Beiträge von Susina Alpina

    Alpina betrachtete den Arm. Ja der Legionsmedicus hatte sich verstand sein Handwerk. Zum Glück für Decimus Massa, den ritterlichen Tribun aus Alexandria. Mit großen Augen musterte sie ihn. Ja, jetzt wo er seine Herkunft offenbarte, konnte sie erkennen, dass seine Züge ein wenig fremdartig wirkten. Sie war es gewöhnt, dass römische Soldaten aus aller Herren Länder kamen. Sie wurden ja auch nach Gutdünken ihres Dienstherren verschickt, genau wie Corvinus.
    "Alexandria", sagte die Raeterin gedankenverloren. Bilder von Wüste, Meer tauchten vor ihren Augen auf. Dazu die Erzählungen von der beeindruckenden Architektur Ägyptens. Sie selbst war ja nie über die Alpes gekommen, kannte also nur die Berichte derjenigen, die weit gereist waren. "Es muss schön sein dort. Und wesentlich wärmer als hier. Lebt deine Familie dort? Vermisst du deine Heimat? Du bist ja sicherlich nicht freiwillig hier."
    Wie sollte er? Ins kalte, feuchte Germanien kam man eigentlich nicht freiwillig.


    Wieder betrachtete sie den dunklen Teint ihres Gegenübers. Er war nicht blass und Rothaarig wie sie, sondern von gebräuter Hautfarbe mit hellbraunen Locken und ausdrucksvollen braunen Augen. "Ich bin eigentlich Raeterin, komme also vom Fuße der Alpes. Aber Fortuna hat mich nach Mogontiacum geführt. Über die Alpes bin ich nie hinausgekommen und statt in den Süden verschlug es mich hierher in den Norden. Meine Mutter und sogar die Großmutter waren schon Hebammen. Und so wurde ich es auch. Sie lehrten mich auch die Wirkung der Heilkräuter und den Rest meines rudimentären medizinischen Wissens lehrte mich das Leben. Ich hatte viele Lehrmeister im Laufe der Zeit - so wie dich unlängst. Die Kräuter hier sind tatsächlich anders als die des Südens. Aber sieh hier!" Sie öffntete eine Spanschachtel und hielt sie ihm unter die Nase. "Rosmarin! Den müsstest du eigentlich aus dem Süden kennen. Ich kaufe die mediterranen Gewürze und Kräuter ein. Sie sind teuer. Deshalb beschränke ich mich auf einige sehr wichtige Heilpflanzen. Den Rest versuche ich mit heimischen Pflanzen zu decken. Die Menschen hier verlangen auch eher die einheimischen Kräuter. Sie kennen sie besser."


    Er kam auf ein heikles Thema zu sprechen während er weiter in den Verkaufsraum ging.
    "Ich bin alleine mit meiner Tochter Ursicina. Das Haus mit der Taberna Medica gehört einem Bruderpaar. Dem Pontifex Iullus Helvetius Curio und seinem Bruder, dem Decurio Lucius Helvetius Corvinus. Er ist der Vater meiner Tochter doch seit drei Jahren von einer Mission in den Orient nicht zurückgekehrt. Mit der Taberna Medica hatte er jedoch nie etwas zu tun. Ich war schon zuvor als Hebamme und Kräuterfrau selbständig tätig. Als Lebensgefährtin eines Legionärs ist man ja ohnehin meist alleine. Ich betreibe die Taberna und gehe als Hebamme auf Hausbesuche."


    Sie erwähnte nicht, dass sie auch nicht offiziell die Frau von Corvinus gewesen war und deshalb auch weder das römische Bürgerrecht besaß, noch ihre Tochter Ursicina. Von Corvinus war ihr nichts als die Erinnerung an eine kurze schöne Zeit geblieben und die Möglichkeit in der Casa Helvetia zu wohnen und zu arbeiten. Sie versuchte das Thema zu wechsen.
    "Du wolltest etwas für ein Bad? Zur Entspannung? Zur Muskellockerung? Zum besseren Einschlafen oder einfach ein angenehm duftendes Kräuterbad? Vielleicht auch ein Kräuteröl dazu für verspannte Muskeln?"

    Als Alpina vom Klingeln des Türglöckchens aus ihrer Arbeit gerissen wurde, sah sie zu ihrer Freude den Mann, der erst kürzlich mit der schweren Wundinfektion in ihre Taberna Medica gekommen war. Er war dieses Mal deutlich als Legionär erkennbar. Alpinas Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen. Für einen Moment hatte sie ihn für Corvinus gehalten. Dann realisierte sie ihren Fehler. Dennoch freute sie sich sehr, war er doch offensichtlich gesund und munter. Die Gesichtsfarbe verriet, dass er das Fieber und die Wundinfektion überstanden hatte. Ein kleiner Verband am Arm zeigte, dass die Verletzung noch nicht ganz ausgeheilt war. Die Kräuterfrau lächelte.
    "Salve! Es freut mich, dich wohlauf zu sehen. Und zu gerne will ich dir einen Badezusatz mitgeben. Doch erzähle mir zunächst wie es mit deiner Verletzung steht? Ist es gut verheilt?"

    Alpina übernahm die Führung und brachte den Praefectus in das Triclinium der Casa Helvetia. Wie es sich gehörte bekam der Gast die Kline in der Mitte zugewiesen. Dem Hausherren und seiner Frau überließ die Raeterin die Wahl zwischen der rechten oder linken Seite des Gastes, während sie den Kindern einen kleinen Extratisch und die Korbstühlchen in Kindergröße, die auch bei den gemeinsamen Abendessen und Festlichkeiten im Hause den Kindern als Sitz und Speisemöbel dienten. Sie selbst würde auf der verbliebenen Kline Platz nehmen.


    Gwyn hatte bereits einige Vorspeisen aufgetragen. Verschiedene Brotspezialitäten, Pasten aus Ziegen- und Schafskäse mit verschiedenen Kräutern, Gewürzen, Zwiebeln und Knoblauch sowie die obligatorischen hart gekochten Eier mit einer Füllung aus Oliven mit Kräutern oder Ziegenfrischkäse. Selbstverständlich fehlte auch das allseits beliebte Garum nicht.
    Während für die Erwachsenen ein Mischkelch für Wein und Wasser vorbereitet war gab es für die Kinder einen warmen Kräutertrank oder wahlweise Wasser aus einer Karaffe.


    Zwei Kohlebecken spendeten behagliche Wärme, Fackeln und Öllampen erhellten den Raum.


    Sim-Off:

    Ich reiche die Entscheidung über links oder rechts an Runa und Curio weiter ;)

    Alpina lauschte ein wenig dem Gespräch der Männer. Sie hatte sich vorgenommen, Iulius Licinus zu beobachten, um herauszufinden, ob er eventuell nicht alles verstand was man ihm sagte. Curios Stimme war laut und deutlich. Da war nicht zu erwarten, dass es zu Verständnisproblemen kam. Aber bei den Kindern oder auch wenn mehrere Leute sich bei Tisch unterhielten würde sich vielleicht einen Hinweis bekommen, warum der Praefectus die kleine Esquilina rügte, lauter und deutlicher zu sprechen, wo sie doch für Alpinas Dafürhalten verständlich sprach. Mit kindlicher Stimme natürlich und nicht mit der Kraft eines geübten Offiziers, der seine Soldaten auf Zack halten musste.
    "Ich glaube, Gwyn ist soweit. Wir können ins Triclinium wechseln", bot sie den Familienmitgliedern und Gästen an.

    Bei allen Göttern, Kaeso gebärdete sich kindischer als alle werdenden Väter, die sie bisher erlebt hatte. Alpina rollte die Augen als der junge Mann in das Balneum trat und wie ein aufgescheuchtes Huhn um seine Dulcinea herumtänzelte.
    Auch Phryne schien das Geseusel zu viel zu sein. Doch erstarb ihr Aufbegehren in der nächsten Wehe.
    "Komm, hilf mir, Kaeso. Phryne muss aus dem Wasser. Wir werden sie auf eine Decke hier neben der Wanne legen. Hier ist es schön warm. Das hilf ihr zu entspannen. Aber ich brauche freie Sicht auf den Beckenboden. Der Kopf des Kindes ist sehr groß und die Fruchtblase will sich nicht öffnen."


    Alpina griff unter die rechte Achsel der Gebärenden und hoffte, dass Kaeso die andere Seite nehmen würde. Korone war bereits ins Wasser gestiegen um die Beine zu ergreifen. Phryne konnte nicht helfen, sie hing schwer wie Blei in Alpinas Armen.

    Endlich kam die Geburt voran. Die Wehen zurchzuckten Phryne nun in kürzeren Abständen. Alpina bekam ein Problem. Sie konnte von außerhalb der Wanne den Geburtsverlauf nicht überprüfen, nicht helfen und vor allem nichts unternehmen, wenn es eng wurde. Und das stand zu befürchten.
    Also warf sie kurzerhand ihre Kleidung ab und kletterte zu der verdutzten Phryne in die Wanne.


    Sie betastete Bauch und Unterleib. Der Muttermund weitete sich jetzt zusehends. Ein gute halbe Stund später war er soweit geöffnet, dass die Geburt eigentlich vorangehen müsste. Doch noch immer lag die schützende Schicht der Fruchtblase über dem Kind. Die Spannung darauf war sehr groß. Das verursachte auch arge Schmerzen.
    "Es ist an der Zeit wieder aus der Wanne zu gehen, Phryne. Hier im Wasser kann ich dir nicht genug helfen. Der Muttermund ist weit. Der Kopf deines Kindes sitzt wie ein Korken im Amphorenhals. Alles was ich jetzt unternehmen kann und muss, kann nur außerhalb der Wanne geschehen."


    Alleine würden Alpina und Korone die vor Schmerzen fast apathisch wirkende Gebärende nicht aus der Wanne ziehen können. Also schickte Alpina Korone los, den unruhigen Kaeso zu rufen. Er wurde gebraucht und konnte helfen.

    Die bescheidene Kräuterfrau dankte Massa für seine Großzügigkeit. Und das bei dieser unzureichenden Behandlung! Alpina war es fast peinlich, das Geld anzunehmen. Schließlich hatte entließ sie ihn ohne Schmerzmedikation und noch unsicher, wie sich die Infektion entwickeln würde. Massa war jung und kräftig. Die Wahrscheinlichkeit war hoch aber gefährlich war es dennoch, dass sich der Eiter bereits im Gefäßsystem verbreitet hatte. Sie ahnte, dass die Medici in der Castra einen Aderlass vornehmen würden, um den Eiter abzuleiten. Ihnen würde die offene Wunde nicht genügen. Massa ahnte noch nicht was ihm wohl noch bevorstand. Alpina fühlte mit ihm.


    Tapfer erhob er sich und verließ leicht schwankend die Taberna Medica. Er hatte sogar ein Lächeln für sie. Zaghaft hob die Raeterin die Hand, um ihn zu verabschieden.

    Curio kam spät, aber immerhin. Runa war sich nicht sicher gewesen, ob er es überhaupt zum gemeinsamen Convivium schaffen würde. Alpina begrüßte ihren Schwager herzlich.
    "Schön, dass du es geschafft hast, Curio." Sie drückte ihm einen Becher in die Hand.


    Alpina freute sich sichtlich, dass Iulius Licinus an ihrem Mulsum schnupperte. Sie kam seiner Frage zuvor.
    "Beifuss, Lavendel und Waldhonig."

    Mit einem müden Lächeln bedachte die Kräuterfrau den Legionär. Auch sie war erschöpft. Nicht von Schmerzen, wie er, aber davon, so sorgsam wie möglich vorzugehen und immer im Hinterkopf die Gewissheit, dass diese Maßnahme lebensrettend sein könnte.
    Als Massa nach dem Preis fragte, überschlug sie im Kopf, den Preis für die Heilmittel und den kleinen Eingriff. Sie nannte ihm eine Summe, die sie für angemessen hielt und die er problemlos aus deinem Beutel bezahlen konnte.
    "Ich hoffe sehr, dass du wirklich sogleich ins Valetudinarium gehst. Die Sache hier ist mit Sicherheit noch nicht ausgestanden, Decimus Massa."


    Dabei hob sie mahnend den Zeigefinger und suchte den Blick Massas. Dann jedoch widmete sie sich wieder der Wundversorgung. Sie spülte ein letztes Mal, legte einen festen Verband an und bastelte eine Schlinge aus einem Stoffstreifen, den sie von dem blutbefleckten Tuch abriss.
    "Um das hier mach dir keine Sorgen. Ich erledige da. Das sind berufsbedingte Kollateralschäden." Sie grinste.
    "Mögen die Götter dich beschützen, Decimus Massa. Minerva medica und Apollo Grannus allen voran. Und besuch mich mal wieder, damit ich sehen kann, dass du die Prozedur überlebt hast und wie sich die Wunde entwickelt hat.Vale bene!"

    Während die Kinder durch das Haus tobten, entledigte sich Alpina ihres Überwurfs. Dann nahm sie die Becher entgegen, die Gwen ihr reichte. Mulsum, Gewürzwein mit Honig. Eine eigene Mischung mit Gewürzen und Kräutern aus dem Garten.
    "Auf die Götter und Göttinen der Römer und Germanen und darauf, dass wir euch noch öfter als Gäste unter unserem Dach bewirten dürfen
    ", sprach Alpina den Trinkspruch. Dabei lächelte sie den Praefectus mit aufrichtiger Freude an. Dann warf sie Runa einen Blick zu. Wollte sie noch etwas ergänzen?

    Alpina konnte sehen wie sehr der Legionär litt. Sie hatte Mitleid konnte es aber nicht ändern.
    Als er ihr antwortete hörte sie aufmerksam zu, auch wenn sie nicht alles verstand, denn griechisch konnte sie nur wenig und Flüche gehörten nicht zu ihrem Repertoire.
    "Ja ich kann dir etwas mitgeben und ich werde noch eine Spülung mit einer speziellen Tinktur vornehmen. Es wird nochmal sehr schmerzen. Es wird sicherlich im günstigsten Fall zwei bis drei Wochen dauern. Die Wunde muss täglich verbunden werden und du solltest den Arm nicht belasten. Wenn er verbunden ist, kannst du ihn bewegen, aber keine Kraftanstrengungen."


    Auch der Kräuterfrau war bewusst, dass ihr Behandlungsraum und vor allem das Tuch eine Reinigung benötigen würden, doch wichtiger war es, dass sie die Ursache für Massas Wundinfektion gefunden und beseitigt hatte. Wer wusste schon ob das ausreichen würde.
    "Ich kann dir nicht versprechen, dass die Entzündung sich nicht weiter ausbreitet, denn diese dünne blaue Linie deutet an, dass bereits Eiter in deine Adern eingedrungen ist. Du musst unbedingt den Trank trinken. Ich gebe dir genug davon mit. Und lasse die Wunde unbedingt täglich spülen, bis sie nicht mehr schmierig ist. Ich fürchte, gegen die Schmerzen und das hohe Fieber gibt es nur wenige Mittel. Ich hätte etwas aber ich möchte den Medici nicht vorgreifen. Sie mögen es nicht, wenn man ihre Arbeit übernimmt. Solltest du jedoch trotz der Behandlung im Valetudinarium Hilfe benötigen, zögere nicht, wiederzukommen."

    Erneut atmete Alpina dreimal tief durch. Als erfahrene Hebamme kannte sie es mit den überbordenenden Emotionen der Gebärenden umzugehen.
    "Ja, das ist momentan meine beste Idee. Eine Sectio caesarea wirst du wohl nicht haben wollen, oder?"


    Ein wenig bissig war der Unterton der Raeterin jedoch schon.
    Sie bereitete einen weitern Trank zu und folgte dann Korone, die bereits das Badewasser eingelassen hatte.
    Das Balneum war fürstlich. Nur selten war Alpina in Häusern zur Entbindung, die ein eigenes Balneum von diesen Ausmaßen hatten. Sie tauchte die Hand ins Badewasser und nickte. Es war angenehm warm.
    "Gut. Nun nimm ein Bad. Oft entspannt das den Beckenboden und die Wehentätigkeit kommt in Gang. Hier ist noch einmal ein stärkerer Trank. Ich hoffe es geht bald voran."

    Zum Glück für Alpina wurde das peinliche Gespräch durch die Ankunft der Gäste unterbrochen.
    Alpina hatte gerade noch beide Hände in den Kräutern als der Praefectus castrorum mit dem kleinen Wirbelwind Esquilina das Haus betrat.
    Alpina wischte sich die Hände an ihrem Überwurf ab. Sie hatte sich über die dunkelgrüne Tunika eine einfachen Überwurf gezogen um das gute Stück nicht zu beflecken. Schließlich war diese Tunika die beste die sie besaß.
    Sie wollte eben Iulius Licinus begrüßen als Ursi ihr zuvor kam. Mit sanftem Lächeln beobachtete sie die liebevolle Begrüßung des Praefectus.



    Ursicina


    Ursi kicherte als der Praefectus sie mit der Fingerspitze auf die Nase stupste. Schüchtern erwiderte sie die Begrüßung mit einem gehauchten. "Salve!"


    Alpina begrüßte Esquilina und wartete ab bis Esquilina sie entdeckt hatte und nach der Begrüßung sogleich mitgezogen wurde, das Decken des Tisches zu bewundern.
    Die raetische Hebamme trat lachend zu Iulius Licinus.
    "Salve, es ist schön, dass ihr beide zum Abendessen kommen konntet. Unsere Rasselbande freut sich darüber, wenn Besuch kommt."

    Zügig und gewissenhaft erweiterte Alpina den Schnitt. Sie musste wieder mit Essigwasser spülen. Es brannte sicherlich furchtbar, aber inzwischen blutete die Wunde so, dass sie sonst den Splitter nicht gesehen hätte. Zu ihrem großen Ärger benötigte sie drei Versuche, bis sie den Holzrest mit der Pinzette greifen konnte. Triumphierend hielt sie ihn hoch.
    "Hier ist der Bösewicht!"


    Ein letztes Spülen gab ihr die Hoffnung alles entfernt zu haben, auch wenn man sich da nie ganz sicher sein konnte. Zumal das Bluten nun so zugenommen hatte, dass sie kaum mehr klar die Wundränder sehen konnte. Immerhin reinigte die Blutung die Wunde von kleineren Partikeln.
    Die Kräuterfrau legte einen Druckverband an. Sie wollte das Zunähen der Wunde den Medici überlassen.
    "Ich nähe die Wunde nicht zu, da ich Sorge habe, nicht alles entfernt zu haben. So eine eitrige Wunde sollte noch einige Male gespült werden, um sicher zu gehen, den Eiterherd entfernt zu haben. Die Medici im Valetudinarium werden dir dann sagen ob es besser ist, sie zu nähen oder von innen zuheilen zu lassen. Sie haben da viel Erfahrung. Aber was du unbedingt brauchst, ist ein Trank gegen das Wundfieber."


    Alpina nahm Massa das Beißholz ab, damit er ihr antworten konnte.

    Der Fleiß und das Bemühen Esquilinas waren entzückend. Nun, nach dem Befüllen des Döschens waren die Hände und der Arbeitstisch wieder schmutzig.
    "Wir machen zunächst die Arbeitsfläche sauber und dann deine Hände."


    Gesagt getan. Zufrieden sah Alpina den Stapel Döschen mit Salbe für wunde und rissige Haut an. Der Winter stand vor der Tür. In dieser Zeit wurde die mit Bienenwachs angereicherte Salbe stark nachgefragt. Die Kälte und Trockenheit ließ die Haut aufspringen. Dazu kam, dass einige die Salbe auch zum Schutz gegen die Kälte auftrugen. Unter den Soldaten der Legio und der Ala hatte sie gute Kunden.
    Alpina drückte Esquilina ein Döschen in die Hand und erklärte die Wirkung der Salbe.
    "Das hast du dir jetzt redlich verdient. Es ist dein Arbeitslohn."


    Der Klang des Glöckchens über der Tür kündigte einen Kunden an. Alpina umarmite die Kleine.
    "Ich glaube nun ist es an der Zeit, dass du nach Hause gehst. Sonst macht sich Iulius Licinus Sorgen. Richte ihm bitte schöne Grüße von mir aus. Soll ich dich begleiten lassen?"


    Nach den schlimmen Erfahrungen, die Alpina selbst in ihrer Taberna Medica gemacht hatte, war sie vorsichtig geworden. Der Gedanke das Mädchen alleine durch die Straßen zur Castra gehen zu lassen, behagte ihr gar nicht.

    Sie hatte geahnt, dass es keine leichte Entbindung werden würde. Aber musste wirklich alles zusammenkommen? Die Wehentätigkeit war unzureichend, der Kopf des Kindes groß und Phryne eine Giftschlange. Alpina biss die Zähne zusammen und atmete tief durch.
    "Wir können nicht viel mehr machen. Du kannst dich jetzt hinlegen oder weiterlaufen. Eventuell könnte auch ein Bad die Wehen verbessern. Ich mische einen weiteren Trank, der noch höher dosiert ist. Wie wäre es mit einem Bad? Du wirst sicher ein komfortables Balneum haben, oder?"

    Ursi war begeistert Runa beim Tischdecken helfen zu dürfen und Alpina freute sich über Leifs fleißige kleine Hände. Doch dann fragte die Freudin Alpina über den Praefectus aus. Das war Alpina sichtlich peinlich.
    "Ja, Gäste zu bewirten macht mir auch Freude, noch dazu die beiden. Du weißt, den Iulier und mich hat die Sorge um Esquilina zusammengeschweißt. Wir haben bange Stunden der Sorge gemeinsam verbracht. Wenn man Emotionen teilt bringt einen das ganz automatisch näher zusammen. Aber es ist nicht so wie du vielleicht vermutest, Runa."


    Alpina war rot geworden. Ja, sie fühlte sich oft alleine. Die Doppelbelastung von zeit- und kraftraubendem Beruf und Kindererziehung setzten ihr zu. Aber würde sie es anders wollen? Wohl kaum. Sie liebte ihren Beruf und konnte sich nicht vorstellen, dass es irgendwann anders sein könnte. Ursi machte sich hervorragend. Sie war ein aufgewecktes kleines Mädchen, das nur selten nach dem Vater fragte, den sie nicht richtig wahrgenommen hatte bevor er aus ihrer beider Leben verschwunden war.
    Und sie ahnte, dass es Iulius Licinus ähnlich ging. Auch er versuchte seinen verantwortungsvollen Beruf mit der Erziehung eines kleinen Mädchens zu kombinieren. Für einen Mann eine ungleich schwierigere Aufgabe unter den Bedingungen einer männerlastigen Umgebung. Sie bewunderte sein Engagement für die Kleine und rechnete ihm hoch an, dass er alles tat um Esquilina eine bestmögliche Erziehung zu bieten.Kein Wunder also, dass er ihre Sympathien hatte.

    Der Legionär war klug. Er wusste, dass es schmerzen würde und nahm das Beißholz. Alpina konzentrierte sich auf ihre Aufgabe. Sie nahm ein Skalpell und schnitt vorsichtig an der Stelle wo sie den Splitter am besten sehen konnte. Ein unterdrückter Schmerzensschrei sagte ihr, dass sie die Haut durchdrungen hatte. Eiter quoll hervor. Der üble Geruch einer infizierten Wunde breitete sich aus. Die erfahrene Kräuterfrau tupfte das Wundsekret mit einem mit Essigwasser getränkten Tuch ab. Sie konnte nun den Splitter sehen. Alpina wechselte das Instrument und griff eine Pinzette. Sie zog einen dunklen Holzsplitter hervor. Mit ihm entleerte sich weiterer Eiter. Wieder tupfte Alpina. Sie zog mit einer Sonde die Wundränder auseinander um besser sehen zu können. Und tatsächlich konnte sie im letzten Stück der von ihr eröffneten Wunde einen weiteren dunklen Fremdkörper erkennen. Allerdings nur einen Augenblick lang. Dann begann es zu bluten und der Blick auf den Spreißel war ihr verwehrt. Sie fluchte leise und tupfte wieder. Dann spülte sie mit Essigwasser. Da! Schnell schob sie die Pinzette vor, doch konnte sie den Fremdkörper nicht greifen. Sie würde die Wunde noch ein Stück weiter öffnen müssen.
    "Entschuldige bitte, aber dort ist ein weiterer Splitter. Das Holz scheint sich aufgefasert zu haben. Ich fürchte ich muss die Wunde noch ein kleines Stück erweitern. Bist du bereit?"

    Sie hatte richtig vermutet. Er war Legionär. Nun, im Valetudinarium hatte man mehr Erfahrung damit, aber in diesem Fall drängte die Zeit.
    "Die Medici im Valetudinarium haben zwar mehr Erfahrung als ich, aber es ist auch nicht das erste Mal, dass ich eine eitrige Wunde säubere. Die Zeit drängt. Komm mit mir in meine Untersuchungskammer. Auf die Frage nach dem Schmerz antwortete sie: zunächst wird es schmerzen, dann aber wirst du schnell eine Erleichterung merken. Was mir Sorgen macht ist das beginnende Wundfieber, nicht der Eingriff."


    Alpina führte Massa mit sich in die erste Kammer hinter dem Verkaufsraum der Taberna Medica. Eine Untersuchungsliege stand dort und der kleine Herd nebst Arbeitstisch wo Alpina ihre Salben und Tränke bereitete. Sie breitete ein Tuch darauf und bat Massa sich hinzulegen. Dann untersuchte die eitrige Stelle genau. Ein zarter bläulicher Streifen zog sich von der Wunde den Unterarm hinauf. Alpina kniff die Lippen zusammen. Hoffentlich war es nicht zu spät. Sie sprach es nicht aus aber sie hatte schon erlebt, dass man Leuten den Arm abnehmen musste, um eine Ausbreitung der Infektion zu verhindern und ihnen das Leben zu retten. Das galt es zu verhindern. Sie griff sich ihr Etui mit den Skalpellen, Sonden und Pinzetten. Dann bereitete sie eine konzentrierte Essiglösung und reinigte den Unterarm damit. Zuletzt hielt sie Massa ein Beißholz hin. "Hier, das könntest du brauchen. Ich werde jetzt gleich den Eiterherd öffnen. "