Ab morgen bin ich bis einschließlich Sonntagabend leider nicht da. Aber ab Montag ist dann wieder mit mir zu rechnen.
Heute Abend schau ich aber noch mal rein!
Bis denne!
Ab morgen bin ich bis einschließlich Sonntagabend leider nicht da. Aber ab Montag ist dann wieder mit mir zu rechnen.
Heute Abend schau ich aber noch mal rein!
Bis denne!
Natürlich hatte sie ihn schon wieder enttäuscht. Silanus ließ sie deswegen keinen Moment daran zweifeln. Mit seinen Drohungen schüchterte er sie weiter ein, so dass sie nur noch nervöser wurde. Beroe konnte sich lebhaft vorstellen, was geschehen würde, wenn sie eines Tages nutzlos für ihn werden würde. Deswegen musste sie mit anderen Fähigkeiten punkten. Und wie es schien, sollte sie nun dafür auch Gelegenheit bekommen.
Sie war heilfroh, dass sie nicht weiterstehlen musste. Die Sachen die sie benötigte, würde sie ehrlich erstehen können, hoffte sie. Sie sollte die Verhandlungen führen, was soviel bedeutete, dass sie mit dem Händler feilschen sollte, um einen guten Preis zu erzielen.
„Diesmal werde ich dich bestimmt nicht enttäuschen, Dominus.“ Ihre Stimme klang etwas zittrig. Sie durfte jetzt einfach keine Fehler mehr machen! Unschlüssig blieb sie vor ihm stehen. Er würde sie doch nicht hier vor allen Leuten bestrafen, wenn ihr doch ein Missgeschick passierte. Besser, wenn sie sich darüber vorerst einmal keine Gedanken machte. Um sich abzulenken, sah sie sich einmal etwas um.
„Dort Dominus, sieh, da ist ein Händler, der Öle und Duftessenzen anbietet. Soll ich es dort versuchen?“
Sie deutete mit ihrem Finger auf einen vielbeachteten Stand, an dem besonders viel Damen ihr Interesse bekundeten.
„Ach, das macht nichts. Ist ja nicht deine Schuld,“ beschwichtigte sie ihn. Sie war ihm einfach nur dankbar, dass er sich überhaupt mit ihr abgab. Das war nicht selbstverständlich, wenn man mal bedachte, unter welchen Voraussetzungen sie sich kennengelernt hatten.
Beroe beobachtete ihn, wie er ihr Amulett in seinem Geldbeutel verstaute. Sie hatte ein gutes Gefühl dabei. Zwar rechnete sie nicht damit, Avianus könnte sie jemals von Silanus befreien. Aber es war einfach gut zu wissen, dass es da jemanden gab, mit dem sie reden konnte und der keinerlei Hintergedanken dabei hatte.
„Dann werde ich jeden Tag in den Park kommen, um nachzusehen, ob das Amulett dort liegt,“ versprach sie ihm lächelnd. Einen Moment stand sie noch schweigend aber zufrieden neben dem Iunier. Beroe war einfach nur glücklich. Allerdings hatten die beiden ganz die Zeit vergessen. Es war bereits dunkel geworden. Beroe wurde dabei bewusst, dass sie nun bald zurück zur Casa eilen musste. Schließlich musste sie, wie jeden anderen Abend auch, damit rechnen, dass Silanus wieder bei ihr auftauchte. Und der duldete keinerlei Ausreden. Das letzte, was Beroe wollte, war dass Silanus etwas über den Iunier erfuhr. So wie sie ihm einschätzte, konnte das böse Folgen für ihn haben.
„Es ist schon spät geworden. Ich denke, ich sollte dich jetzt besser gehen lassen, bevor sie dich noch aussperren,“ scherzte sie.
Beroe vermied es, sich besonders viel Zeit für das Verspeisen des Pfirsichs zu nehmen. Schnell knabberte sie das süße Fruchtfleisch um den Kern herum ab und warf dann die Überreste achtlos zur Seite. Silanus hatte bereits mit seiner zweiten Lektion begonnen. Sie versuchte, sich alles genau einzuprägen, was er ihr sagte, denn sie verspürte keine große Lust mit Schlägen bestraft zu werden. Immerhin hatte sie bereits einen von drei Fehlern begangen.
„Ja Dominus, ich habe verstanden,“ antwortete sie artig und hörte weiter zu.
Nun, das waren viele Dinge, an die man denken musste. Fast zu viele! Ihr graute es schon davor, wenn es von der Theorie zur Praxis hinüberging und sie ihm demonstrieren musste, was sie gelert oder auch nicht gelernt hatte.
Und dann kam schon die nächste Aufgabe, die es richtig in sich hatte. Sie sollte etwas stehlen, was zu ihm passte. Noch bevor ihre nächsten Diebestour richtig begann, kam sie bereits ins Grübeln. Was passt zu ihm? Sie hatte keine Ahnung! Aber sie durfte auch nicht tatenlos stehen bleiben. Also mischte sie sich wieder unter die Menschenmasse und schlenderte an den einzelnen Ständen vorbei.
In erster Linie war sie noch immer mit der Frage nach dem „WAS“ beschäftigt. Was sollte sie stehlen. Schließlich kam sie an einen Gewürzstand vorbei. Ihr Blick fiel auf kleine mit Salz gefüllte Säckchen. Salz! Das war es! Salz war so weiß wie seine Haut und seine Haare und genauso wie Salz, wenn es in eine Wunde gerät, schmerzen seine Erniedrigungen und Schläge. Salz war also genau das Richtige!
Doch bevor sie losschlug, beherzigte sie seine Ratschläge und beobachtete den Stand aus einer sicheren Entfernung. Sie konnte keine Aufpasser ausmachen und Urbaner waren auch keine zu sehen. Am Stand hielten sich gerade genügend Leute auf. Also worauf wartete sie noch?
Der Händler hatte alle Hände voll zu tun. Viele Leute interessierten sich für seine Waren, die zum Teil recht exotisch waren und von jenseits der Grenzen des Imperiums stammten.
Unbemerkt ließ Beroe das Salzsäckchen unter ihrer Tunika verschwinden und wollte sich schon davonmachen. Da tauchte plötzlich neben ihr ein muskulöser Mann auf. „He du, was soll das?!“ Die Lykierin blieb wie angewachsen stehen. Man hatte sie erwischt und sie konnte nicht davonlaufen. Doch plötzlich griff sich das Muskelpaket den Mann neben ihr. „Soll ich erst deine Fresse zu Brei schlagen? Ich hab gesagt, du sollst das lassen! Leg das sofort wieder hin!“
Der Stand hatte doch einen Aufpasser, den Beroe allerdings nicht ausgemacht hatte. Und offenbar hatte er einen anderen Dieb erwischt. Da hatte sie noch einmal Glück gehabt. Schnell tauchte sie wieder unter und lief zurück zu Silanus.
Der Schrecken saß ihr noch in den Knochen, als sie ihm das Säckchen mit dem Salz reichte. Sie wusste, dass sie eben gerade ihren zweiten Fehler begangen hatte. Nur noch ein Missgeschick konnte sie sich erlauben und dann... Daran wollte sie erst gar nicht denken. "Ich hab ihn nicht gesehen, Dominus! Ich hatte erst Ausschau gehalten aber habe ihn nicht gesehen...ehrlich!", versuchte sie sich zu rechtfertigen, obwohl sie wusste, dass es nutzlos war.
Beroe jubelte innerlich, als er ihr zu verstehen gab, dass er sie auch in Zukunft sehen wollte. Der Iunier musste etwas für sie empfinden, redete sie sich daraufhin ein. Sonst hätte er sich schon längst wieder von ihr abgewandt. Endlich, so glaubte sie, würde sie auch ein bisschen Glück haben, nach allem, was in den letzten Tagen geschehen war. Avianus war das krasse Gegenteil von Silanus. Silanus war ein kalter brutaler Klotz, doch der Iunier hingegen war ehrlich und freundlich.
Jedoch erhielt ihre Freude schon gleich wieder einen Dämpfer, als es darum ging, wie man miteinander kommunizieren konnte. Da gab es leider ein klitzekleines Problem, welches Beroe ziemlich zu schaffen machte und für das sie sich auch schämte.
„Einen Ort wüsste ich vielleicht schon, äh… aber … ich kann nicht lesen.“ Verlegen schlug sie die Augen nieder. „Mein Dominus meinte, ich müsste nicht lesen und schreiben können. Deshalb habe ich es nie gelernt.“ Aber sie hätte einiges gegeben, es lernen zu dürfen. Das würde das Ganze noch schwieriger machen.
Doch dann hatte Beroe eine Idee. Sie zog das Lederbändchen mit dem Amulett, welches sie immer um ihren Hals trug, aus und gab es ihm.
„Hier, nimm das. Immer wenn wir uns treffen können, legst du es unter einen Stein an der ersten Bank, die am Eingang zum Park steht. Wenn ich das Amulett dort finde, warte ich dort auf dich.“ Für ihn würde es bestimmt nicht verwerflich sein, wenn er ab und zu in den Park ging.
Offenbar hatte sie es gut gemacht, denn das, was Silanus sagte, klang fast wie ein Lob. Sogar den Pfirsich durfte sie behalten. Und das war schon was! Es hatte in ihrem bisherigen Leben kaum Gelegenheiten gegeben, in denen sie einen Pfirsich hätte essen dürfen. Deshalb war Beroe sehr dankbar dafür und freute sich. Ihre Freude jedoch konnte sie gar nicht richtig zeigen, denn das emotionslose Gesicht ihres Herrn, aus dem man weder Zorn noch Freude lesen konnte, ließ sie immer noch regelmäßig erschauern.
„Vielen Dank, Dominus!“, sagte sie, dann biss herzhaft in die Frucht und genoss die Süße des Pfirsichs. Doch Silanus ließ sie gleich wissen, woran sie hätte achten müssen. Weder hatte sie sich etwas eingeprägt, noch hatte sie auf die Leute neben oder hinter ihr geachtet und schon gar nicht hatte sie auf Urbaner Ausschau gehalten.
Entmutigt schüttelte sie bei jeder seiner Fragen den Kopf. „Nein Dominus, daran hatte ich nicht gedacht. Es tut mir leid. Aber ich verspreche, ich werde mich bessern!“
Beroe war die ganze Zeit vom Aventin bis zu den Märkten brav hinter Silanus her gelaufen. Nie im Leben hätte sie es gewagt, einen Fluchtversuch zu unternehmen. Denn sie wusste, dass dies aussichtslos war. Genauso niedergeschlagen sah es in ihr drinnen aus. Denn eigentlich wollte sie nicht lernen, wie man stiehlt. Außerdem kannte sie sich und wusste, wie ungeschickt sie sein konnte. Je näher sie also dem Markt kamen, umso mehr verstärkte sich das flaue Gefühl in ihrem Magen.
Dann blieb Silanus stehen und begann zu erklären, wie sie vorgehen sollte. Beroe hörte ihm zu und sah in die Richtung, in der sich der Stand des Händlers befand. Es handelte sich um einen kleinen rundlichen Mann mit schütterem Haar, der eigentlich einen ganz netten Eindruck machte.
Kurz bevor sie losging, nickte sie ihrem neuen Herrn noch einmal zu. Glück konnte sie in der Tat gebrauchen.
Am Obststand angekommen, besah sie sich erst einmal seine Ware. Herrliche pralle reife Früchte fand sie vor. Leckere Äpfel, in die man am liebsten hineinbeißen wollte. Allerlei Beeren, von denen sie nicht mal alle ihre Namen kannte. Und natürlich waren da auch die Pfirsiche, die nicht nur mit ihrem Duft bestachen.
„Salve, junge Dame! Was kann ich für dich tun,“ sprach der Händler sie zuvorkommend an. Beroe sah ihn freundlich an. „Salve!“ erwiderte sie seinen Gruß. „Die Kirschen sehen ja lecker aus! Woher kommen die denn?“ Der Händler freute sich, dass seine Ware so viel Beachtung bei der jungen Frau fand und begann zu erzählen. Während er nun über die Herkunft und den guten Geschmack seiner Kirschen referierte, versuchte Beroe sich unbemerkt einen der Pfirsiche zu nehmen. Das gelang ihr auch. Nur… ach, wie ungeschickt! Sie hatte ihn fallen gelassen! Der Händler hatte zum Glück nichts bemerkt.
Beroe überlegte scharf, wie sie sich aus der Situation winden könnte. Doch dann hatte sie einen Plan. „Ja gut, dann nehme ich ein paar davon,“ sagte sie zu dem Händler. Dann tat sie, als suche sie nach ihrem Geld. „Oh nein! Ich glaube, ich haben meinen Geldbeutel verloren!“ Hektisch sah sie vor sich auf dem Boden nach. Dabei griff sie nach dem Pfirsich und versteckte ihn unter ihrer Kleidung. Anschließend wandte sie sich wieder zum Händler der keine Zeit mer hatte, um etwas zu erwidern. „Es tut mir leid. Ich kann dir nichts abkaufen. Mein Geld ist weg! Ich mus los.“ Mit diesen Worten eile
sie auch schon davon, tauchte in die Menge der Passanten ein und lief zurück zu Silanus.
„Hier Dominus!“ Beroe hielt ihm den Pfirsich hin, der durch seinen Sturz, zwar nur aus geringer Höhe, eine Druckstelle bekommen hatte.
Er antwortete auf ihr Gestammel nicht sofort. Womöglich war er sich selbst nicht sicher, was er ihr sagen sollte. Sie konnte das sehr gut nachvollziehen. Trotzdem hoffte sie, er würde sie nicht einfach mit einem schnöden „nein“ abspeisen. Und das tat er dann auch nicht. Auch wenn es sich erst so danach angehört hatte, als wollte er sie abwimmeln.
„Nein, das stört mich nicht… wirklich. Ich bin nur froh, dass…“ Beroe war es natürlich nicht entgangen, wie sich der Iunier mehrmals zur Castra umgeschaut hatte, so als wäre es ihm unangenehm, mit ihr gesehen zu werden. Schließlich sprach er es dann auch aus. Aber Beroe nickte. Sie hatte Verständnis dafür. Sie war eben, was sie war und daran würde sich nie etwas ändern.
„Ja, natürlich“, bekräftigte sie ihr Nicken. „Hier ganz in der Nähe gibt es einen Platz, wo wir ungestört sind. Wenn es dir das recht ist.... Dort drüben, in dem Park.“ Sie zeigte in die Richtung, in der sich einige Straßen weiter die Horti Lolliani befanden. Den kannte sie selbstverständlich von ihrer Arbeit. Auch dort gab es das eine oder andere abgelegene Plätzchen, an dem nur selten Passanten vorbei kamen. Der richtige Platz für ein mögliches Treffen. Doch eine Frage stellte sich Beroe noch. Wie würde sie wissen, wann sie Avianus treffen konnte.
Das ließ sich Beroe nicht zweimal sagen! Endlich war sie erlöst, so glaubte sie. Sofort stellte sie sich auf und wollte zu der Truhe eilen, auf der die Tunika lag. Doch dann hielt Silanus sie am Arm fest und strich mit seiner Hand über ihren Rücken bis hinunter zu ihrem Po. Beroe war sofort stehengeblieben. Ihr Körper begann sich wieder zu verskrampfen. Nun war es soweit, dachte sie. Er würde sie sich nun nehmen. Doch als nichts dergleichen geschah und er sie wieder frei ließ. Atmete sie erleichtert auf. Schnell bewegte sie sich zu der Truhe hin und kleidete sich an. Sie war so erleichtert, als auch Silanus wieder seine Kleidung anzog. Hoffentlich würde er gleich gehen uns sie sich selbst überlassen.
Jedoch enttäuschte er sie auf ganzer Linie. Er würde nicht gehen. Jedenfalls nicht allein. Sie sollte ihn mit auf den Markt begleiten. Aber immerhin würde sie nicht selbst für die zu besorgenden Dinge aufkommen müssen. Oder vielleicht doch nicht. Auf jeden Fall würde sie heute zur Dieben werden. Ob sie wollte oder nicht. Und womöglich würde auch heute schon ihre Karriere als Hure beginnen. Sie gab sich keinerlei Illusionen mehr hin. Dieser Mann war zu allen Scheußlichkeiten fähig.
Sie nickte gehorsam und nachdem sie fertig angezogen war schritt sie, wie befohlen zur Tür.
Beroe war bereits im Begriff gewesen, sch umzudrehen und zu gehen. Hier gab es nichts mehr für sie. Die Lyierin war einfach nur enttäuscht und traurig. Immer tiefer geriet sie in den Sumpf dieser Stadt. Und der, von dem sie gehofft hatte, er könnte ihr vielleicht helfen…
Aber da. Seine Stimme. Sie klang plötzlich nicht wieder ganz anders. Er wollte ihr zuhören! Beroe hielt inne und drehte sich wieder zu ihm hin und hob ihren Kopf, so dass sich ihre Blicke trafen.
„Ich wollte dich fragen..“ begann sie, nachdem sie ihn erst schweigend betrachtet hatte. „Wenn ich dich vielleicht wieder sehen könnte...äh… Es wäre schön, wenn es jemanden gäbe… der… der ab und zu …“ Die Lykierin geriet ins stocken. Sie schluchzt nur noch verzweifelt. „Ich habe niemand in dieser Stadt. Und du bist der einzige, der es bis jetzt gut mit mir gemeint hat.“ Sie wischte ihre Tränen mit dem Handrücken beiseite. „Aber ich kann verstehen, wenn du mit einer wie mir nichts zu tun haben willst.“
Zum Glück katte der Iunier ihr Rufen gehört und war stehen geblieben. Dann sah er sich um und entdeckte sie. Er kam ihr sogar entgegen. Beore schöpfte wieder Hoffnung. Im Nu hatte sie ihn eingeholt und blieb vor ihm stehen. Sofort würde sie ihn fragen. Sie hatte sich schon die passenden Worte zurechtgelegt. Sie wusste genau, dass es das Richtige war, ihn zu fragen.
Doch als sie seine Stimme vernahm, die plötzlich so ernst und unnahbar klang, schreckte sie plötzlich zurück. Waren ihre Gedanken nur naive Gefühlsduselei? Sah sie in dem Iunier etwas, was er in Wahrheit gar nicht war?
„Ich.. äh..ich..“ Beroe begann zu schluchzen. „Ach nichts,.. ist schon gut.... Entschuldige, dass ich dich aufgehalten habe.“ In ihrer Stimme schwang die Enttäuschung über sich selbst mit.
Beroe gefiel die Vorstellung, andere bestehlen zu müssen, gar nicht. Aber wenn Silanus es so wollte, hatte sie keine Wahl. Sie musste ihm gehorchen, sonst würde er kurzen Prozess mit ihr machen. Außerdem musste sie auch eine Alternative parat haben, falls es Tage gab, an denen ihre Einnahmen zu wünschen übrig ließen. Also nickte sie schließlich. „Ja, Dominus.“
Noch immer kniete sie vor ihm. Das musste ihm gefallen, wie unterwürfig sie war. Was hatte er noch auf Lager, um sie einzuschüchtern oder zu erniedrigen? Sie war sich sicher, dass er sich noch lange mit ihr befassen würde. Sie zweifelte keine Minute daran, dass er seine neue Lupa auf Herz und Nieren prüfen wollte, bevor er sie auf die Straße schickte. Sie hatte auch schon lebhafte Vorstellungen davon, wie dies geschehen würde.
Umso mehr war sie überrascht, als er nach Beroes Kleidung fragte. Wenn sie sich nun endlich anziehen dürfte, dann hatte sie vielleicht dieses Martyrium bald überstanden, glaubte sie.
„Außer diesem Fetzen besitze ich nichts, Dominus. Aber gestern Abend…“ Sie zögerte einen Moment. „Ich habe ich diese Tunika in der Truhe entdeckt. Eigentlich wollte ich diese Tunika heute anziehen, ...wenn ich darf.“ Sie deutete auf ein hellblaues Kleidungsstück, welches ordentlich zusammengelegt auf der Truhe neben dem Bett lag.
Er blieb noch einen Augenblick bei ihr stehen und sah sie an. Hätte er doch nur ihre Gedanken lesen können, dann hätte er sich wahrscheinlich nicht von ihr abgewandt und wäre gegangen, was er dann schließlich auch tat. Er hatte sie wieder bei ihrem richtigen Namen genannt, den nur sehr wenige Leute kannten.
Sie blickte ihm nach, als er zielstrebig zur Castra schritt. Beroe fühlte eine tiefe Leere in sich. Und unendliche Traurigkeit ergriff sie. Jetzt war sie wieder allein. Sie musste zurück zur Casa und wenn es ganz dumm lief, würde dort schon Silanus auf sie warten. Warum also ließ sie ihn einfach so gehen? Dieser Mann, der sich immer weiter von ihr entfernte, war bisher der einzige gewesen, der wirklich nett zu ihr gewesen war, der sie nicht auszunutzen versuchte und sich nicht mit ihr abgegeben hatte, weil er ihre Liebesdienste in Anspruch nehmen wollte. Und diesen Mann ließ sie nun einfach gehen! Ihren einzigen Freund.
„Aulus…“ rief sie, aber ihre Stimme war viel zu leise und kraftlos, als dass er es hätte hören können. Gleich darauf versuchte sie es noch einmal, diesmal lauter. „Aulus… Warte“ Außerdem lief sie ihm nach… nein, sie rannte. Sie wollte ihn noch erwischen, bevor er hinter den Toren der Castra verschwunden war und dann für immer unerreichbar war.
Sie zuckteerschrocken zusammen, als er kurz seine Augen öffnete. Daraufhin rubbelte sie mit etwas mehr Druck über die vernarbte Haut und arbeitete sich weiter zu den unteren Körperregionen vor.
Nein, Rom war bisher wirklich nicht gut für sie gelaufen. Aber deswegen erwartete sie von ihm auch kein Mitleid. Still wusch sie weiter, seine Beine, den Unterleib und schließlich auch die Füße. Dabei hörte sie ihm zu, was er ihr zu sagen hatte. Wenn es tatsächlich zutreffen würde, dass er nicht oft zu ihr kommen würde, konnte es vielleicht doch noch ganz annehmlich werden- dieses Leben.
Als sie mit dem Waschen fertig war, sah sie wieder zu ihm auf. Mittlerweile kniete sie vor ihm, weil so so besser seine Füße waschen konnte.
„Ich weiß nicht, Dominus. Ich glaube, darin bin ich nicht so geschickt.“ Sie hatte es noch nie ausprobiert, denn in der Villa waren Diebstähle hart bestraft worden.
Silanus verständ es vortrefflich, seine Emotionen anderen gegenüber zu verbergen. Und wenn sich tatsächlich eine Gefühlsregung in seinem Gesicht wiederspiegelte, dann war sie sehe schwer einzuschätzen. So auch jetzt dieses kurze Lächeln. Schenkte er ihrer Geschichte Glauben?
Bevor sie ansetzen wollte, seine nächsten Fragen zu beantworten und ihre Geschichte weiter zu erzählen, erteilte er noch einen weiteren Befehl. Einen Schwamm oder Lappen und einen Eimer Wasser. Was sollte das? Sollte sie jetzt anfangen hier zu putzen? Doch sie hielt sich nicht lange auf und eilte davon, um im Haus nach solchen Dingen zu suchen. In der Culina wurde sie dann auch mit der Zeit endlich fündig.
Hoffentlich hatte diese Sucherei für Ihn nicht zu lange gedauert. Einzig allein darum drehten sich ihre Gedanken, als sie zum Schlafzimmer zurück eilte. Was sie dort aber zu sehen bekam, ließ ihr den Atem für einen Moment stocken. Silanus hatte sie gänzlich entkleidet und saß wieder auf dem Stuhl. Daran war ja nichts schlimm. Doch als sie seinen Körper musterte, erkannte sie unzählige Narben, eine sogar, die haarscharf neben dem Herzen war. Beroe versuchte ihre Abscheu zu verbergen und nickte nur ,als er von ihr verlangte, sie solle ihn waschen.
Sie beugte sich über ihn und begann vorsichtig den nassen Schwamm über sein Gesicht zu führen, dann wusch sie seinen Hals, die Arme und begann sich zum Oberkörper hinüberzutasten. Sie versuchte, den Schwamm nicht über die Narben zu wischen, was aber einfach unmöglich war, weil es einfach zu viele waren. Dabei begann sie zu erzählen: „Vor über zehn Jahren sollte ich meinen Vater auf einer Schiffsreise begleiten. Unser Schiff erlit Schiffsbruch vor der süditalischen Küste. Ich war die einzige, die das überlebt hat.“, erzählte sie weiter. „Ich schlug mich dann so durch, bis ich jemanden traf, der mir sagte, er könne mir helfen, wenn ich für ihn arbeitete. Natürlich habe ich ja gesagt und bin gleich mit ihm gegangen. Ich wusste ja nicht, dass ich in einem Lupanar in Misenum arbeiten sollte.“ Auch diesmal waren Fragmente ihrer Geschichte mit der Realität, wie es damals gelaufen war, stimmig. Nur dass sie damals nicht vor der italischen sondern vor der syrischen Küste angespült worden war, wo sie dann prompt von Sklavenhändlern eingesammelt und nach Brundisium verschifft worden war.
„In den Wirren des Bürgerkriegs war es mir gelungen, zu fliehen. Deswegen dachte ich, ich schlage mich nach Rom durch, weil mich da keiner kennt.“ erklärte sie und hoffte, er würde ihr glauben.
„Gut, dann begleite ich dich bis zum Tor.“ beschloss sie und fühlte sich ein wenig erleichtert, dass er sie nicht einfach fortschickt hatte. Denn so hatte sie einen Grund, nicht sofort in ihren Unterschlupf in der Casa gehen zu müssen. Irgendwie begann sie sich in seiner Gegenwart wohlzufühlen. „Ich glaube, freiwillig würde ich auch nicht mit hineingehen,“ begann sie zu scherzen.
Er hatte ihr zugehört, was sie zu sagen hatte, was ihre Gründe gewesen waren. Wahrscheinlich würde er ihre Beweggründe nicht verstehen. Wie sollte er auch! Schließlich war er Römer und dazu noch frei. Wahrscheinlich war er selbst mit Sklaven im Haushalt aufgewachsen und empfand dies als gänzlich normal. Und ob er ihr letztlich glaubte, konnte sie nur hoffen. Auf jeden Fall war sie losgeworden, was ihr auf dem Herzen gelegen hatte. Nun fühlte sie sich besser.
Dann legte der Iunier seine Hand sanft auf ihre Schulter um ihr zu zeigen, dass sie sich nun auf den Weg machen sollte. Diese Geste fühlte sich so gut in diesem Moment an. Die Tränen waren nun endgültig vergessen und sie lächelte ihn an. Gemeinsam schritten sie durch die Gasse. An seiner Seite fühlte sie sich wohl.
„Nein, auf gar keinen Fall werde ich das Geld zum Fenster hinaus werfen.“ versprach sie. „Es gibt einiges, was ich noch dringend benötige. Das Geld wird mir helfen, diese Sachen schneller besorgen zu können.“ Sie musste dabei unwillkürlich an Silanus denken und seine Forderungne, die er an sie gestellt hatte. Doch von diesem Geld würde sie ihm nichts abgeben. Dieses Geld war kein Verdienst. Wenn sie an Silanus dachte erschauerte es sie immer wieder, Aber das wollte sie sich nicht anmerken lassen. Sie versuchte, ihn aus ihren Gedanken zu verbannen. Nicht jetzt, nicht heute Abend. Hätte sie nur so einen Beschützer wie den Iunier, wenn sie sich tagsüber in der Stadt herumtrieb, um ihrer Arbeit nachzugehen. Aber wahrscheinlich würde er ihn nach diesem Abend nie mehr wiedersehen. Denn wer wollte sich schon mit einer Lupa auf der Straße sehen lassen? Eine wie sie traf man höchstens in den dunklen verwinkelten Gassen oder in irgendwelchen verlassenen Hinterhöfen.
Als die Castra sich bereits vor ihnen abzuzeichnen begann, blieb sie unvermittelt stehen. „Aulus..“ begann sie plötzlich. Sie hatte bisher noch keinen Römer mit seinem Praenomen angesprochen. „Danke für alles.“ Ihr fehlten plötzlich die Worte. Wie gerne hätte sie ihm jetzt gesagt, dass sie ihn gerne wiedersehen würde und dass sie begonnen hatte, ihn zu mögen. Aber sie wusste, wie aussichtslos dies alles war.
edit. fehlendes "u"
Als Beroe wieder das Schlafzimmer betrat, fand sie Silanus auf einem Stuhl sitzend vor. Er hatte seinen Umhang abgelegt, so dass man seine Statur nun besser einschätzen konnte. Direkt vor ihm blieb sie stehen und versuchte gleichmäßig zu atmen, um nicht verkrampft zu wirken. Wieder hatte sie dieses flaue Gefühl im Magen, so wie sie es auch schon früher in Misenum gehabt hatte, wenn in der Villa dicke Luft war.
Seine Augen glitten über ihre Rundungen. Damit nahm er sich besonders viel Zeit. Er wusste, wie er sie weichkochen konnte. Allerdings hatte er Beore längst dort, wo er sie haben wollte.
Endlich folgten seine Anweisungen. Einen Bottich, Öl, Wasser und Wein hatte sie zu besorgen. Nur womit sollte sie diese Dinge kaufen? Da er ihr verboten hatte, Fragen zu stellen, schob sie diesen Gedanken erst einmal zur Seite. Vielleicht würde das eine zum Anderen kommen. Andererseits, was würde geschehen, wenn sie eine seiner Anweisungen missachtete? Mit Sicherheit würde er sie hart bestrafen. Sie hatte ja bereits am eigenen Körper gespürt, wozu er fähig war. Also würde sie es gar nicht erst versuchen.
Letztendlich fragte er sie nach ihrer Herkunft. Sie entschied sich, dass sie ihr Geheimnis für sich behalten würde. Er musste nicht auch noch wissen, dass sie eine geflohene Sklavin war.
„Ich bin Lykierin und komme aus Myra, Dominus. Bevor ich nach Rom kam, habe ich in einem Lupanar in Misenum gearbeitet.“ Das hatte ja fast alles gestimmt. Deswegen klang es aus ihrem Mund auch recht überzeugend.
Tu es doch endlich, töte mich, bat Beroe innerlich. Es kam ihr so vor, als wäre die Zeit stehen geblieben, als würde dieser schreckliche Moment ewig währen. Doch der Fremde tötete sie nicht. Noch nicht. Ihr Martyrium sollte sich noch ewig fortsetzen.
Allmählich lockerte er die Klinge an ihrem Hals. Nein, Beroe würde es niemals wagen, sich gegen ihn zu erheben oder ihn gar zu verraten. Sie hatte an diesem Morgen ihre Lektion gelernt und würde diese auch nie wieder vergessen oder sie jemals in Frage stellen. Sie war von nun an sein Eigentum und er hatte alle Macht über sie. Er würde entscheiden, ob und wie sie lebte und wann und wie sie sterben würde.
Als er dann gänzlich die Klinge von ihrer Kehle nahm, sackte sie in sich zusammen und blieb wie ein Häufchen Elend vor ihm liegen.
„Ich werde alles tun, was du von mir verlangst,… Dominus.“, brachte sie schließlich hervor. Eigentlich hatte sie gehofft, niemals mehr einen anderen Menschen mit Dominus anreden zu müssen. Aber wenigstens konnte sie hierbleiben. Und auf ein Zehntel ihres zukünftigen Verdienstes würde sie sicher auch verzichten können.
„Ja, Dominus“ Beim zweiten Mal machte es ihr schon gar nichts mehr aus, schließlich war sie es ja gewohnt gewesen. „Ich habe verstanden. Was immer du sagst…“
Als er sie dann aufforderte, sich waschen zu gehen, zögerte sie nicht lange und sprang auf. Nach einigem Suchen fand sie im Hof eine mit Regenwasser gefüllte Tonne. Sie beeilte sich, denn sie wollte ihren neuen Herr und Meister nicht warten lassen.
Gesäubert kehrte sie in das Schlafzimmer zurück, in dem sie Silanus zurückgelassen hatte. Er würde bestimmt begutachten wollen, was er auf unschlagbar günstige Art und Weise erhalten hatte und nun sein Eigen nennen konnte.
Sie sah in seinem Gesicht keinerlei Regung. Nicht die geringste Emotion. Absolut gar nichts. Nur diese eisigen Augen, die sie durchdringen wollten. Seine Hand jedoch beließ er vorerst dort, wo sie sie hingeführt hatte.
Ganz unvermittelt aber riss er sie dann an ihren Haaren zu sich nach oben, so dass ihm in Augenhöhe gegenüberstand. Dann drückte er Beroe brutal gegen die Wand und führte seinen Dolch direkt an ihre Kehle. Vor Schreck, er würde sie nun hier und jetzt aufschlitzen, riß sie ihre Augen auf, als sie das Metall zu spüren bekam. Sie konnte nichts mehr sagen, denn die blanke Angst hatte ihr die Fähigkeit genommen, zu sprechen. Außerdem war alles gesagt worden. Nun lag es an ihm, wie lange er noch mit ihr spielen wollte, so wie die Katze mit ihrer Maus spielte, bis sie sie fraß.
Diese Klinge war scharf. Das hatte sie sofort gemerkt, denn er hatte bereits ihre Haut damit angeritzt. Beroe spürte, wie ein Tropfen einer warmen Flüssigkeit an ihrem Körper herunter lief. Zweifellos war das ihr Blut. Gleich würde er seine Klinge noch tiefer in sie hineinschieben, so dass ihre Kehle dabei durchtrennt wurde. Ob diese Art zu sterben sehr schmerzhaft war, fragte sie sich. Eines war tröstlich, man verblutete sehr schnell und dann war alles vorbei.
Langsam verlor sie jegliche Hoffnung, nun da er sich auch noch über sie und das was sie tat und sagte lustig zu machen schien. Sein zynisches Lachen war wie Salz in einer nie verheilenden Wunde. Ja, dieser Erebos genoss es in vollen Zügen, wie sie litt und wie sie Stück für Stück ihre Würde verlor. Aber offenbar verlangte er noch mehr – viel mehr. Mit dem, was sie ihm bereits angeboten hatte, wollte er sich nicht zufrieden geben. Oder vielleicht glaubte er ihr auch nicht, dass sie bereit war, sich ihm gänzlich hinzugeben? Wenn es nur daran lag, konnte und wollte sie es ihm beweisen.
Sie ließ ihr Becken wieder sinken und machte Anstalten, aus dem Bett zu klettern. Auf allen Vieren, einen Tier gleich, bewegte sie sich langsam auf ihn zu bis sie schließlich direkt vor ihm kniete. Demütig sah sie zu ihm auf. Dann ergriff sie seine freie Hand und führte sie zu ihrer Brust. „Hier, das gehört dir!“ Dann bahnte sich ihre andere Hand langsam unter seine Tunika, bis diese fand, wonach sie suchte und begann sich rythmisch zu bewegen. „Lass mich deine Dienerin sein. Ich kann hier in deinem Haus für dich arbeiten… und ich kann gut kochen… und das Haus wieder in Schuss bringen... und noch vieles mehr“, versprach sie, wobei das mit dem Kochen reichlich übertrieben gewesen war. „Und ich habe Erfahrung in Liebesdiensten. Schick mich auf die Straße und ich werde dir jeden Abend einen Batzen Geld mit nach Hause bringen. Dann musst du mich nicht durch füttern. Und überhaupt, ich brauche nicht viel…“ Zitternd aber auch erwartungsvoll sah sie zu ihm auf, wie er ihr Angebot aufnehmen würde.
„Es ist doch immer von Vorteil, sich der Treue seiner Untergebenen sicher zu sein. Ganz gleich in welcher Lebenslage...“ Für einen Herzschlag lang sah sie ihn eindringlich an. Dann bot sie ihm ihre Kehle dar. „Aber wenn das alles nicht genug ist… dann musst du mich jetzt eben töten.“