Beiträge von Susina Alpina

    Wenig später saßen beide im kleinen Atrium der Casa Helvetia. Gwyn brachte gemischten Wein, Brot und Käse. Während sich die beiden stärkten grübelte die Hebamme weiter.
    "Wir müssen versuchen, Kaeso noch einmal ohne Phryne zu treffen. Ich bin zutiefst verunsichert. Denn eigentlich ist er mein Gehilfe. Natürlich habe ich darüber nachgedacht, wie es jetzt weitergehen soll, nachdem er sich mir genähert hatte. Ich wollte den Chirurgicus bitten, ob er ihn nicht in als Schüler annehmen könnte, zumindest für eine Weile. Kaeso täte die Gegenwart eines Mannes gut und er hat mir gegenüber bereits geäußert, dass er gerne das Können eines solchen Mannes erwerben würde. Jetzt weiß ich nicht mehr was ich denken soll. Ohne Beweise für eine Tat, können wir überhaupt nichts unternehmen. Womöglich hat sich Kaeso mit diesem Gesindel zusammen getan von dem er sprach. Dieser Appius irgendwas. Womöglich hat er sich selbst etwas zu Schulden kommen lassen in seiner blinden Verliebtheit. Vielleicht hat man ihn bestraft, weil er gegen ihren Codex verstieß. Ich bin völlig verwirrt. Wie kommen wir an weitere Informationen?"


    Mit einer gewissen Verzweiflung und Hilflosigkeit sah Alpina den jungen Soldaten an. Sie hatte Vertrauen zu ihm. Sicherlich fiel ihm ein, was man tun konnte.

    Alpina versorgte gerade die Wunde des jungen Carbo, als dieser sie ansprach. Die Kräuterfrau sah den Verletzten mit einer Mischung aus Neugier und Besorgnis an. Sie legte das Verbandmaterial beiseite und setzte sich an die Bettkante, damit er nicht so unbequem zu ihr aufsehen musste.
    "Ja? Was möchtest du, Carbo? Kann ich etwas für dich tun? Brauchst du etwas? Hast du Schmerzen?"


    Wie üblich vermutete sie, dass der Patient an irgendeiner Art von Befindlichkeitsstörung oder gar Schmerz litt. Ihre grünen Augen spiegelten diese Besorgnis.

    Resigniert ließ Alpina den Kopf hängen. Sie verstand die Welt nicht mehr. Doch Babilus hatte recht. Seine verständnisvolle Geste und die Aufforderung beim Essen darüber nachzudenken, was zu tun sei, bewirkten, dass sich die Raeterin wieder fing.
    "Du hast recht. Lass uns in der Umgebung etwas essen und nachdenken. Meinst du, um diese Zeit hat noch was auf? Sonst könnte ich dich auch zu mir einladen. Ins Castellum ist es dann auch nicht mehr weit."


    Sie sah Babilus kurz fragend an, dann hakte sie sich bei ihm unter. Egal wohin er sie führen würde, an seiner Seite fühlte sie sich sicher und geborgen. Ein schönes Gefühl. Sie hatte es lange vermisst. Seit Corvinus fort war, hatte sie sich nichts mehr so wohl an der Seite eines Mannes gefühlt.

    Wie immer war Phryne nicht um eine Antwort verlegen. Schneller als ein Pfeil von Apollons Bogensehne lösten sich die Giftpfeile von ihrer Zunge. Alpina war sprachlos. Als sich die Tür der Casa Acilia hinter den beiden schloss, drehte sie sich zu Babilus um.
    "Ich glaube hier gibt es keine Bande von Verbrechern sondern nur eine Giftschlange und einen Lügenmärchenerzähler."


    Enttäuscht und verletzt sah sie dem jungen Soldaten in die Augen. Hatte sie sich wirklich so sehr in Kaeso getäuscht? Mit Unverständnis, ja fast Verzweiflung in der Stimme sagte sie zu Babilus.
    "Wenn ich die Verletzungen nicht selbst gesehen hätte. Woher hatte er sie? Warum geht er jetzt hier aus und ein als wäre nichts geschehen? Ich verstehe das nicht, Babilus! Das ist das Haus in dem man ihn gefoltert haben soll! Und er geht an der Hand dieser... " Alpina verkniff sich das Schimpfwort. "... seelenruhig an die Stätte zurück an der man ihm das angetan hat. Warum? Ist er so dumm? So blind? So ... verliebt?"

    Natürlich konnte der Arme nicht wissen, woher Alpina seinen Namen kannte und erst recht nicht, wo er war. Sie streichelte ihn beruhigend.
    "Ein Geschichtenerzähler namens Fabulo hat mir deinen Namen verraten und auch, dass du ein großzügiger Mensch bist. Man weiß ja nie, wenn man einen bewußtlosen Verletzten mit einer Schnitt- oder Stichwunde behandelt, was man sich da ins Haus holt. Ich war froh, dass Fabulo dich für vertrauenswürdig hielt. Du bist in der Casa Helvetia. Das ist das Haus der beiden Brüder Helvetius Curio und Helvetius Corvinus. Corvinus ist mein Lebensgefährte. Curio der ehemalige Aedil und Aedituus des Apollo Grannus. Ich betreibe hier in der Casa Helvetia eine Taberna Medica. Zwei Männer brachten dich mit einer tiefen Schnittwunde zu mir. Da ich mir nicht zutraute, die Wunde optimal zu versorgen, ließ ich einen Chirurgicus kommen. Er hat dich zusammengeflickt. Die vergangenen Stunden, nein insgesamt wohl eher 2 Tage, hast du im Wundfieberschlaf gelegen. Ich habe mir große Sorgen gemacht - und Fabulo auch. Er war mehrfach hier und hat dir sogar deine Sachen aus der Taberna gebracht, in der du abgestiegen warst."


    Alpina hielt inne. So viel Informationen auf einmal. Das war bestimmt zuviel für Carbo.

    Als Alpina sah, wie selbstverständlich lachend und schwatzend Kaeso mit Phryne daherkam, wurde sie wütend. Hatte er ihr nicht gesagt, die Schauspielerin sei in ihrem Haus gefangen? Und nun das hier!
    "Von wegen sie ist in ihrem Haus Gefangene! Kaeso hat mir ein Märchen aufgetischt. Warte nur! Ich werde ihn zur Rede stellen!"


    Ohne auf Babilus zu achten trat Alpina aus dem Schatten des Hauses und ging auf Kaeso und Phryne zu. Sie kochte.
    "So sieht also eine Gefangene aus? Interessant, Kaeso! Was hast du dazu zu sagen? Für mich sieht das nach einem netten Abend zu zweit aus und nicht nach einer Geiselnahme. Was für ein Spiel treibst du Phryne, und was für Lügen erzählst du mir, Kaeso?"


    Mit in die Seiten gestützen Händen sah die Kräuterfrau von einem zur anderen. Sie war gespannt, was jetzt kommen würde.

    Nun schien der junge Mann zu sich zu kommen. Alpina beugte sich über ihn, so dass er ihr Gesicht sehen konnte, wenn er erwachte.
    "Hallo, Carbo. So heißt du doch, nicht wahr? Ich bin Alpina, Hebamme und Kräuterfrau. Du bist bei mir in Sicherheit."


    Alpina wollte den Verletzten nicht mit zu vielen Informationen überfrachten. Sie wartete deshalb seine Reaktion ab.

    Das Fieber sank. Alpina beobachtete Carbo. Ab und an flatterten seine Lider. Er schien zu träumen. Oder wurde er bereits wach?
    "Carbo? Hörst du mich?"


    Sanft strich sie ihm über den unverletzten Arm. Dabei sah sie auf die flatternden Lider. Würde er sie erkennen können?

    Alpina nickte. Sie hockten sich in den Dachschatten eines Hauses von dem aus sie den Eingang der Casa Acilia gut beobachten konnten. Als es dunkelt wurde, begann Alpina zu frieren. Es war bereits ordentlich kühl abends, wenn die Sonne verschwunden war.
    Irgendwann wurde Alpina müde. Ihr Kopf legte sich an Babilus Schulter, ab und an fielen ihr die Augen zu. Dann schreckte die Raeterin hoch und versuchte erneut wach zu bleiben.


    Plötzlich jedoch waren Stimmen zu hören. Das glockenhelle Lachen Phrynes und eine zweite Simme. Kaeso. Jetzt war Alpina wieder hellwach. Sie spähte ins Dunkel.

    Die Kräuterfrau dankte dem Geschichtenerzähler dafür, die Habseligkeiten des jungen Mannes abgeliefert zu haben. Sie verabschiedete ihn.


    Das Wundfieber war noch immer hoch. Carbo wälzte sich unruhig. Alpina schöpfte Hoffnung. Nun war es keine Bewußtlosigkeit mehr sondern eher ein Fiebertraum. Sie machte Wadenwickel und hoffte darauf, dass er zu sich kommen würde, wenn das Fieber erst einmal sank. Der letzte Wundumschlag ließ sie hoffen. Die Wunde war nicht mehr so heiß und rot. Die Entzündung ließ nach.

    Auch Babilius schien unsicher zu sein, ob sie gleich mit der Tür ins Haus fallen sollten.
    "Was könnten wir sagen, wenn sie aufmachen? Wenn wir sagen, dass wir Phryne sprechen wollen, wissen wir noch immer nicht ob Kaeso bei ihr ist. Sie muss ihn uns ja nicht präsentieren. Und wenn wir nach Kaeso fragen, ist das nicht ein wenig seltsam? Da werden die ja gleich misstrauisch, wenn es sich um eine Entführerbande handelt und Phryne tatsächlich in ihrem Haus gefangen gehalten wird. Ich weiß nicht recht. Sollen wir lieber warten?"


    Die Aussicht darauf auf gefährliche Typen zu stoßen, die nicht davor zurückgeschreckt waren Kaeso zu misshandeln, hielt Alpina von allzu unvorsichtigen Überraschungsaktionen ab.

    Ratlos hob Alpina die Schultern.
    "Ich kann dir nicht sagen, wie lang die Bewußtlosigkeit andauern wird und auch nicht, ob außer der Narbe, die der Chirurgicus genäht hat etwas übrig bleibt. Es könnten Nerven verletzt sein. Eine Aussage darüber kann ich erst treffen, wenn er bei Bewußtsein ist. Ich hoffe, dass das Wundfieber bald nachläßt, dann wird er vielleicht morgen wieder zu sich kommen. Doch wenn nicht..."


    Sie vollendete den Satz nicht. Es war durchaus möglich, dass der junge Mann die Messerattacke nicht überlebte. Doch die Kräuterfrau ging vom Besten aus. Carbo war jung und kräftig.
    "Komm doch einfach in ein paar Tagen wieder und sieh noch einmal nach ihm. Ich hoffe, er hat das Zimmer lang genug im Voraus bezahlt. Sonst stellt ihm der Wirt seine Habseligkeiten einfach vor die Tür. Magst du nachfragen, Fabulo? Wenn das Zimmer nicht länger bezahlt ist, bringe doch bitte die Eigentümer Carbos zu mir. Das wäre sehr lieb. Denn ich kann ihn in dem Zustand nicht zurück in die Taberna bringen. Er wird zunächst wieder aufgepäppelt werden müssen. Besten Dank, mein guter Fabulo."

    Es war schön, Esquilina bei der Mahlzeit zuzusehen. Auch wenn sie noch schwach war, würde sie doch wieder ganz genesen.




    Der Abschied von der kleinen Esquilina fiel der Hebamme sichtlich schwer. Gemeinsam mit Licinus hatte sie viele Stunden an ihrer Seite verbracht. Die Kleine war ihr ans Herz gewachsen, die Freude groß, dass Esquilina genesen war. Lächelnd sah sie wie der Praefectus Alae seinem Ziehkind die Kirschen in den Mund steckte. Als er Alpina dann auf die Bezahlung ansprach, nickte sie gehorsam. Vor allem seinem strengen Blick wegen. Er würde niemals eine Rechnung erhalten. Das Leben der Kleinen und jedes Lächeln, das sie Alpina geschenkt hatte, war Dank genug für die Kräuterfrau.


    Stattdessen drückte sie den aufrechten Soldaten mit einer kurzen, freundschaftlichen Umarmung und sagte.
    "Pass gut auf sie auf, Marcus Iulius Licinus. Wir beide wollen doch gemeinsam ihre Hochzeit feiern, oder nicht? Ich erwarte eine Einladung!"


    Damit zwinkerte sie erst dem Praefectus und dann dem kleine Mädchen zu. Alpina ging in die Hocke und drückte Esquilina an ihr Herz.
    "Ich hoffe, du kommst mich mal besuchen, wenn du wieder ganz gesund bist? Dann stelle ich dir meine Tochter Ursi vor. Sie ist erst eineinhalb Jahre alt aber ich hoffe, dass sie auch mal ein so hübsches und liebes Mädchen wird wie du, Esquilina. Die Götter mögen dich behüten!"

    Hier schon einmal eine Vorankündigung an alle, die mit Alpina oder Chrysogona schreiben. Ich bin ab Montag eine Woche lang auf Fortbildung. Mitlesen werde ich wohl auch nur wenig können, schreiben gar nicht. Das bedeutet, dass ich erst am Montag, den 10.10. wieder hier aufschlagen werde. Alles was vorher geklärt oder ausgespielt werden soll bitte per PN oder eben noch heute oder morgen ausspielen. ;)

    Der unheimliche Kerl hatte es plötzlich sehr eilig wieder zu verschwinden. Alpina wurde den Verdacht nicht los, dass die Geschichte, die er ihr aufgetischt hatte, mehr als nur aus dem Reich der Sagen und Legenden war. Was hatte der Kerl gewollt? Dann hatte er sogar noch bezahlt für eine völlig unwichtige und wertlose Information. Sie hatte weder eine Diagnose gestellt, noch ein Kräuterrezept verraten, geschweige denn ihm eine Medizin verkauft. Also wofür die Behahlung? Grübelnd macht sich Alpina wieder an die Arbeit. Irgendetwas stimmte hier überhaupt nicht.


    Dann viel ihr etwas ein, das Kaeso gesagt hatte. Der Entführer und Peiniger hatte schwarze Haare gehabt! Dieser Kerl auch! Sollte er so dreist gewesen sein, sich bei ihr nach Kaesos Aufenthaltsort zu erkundigen? Wo bei allen Göttern war der Junge? Hoffentlich in Sicherheit! Alpinas Sorge wurde alle Gedanken beherrschend. Sie würde Hilfe bei der Suche nach Kaeso brauchen. Da fiel ihr der Tiro Babilus ein. Vielleicht hatte der einen Rat.

    Die Kräuterfrau hörte dem Geschichtenerzähler aufmerksam zu. Der junge Mann hieß also Norius Carbo. Die Herkunft sprach aus dem Nomen. Wenn Fabulo ihn als herzensguten Kerl bezeichnete, dann fragte sich Alpina wie er in diese Sache hineingeschlittert war. Warum stach jemand so mir-nichts-dir-nichts auf ihn ein?


    "Er ist noch nicht über den Berg, Fabulo. Carbo hat viel Blut verloren und nicht nur das, er zeigt die Symptome eines Wundfiebers. Ich habe den Chirurgicus gerufen, denn das Nähen einer so großen und tiefen Wunde habe ich mir nicht zugetraut. Nun behandle ich die Verletzung mit Umschlägen und Salbe. Eigentlich wollte ich ihm einen fiebersenkenden Trank geben, aber so lange er bewußtlos ist, kann ich das nicht."


    Alpina sah besorgt aus. "In was ist er da nur hineingeraten, Fabulo? Hast du etwas über die Umstände der Verletzung erfahren können? Wer sticht einen völlig Unbekannten jungen Mann nieder?"

    Liebevoll betrachtete die Hebamme das kleine Mädchen. In wenigen Jahren würde ihre Ursicina bestimmt ebenso unwiderstehlich süß sein, wie Esquilina. Alpina widersprach nicht mehr, als die Kleine sie unbedingt blond gesehen haben wollte. Dea Febris war eine Wandlerin und Gauklerin, sie verwirrte die Sinne. Weiter den Arm der Kleinen streichelnd, korrigierte Alpina die letzte Aussage.
    "Nicht ich habe dich gesund gemacht, die Götter entscheiden über Leben und Tod. Dein Ziehvater hat den Göttern geopfert für deine Genesung. Und diese haben in ihrer Gnade dein junges Leben verschont. Ich habe den Göttern nur meine Hände geliehen und dein Ziehvater auch."
    Alpina ahnte, dass Licinus Apollo Grannus geopfert hatte, doch da sie es nicht sicher wusste, sprach sie allgemein.
    "Du wirst dich noch eine ganze Weile schonen und leider auch noch ein paar Tage das Bett hüten müssen. Dann aber kannst du wieder fröhlich herumspringen."

    Tief atmete Alpina durch. Sie musste ihren Herzschlag beruhigen. Wie schon bei ihren letzten Begegnungen spürte die Raeterin, dass sie diesen jungen Soldaten mehr als nur leiden konnte. Verwirrt durch das Gefühlschaos und die Schuldgefühle Kaeso gegenüber lehnte sie sich gerne wieder an Babilus Brust. Sie blieb eine Weile still so stehen und dachte über das nach, was er gesagt hatte. Ja, es war möglich, dass Kaeso einfach weggelaufen war. Doch Alpina musste Gewissheit haben.
    "Lass uns in die Nähe der Casa Acilia gehen und beobachten, was dort vor sich geht! Wenn sich die Geschichte von Kaeso als Lügenmärchen entpuppt, werde ich mich meiner Schuld stellen müssen. Dann habe ich Kaesos Fortgang herbeigeführt. Aber wenn es stimmt und diese Bande ihn und die Schlange Phryne gefangen hält, müssen wir etwas unternehmen! Komm mit, ich zeige dir, wo sie wohnt."


    Die Hebamme führte den Sodaten mit sich. Schräg gegenüber der Casa Acilia, im Dachschatten eines Hauses, blieb sie stehen. Sie streckte den Zeigefinger aus. "Da, das ist die Casa Acilia. Wie sollen wir vorgehen, Babilus?"