem Tisch liegen ließ, bevor er und die anderen sich erhoben und ebenfalls die Taverne verließ.


    Beroe sah diesen seltsam anmutenden Gästen noch nach, bevor sie sich wieder auf den Blonden einließ, der plötzlich, als er begriff, dass sie mit ihm nach draußen wollte, lautstark zu protestieren begann. Kurz vor der Tür hielt sie inne und suchte nach Worten, um ihm vom Gegenteil zu überzeugen. Sie wollte doch nur, dass alles schnell vorbei war, nur ein paar Sesterzen extra verdienen und dann schnell wieder vergessen, was sie getan hatte. Doch was der Blonde nun verlangte, war zu viel.
    „Aber… aber…“ Sie überlegte lange und kam zu dem Schluss, dass es vielleicht doch besser war, wenn sie ihn mit auf ihr Zimmer nahm, bevor er es sich noch anders überlegte.
    „Na gut. Dann komm mit!“



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    Mirjam


    Mirjam hatte versucht, von all dem nichts mitzubekommen. sie hatte ihre Augen und Ohren vor dem verschlossen und konzentrierte sich darauf, den Gästen ihr Essen und die Getränke an ihre Tische zu bringen. Lediglich sah sie der jungen Lykierin kurz nach, als diese doch nicht die Taverne verließ sondern mit dem Blonden nach oben zu den Zimmern ging. Jedoch wurde sie vom Gegröle aufgeschreckt, welches von genau dem Tisch ausging, von dem der Blonde aufgestanden war. Der Dunkelhaarige, der auch einen Tick feiner gekleidet war, als seine Begleiter schrie nach Nachschub. Kannenweise verlangte er nach Wein, so dass Simon, der am Schanktisch stand, kaum nachkam, die Kannen zu füllen.


    „Ja. schon gut! hier kommt er ja schon!“ rief Mirjam, als sie die ersten Kannen mit ihrem besten Wein brachte. „Sooo, hier ist er ja schon! Ist zwar kein Falerner, schmeckt dafür aber noch viel besser!“, meinte sie, als sie die Kannen auf dem Tisch abstellte.



    Beroe öffnete sie Tür und trat in ihr Zimmer ein. Schnell war eine Öllampe entzündet, die mit ihrem schummrigen Licht den Raum beleuchtete. „Komm rein!“, forderte sie den Blonden auf und schloss hinter ihm die Tür.
    „Und? Was jetzt?“ Etwas unschlüssig verharrte sie schließlich einige Schritte von der Tür entfernt, die immer noch nah genug war, um schnell das Weite suchen zu können, wenn die Wünsche des Blonden doch zu sehr von der Norm abweichten.

    Natürlich hatte Beroe von allem, was an dem Tisch vorgefallen oder gesagt worden war, nichts mitbekommen. Ganz unbefangen teilte sie daher die Getränke an die Männer aus. Sie lächelte dem Blonden freundlich zu, als er sich so nett bei ihr bedankte. Und sein Angebot, sich zu ihm zu setzen, hätte sie sicher auch nicht stutzig werden lassen. Hin und wieder gab es eben Gäste, die neben dem Essen und den Getränken noch etwas Gesellschaft suchten. Das war völlig normal.
    Doch als er sie plötzlich berührte und sie zu sich auf seinen Schoß zog, erschrak sie doch. Böse Erinnerungen an alte schlechte Zeiten wurden mit einem heftigen Ruck wieder ganz nach oben geschleudert. Das alles verwirrte sie so. Sollte sie einfach die Rolle spielen, die der Blonde ihr zugedacht hatte? Ein unsicherer Blick ging hinüber zu Simon, der aber so tat, als würde er von alldem nichts mitbekommen. Im Grunde konnte es ihm ja nur recht und billig sein, wenn sich seine Angestellte so intensiv um seine Gäste kümmerte. Und selbst Mirjam wich plötzlich ihren Blicken aus und konzentrierte sich ganz auf ihre Arbeit.
    „Nun ja, vielleicht für einen Augenblick... ,“ meinte sie mit einem gezwungenen Lächeln und versuchte ihre Ängste zu verbergen. Schließlich nippte sie sogar an seinem Bier. Aber dieses Gesöff schmeckte ihr nicht sonderlich.
    Beroe fand sich in einer Situation wieder, die sie schon viel zu oft erlebt hatte. Allein der Blick und das Gehabe des Blonden sprach Bände. Sie wusste genau, worauf er hinaus wollte und als er es endlich auch aussprach, traf sie es doch mehr, als sie vermutet hätte. Ihr erster Gedanke galt Avianus. Sie wollte sich doch von nun an nur noch ihm geben. Allerdings hatte das Geklimpere der Münzen die gewünschte Wirkung bei ihr erzielt. Inzwischen war all ihr Geld aufgebraucht und nur weil sie in der Taberna arbeitete, konnte sie dort auch wohnen. Für andere Annehmlichkeiten des Lebens reichte ihr Verdienst nicht. Sie war hin und her gerissen. Was sollte sie nur tun? Die Rolle der Lupa war sie doch mehr als überdrüssig geworden, seitdem sie jemanden gefunden hatte, dem sie all ihre Liebe geschenkt hatte. Doch nur von Luft und Liebe konnte man einfach nicht leben. Und das hatte nichts mit Liebe zu tun.


    Sie schaute in sein grinsendes Gesicht, welches so unbekümmert schien und zweifellos ungemein attraktiv wirkte. In seinen blauen Augen hätte man versinken können, wenn man nur gewollt hätte. Schließlich verzog sie ihr Gesicht zu einem Lächeln.
    „Na gut, dann komm mal mit!“ Sie erhob sich langsam von ihrem Platz und wartete bis er ihr folgen würde. Keinesfalls würde sie ihn mit auf ihr Zimmer nehmen. Dieser Ort gehörte nur Avianus und ihr. Mit ihm würde sie nach draußen gehen und sich mit ihm in einer dunklen Mauernische zurückziehen, wo sie dann hoffentlich ungestört waren.

    „Das trifft sich gut! Mirjam, die Frau des Wirtes, macht den besten Lammbraten hier im Viertel!“ Mit einer gewissen Erleichterung nickte sie dem jungen Mann zu, der augenscheinlich mehr als zufrieden mit dem Angebot war, welches die Taverne an diesem Abend bot. Erst am Tag zuvor hatte sie sich mit ein paar Radaubrüdern herumschlagen müssen, die unbedingt auf Schweinebraten bestanden hatten. Wahrscheinlich hätten sich Mirjam und Simon eher die Hand abgehackt, als auch nur ein Stück Schweinefleisch anzufassen. Umso mehr war sie froh, dass die fünf Männer hier keine Extrawünsche hatten und eigentlich ziemlich unkompliziert waren.


    Inzwischen hatten sich auch am Tisch der Christen die Wogen wieder geglättet. Simon war hinter seinen Schanktisch zurückgekehrt und kümmerte sich um die Getränke. Auch Mirjam lugte wieder vorsichtig aus der Küche hervor und als sie sich sicher war, dass es keinen weiteren Ärger geben würde, trat sie wieder in die Schankstube hinaus um den Gästen ihr Essen zu servieren. In ihrem Gesicht war der Kummer noch erkennbar, der wieder zu Tage getreten war, als Simon seine Tochter erneut des Hauses verwiesen hatte.


    Beroes Blick streifte kurz die Wirtin, bevor sie sich wieder den Gästen zuwandte. Die Stimmung des einen, dessen Mantel etwas teurer aussah und der wahrscheinlich am Ende auch die Zeche zahlen würde, hatte sich unmerklich verändert. Sie hatte es bemerkt, denn schon früh hatte sie gelernt, solche unterschwelligen Stimmungswandlungen wahrzunehmen. Das hatte sie so manches mal vor Strafe bewahrt.
    Sie fragte sich natürlich, ob sie der Grund dafür war. Ob sie vielleicht etwas Falsches gesagt hatte, was ihn so seltsam werden ließ.
    „Ja… das mag sein“, erwiderte sie und musterte ihn dabei. Im Grunde hatte er recht. Auch in ihrem Leben wimmelte es nur so von Dingen, die unverzeihlich waren. Doch im Gegensatz zu manch anderen hatte sich für sie niemals die Frage gestellt, ob sie verzeihen konnte oder nicht. Verzeihen oder auch nicht verzeihen können, war daher ein Luxus, den sich einfache Sklaven und solche, die es einmal gewesen waren, nicht leisten konnten.


    „Zugezogen… aha.“ Ihre Frage nach dem Woher war nicht unbedingt auf Anklang gestoßen, was sie durchaus auch nachvollziehen konnte. Sie selbst hätte sich wohl ähnlich bedeckt gehalten. Dennoch barg seine Antwort auch etwas Beunruhigendes in sich. Allerdings machten die Fünf nicht gerade den Eindruck, dass sie auf Drängen eines gewissen Lupanarbesitzers vom anderen Ufer des Tibers nach Trans Tiberim gekommen waren. Nein, Beroe glaubte nicht, dass von ihnen große Gefahr ausging. Jedenfalls nicht für sie.
    Allerdings zeigte er ihr durch seine geschlossene Haltung, dass er auf einen weiteren Plausch keinen gesteigerten Wert legte. Ob Beroe da unbeabsichtigt eine empfindliche Stelle getroffen hatte? Sie wusste es nicht und sie machte sich auch darüber keine großen Gedanken, sondern entfernte sich nach einem kurzen Räusperer in Richtung Schanktisch.


    Am Tisch der Christen hingegen, erhoben sich die Ersten und verabschiedeten sich. In väterlicher Weise umarmte jener mysteriöse Mann, den sie Ioannis nannten, jeden einzelnen. „Friede sei mit dir!“, sagte er dabei jedem. Nicht nur Beroe hatte derweil kurz hinüber geschielt, während sie die Getränke auf ein Tablett stellte, es aufnahm und an den Tisch der Fünf hinübertrug.
    „So, hier ist dann mal der heiße Gewürzwein. Vorsicht, heiß! …und ein Bier!“, sagte sie und stellte das Tablett ab.

    Wahrscheinlich war wohl niemand mehr erstaunter darüber, als Simon selbst, dass der Urbaner nach seiner gewagten Ansprache klein bei gab und sich samt seinen beiden Kameraden zurückzog. Sie verließen zwar nicht das Lokal, doch sie setzten sich an ihren Tisch zurück, um ihren Wein zu trinken und zu essen.
    Dort der Wirt war noch längst nicht mit seiner Tochter fertig. Wild gestikulierend konnte man ihn beobachten, wie er sich mit ihr in einer fremden Sprache stritt. Ioannis hatte noch versucht, auf Simon einzuwirken. Der Vater aber blieb gegenüber seiner Tochter hart und so konnte man nach kurzer Zeit beobachten, wie die junge Frau, weinend aus der Taberna flüchtete.


    Nur flüchtig hatte Beroe das weitere Geschehen am Tisch der Christen weiterverfolgen können. Allerdings hatte sie sich auch nicht wirklich auf die neuen Gäste konzentrieren können. Immer wieder erwischte sie sich dabei, wie sie versuchte, einen Blick in die andere Ecke der Taberna zu werfen. Dorthin, wo Rachel, ihr Vater und auch der Fremde noch diskutierten.
    Doch als derjenige zu bestellen begann, der auch nach ihr gerufen hatte, versuchte sie sich zusammenzureißen.
    „Fünfmal heißer Würzwein, Oliven, Eier und Garum…“, wiederholte sie. Dann ging ihr Blick weiter zu seinen Begleitern, die unterschiedlicher nicht sein konnten, doch alle eines gemein hatten, wie sie fand. Auf ihre ganz eigene Weise waren sie alle recht attraktiv. Wenn die Umstände andere gewesen wären, hätte sie vielleicht einen Gedanken daran mehr verschwendet. So aber bündelte sie ihre Aufmerksamkeit auf die Bestellungen, die die Männer nacheinander los wurden.
    „Ein Bier, Braten… äh wir hätten Lammbraten da, wenn´s recht ist… zweimal dann den Lammbraten?... Eine Schale Puls… und..“ Beroe wandte sich zum Nachbartisch um. Der Gast dort hatte einen leckeren Bohneneintopf mit Lammfleisch, an dem er sich gütlich tat.
    „Bohneneintopf mit Lammfleisch… und für dich das Tagesgericht… äh also zweimal den Bohneneintopf. Der ist wirklich lecker! Kann ich nur empfehlen.“ Sie versuchte lockerer zu werden, das Geschehene auszublenden, um sich dadurch besser den Gästen zu widmen. Aber das war leichter gesagt, als getan. Aber zum Glück waren die Fünf weder anzüglich noch aufdringlich.
    Gerade als sie sich umdrehen wollte, um zur Küche zurück zu eilen, sprach sie einer der Gäste an. Natürlich hatten die neuen Gäste auch bemerkt, das die Luft in der Schankstube recht dick gewesen war, als sie eingetreten waren.
    „Ach das..“ Beroe winkte abschätzig ab.“Die drei Urbaner da drüben haben sich aufgeregt, weil an dem Tisch dort ein paar Leute mehr sitzen, als normal. Die tun gerade so, als dürfe man jetzt auch nicht mehr zusammensitzen! Und das eben mit der jungen Frau ist ein schlimmes Familiendrama. Der Wirt ist ihr Vater und der hat sie verstoßen… echt, ich versteh‘ nicht, wie man nur so dickköpfig sein kann! “ Dabei schüttelte sie unverständig den Kopf und war mit ihren Gedanken für einen kleinen Moment wieder bei ihrer Freundin.
    „Und ihr? Ihr seid doch auch nicht hier aus dem Viertel, oder?“ Ihrem Aussehen und ihrer Sprache nach, waren wohl höchstens einer oder vielleicht auch zwei Römer, die anderen konnten von überall her sein. Das Imperium war ja ziemlich groß. Und in gewisser Weise hat sie auch ein Interesse daran, zu wissen, wer sich in der Gegend herumtrieb. Schließlich gab es ein paar Leute, die nicht wissen durften, wo Beroe Unterschlupf gefunden hatte.

    http://imageshack.us/a/img43/413/4wo9.gif Als sich nun der Urbaner auch noch in Simons Familienangelegenheiten einmischen wollte, war der Wirt kurz davor, rot zu sehen. Nicht genug, dass seine Gäste, die nun wirklich keine Schuld auf sich geladen hatten, von den Dreien belästigt wurden, nun wollte er ihm auch vorschreiben, wie er mit seiner Tochter, die eigentlich nicht mehr seine Tochter war, verfahren sollte!
    „Bei allem Respekt Herr, aber diese „Frau“ hat sich dem väterlichen Willen widersetzt und ist in diesem Haus nicht mehr erwünscht! Und diese „Versammlung“, wie du es nennst, ist ein ganz harmloses Treffen. Weshalb belästigst du und deine Männer meine Gäste?“
    Simon war über seinen Ärger wegen Rachel ganz in Fahrt gekommen und selbst Beroe war ganz erstaunt, ihn so zu sehen. So viel hatte er noch nie auf einmal gesagt, seit sie ihn kannte. Sie war heilfroh, dass sie nicht mehr direkt im Brennpunkt stand. Der Urbaner hatte ihr ganz schön zugesetzt und sein weiteres Verhalten bestätigte einmal mehr ihre Meinung über Männer in Uniform (mal abgesehen von einem bestimmten, der nun etliche Meilen entfernt war und den sie jede einzelne Minute schrecklich vermisste 8)).


    Inzwischen waren einige weitere Männer eingetreten und hatten sich an einem der freien Tische gesetzt. Beroe hatte ihnen anfangs wenig bis gar keine Aufmerksamkeit geschenkt. Warum auch? Die Fünf sahen nicht besonders auffällig aus. Außerdem war sie noch immer so eingeschüchtert, dass es ihr wohl kaum möglich war, sich von der Stelle zu bewegen.
    Doch nachdem sich sonst niemand um die neuen Gäste gekümmert hatte, blieb der Ruf nach einer Bedienung nicht aus.


    „Ja doch! Ich komm ja gleich!“, rief Beroe notgedrungen. Endlich hatte sie einen triftigen Grund, sich aus der Gefahrenzone zu entfernen. Vorsichtig schob sie sich an den Urbanern vorbei und eilte zu dem Tisch, an dem sich die fünf Männer gesetzt hatten.
    „Was darf’s denn sein?“ Sie versuchte den Schrecken, der ihr immer noch in den Knochen steckte, auszublenden und es gelang ihr sogar, ein zaghaftes Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern.

    http://imageshack.us/a/img28/5536/e9dg.gif Ioannis, dessen Antlitz unverändert freundlich gesinnt wirkte, ließ sich durch die Fragen des Urbaners nicht aus der Fassung bringen, auch wenn er bereits die Situation und die Gefahr, die sie für alle mit sich brachte, erfasst hatte. Dennoch antwortete er ruhig und besonnen, ohne belehrend zu wirken. „Dies ist keine Versammlung der jüdischen Gemeinde. Es ist ein Treffen unter Geschwistern und Freunden.“ Er selbst zum Beispiel war kein Jude, sondern stammte aus einer lykischen Familie, die bis vor wenigen Jahren noch dem alten Glauben angehangen hatte.
    Jedoch ging Ioannis‘ weitere Aufmerksamkeit in dem Moment verloren, als die Dinge zwischen dem Wirt und seiner Tochter ihren Lauf nahmen.




    http://imageshack.us/a/img21/1086/w6jj.gif Noch ehe Beroe ihre Freundin dazu bewegen konnte, ihre Entscheidung zu überdenken und schleunigst mit ihr von hier zu verschwinden, drang bereits Simons Stimme zu ihnen herüber. Es wäre wohl auch zu vermessen gewesen, wenn der Vater sein eigenes Kind nicht erkannt hätte, selbst dann, obwohl er sie verstoßen und sie aus seinem Bewusstsein verbannt hatte.
    Erschrocken sah Beroe auf, aber noch ehe sie etwas tun konnte, war die junge Frau von ihrem Platz aufgestanden. Dabei war ihr Umhang, der sie bislang geschützt hatte, zu Boden gefallen. „Ja Vater, ich bin es! Deine Tochter Rachel, die du verstoßen hast!“ Sie trat ihrem Vater entgegen und stand nun zwischen Ioannis, dem Fremden aus dem Osten und dem Urbaner.




    http://imageshack.us/a/img43/413/4wo9.gif Simon indes, der einfach seinen Augen und Ohren nicht trauen wollte, war hin und hergerissen. Der Urbaner, die vermeidliche Chrsitenversammlung und selbst die Zukunft seiner Taberna waren inzwischen zur Gänze aus seinem Blickwinkel gerückt. Nur er und Rachel waren in diesem Moment wichtig. Natürlich hatte er sein eigen Fleisch und Blut geliebt und diese Liebe bestand immer noch. Dennoch hatte sich seine Tochter gegen ihn und die Traditionen ihres Volkes gestellt, was einfach unverzeihlich war. Umso mehr schmerzte es ihn, sie nun zu sehen und es zerriss ihm das Herz, als er handelte, wie es seine Traditionen von ihm verlangten.
    „Was suchst du in diesem Haus? Du bist hier nicht willkommen! Geh! Verschwinde!“
    Zwangsläufig war Ioannis und wohl auch der Urbaner Zeugen dessen geworden, was sich zwischen dem Wirt und seiner verlorenen Tochter stattfand. Und so war es auch keinesfalls verwunderlich, dass die Szenerie den Fremden wohl unweigerlich an ein Gleichnis erinnerte, welches er damals zum ersten mal gehört hatte, als er sich entschieden hatte, Christ zu werden.

    http://imageshack.us/a/img28/5536/e9dg.gif Jener Mann, der den Mittelpunkt dieser ominösen Versammlung darstellte und dessen Name im Übrigen Ioannis lautete, machte einen sehr ausgeglichenen Eindruck. Sein Mund umschmeichelte ein sanftmütiges Lächeln, als er dazu überging, dem Urbaner zu antworten.
    „Dies ist ein ganz harmloses Treffen, Miles. Wir sind hier friedlich zusammengekommen, um gemeinsam das Mahl einzunehmen, zu trinken und über Philosophie zu diskutieren. Du siehst also, es gibt keinen Grund zur Besorgnis.“ Seine ganze Haltung wirkte entspannt und von seinem Wesen ging etwas sehr friedvolles aus.




    http://imageshack.us/a/img21/1086/w6jj.gif In der Zwischenzeit, nachdem Beroe aus dem Fokus des Urbaners gerückt war, hatte sie sich schnell ihrer Freundin zugewandt. Solange Ioannis dem Urbaner Rede und Antwort stand, bestand für sie die Möglichkeit, herausfinden was Rachel hierher getrieben hatte und was sie mit diesen Leuten zu schaffen hatte. Rachel jedoch versuchte Beroes Fragen auszuweichen.
    „Komm, lass uns von hier verschwinden, Rachel!“, flüsterte sie ihr zu. Solange ihnen niemand größere Beachtung schenkte, hatten sie noch die Möglichkeit, ohne größeres Aufsehen zu verschwinden. Doch Rachel schüttelte nur den Kopf. „Mein Platz ist hier, Beroe. Hier, bei meinen Schwestern und Brüdern.“ Mit allen hatte Beroe gerechnet, nur nicht damit. Ihr verständnisloser Blick hing an ihrer Freundin, als wollte sie darauf warten, bis Rachel ihr endlich lachend erklärte, dass sie es diesmal geschafft hatte, sie sprachlos zu machen. Rachels Gesicht aber verzog sich zu keinem Lachen, nicht einmal ein sanfte Lächeln.



    http://imageshack.us/a/img43/413/4wo9.gif Als es in der Schankstube laut geworden war, konnte auch der Wirt nicht tatenlos zusehen. Wenn es hier Ärger mit den Urbanae gab, dann stand auch seine Taberna auf dem Spiel. Vorsichtig näherte er sich von der Seite dem Urbaner, der die Initiative ergriffen hatte und nun seinen Gast ausfragte.
    „Herr, bitte hör mich an. Ich bin ein ehrbarer Mann, der immer seine Steuern zahlt und dieser Mann hier ist Gast in meinem Haus. Er hat sich nichts zu Schulden kommen lassen … und diese Leute…“ Sein Blick schwenkte über die Gesichter, die sich ihm und dem Urbaner entgegenstreckten. „...einige von ihnen sind Mitglieder der jüdischen Gemeinde, Herr.“
    Schließlich fiel auch sein Blick auf seine Aushilfe, die sich mit dem verhüllten Gast unterhielt, derzuletzt die Taberna betreten hatte. Täuschten ihn seine Sinne oder hatte er da etwa das Gesicht seiner eigenen Tochter unter dem Umhang hervor lugen sehen? Die Tochter, die er vor einigen Monaten verstoßen hatte und die für ihn nicht mehr existent war. „Rachel?“ Seine Stimme war im Begriff, zu versagen. „Rachel!“


    edit: Fehler

    Unglücklicherweise gingen Beroes Bemühungen nicht auf. Einer der Urbaner, der offenbar der Anführer der anderen beiden war, ließ sich durch ihre Offerten nicht stoppen. Ganz im Gegenteil! Er drängte sie immer weiter in Richtung des Tisches, an dem auch ihre Freundin Platz genommen hatte und verhörte sie dabei geradezu.
    „Äh, ja… noch..noch … viel mehr!“ begann sie zu stammeln. Doch als er sie bezichtigte, mit jemanden unter einer Decke zu stecken, begann sie sich lautstark zu verteidigen. „Was? Ich hab nichts zu verstecken! Mit wem soll ich unter einer Decke stecken? Ich stecke mit niemanden unter einer Decke!“


    http://imageshack.us/a/img28/5536/e9dg.gif Als Beroe immer weiter zu dem vollbesetzten Tisch gedrängt wurde, stieß sie schließlich mit ihrem Rücken an einen der Gäste. Der Mann, es war derjenige, um den sich alle geschart hatten, erhob sich langsam und hielt einen Arm schützend um Beroes Rücken, damit sie nicht nach hinten stolperte. Mit einem äußert ruhigen Blick wandte er sich an den Urbaner, der die Kellnerin so sehr bedrängt hatte.
    „Gibt es ein Problem, Miles?“

    Natürlich hatte Simon sie ausgefragt. Was die Urbaner wollten, ob sie schon das Essen an Tisch fünf serviert hatte und wer der Gast war, der als letztes gekommen war. Bis auf die letzte seiner Fragen hatte sie immer eine Antwort parat gehabt. Doch sie traute sich einfach nicht, ihm zu sagen, dass seine eigene Tochter dieser seltsame Gast war. Dass sie hierhergekommen war, nur um jenen Mann aus dem Osten zu sehen und ihm zuzuhören.


    Zwischenzeitlich hatten sie den Urbanern schon mal die bestellte Kanne Wein gebracht. ;) Dabei hatte sie ein wenig von deren Unterhaltung aufschnappen können, undwas sie dabei erfahren hatte, hatte sie sehr beunruhigte. Die Drei redeten davon, hinüber zu den Christen gehen zu wollen, weil ihnen ihre Zusammenkunft dubios vorkam. Wieder sah sie hinüber, dorthin, wo Rachel saß. Wenn sie sie nur irgendwie hätte warnen können!


    Als die Drei sich schließlich von ihren Plätzen erhoben hatten und bereits einige Schritte auf den Tisch zugegangen waren, war es höchste Zeit für Beroe, zu handeln. Schnell griff sie nach einem Teller, auf dem etwas Käse angerichtet war und stellte sich damit den Urbanern in den Weg.
    „Aber hallo! Wo wollt ihr denn hin? Hier ist euer Käse und wenn ihr wollt, auch noch etwas mehr!“ Dabei warf sie den Urbanern ein aufreizendes Lächeln zu.

    „Eine Kanne Wein, Käse und Brot“, wiederholte Beroe und wollte schon wieder gehen, doch der Urbaner kam gleich noch mit einer Frage. Natürlich hatte der Tisch an dem sich einige Leute um den Mann aus dem Osten gescharrt hatten, die Aufmerksamkeit der Urbaner geweckt. Beroe sah kurz zu ihnen hinüber und zuckte dann mit den Schultern. „Keine Ahnung wer das ist! Die sehe ich heute zum ersten Mal. Außerdem bin ich noch nicht lange hier.“ Natürlich erzählte sie ihm nicht, was sie über diese Leute zu wissen glaubte. Da sie hoffte, die Frage des Urbaners hinreichend beantwortet zu haben, kehrte sie zum Schanktisch zurück, um die Bestellung der Urbaner weiterzugeben.
    In dem Moment trat ein weiterer Gast ein, eingehüllt in einen wollenen Umhang, der schon wesentlich bessere Tage gesehen hatte, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Die verhüllte Gestalt näherte sich zielstrebig dem Tisch der Christen und nahm dort auch Platz.
    Als Beroe sich nun dem neuen Gast näherte, um ihn zu fragen, was er wollte, fiel ihr auf, dass es sich um eine Frau handelte. „Rachel?“ , fragte sie mit gedämpfter Stimme, in der Hoffnung, dass niemand sie gehört hatte. Bevor sie noch etwas hinzufügen konnte, rief bereits Simon, der Wirt nach ihr.

    Noch immer warf Mirjam jenem Tisch, an dem sich diese „Christen“ versammelt hatten, einen besorgten Blick zu. Ausgerechnet im gleichen Atemzug öffnete sich die Tür und drei Urbaner traten ein. Mit einem Mal herrschte plötzlich eine unheimliche Stille. Mirjam, ihr Mann Simon, der gerade dabei gewesen war, eine Kanne mit Wein zu füllen, die Gäste, ja sogar die Christen hatten ihre Blicke zu der Tür geworfen. Auch Beroe blieb wie angewurzelt stehen, mit einem Teller heißer Suppe in der Hand. Erst als die Drei sich an einen freien Tisch gesetzt hatten, schien das „normale“ Leben wieder weiterzugehen. Simon widmete sich wieder der Kanne und dem Wein, Beroe servierte den Teller Suppe, die Gäste nahmen ihre Unterhaltungen wieder auf. Selbst die Christen steckten wieder ihre Köpfe zusammen und diskutierten weiter, allerdings wesentlich leiser, als sie dies zuvor getan hatten. Nur Mirjam hatte einmal wieder ihre bösen Vorahnungen und begann auf ihren Mann einzureden, er solle „diese Leute“ besser an die frische Luft setzen. „Geh in die Küche, Frau!“, knurrte Simon verärgert.


    Beroe indes näherte sich dem Tisch der drei Urbaner, um deren Bestellung entgegenzunehmen.
    „Salvete, was darf ich euch bringen?“, fragte sie lächelnd, aber mit gemischten Gefühlen.