Beiträge von Susina Alpina

    Alpina führte Babilus durch den Teil der Casa Helvetia, den sie mit Corvinus und ihrer Tochter Ursicina bewohnte. Vorbei an der Kammer in der Kaeso hauste. Sie erklärte die einzelnen Räume.
    "Hier wohnt Kaeso, ein Junge von etwa 15 Jahren, den ich als Hilfe aufgenommen habe. Der nächste Raum ist meine Vorratskammer, dahinter ein Behandlungsraum."
    Sie schritt voran. Es ging ins kleine Atrium. "Von diesem kleinen Atrium kann man in den Teil des Hauses gehen, den wir uns mit dem Bruder meines Lebensgefährten Iullus Helvetius Curio und seiner Frau Duccia Silvana sowie deren Sohn und den Sklaven und Angestellten teilen. Das Nebenhaus bewohnt der Bruder meines Lebensgefährten. Hier ist die Kammer der Kinderfrau."
    Sie zeigte nach rechts. Vor ihr war die Tür zum gemeinsamen Cubiculum. "Dort werde ich gleich meiner Tochter eine Geschichte erzählen. Folge mir hierlang."


    Alpina ging nach links in das große Atrium des Gemeinschaftstraktes und von dort in den kleinen Kräutergarten, der hinter dem Cubiculum von Alpina und Corvinus lag. Sie deutete auf eine Bank. "Wenn du möchtest kannst du dich setzen oder dich ein wenig umsehen. Ich bin leider nicht dazu gekommen alle Kräuter mit einem Schild zu versehen..."
    Sie sah Babilus verlegen an. "Ich hoffe, dass Ursicina mich nicht so lange festhält und bald einschläft."
    Mit einem Lächeln verschwand sie wieder im Haus und ließ den Tiro allein.

    Babilus versprach nachzuforschen was mit Corvinus war. Alpina schöpfte Hoffnung. Vielleicht konnte er in Erfahrung bringen ob Corvinus noch lebte. Sie wollte es zwar glauben, hatte das Gefühl, dass es so war, aber Gewissheit war immer besser.
    "Es wäre großartig, wenn du etwas herausfinden könntest. Danke!" Ihr Blick spiegelte die Hoffnung und den Dank.


    Ein wenig Zeit habe ich noch, sagte Babilus. Das klang nach nicht viel. Alpina hoffte, dass sich ihre Tochter mit einer kürzeren Geschichte begnügen würde.
    "Möchtest du in meinem Kräutergarten warten?", fragte sie. Der Garten hinter dem gemeinsamen Cubiculum von Corvinus und ihr bot sich zum Warten an. Dort stand eine Bank auf der man sitzen und den Blick auf Kräuter und Blumen genießen konnte. Zu dieser Jahreszeit waren es noch nicht so viele verschiedene Pflanzen, aber so langsam grünte und blühte doch ein wenig.

    Lange sah Alpina Babilus in die Augen. Sie las das Verständnis darin für sie und gleichzeitig das Unverständnis dafür warum Alpina an dem Glauben festhielt, dass Corvinus noch lebte. Er war irgendwo, ganz sicher. Er konnte ihr nur nicht schreiben. Hatte er nicht gesagt, dass er zwischen Epirus und Atiochia sein würde? Wie lange würde ein Brief brauchen? Würde er überhaupt in der Lage sein zu schreiben wenn er jeden Tag im Sattel saß, jede Nacht in einem anderern Lager, in einer zwielichtigen Unterkunft oder gar unter freiem Himmel verbrachte.


    Sie wandte den Blick ab. "Er lebt! Ganz bestimmt! Er kann mir aber wohl nicht schreiben..."
    Alpina musste an ihren Vater denken, der die Familie im Stich gelassen hatte, ihrer Mutter erzählt hatte zu einer anderen Einheit versetzt zu werden und dann auf "Nimmer-Wiedersehen" verschwunden war... würde es ihr genauso ergehen? Sie konnte und wollte es nicht glauben! "Er kommt wieder!", presste sie hervor.


    Schließlich fing sie sich wieder und wartete gespannt auf die Antwort des Tiro. Es fehlte ihm nichts. Warum also war er da? Alpina sah ihn fragend an. "Wenn das so ist... dann hat es mich sehr gefreut, dass du meiner Einladung gefolgt bist und mich hier besucht hast..."


    Sie wollte ihn schon hinausbegleiten als ihr plötzlich eine Idee kam. "Wann musst du zurück in der Castra sein? Wenn du möchtest, dann bringe ich meine Tochter zu Bett und hätte dann noch ein wenig Zeit... für ... äh... einen Spaziergang?"
    Was war in sie gefahren? Sie fragte ihn ob er mit ihr spazieren gehen wollte? Alpina traute ihren eigenen Worten nicht. Sie stellte fest, dass sie nervös war wie er auf ihr Angebot reagieren würde.

    Langsam schien Esquilina zu verstehen, was los war. Sie ließ sich von Alpina in den Arm nehmen. Dann aber schien die Kleine wieder verwirrt zu sein. Sie sprach von Wasser, vielem Wasser. Die Frage nach ihrer Mama war mehr als verständlich. Die Hebamme wusste nicht was sie Esquilina antworten sollte. Sie kannte die Mutter der Kleinen nicht, wusste nichts von ihrem Verbleib. Papa Marcus? Alpinas Verdacht schien sich zu bestätigen. War Marcus Iulius Licinus tatsächlich der Vater des Mädchens?
    Für Alpina stellte diese Vermutung kein Problem dar, doch warum nannte er sie dann sein Mündel und stand nicht zu seiner Tochter?


    Esquilina brabbelte weiter. ´Cia schien eine Vertraute zu sein, eine Amme oder Sklavin. Warum wollte sie nicht in der Kutsche sein? Alpina versuchte die kleinen Splitter Wahrheit aus den wirren Fiebervisionen der Kleinen herauszufiltern. Was von dem entsprach der Realität, was war dem Fieber zuzuschreiben?


    Ein neuer Name tauchte auf. `Marei. Esquilina beklagte, dass ´Marei schon so lange weg war und fragte ob sie wiederkäme.
    Alpina fühlte sich hilflos. Sie wollte die aufgewühlte kleine und kranke Esquilina gerne beruhigen und ihr Antworten auf ihre vielen Fragen geben. Ihr Sicherheit vermitteln wo sie so unruhig wirkte. Aber sie kannte die Antworten nicht. Wenn sie das Falsche sagte, würde es womöglich noch schlimmer werden. Also entschied sie sich für eine Mischung aus Antworten, die sie ruhigen Gewissens geben konnte und einem vorsichtigen Nachfragen.
    "Marcus Iulius Licinus kommt heute nach Dienstschluss wieder zu dir. Keine Sorge, er kommt ganz gewiss." Sie streichelte Esquilina über die Haare und drückte das Mädchen an sich. Dann ließ sie wieder ein wenig nach. "Wer ist `Cia und wer Marei? Eine Amme, eine Sklavin? Warum will Cia nicht in die Kutsche? Wird ihr schlecht vom Schaukeln des Gefährts?"


    Die Hebamme fuhr fort dem kleinen Mädchen über den Rücken zu streicheln und nahm sich fest vor, Marcus Iulius Licinus nach der Mutter der Kleinen und nach dem Wasser zu fragen, vor dem sie so Angst hatte.

    Babilus schien sich tatsächlich für die Kräutermedizin zu interessieren. Er fragte nach der Herkunft der Kräuter.
    "Ich sammle einen Teil selbst, einen Teil bekomme ich von einigen einheimischen Frauen und die Kräuter, die nur südlich der Alpes wachsen, muss ich zukaufen", erklärte sie.


    Als er auf das Regal mit den Salben zeigte und feststellte, dass dort auch diejenige Salbe lagerte, die sie ihm geschickt hatte, lächelte sie. "Ja, von diesem Regal stammt die Salbe, die ich dir geschickt habe."
    Er wirkte verlegen, dabei hatte er ja gar keinen Grund dazu. Sie blieb stehen und Babilus umrundete sie. Dabei streifte er leicht ihre Hand. Auch ohne die Entschuldigung danach hätte sie realisiert, dass etwas in dieser Berührung lag, das nicht zufällig war. Sie sah zu ihm auf, sah sein verlegenes Lächeln und stellte fest, dass sie rot wurde und ihr Puls sich beschleunigte. Sie schlug die Augen nieder.
    "Du musst dich nicht entschuldigen. Ich..."


    Das gedämpfte Licht und die deutliche Sympathie füreinander ließen eine besondere Stimmung entstehen. Alpina wollte etwas zu Babilus sagen, doch brachte sie keinen Ton heraus.
    In diesem Moment wurde die angespannte Stille durch das Schreien eines Kindes - ihres Kindes - durchbrochen. Alpina fuhr herum. Neman stand in der Tür der Taberna Medica, die von der Casa Helvetia in den Verkausraum führte. Sie hatte die laut und vernehmlich quängelnde Ursi auf dem Arm.
    "Entschuldige, aber sie will nicht einschlafen wenn du nicht kommst und ihr eine Geschichte erzählst", sagte die Kinderfrau resignierend.


    Auf dem Gesicht der Hebamme zeigte sich ein mütterliches Lächeln. Sie nickte der Kinderfrau zu.
    "Ich komme gleich!", vertröstete Alpina Ursicina, die immernoch schmollend protestierte. Dann drehte sie sich wieder Babilus zu.
    "Meine Tochter Ursicina", erklärte sie entschuldigend. "Sie ist noch nicht mal ganz ein Jahr alt und braucht mich zum Einschlafen einfach noch."
    Ihr Blick war offen, ihre Augen direkt auf die des angehenden Legionärs gerichtet. Sie hatte nichts zu verbergen. "Ursis Vater ist seit Monaten im Osten des Reiches auf einem Einsatz. Ich muss ihr Vater und Mutter sein... wer weiß wie lange noch..."


    Ein tiefes Durchatmen hob und senkte ihren Brustkorb. Es war ein Thema, das ihr sehr nahe ging.
    "Wie kann ich dir helfen? Hast du Beschwerden? Oder bist du tatsächlich nur vorbei gekommen, um... " Sie vollendete den Satz nicht. Weshalb war er gekommen? Um die Taberna Medica kennen zu lernen oder um sie zu sehen?

    Zitat

    Original von Aulus Iulius Babilus: Nun, wir bekommen auch nicht so viel Schlaf, aber man gewöhnt sich daran. Ebenso an den Umgangston. Irgendwann vermisst man es wenn man nicht angeschrieen wird Babilus verzog das Gesicht und begann dann herzhaft zu lachen. Die Heilsalbe hatte er ganz vergessen, genauer gesagt sich dafür zu bedanken.Ja, die Salbe hat bis jetzt zuverlässig ihren Dienst getan. Auch danke dafür Ein lächeln entwich ihm. Der junge Iulier hatte seit ihrem letzten treffen ziemlich oft an Alpina gedacht. Babilus wusste nicht wieso. Er wollte dem ganzen auf den Grund gehen. War es ihr können und Wissen der Medizin das ihn beeindruckte, oder war es was völlig anderes.


    Die Kräuterfrau lauschte den Worten des jungen Tiro. Vieles von dem was er erzählte kannte sie von Corvinus Beschreibungen. Die Ausbildung zum Legionär war kein Zuckerschlecken. Doch er nahm es mit Humor, ließ sich nicht unterkriegen. Wieder eine Eigenschaft, die ihn mit Corvinus verband. Warum um aller Götter Willen musste sie immerzu an Corvinus denken, wenn sie Babilus traf und mit ihm sprach. War es nur, weil er in der Legio diente, so wie ihr Lebensgefährte es tat? Oder war da noch etwas anderes, weshalb sie sich in seiner Nähe so wohl fühlte. Er lächelte und unwillkürlich lächelte sie zurück. Die Situation war schon fast peinlich.


    Alpina riss sich mühsam von seinem Lächeln los. "Möchtest du sehen, wie ich hier arbeite und was meine Taberna Medica so zu bieten hat?", fragte sie also in die eigenartige Atmosphäre hinein. Sie nahm eine weitere Lampe aus dem Regal und entzündete sie, damit er in dem schwindenden Tageslicht die Einrichtung des Kräuterladens sehen konnte.
    "Das hier ist mein Reich!", sagte Alpina nicht ohne Stolz. Sie deutete auf die Säcke mit Blättern, Stängeln und Blüten. "Das hier sind die Kräutervorräte für die Tränke, Bäder und Salben."
    Auch über ihnen hingen zum Trocknen aufgehängte und gebündelte Kräuterbuschen. Sie ging weiter zu einem der Regale. "Hier bewahre ich meine Salben auf... ", wieder ein paar Schritte weiter stand ein anderes Regal mit kleinen Karaffen und Phiolen. "Und dort Heilweine und Elixiere."


    Mit fragendem Blick sah sie zu ihm auf. Interessierte ihn das überhaupt?

    Als Petronia Octavena gut gelaunt die Taberna Medica betrat, lächelte Alpina ihr entgegen. Sie wusste ja von Duccius Verus bereits dass die Petronierin erneut in anderen Umständen war.
    "Salve, Petronia Octavena! Du siehst blendend aus, so wunderschön sehen nur schwangere Frauen aus! Ich freue mich für dich und deinen Mann."


    War sie enttäuscht, dass Alpina bereits Bescheid wusste?

    Alpina musste mitlachen. Der "Rang" eines Tiro war ja wohl weniger erwähnenswert, da hatte Babilus recht. Sie freute sich, dass er ihren Brief zum Anlass genommen hatte, seinen Freigang für einen Besuch in der Taberna Medica zu nutzen.
    Wie es ihr ging? Alpina entschied sich die Frage als übliche Begrüßungsfloskel zu nehmen. Denn wenn sie ehrlich gewesen wäre, hätte sie ihm vermutlich die kommenden Abendstunden ihr Herz ausgeschüttet. Doch das war sicher nicht seine Intention gewesen.
    "Mir geht es soweit gut. Ich habe unglaublich viel zu tun. Meine Fähigkeiten als Obstetrix, also als Hebamme, sind gerade sehr gefragt. Dazu habe ich über einen längeren Zeitraum eine sehr kranke kleine Patientin betreut. Viel Schlaf habe ich nicht bekommen. Aber es gibt Wichtigeres!" Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. "Du wirst in deinem Tirocinium auch nicht viel Schlaf bekommen, nicht wahr? Ich stelle mir die Ausbildung in der Legio sehr hart vor."


    Neugierig betrachtete sie den Iulier. Ob auch seine Vorgesetzten mit der Vitis so brutal umgingen wie der Vater von Corvinus? Ob auch auf Babilus Rücken schon die Narben davon zu sehen waren? "Kannst du die Heilsalbe brauchen?"

    Schon seit jeher hatte Alpina einen leichten Schlaf, erst recht seitdem sie Mutter war. Doch diese Stimme gehörte nicht ihrer Tochter Ursi. Sie erkannte Runas Stimme. Sogleich sprang die Hebamme aus dem Bärenbett und eilte zur Tür.
    "Runa? Was ist mit dir?"


    Auch wenn sie die Antwort auf diese Frage bereits ahnte, wollte die Raeterin sie doch aus dem Munde der Freundin hören. Im Dunklen erkannte sie nur die Umrisse der Germanin, doch ihre Haltung und die spürbare Anspannung ließen nichts Gutes vermuten.

    Alpina hatte gerade das absperrbare Kästchen mit den Einnahmen aus der Taberna Medca in das Verstecke unterhalb einer der Holzbohlen geräumt und wollte nun die Taberna mit dem Türriegel absperren, als es noch einmal klopfte. Seufzend öffente Alpina die Tür. Im Halbdunkel erkannte sie Babilus nicht sofort.
    "Salve. Wie kann ich dir helfen? Welche Beschwerden hast du?", fragte sie die Gestalt von der sie zunächst nur die Umrisse sah. Die Kräuterfrau ließ den späten Kunden ein. Sie ging zu ihrem Verkausftresen. Dort erhellte eine zweiarmige Öllampe den Verkaufsrau nur mäßig, doch war es hell genug, so dass Alpina den Tiro erkennen konnte.


    "Oh, entschuldige, Tiro Iulius Babilus. Ich habe dich nicht erkannt. Es ist schon so dunkel hier herin."
    Um ehrlich zu sein, war sie ganz froh dass es so dunkel war, denn ihre Wangen färbten sich rot. Es war ihr peinlich ihn nicht sofort erkannt zu haben.


    "Was treibt dich zu so später Stunde hierher? Ist dein Tirocinium bereits beendet sodass du die Castra verlassen kannst?"
    Alpina verstummte. Zu viele Fragen. Warum konnte sie sich nicht beherrschen und stellte ihm gleich so viele Fragen au einmal? Er musste sie für sehr neugierig halten.

    Tatsächlich hatte Runa Schmerzen bei der Untersuchung. Alpina biss sich auf die Unterlippe. Das darf doch nicht wahr sein, dachte sie bei sich. Nicht Runa, bitte! Sie wollte die Germanin nicht unnötig beunruhigen, doch der Befund war besorgniserregend.
    "Es könnte einfach eine Blasenentzündung sein", sagte sie beschichtigend. "Doch ich will auf Nummer Sicher gehen. Du wirst einen Trank aus Kapuzinerkresse und Meerrettichwurzel bekommen. Dazu werden wir eine Vaginalspülung und ein Sitzbad machen. Trinke möglichst viel."


    Sie bereitete den Trank und den Sud für den Einlauf und das Sitzbad zu. Dazu fertigte sie aus Wolle ein sogenanntes Mutterzäpfchen, das sie mit Majoran- und Malvenöl tränkte. Die Raeterin half der Freundin das Sitzbad durchzuführen, machte anschließend die Vaginalspülung und setzte das Mutterzäpfchen ein. Dann setzte sie sich zu Runa an die Bettkante.
    "Ich hoffe, dass die Maßnahmen greifen. Sollte Fieber auftreten oder die Milch versiegen, lass mich rufen. Natürlich sehe ich alle paar Stunden nach dir. Und sorge dich nicht allzusehr. Es ist bisher nur eine Vorsichtsmaßnahme."


    Alpina lächelte und versuchte Zuversicht auszustrahlen. Doch insgeheim nahm sie sich vor am Lararium eine Extralampe für Iuno Lucina aufzustellen. Die Göttin konnte launisch sein.

    Der Brief, den der junge Kaeso ausliefern sollte, erreichte die Castra wenig später.



    Ad Tironem
    Aulus Iulius Babilus
    Castra Legionis Germanica II


    Salve Iulius Babilus,


    Ich hoffe du bist von deinem Einsatz im Schnee wohlbehalten und gesund in die Castra zurückgekehrt. Sicherlich denkst du nicht gerne an diesen Einsatz zurück, war er doch nicht nur beschwerlich sondern auch sehr bedrückend. Noch immer denke ich manchmal an den armen Mann, der seinen schweren Verletzungen erlag und an seine Familie. In den kommenden Tagen werde ich der Witwe einen Besuch abstatten.


    Dein Tirocinium wird sich wohl dem Ende nähern, wie ich meine. Vielleicht stattest du meiner Taberna Medica wenn du deinen Eid geleistet hast tatsächlich einmal einen Besuch ab. Bis dahin sende ich dir eine Dose mit Heilsalbe gegen Prellungen und Stoßverletzungen. So etwas kannst du sicherlich brauchen. Mögen die Götter ihre schützende Hand über dich halten.


    Vale bene, Susina Alpina

    Die Geburt von Runas Sohn und die Wahl von Curio zum Aedil hatten Alpina wenig Zeit gelassen über die Ereignisse vor den Toren der Stadt nachzudenken, als sie dem Mann, der von seinem Wagen schwer verletzt worden war, nicht mehr helfen konnte. Doch als sie in diesen Tagen die Heilmittel in ihrem Korb überprüfte, den sie auf alle Einsätze außer Haus mitnahm, erinnerte sie die fehlende Menge Schlafmohntränen und Bilsenkrautsamen an dieses Erlebnis und den jungen Tiro Babilus, der sich so für die Heilkunde interessiert hatte. Sein letzter Satz klang ihr noch in den Ohren "Ich werde mich bei dir melden. Oder du schreibst mir und gibst den Brief am Tor ab."


    Er hatte sich nicht gemeldet, aber vermutlich war sein Tirocinium auch noch nicht beendet. Sollte sie ihm einen Brief schreiben, wie er mit seinem verschwörerischen Blick vorgeschlagen hatte. Warum eigentlich nicht? War etwas falsch daran? Ein komisches Gefühl war es ja doch einem fremden Mann einen Brief zu schreiben, doch Alpina war der Tiro sympathisch gewesen und es war ja schließlich nichts Verbotenes einen Brief zu schreiben.
    Sie nahm also einen Bogen Papyrus und die Feder und schrieb.



    Ad Tironem
    Aulus Iulius Babilus
    Castra Legionis Germanica II


    Salve Iulius Babilus,


    Ich hoffe du bist von deinem Einsatz im Schnee wohlbehalten und gesund in die Castra zurückgekehrt. Sicherlich denkst du nicht gerne an diesen Einsatz zurück, war er doch nicht nur beschwerlich sondern auch sehr bedrückend. Noch immer denke ich manchmal an den armen Mann, der seinen schweren Verletzungen erlag und an seine Familie. In den kommenden Tagen werde ich der Witwe einen Besuch abstatten.


    Dein Tirocinium wird sich wohl dem Ende nähern, wie ich meine. Vielleicht stattest du meiner Taberna Medica wenn du deinen Eid geleistet hast tatsächlich einmal einen Besuch ab. Bis dahin sende ich dir eine Dose mit Heilsalbe gegen Prellungen und Stoßverletzungen. So etwas kannst du sicherlich brauchen. Mögen die Götter ihre schützende Hand über dich halten.


    Vale bene, Susina Alpina


    Alpina rollte den Brief zusammen, verschloss ihn mit einem Bastband und einem tropfen Siegelwachs. Dann nahm sie die Dose mit der Heilsalbe und gab beides Kaeso, der gerade ein paar Kräutersäckchen in die Regale räumte.


    "Bitte sei so nett, Kaeso und bring mit diesen Brief in die Castra der Legio II. Vielen Dank"
    Mit einem freundlichen Lächeln schickte sie den Jungen los.

    Alpina hatte selbstverständlich ihren Schwager Curio zur feierlichen Bekanntgabe der Wahlergebnisse für die Ämter in der Verwaltung der Stadt begleitet. Sie hegte keinen Zweifel, dass er zum Aedil gewählt werden würde. Und so war es. Unter dem Beifall der Umstehenden begab er sich nach vorne, hob die Schwurhand und sprach den Eid.


    Über das ganze Gesicht strahlend wartete Alpina bis Curio wieder bei ihnen sein würde, damit sie ihm zu seinem neuen Amt gratulieren konnte. Als er sich den Weg durch die Menge gebahnt hatte, umarmte sie ihn freundschaftlich und gratulierte.
    "Ich freue mich so für deinen Erfolg, Curio! Du wirst dieses Amt mit Sicherheit hervorragend führen."

    Am Tag nach der Entbindung war Runa noch sehr erschöpft doch guter Dinge. Der kleine Decimus trank gut und machte, wenn er wach war einen zufriedenen Eindruck. Alles verlief nach Plan. Alpinas Bedenken bezüglich eines möglichen Wochenbettfiebers schienen unnötig zu sein. Der Wochenfluss sah normal aus, der Geruch war unauffällig.


    Als die Hebamme am dritten Tag jedoch die Ausscheidungen kontrollierte schien der Ausfluss schmierig und roch unangenehm. Alpina nahm Runas Handgelenk und interpretierte den Puls, danach fühlte sie die Stirn der Wöchnerin. Noch fieberte sie nicht, aber der Befund des Wochenflusses war beunruhigend.
    "Hast du Schmerzen, Runa? Ein Ziehen im Bauch? Musst du oft Wasser lassen? Schmerzt es beim Wasserlassen?"


    Sie setzte sich an die Bettkante und untersuchte den Unterbauch. Der Uterus war noch immer kindskopfgroß, fühlte sich aber nicht weich sondern hart wie eine Melone an. Alpina sah der Freundin in die Augen während sie die Region mit sanftem Druck untersuchte. Zuckte Runa? War der Druck unangenehm oder hatte sie gar Schmerzen?

    Es war offensichtlich, dass Esquilina die Hebamme nicht erkannte. Wie auch, sie kannte sie ja eigentlich auch gar nicht. Im Fieberschlaf hatte sie wohl kaum wahrgenommen wer sich um sie bemühte. Sie fragte nach ihrer Mutter, dem Vater, nannte Alpina unbekannte Namen. Dann streckte sie ihre dünnen Ärmchen aus. Sie wirkte verloren, schien Licinus zu suchen.


    "Ich bin Alpina", sagte sie erklärend. "Du bist bei mir, damit ich dich gesund pflege, denn du bist schwer krank. Marcus Iulius Licinus hat dich zu mir gebracht, weil er wusste, dass ich mich mit Heilkräutern auskenne."


    Alpina nahm die kleinen Händchen, bot an Esquilina hochzuziehen, sie anstelle des Praefectus in den Arm zu nehmen.

    Es war deutlich zu merken, dass es Licinus nicht gut ging und wenn sie auch den Fluch nicht wirklich zuordnen konnte, so war ihr doch klar, dass dieser Mann an der Grenze seiner Belastbakeit angelangt war. Sie nickte ihm also zu und verschwand um den Trank gegen die Kopfschmerzen zu holen. Ein Sud aus Weidenrinde und Pfefferminze sollte dem Praefectus durch den Tag helfen.


    Er trank ihn bereitwillig und verabschiedete sich dann zum Dienst. Alpina verbrachte den Tag wieder am Krankenbett. Esquilina wurde ruhiger, das Fieber sank. Der Husten war natürlich nach wie vor stark, der Atem brodelte in den Lungen. Wieder und wieder klopften und vibrierte Alpina auf dem Brustkorb des Mädchens um ihm das Abhusten zu ermöglichen. Die Auflagen mit ätherischen Ölen setzte sie fort um den Schleim zu lösen.


    Esquilina wurde nun häufiger wach, schien ihre Umgebung aber immer noch nicht bewusst wahrzunehmen. Plötzlich jedeoch, als Alpina gerade wieder die Auflage wechseln wollte, schlug die Kleine mal wieder die Augen auf und sah sie unverwandt an.
    "Esquilina?", fragte die Hebamme vorsichtig. "Wie geht es dir?"

    Zitat

    Original von Decimus Duccius Verus: In Alpinas Armen lag der Junge, eingewickelt in Leinentüchern, der völlig gesund zu sein schien. Der duccische Pontifex kontrollierte kurz, ob an den kleinen Händen und Füßen alle Finger und Zehen vorhanden waren, strich dem Säugling kurz über den Kopf und fragte die Hebamme "Er ist gesund?", um wirklich sicher zu sein, dass alles gut war. Als diese seine Frage bejahte, äußerte er ein kurzes "Gut." Innerlich dachte er nur, dass die Hochzeit zwischen Runa und Curio anscheinend doch rechtmäßig und somit seine Zustimmung zu dieser richtig war, ansonsten hätte dieses Kind vermutlich nicht gesund das Licht der Welt erblickt. Somit blieb aber weiterhin die Frage offen, wieso die Götter ihm seine Frau genommen hatten. Immer mehr verwandelte sich seine fragende Haltung nach seinen vermutlich begangenen Fehlern zu purem Hass und Trotz.


    Erstaunt blickte Alpina zur Tür. Siehe da! Der Mann, der seinen eigenen Sohn nicht eines Blickes würdigte, erschien um seinen Enkel zu sehen. Kühl und distanziert ließ die Hebamme die Kontrolle des Pontifex zu und bejahte auch seine Frage nach der Gesundheit des Jungen. Das "Gut" des Ducciers klang ebenso emotionslos wie an dem Tag als er seinen eigenen Sohn zum ersten Mal gesehen hatte. Alpina verstand die harte und unerbittliche Haltung des Mannes gegenüber seinem eigenen Fleisch und Blut nicht. Er wirkte trotzig wie ein kleiner Junge. Die Götter hatten ihm etwas genommen, darüber war er erzürnt, weniger traurig als wütend. Dass sie ihm gleichzeitig etwas Wunderbares geschenkt hatten, sah der verbitterte Germane nicht. Alpina haderte mit Duccius Verus. Sie konnte ihn sehr gut leiden, doch sein Verhalten gegenüber seinem Sohn und allem was im Zusammenhang mit dem Thema Entbindungen, Geburt und Tod stand, konnte sie nicht billigen.


    Immerhin schien er sich mit seiner Tochter zu freuen, dass Mutter und Kind die Geburt gesund überstanden hatten. Neugierig wartete Alpina darauf, was er zu seinem eigenen Sohn sagen würde. Sie begleitete die Amme als Hebamme noch immer, stattete ihr Besuche ab um das Kind zu untersuchen und Tipps zu geben. Was würde der Duccier wohl sagen. War er informiert wie es seinem Sohn ging?

    Alpina bemerkte wohl, dass der Praefectus Castrorum sich an den Kopf fasste und deutlich mitgenommen aussah. Sie schrieb es der Sorge, dem Dienst und der geringen Nachtruhe zu. Es würde gut sein, wenn er sich in der Nähe der kleinen Esquilina ausruhte. Sie selbst untersuchte sogleich das schlafende Kind. Die Stirn war heiß aber nicht mehr schweißnass, doch noch immer bebten die Nasenflügel und der Atem ging rasselnd. Alpina richtete einen neuen Trank und einen Sud für die Umschläge her. Dann schob sie sich ein Kissen in den Rücken und wartete im Schein der Öllampe darauf, dass Esquilina von einem Hustenschwall geweckt wurde. Jedes Mal wenn das der Fall war, flößte sie der Kleinen etwas von dem Trank ein und erneuerte die Wickel.



    Als der Morgen kam und sie ahnte, dass es nicht mehr lang bis zum Morgenappell in der Castra war, weckte sie Licinus. Sorgenvoll betrachtete sie den Mann, dessen Gesichtshaut fahl aussah und unter dessen Augen sich dunkle Schatten gelegt hatten.
    "Esquilina hatte eine verhältinismäßig gute Nacht. Doch über den Berg ist sie noch lange nicht. Hast du noch immer Kopfschmerzen?", fragte sie mitleidig. "Ich kann dir einen Trank gegen die Schmerzen machen. Möchtest du?"