Beiträge von Susina Alpina

    Die raetische Hebamme musste sich zur Ruhe zwingen. Sie konnte Phryne schon vorher nicht leiden aber als Gebärende war sie unerträglich.
    "In dem Trank ist Beifuß und Diptam, dazu Eisenkraut. Sagt dir das was?"


    Unbeeindruckt fuhr sie fort.
    "Ja, Laufen wäre gut. Auf und abgehen. Das fördert die Wehen und vor allem dass die Plazenta sich öffnet und das Kind damit tief ins Becken rutscht. Du wirst kräftige Wehen brauchen, denn der Kopf des Kindes ist groß. Es wird nicht einfach rausflutschen. Du wirst dich schon ein wenig anstrengen müssen."


    Mit diesen Worten zog sie Phryne mit sich auf den Gang. Sie gab das Tempo vor wie der Campidoctor der Legio.

    Lachend stellte fest, dass sich ihre Küchenhilfe verwandelt hatte. Aus Ursi war Leif geworden.
    "Natürlich darfst du helfen." Auch ihm drückte sie einen Stängel in die Hand und zeigte ihm wie er die einzelnen Blätter herunterzupfen sollte.


    Als Runa jedoch ihre Hilfe anbot, schüttelte sie den Kopf. "Ich kümmere mich nur um die Kräuter. Gwyn hat die Zubereitung unter Kontrolle. Aber wenn du möchtest könntest du den Tisch decken. Wie viele werden wir eigentlich sein?"

    Reise und Wetter, das klang zunächst sinnvoll. Unwetter, durchnässt und angestrengt. Ja, das konnte passen.
    Alpina sah wie Massa fröstelte. Schüttelfrost? Das war ein durchaus ernstzunehmendes Symptom. Doch richtig ernst wurde es als er ihr den Splitter zeigte, der sich in seinen linken Arm gebohrt hatte.
    "Bei Apollo Grannus, du bist nah an einer Sepsis!" rief sie erschrocken aus. "Bist du schon auf die Idee gekommen, dass der Splitter und die anderen Symptome zusammengehören?"


    Mit geschickten Fingern palpierte Alpina das entzündete Gewebe. Eiter füllte den Raum rund um den Splitter, die Haut war straff gespannt. "Natürlich könnte es sein, dass du Läuse und Flöhe hast, also eine Erkältung und einen eitrigen Arm durch einen Splitter. Das wäre ja weiter nicht so schlimm. Aber was, wenn der Eiterherd ins Blutgefäßsystem gedrungen ist? Dann breitet sich die Inflammation im ganzen Körper aus. Das kann tödlich sein!"


    Nun sah die Kräuterfrau den Mann streng an. "Das hier muss sofort geöffnet und gereinigt werden! Dazu brauchst du einen Kräutertrank, der das Fieber senkt und die Entzündung hemmt. Die Wundsalbe allein ist da zu wenig." Sie legte den Kopf schief. "Du kommst aus Rom? Bist du Soldat? Dann kannst du ins Valetudinarium gehen und die Medici der Legio bitten den Eiterherd zu öffnen. Oder aber ich mache es."

    Neugierig betrachtete Alpina den Mann, der sich ihr als Decimus Massa vorstellte. Er hatte ein markantes Gesicht mit den braunen Augen und hellbraunem Haar. Nicht unattraktiv. Interessiert hörte sie zu.
    "Gliederschmerzen und Müdigkeit. Kennst du die Ursache dafür? Also, ich meine, weil es ja mehrere Möglichkeiten dafür gibt. Hast du das Gefühl dich erkältet zu haben und hast deshalb Gliederschmerzen und fühlst dich schlapp oder hast du eine anstrengende, körperliche Belastung hinter dir?"


    Als zweites erwähnte Decimus Massa eine Wundsalbe. Auch hier spitzte die Kräuterfrau die Ohren. Sie sah wie Massa den linken Arm bewegte als er die Salbe erwähnte und schloss daraus, dass er am Arm verletzt war. "Darf ich mal sehen, wofür du die Salbe brauchst?"

    Lächelnd nickte die Hebamme.
    "Natürlich kannst du noch ein bisschen bleiben. Magst du mir helfen die Salbe in diese kleinen Döschen aus Horn zu füllen? Guck mal, ich habe da einen Löffel, mit dem kann man das machen. Vorher aber musst du dir die Hände waschen. Die müssen ganz sauber sein! Komm mal mit!"


    Alpina nahm Esquilina mit in den Raum, in dem sie ihre Kräutertränke und Salben zubereitete. Dort stand auch eine Waschschüssel und ein Krug mit frischem Wasser. Genau beobachtete die Kräuterfrau wie die kleine Iulierin ihre Hände reinigte. Dann trocknete sie ihr die kleinen Finger mit einem Tuch ab.
    "Prima. Wir können beginnen."


    Alles war bereits vorbereitet. Alpina zeigte Esquilina wie man die Salbe umfüllte und etikettierte. Beim ersten Döschen ging noch recht viel daneben doch schon das zweite befüllte die Kleine sehr geschickt. Alpina nickte lächelnd. "Hervorragend! Du bist angestellt!"
    Lachend streichelte sie über den Lockenkopf ihrer kleinen Gehilfin.

    Alpina hatte einen ganzen Korb voller Kräuter aus dem Kräutergarten geholt. Gwyn würde daraus ein paar leckere Speisen für die Cena mit dem Praefectus Castrorum zaubern. Ursi guckte neugierig, welche Kräuter in dem Korb waren und Alpina beschloss sie in den Kochvorgang mit einzubeziehen. Sie stellte der Kleinen einen Hocker neben den Tisch auf dem sie die Kräuter ausbreitete, damit sie über die Tischplatte gucken konnte und drückte ihr einen Stängel Pimpinelle in die Hand.
    "Du kannst mir helfen, die Blätter abzuzupfen. Ja? Guck mal, so!"


    Die Mutter zeigte ihrer Tochter wie man die Blätter vom Stängel zupfte und in eine Schüssel gab. Ursis kleine Hände waren noch nicht so geschickt, aber sie gab sich redlich Mühe. Nicht lange allerdings. Als Runas Stimme aus dem Haustrakt der Familie Curios ertönte, war die Konzentration verschwunden. Ursi hüpfte vom Hocker und rannte Runa entgegen.
    "Ruuunaaa!" mit diesem Ausruf streckte sie der Tante die vom Blätter zupfen grünen Fingerchen entgegen.

    Alpina hörte das Glöckchen über der Tür. Sie hatte sich gerade mit ihrer Tochter Ursicina im Atrium der Casa aufgehalten und ein Geschicklichkeitsspiel mit Bohnenkernen gespielt, die mit hilfe eines Hornplättchens in kleine Schälchen geflippt werden sollten.
    Eilig lief sie in die Taberna Medica. Dort traf sie auf einen Mann, der sich umsah.
    "Salve. Mein Name ist Susina Alpina. Wie kann ich dir helfen?"

    Alpina schüttelte den Kopf. Konnte man so ignorant sein? Unglaublich!
    "Das war also die erste Wehe. Na, dann müssen wir wohl noch ein wenig abwarten. Doch ich untersuche dich zunächst einmal. Dann sehen wir schon wie lange es noch dauern wird. Und wenn du Fruchtwasser verloren hättest würdest du es merken. Ist es wenig fühlt es sich an als verlöre man tröpfchenweise Urin. Ist die Fruchtblase geplatzt, kommt das Wasser schwallartig. Es sieht so aus als musst du noch etwas Geduld haben."


    Sie begann mit der Untersuchung. Der Muttermund war nur wenig geöffnet und fühlte sich noch hart an. Der Bauch war gespannt, aber eine Kontraktion war momentan nicht tastbar. Der Kopf des Kindes lag im Becken. Er war sehr groß. Phryne würde eine schwere Geburt haben. Doch das behielt die Hebamme zunächst einmal für sich. Alpina beschloss die Geburt mit einem Trank voranzutreiben.
    "Ich mache dir einen Wehen fördernden Trank. Und dann musst du laufen, laufen, laufen. Die Geburt ist noch nicht wirklich in Gang."

    "Ja, du hast das schon sehr gut gelernt, Esquilina! Raetia ist im Süden, wenn man es von Mogontiacum aus betrachtet. Und es liegt am Fuße der großen Bergkette, die man Alpes nennt und die uns vom Mutterland deiner Vorfahren trennt."
    Eifrig kramte die Kleine eine Papyrusrolle hervor und begann sie vorsichtig auszupacken. Dann begann sie zu lesen. Zufrieden lauschte Alpina den deutlich artikulierten Worten des Mädchens. Ab und an stockte sie, wurde langsamer oder sprach ein Wort so aus, dass man erkennen konnte, das sie es nicht kannte oder zumindest noch nie gelesen hatte. Nur selten musste sie den Satz noch einmal beginnen um den Sinn zu verstehen. Insgesamt aber war Esquilinas Lesekunst gut für ein Mädchen, das erst seit kurzem Lesen gelernt hatte.


    Als Esquilina die Rolle sinken ließ und sie vorsichtig ansah, ob sie zufrieden war, klatschte Alpina erfreut in die Hände.
    "Sehr gut, Esquilina. Wirklich sehr gut. Wie alle Dinge, die man neu lernt, braucht es Übung um noch flüssiger zu lesen, doch ich bin sehr beeindruckt von deinen Lesekünsten. Und es macht große Freude, dir zuzuhören. Ich hoffe du kommst noch oft und liest mir vor. Und wegen deiner Sorge .... da habe ich eine Idee...."


    Alpina beschloss, diese Angelegenheit auf ihre Art zu lösen. Sie nahm sich eine Tabula und schrieb an Iulius Licinus.


    Ad Marcus Iulius Licinus,


    mit großer Freude darf ich dir berichen, dass Esquilina noch immer eine Freundin in mir zu sehen scheint, die sie gerne besucht und der sie sich auch gerne anvertraut. Für mich sind diese Besuche immer ein Quell der Freude. Bei ihrem heutigen Besuch fiel mir auf, dass wir uns lange nicht gesehen haben und ich zu gerne auch wieder so ungezwungen mit dir sprechen würde, wie mit Esquilina.
    Würdest du mir die Freude machen, mich kommenden Merkurtag zur Cena zu besuchen? Ich würde dich gerne unter anderem mit Kräutern aus meinem Kräutergarten bewirten.


    Vale bene,
    Alpina


    Diese Tabula drückte sie Esquilina in die Hand.
    "Hier, das ist für deinen Vater, Esquilina. Bist du so lieb und gibts ihm den Brief?"

    Alpina bereitete einen Kräutertrank aus diversen hübschen und wohlschmeckenden Blüten. Den süßte sie mit etwas Honig und reichte ihn Esquilina. Als erfahrene Mutter fiel Alpina natürlich der Rotzfaden auf, der sich von Esquilinas Nase zum Mund zog. Sie tunkte einen Zipfel ihrer Arbeitsschürze in den Trank und wischte ihr die Nase und das verrotzte Gesicht sauber. Wie oft hatte sie das schon bei Ursi und Runas Kindern gemacht, wenn die ihre kleinen, verheulten oder verschnupften Gesichter an der Kleidung der Raeterin abgewischt hatten. Sie lächelte liebevoll und wartete ab bis das Mädchen einen Schluck von dem warmen Gebräu getrunken hatte. Dann begann sie von ihren ersten Leseübungen zu berichten.


    "Ich erinnere mich noch sehr gut wie ich lesen und schreiben lernte. Meiner Mutter war Raeterin, sie hatte nicht lesen und schreiben gelernt. Von ihrer Mutter, die ebenfalls Hebamme war, wie meine Mutter und später auch ich, lernte sie die Wirkung von Heilpflanzen und den Umgang mit Schwangeren, Gebärenden und Wöchnerinnen. Mein Vater aber war römischer Soldat. Er wollte, dass meine ältere Schwester und ich lesen und schreiben lernten. Also schickte er uns zu dem Lehrer, der auch den einheimischen Soldaten der Hilfstruppen und den Legionären, die ungebildet waren, Unterricht gab. Er bezahlte ihn dafür, dass Ilara und ich lernen durften. Mir ist es nicht leicht gefallen flüssig zu lesen. Ich habe immer wieder gestockt, mich verlesen, die Buchstaben verwechselt. Naja, ich denke du kennst das alles. Aber meine Großmutter half mir. Sie ließ mich ihr vorlesen. Obwohl sie mich nicht korrigieren konnte, da sie ja selbst nicht lesen konnte, war sie mir eine große Hilfe. Denn durch die regelmäßige Übung wurde ich besser und besser. Wollen wir das versuchen? Was habt ihr denn heute gelesen? Oder sollst du etwas vorbereiten für die nächste Unterrichtseinheit?"

    Zärtlich strich Alpina dem kleinen Mädchen die Haare und die Tränen aus dem Gesicht. Sie lächelte als Esquilina den Tränenfleck bedauerte.
    "Das ist nicht der erste Tränenfleck auf meiner Tunika und wird auch nicht der letzte sein. Weißt du was, Esquillina? Ich mache dir jetzt einen duftenden Kräutertrank mit Honig und dann liest du mir was aus deinen Schulaufzeichnungen vor. Na, wie wäre das?"

    Im Eilschritt erreichte Alpina in Begleitung des Sklaven Glaucus die Casa Acilia. Was sie vorfand war äußerst irritierend. Im Atrium krümmte sich Phryne unter einer Wehe, während Kaeso sie zum atmen aufforderte. Wäre sie nicht in ihrem Beruf so einiges gewohnt gewesen, hätte sie laut aufgelacht.
    So rot wie Phryne im Gesicht aussah, war sie weniger dabei zu ersticken als zu platzen vor Wut. Nur wenige Frauen konnten in den Stunden der Niederkunft einen Mann an ihrer Seite vertragen. Und in diesem Fall schien es wiedermal zuzutreffen. Gebären war Frauensache!


    Obwohl Alpina wusste, dass Phryne Kaesos Kind erwartete, hatte sie noch immer Schwierigkeiten bei der Vorstellung, dass er diese stadtbekannte Hure in einem geheimen Ritus einer orientalischen Göttin geschwängert hatte. Wilde Gerüchte kursierten über die Vereinigung von Göttin und Gott vor den Augen der Gemeinde. Die Raeterin konnte die sich aufdrängenden Bilder kaum unterdrücken um sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren.
    "Kaeso, ich brauche deine Hilfe. Such Korone. Sie soll heißes Wasser, mehrere Schüsseln und vor allem viele frische Tücher herrichten."


    Nachdem sie Kaeso aus dem Weg geräumt hatte ging sie zu Phryne hinüber.
    "Seit wann hast du Wehen, wie häufig kommen sie? Ist das Fruchtwasser abgegangen?"

    Erschüttert hielt Alpina die kleine Iulierin im Arm während sich Sturzbächer in ihren Ausschnitt ergossen und das verschmierte Kindergesicht Geborgenheit an ihrer Brust suchte. Alpina hielt Esquilina so lange im Arm und wiegte sie leicht bis sie die restliche Erklärung verstanden hatte und die Kleine auch wieder in der Lage war, ihr zu folgen. Währenddessen grübelte sie über Lösungsmöglichkeiten nach. Es gab mehrere Wege sich dem Problem zu nähern. Alpina wollte Esquilina unbedingt mit einbeziehen.
    "Nun, Esquilina, es ist durchaus normal, dass ein so kleiner Mensch mit kleiner Zunge und ausfallenden und sich neu bildenden Zähnen nicht immer alle Laute und Wort perfekt aussprechen kann. Manchmal sind es spezielle Laute, die nicht gut über die Lippen wollen, manchmal fehlt auch die Zuversicht, es gut genug zu können. Wir sollten überlegen wie wir dir helfen können. Möchtest du, dass ich mit Duccia Silvana spreche und sie um Extraunterricht für dich bitten oder möchtest du dich in dieser Angelegenheit nicht ihr anvertrauen und stattdessen mit mir üben?"


    Darüberhinaus nahm sich Alpina vor, dringend mit Iullius Licinus über die Sorgen seiner Ziehtochter zu sprechen. Es war wichtig, dass sie nicht das Gefühl bekam, er halte sie für dumm oder unzureichend. Das Selbstbewusstsein des kleinen Mädchens drohte Schaden zu nehmen.

    Jetzt wo Esquilina wiederholte, was sie zuvor gesagt hatte, stutzte die Hebamme. Besonders nach der Erklärung, die daraufhin folgte. Ja, vermutlich hatte sie einfach "Salbe" hören wollen, weil sie tatsächlich eine Salbe gekocht hatte oder war Alpina durch die kleine Ursicina, die ja noch nicht so gut und deutlich sprechen konnte, einfach daran gewöhnt, Kinderstimmen zu verstehen auch wenn sie nicht perfekt artikulierten. Sie nahm sich vor genauer hinzuhören, wenn die Kleine sprach.


    Alpina setzte sich auf einen Hocker und griff Esquilinas Händchen. Sie sah das Mädchen ernst an. "Was sagt denn Runa... äh Duccia Silvana? Ermahnt sie dich auch, deutlicher zu sprechen?"

    Alpina übergab Phryne die Kräutermischung und verabschiedete sich. Sie hasste es, von Phryne wie eine Dienerin behandelt zu werden. Doch wenn es um Geburten ging, war es ihr egal. In dem Moment, wenn die Wehen einsetzten, wurde auch die eingebildetste Möchte-Gern-Dame zum wimmernden Weib. Das würde Phryne auch nicht anders gehen.
    "Ich stehe bereit, Phryne. Vale bene!"


    Damit packte sie ihren Korb und verließ die Casa der Schauspielerin.

    Esquilina war ein durchaus ernsthaftes Mädchen, wohlerzogen und sich bewusst, dass die Raeterin nicht immer Zeit für sie hatte, auch wenn sie es gerne wollte.
    "Es freut mich sehr, dass du den Unterricht von Duccia Silvana genießt. Sie ist eine hervorragende Lehrerin. Mein ehemaliger Gehilfe Kaeso hat auch von ihrem Wissen und ihrem Eifer als Lehrerin profitiert."


    Natürlich hätte Alpina gerne auch etwas über die Fähigkeiten Phrynes erfahren, doch sie wollte Esquilina nicht aushorchen. Es würde sich bei den Besuchen sicherlich noch ergeben, das Thema zu vertiefen.
    Mit sanftem Lächeln sah die Raeterin zu, wie die kleine Iulierin die Honigwabe in den Mund schob.


    "Hast du heute was zum Lesen oder Rechnen auf? Du könntest mir vorlesen, während ich die Tiegel reinige in denen ich die Salbe bereitet habe. Wie du richtig erkannt hast habe ich eben eine Salbe gemacht. Sie enthält Kamille und Spitzwegerich. Hast du diese Pflanzen schon einmal gesehen? Ich habe sie in meinem Kräutergarten. Leider ist die Kamille schon verblüht, aber den Spitzwegerich kann man das ganze Jahr über ernten, solange es keinen Schnee hat."

    Die raetische Hebamme konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Esquilina war einfach herzallerliebst.
    "Es freut mich sehr, wenn du nach der Schule bei mir vobeikommst. Du kannst jederzeit kommen. Wenn ich mal bei einem Hausbesuch oder einer Geburt bin, ist ein Schild an der Tür, dass dir sagt, dass ich nicht da bin. Kannst du denn schon ein wenig lesen? Macht dir die Schule Spaß? Und musst du nicht auch Hausaufgaben machen?"


    Während sie die kleine Iulierin ausfragte angelte sich Alpina den irdenen Topf vom Regal in dem die Bienenwaben in Honig schwammen. Sie hielt der Kleinen den geöffneten Topf hin, damit sich Esquilina einen "Bienenkaugummi" nehmen konnte.

    Alpina hörte die Glöckchen über der Tür, war jedoch noch immer mit einer Kunden beschäftigt, die der raetischen Hebamme ihre gesamte Lebensgeschichte auftischen musste. Sofort erkannte Alpina die kleine Esquilina, die sich auf einer Kiste eine Sitzgelegenheit suchte und winkte ihr zu.
    Geduldig hörte sich die Kräuterfrau die Beschwerden und Zipperlein der Frau zu Ende an und gab ihr einen Tee und eine Salbe. Als das Geschäft abgeschlossen und die Kunden gegangen war, wandte Alpina sich Esquilina zu. Sie breitete die Arme aus.
    "Salve Esquilina! Komm in meine Arme, du kleiner Schatz! Unglaublich wie groß du geworden bist! Wir sehen uns wirklich viel zu selten."


    Mit gewohnter Herzlichkeit umarmte die Hebamme das Mädchen und versuchte sich vorzustellen, wie ihre Ursi wohl in diesem Alter aussehen würde.
    "Bist du ganz alleine da?", fragte Alpina als sie sich von der keinen Iulierin gelöst hatte.

    Die Hebamme untersuchte den Schangerenbauch. Das Kind lag bereits tief im Becken. Es war nur noch eine Frage von wenigen Tagen. Alpina hörte die Herztöne, sie waren kräftig. Alles schien gut zu sein.
    "Ich kann dir einen Trank geben, der den Muttermund erweicht und die Wehen fördern soll. Du solltest dich dann jedoch nicht mehr weit vom Haus entfernen. Die Geburt wird in den kommenden Tagen stattfinden. Dein Kind ist bereit."