Beiträge von Susina Alpina

    Der Junge schien nervös zu sein. Aber er schaffte es, das Schild aufzuhängen. Dann waren sie fertig zum Abmarsch. Als Kaeso seine Hilfe anbot reichte Alpina ihm den Korb mit der kleinen Sichel.
    "Das ist nett von dir. Du kannst gerne den Korb nehmen. Folge mir!"

    Octavena hatte es also wie erwartet nicht eilig.
    "Für dich habe ich immer Zeit. Tatsächlich betreue ich gerade nicht so viele Schwangere und Wöchnerinnen. Ich komme gerne in ein bis zwei Wochen für die Erstuntersuchung. Dann sind wir beide beruhigt und können ein wenig planen. Aber im Ernst. Wie sieht es mit Übelkeit aus? Und möchtest du nicht ein duftendes und pflegendes Öl zur Vorbeugung vor Schwangerschaftsstreifen? Die Gefahr für Striae ist bei der zweiten Schwangerschaft größer, denn der Bauch wird meist schneller groß und das Bindegewebe ist schon vorgedehnt."


    Sie reichte eine kleine blaue Flasche über den Verkaufstisch. "Hier, das ist eine Probemenge. Versuch es! Und wenn es dir gut tut, lass mir mitteilen ob ich dir eine größere Flasche mitbringen soll. Willst du mir einen Termin für den Besuch geben oder soll ich Bescheid geben wenn ich Zeit habe? Der Weg zu euch ist nicht der Kürzeste. Ich würde den Besuch gerne mit ein paar anderen Erledigungen verbinden."

    Esquilina schien zunächst zufrieden zu sein mit Alpinas Begründung. Dann begann sie wieder zu fiebern. Sie vermischte die Realität mit ihrer Traumwelt. Die Schmerzen vom Husten riefen eine Erschöpfung hervor, die im Übergang zum Tiefschlaf Traumbilder erzeugte. Alpina hielt die Hand der Kleinen und hörte ihre Worte, die deutlich machten, dass die Kleine längst wieder in den Armen der Dea Febris lag.




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    Einige Zeit später erschien Iulius Licinus. Doch er war nicht allein. Als hätten die Götter den Wunsch der kleinen Esquilina gehört, hatte er Tiberia Lucia dabei. In Gegenwart der Frau des Provinzstatthalters fühlte sich die Hebamme unwohl. Die Tiberia musste auf sie herunterschauen. Alpina war nur eine Peregrina, direkt eine Stufe vor den Sklaven. Eine arbeitende Frau - in den Augen einer römischen Dame mit Sicherheit Abschaum. Die Raeterin trug eine einfache langärmlige Tunika in einem erdigen Naturbraun, die Haare hatte sie mit einer Nadel zum einfachen Knopf gezwirbelt.


    Licinus grüßte sie und Alpina erwiderte den Gruß. Er ging zu Esquilina, kniete sich neben sie und sprach leise mit ihr. Die Hebamme verstand ihn nicht, es war zu leise aber seine Stimme klang sehr liebevoll.
    Dann drehte der Iulier sich zu Alpina um und stellte die beiden Frauen einander vor. Alpnia lächtelte und grüßte die Tiberia, die sie bei Runas und Curios Hochzeit getroffen hatte. Ob sich die Frau des Statthalters an eine Landpomeranze wie sie erinnerte?
    "Salve Tiberia Lucia, es ist schön, dass du gekommen bist. Esquilina hat schon nach dir gefragt. Du musst ihr eine wertvolle Freundin sein."


    Auf die Frage des Praefectus Castrorum antwortete sie wahrheitsgemäß. "Sie war vorhin wach und auch einigermaßen klar. Aber dann hat das Fieber ihr wieder die Sinne genommen. Sie ist sehr schwach und der Husten schmerzt sie arg."


    Mit einer Geste zu dem Becher mit dem Kräutertrank sagte Alpina. "Ich habe die Rezeptur verändert um die Schmerzen zu lindern. Außerdem will ich noch ein paar frische Heilpflanzen sammeln, die den Husten lindern und die Lunge kräftigen sollen. Wenn ihr mich gerade nicht braucht, werde ich diese Kräuter sammeln. Ich bin bei Einbruch der Dunkelheit zurück."


    Als sie schon beinahe an der Tür war, fiel Alpina noch etwas ein. "Sag, Iulius Licinus, hast du an das Huhn gedacht? Dann könnte ich unsere Sklavin Gwyn bitten, eine kräftigende Suppe daraus zuzubereiten...." Sie verharrte einen Augenblick dann setzte sie zaghaft nach. "Und noch etwas.... kann ich dich später noch unter vier Augen sprechen?"

    Esquilina schlief. Der Husten war noch immer schlimm und es war wichtig, dass die Kleine gut abhustete und den Schleim aus der Lunge entfernte. Der bisherige Trank hatte noch nicht das optimale Ergebnis gebracht. Alpina beschloss auf frische Pflanzen und andere Pflanzen zu setzen. Sie würde sie selbst sammeln und dabei Kaeso gleich die erste Lehrstunde geben. Neman wurde beauftragt sich um Esquilina zu kümmern. Alpina packte Ursi in ein Tragetuch und nahm einen Korb. Dann ging sie in die Taberna Medica wo Kaeso gerade die Aufsicht über den Laden hatte.
    Sie lächelte den Jungen an. "Es wird Zeit für deine erste Lektion in Kräuterheilkunde. Häng ein Schild an die Tür, dass vorübergehend geschlossen ist und komm mit mir. Ich will dir zeigen, welche Pflanzen gegen Husten helfen und gleich welche mit dir einsammeln."

    "Warum wirst du nicht krank?", fragte Esquilina und Alpina musste zugeben, dass sie es nicht wusste. Es war nun mal so. Kleine Kinder und alte Menschen hatten die Götter mit einer gewissen Schwäche versehen. Erwaschsene konnten den Krankheitsdämonen besser widerstehen. Apollons schwarze Pfeile trafen dann seltener ihr Ziel. Sie lächelte.
    "Auch ich kann krank werden, Esquilina. Aber ich muss ja für dich da sein und dich pflegen. Da kann ich nicht krank werden. Das ist sicher der Grund. Die Götter haben mir die Kraft gegeben dich gesund zu pflegen."


    Sie streichelte das kleine Mädchen und nahm sich vor, der Tiberia baldmöglichst eine Nachricht zukommen zu lassen, dass sich Esquilina über ihren Besuch freuen würde.
    Die Kleine klagte über Müdickeite und Schmerzen in Kopf, Hals und Brust. Sofort wurde dieser Bereicht von einer heftien Hustensalve begleitet. Dann sank Esquilina erschöpft ins Kissen zurück. Alpina nickte.
    "Ich werde dir etwas gegen die Schmerzen mit in den Trank mischen und wenn Iulius Licinus wiederkommt bringt er uns ein Huhn für eine kräftigende Brühe mit. Die wird dir gut tun."


    Die Hebamme versuchte Zuversicht auszustrahlen. Sie nahm sich vor, Weidenrinde in den Trank zu geben um die Schmerzen zu lindern und plante auch die Brühe mit Medizinalkräutern zu versetzen.
    "Versuch noch ein wenig zu schlafen. Im Schlaf wird man gesund, Esquilina."
    Alpina lächelte und strich der Kleinen über den Kopf. Dann deckte sie das Mädchen liebevoll zu.

    Während ihrer Führung durch die Casa kam doch tatsächlich Runa herbei. Sie kannte Kaeso noch nicht und bevor Alpina den Jungen noch vorstellen konnte, machten die beiden sich selbst bekannt. Kaeso hielt sich sehr zurück mit seiner Erklärung wie und warum er aufgenommen worden war und was mit ihm geplant war. Sie begann zu ergänzen.
    "Ich möchte, dass Kaeso mir in der Taberna Medica zur Hand geht und mich später mal vertreten kann, wenn ich auf Hausbesuchen und bei Entbindungen bin. Du hast so viel zu tun, mit Leif, mit deiner Arbeit als Aeditua und mit der Scola. Da will ich dich entlasten."


    Sie lächelte die Freundin an und hoffte, dass Runa verstand, dass Alpina ihr nichts wegnehmen wollte - denn Runa hatte sie bislang hervorragend vertreten wenn es notwendig gewesen war - sondern ihr die Last zu nehmen wollte, damit sie sich nicht auch noch dafür verantwortlich fühlte.
    "Eine Bitte an dich hätte ich aber doch noch, Runa. Kaeso kann nicht gut lesen, schreiben und rechnen. Das wird er jedoch alles für seine Arbeit in meiner Taberna Medica brauchen. Ich könnte ihn unterrichten, aber da du ohnehin schon die Kinder unterrichtest, habe ich an dich als Lehrerin gedacht. Könntest du Kaeso mit in die Schule nehmen oder ihn privat unterrichten? Ich werde überwachen dass er übt und ihm die Gelegenheit geben die erlernten Dinge anzuwenden."


    Alpina war gespannt, was Runa dazu sagen würde.

    Mit großer Freude nahm Alpina an der Feier für den Dies Lustricus des kleinen Decimus oder Leif, wie auch immer er sich wohl später selbst nennen lassen würde, teil. Einige Tage hatte es nicht gut ausgesehen und Alpina und Curio hatten um das Leben Runas gebangt. Sie sah auch heute noch sehr blass aus, wenngleich glücklich und stolz.


    Alpina stand an der Seite Timarchas mit Ursicina auf dem Arm, die ungeduldig quengelte, und wartete darauf, dass die rituelle Reinigung vollzogen wurde. Sie erinnerte sich noch gut an den Dies Lustricus von Ursicina und freute sich nun auch der Namensgebung des kleinen Sohnes von Curio und Runa beiwohnen zu dürfen. In Ursis ungeduldig geschüttelter Hand lag die kleine hölzerne Rassel, die ihr Geschenk für den kleinen Leif war.

    Zitat

    Sie drückte die Hand ihrer Freundin und versuchte ein Lächeln zu standen zu bekommen. „Ja....“ versuchte sie zu versichern. „... aber falls nicht. Du kümmerst dich um Leif... ja?“ Was für eine doofe Frage, denn das stand ja wohl außer Zweifel. Aber Runa wollte es einfach hören. Dann blickte sie zu ihrem kleinen Sohn und ihre Stimme wurde fast schon trotzig. „Bei den Göttern Alpina, ich habe nicht vor, dieses kleine Wesen allein zu lassen.“Dann grinste sie ihre Freundin schief an. „Und Ich kann ja wohl schlecht Curio die Erziehung allein überlassen, der macht doch einen waschechten Römer aus dem kleinen Leif... nein Alpina, das geht nun wirklich nicht.“ Da versuchte Runa doch tatsächlich witzig zu sein in dieser so heiklen Situation. „Und außerdem habe ich die beste medizinische Versorgung die man bekommen kann.“ Sie drückte die Hand der Hebamme. Zuversicht! Ja das war es was Runa ausstrahlte...


    Als Runa ihre Hand drückte und fragte ob sie sich um Leif kümmern wurde, musste Alpina schlucken. Ihre Kehle war trocken und kratzig. Sie musste sich bemühen, die Hand der Freundin mit Zuversicht zu drücken.
    "Du wirst dich um ihn kümmern, Runa! Aber selbstverständlich, falls der unwahrscheinliche Fall eintreten würde, dass du dich nicht um ihn kümmern könntest, würde ich ihm eine mütterliche Freundin sein."


    Zum Glück fing sich Runa gleich wieder, zeigte Entschlossenheit und sogar ihr Humor blitze wieder auf. Alpina lächelte gequält. "Schreckliche Vorstellung... wenn Leif so ein astreiner Römer würde ohne dich als Leitfigur einer tapferen, selbstbewussten Germanin als weiblichen Gegenpol."




    Und natürlich - wenn man von den Unterirdischen sprach - platzte Curio in das Zwiegespräch der Freundinnen. Runas böser Blick traf die Raeterin. Sie musste wohl erklären, warum sie Curio hatte rufen lassen. Alpina sah schuldbewußt von Runa zu Curio und seufzte. Es wäre ihr lieber gewesen, den Schwager zunächst zu sprechen ohne das Beisein seiner Frau. Nun blieb keine Wahl.
    "Curio, ich bin froh dass du da bist. Die Situation ist ernst, aber nicht aussichtslos. Ich möchte, dass du Bescheid weißt und ich brauche deine Hilfe", erklärte Alpina.
    "Runa hat ein Wochenbettfieber entwickelt. Es hat sich schon mit dem verdorbenen Fruchtwasser angedeutet und nun müssen wir alle unser Bestes geben, dafür, dass eure kleine Familie diese Situation gut übersteht. Ich werde die medizinische Fürsorge übernehmen, Runa wird sich sehr schonen müssen..."


    Alpina sah die Freundin ernst an. Das war eine harte Nuss für Runa, die nicht gerne Ruhe hielt. "... und dich bitte ich darum, die Götter um ihren Beistand zu bitten. Meine bisherigen Bemühungen waren nicht sehr erfolgreich. Wenn uns die Götter nicht helfen, weiß ich nicht...."
    Ihr trauriger Blick suchte die Augen Curios.

    Kaum hatte Alpina kurzzeitig das Cubiculum verlassen, machte sie sich auf die Suche nach Kaeso. Sie fand den Jungen beim Auspacken einer Lieferung von Glasphiolen, die Alpina für ihre Arzneitränke benutzte.
    "Kaeso. Bitte sei so gut und such Curio. Ich weiß nicht, wo er gerade ist. Er soll ich bitte dringend aufsuchen. Ich bin entweder bei Runa in ihrem Cubiculum oder in der Taberna Medica beim Anmischen einer Arznei. Es ist eilig! Lauf!"

    Einen Wimpernschlag später war Alpina aus dem Bett gesprungen. "Bei Iuno Lucina!" entfuhr es ihr. "Runa, du musst sich sofort wieder hinlegen!"


    Sie spurtete zur Tür und stütze die Freundin. Gemeinsam traten sie den Rückweg in das gemeinsame Cubiculum der beiden Aeditui an. Alpina half Runa auf ihr Bett, legte ein Tuch unter und entfernte die Binden, die den Wochenfluss auffangen sollten. Die Ausscheidungen waren schmierig und eitrig, sie rochen übel. Die Hebamme fluchte innerlich. Also doch! Der Tastbefund des Bauches ergab einen ödematös geschwollenen Uterus der deutlich druckschmerzhaft war. Der Puls war hochfrequent und die Temperatur erhöht - Runa hatte tatsächich Wochenbettfieber!


    Nun hieß es besonnen zu handeln. Alpina mischte erneut Kräuter für ein Sitzbad und eine Vaginalspülung. Sie veränderte die Trankmischung indem sie zusätzlich noch Spitzwegerich und Gundermann beigab. Schließlich erneuerte sie auch das Mutterzäpfchen, gab ihm jedoch noch echtes Rosenöl bei. Sie setzte sich zu Runa an die Bettkante und wusch die Stirn der Freundin mit Essigwasser ab. Ihre Stimme sollte beruhigend wirken, doch wusste sie, dass Runa nicht dumm war. Lügen war keine Option.
    "Leider hat sich bewahrheitet, was das verdorbene Fruchtwasser angedeutet hat. Du hast Wochenbettfieber. Wir müssen jetzt sehr häufig und intensiv die Spülungen, Bäder und Zäpfchen zur Behandlung benutzen. Dazu ist es wichtig, dass du viel von diesem Trank zu dir nimmst. Wir schaffen das, Runa! Ganz sicher!"


    Alpina drückte Runas Hand ganz fest und streichelte über ihren Handrücken. Ihr Blick fiel auf den kleinen Decimus, der friedlich schlummerte. Sie mussten einfach Erfolg haben!

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    Kurz blickte er zu seiner Frau, der man die Erschöpfung auch ansehen konnte, so wie sie zurückgelehnt in den Kissen lag und zurück dann wieder zurück zu Alpina.


    Ich wäre dankbar, wenn ich jetzt mit meiner Familie alleine sein könnte.


    sagte er schließlich ohne Wut oder Anspannung in der Stimme und brachte sogar ein leichtes Lächeln zustande. Er hoffte, dass Alpina das jetzt nicht irgendwie falsch auffassen würde, aber es würde wohl der ganzen Familie guttun, wenn sie unter sich sein könnte. Spätestens morgen würden sich ja ohnehin alle wiedersehen und zudem würde Alpina auch ab morgen wieder mehr von Silvana und dem Kleinen haben, als der frischgebackene Vater, der sich ab morgen wieder in den Wahlkampf zu sürzen hatte.


    Der Wink mit dem Zaunpfahl war nicht notwenig. Alpina hätte sich ohnehin nun zurückgezogen. Runa wusste ja, dass sie im Haus war und jederzeit für sie in Rufnähe. Nun sollte die junge Familie Zeit für sich haben. Sie lächelte deshalb.
    "Selbstverständlich, Curio! Du denkst an die noch ausstehenden Riten für die Geburtsgötter?", gab sie ihm noch als Erinnerung mit. Dann sammelte sie alle verschutzten Kleidungsstücke und Utensilien, die sie zur Entbindung gebraucht hatte. Diese und sie selbst mussten rituell gereinigt und manches sogar verbrannt werden.


    An Runa gewandt sagte die Hebamme: "Du weißt ja, dass du mich jederzeit rufen lassen kannst, wenn du Hilfe, Sorgen oder Beschwerden hast, nicht wahr?"


    Dann verließ sie das Cubiculum der frish gebackenen Eltern.

    Alpina merkte wohl, dass Kaeso die Entscheidung in der Casa Helvetia um Aufnahme zu bitten, Sorgen bereitete. Hatte er zunächst freudig zugestimmt, Alpina zu helfen, schien er nun Angst vor der eigenen Curage zu haben. Die ganze Körperhaltung sprach Bände. Kaeso fühlte sich überfordert. Alpina hatte zwar Verständnis dafür, dass es für Kaeso nach sehr viel Arbeit klang, doch sie hatte gehofft, dass er sich über eine Herausforderung und eine neue Aufgabe freuen würde. Es schien dem Jungen an Selbstbewusstsein zu mangeln.
    Seine Antwort klang nach "ich ergebe mich in mein Schicksal" und nicht nach "danke, für diese großartige Chance!"


    Die raetische Hebamme musterte den Knaben etwas unzufrieden. Als er dann auch auf das Angbot bei Runa besser Lesen und Schreiben zu lernen nur mit einem "Ich will es versuchen" reagierte, bildete sich zwei strenge Längsfalten zwischen Alpinas Augenbrauen.
    "Das hoffe ich, Kaeso, das hoffe ich!"


    Sie beließ es dabei auch wenn sie ihm gerne noch gesagt hätte, dass sie dafür, dass sie ihn nicht nur aufnahm, sondern auch noch sein Geheimnis deckte, ihn sogar gegenüber Curio verteidigt hatte und sich damit womöglich das Unverständnis ihres Schwagers zugezogen hatte, wenig von Kaeso verlangte. Sie verlangte schließlich keine Meisterschaft, sondern nur die Bereitschaft, sich Mühe zu geben und sich neuen Dingen aufgeschlossen zu nähern.

    Das Wissen darum, dass Licinus sie besuchen würde, schien Esquilina sehr zu beruhigen. Nun wurden die Sätze klarer, die Kleine schien aus dem Fieberwahn herauszufinden. Sie konnte Alpina nun erklären dass Lucia und Marei Freundinnen waren und nach der folgenden Beschreibung Lucias als feiner Dame, konnte Alpina 1+1 zusammenzählen. Sie hatte mit Tiberia Lucia in der Kutsche gesessen und bezeichnete die Frau des Statthalters als Freundin. Interessant! Aber verständlich. Schließlich war sie den weiten Weg von Rom über die Alpen mit ihr gemeinsam gereist. Marei hingegen schien nicht mitgekommen zu sein. Es war offensichtlich, dass Esquilina diese Freundin vermisste.
    Alpina dachte nach. "Soll ich Lucia fragen ob sie dich besuchen kommen kann?"
    Vielleicht würde es Esquilina gut tun.


    Schließlich wollte Esquilina etwas trinken. Alpina lächelte und hielt ihr den Becher mit dem Kräutersud hin. Neben Spitzwegerich und Huflattich enthielt er Linden- und Hollerblüten gegen das Fieber. Die schmeckten auch sehr süß, das machte das Gebräu erträglicher.
    "Trink das hier. Es wird dich gesund machen. Und dann klopfe ich dich noch einmal ab, damit sich der Schleim aus deinen Lungen löst und du ihn abhusten kannst. Wie fühlst du dich denn? Hast du Schmerzen?"

    Kaeso schien nicht fassen zu können, dass er eine eigene Kammer bekam. Alpina sah ihn lächelnd an.
    "Es ist eine winzige Kammer, Komfort hast du dort nicht. Aber du kannst dich über dein eigenes kleines Reich freuen."
    Sie wartete bis Kaeso sein neues Refugium begutachtet hatte, dann ging sie weiter.


    Als Kaeso unsicher wurde, was ihn erwarten würde, wenn er für Alpina arbeitete, blieb die Hebamme stehen und stemmte die Hände in die Hüften, sie setzte eine strenge Miene auf.
    "Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut. Ich erwarte nicht, dass du mich von heute auf morgen ersetzen kannst. Aber was ich schon von dir erwarte, ist Einsatz. Wenn ich in der Taberna Medica bin, habe ich nicht ständig mit Kunden zu tun. Es bleibt also genug Zeit um dir die Dinge beizubringen, die du brauchst. Die Kenntnisse über die Kräuter, die Herstellung der Mischungen, Salben und Tränke und vieles mehr. Was das Lesen und Schreiben angeht. Da werde ich meine Freundin Runa fragen. Sie unterrichtet einige Kinder und entweder du kannst dort mit ihnen lernen oder aber sie unterrichtet dich vielleicht sogar persönlich. Übung wirst du in der Taberna Medica genug bekommen. Du wirst Etiketten beschriften, das Kassenbuch führen und Rezepte und Verordnungen lesen und aufschreiben müssen."


    Ein wenig abwartend musterte sie den Jungen. "Du bist noch jung und hast noch viel vor dir. Wenn du dich jetzt reinhängst und lernst, stehen dir alle Wege offen. Dieser kleine Laden kann ein Sprungbrett sein, aber auch eine öde Hölle. Es hängt davon ab was du daraus machst."

    Otavena schien es tatsächlich sehr gut zu gehen. Sie war fröhlich und scherzte. Alpina freute sich. Natürlich war ihr klar, warum die Petronierin zu ihr kam. Sie spielte mit.
    "Vielleicht für eine Salbe gegen Schwangerschaftsstreifen? Wegen eines Tranks gegen die Morgenübelkeit? Oder weil du so gerne mit mir plauderst?"


    Lachend schüttelte sie den Kopf. "Ist schon klar. Wann soll ich dich für eine erste Untersuchung besuchen? Es dauert ja noch eine Weile... "
    Die Hebamme warf einen prüfenden Blick auf Octavenas Umfang. In den nicht wirklich figurbetonten Kleidern der römischen Frauen war eine Schwangerschaft ohnehin lange zu verheimlichen, aber sie konnte noch keinen Schwangerenbauch erkennen.

    Wenn ihn Alpinas Äußerungen enttäuschten ließ sich Babilus das nicht anmerken. Er gab an das Gefühl zu kennen, wenn man nicht wusste, ob jemand noch am Leben war.
    "Du kennst das? Von wem weißt du nicht ob er oder sie noch am Leben ist?", wollte Alpina wissen. Sie hatte Mitgefühl und die Vorstellung, dass sie noch etwas gemeinsam hatten, tat ihr gut.


    Dann sagte er, dass er sich über ihren Brief gefreut hatte. Alpinas Wangen wurden wieder rot. Sie blickte auf ihre Hände, die sich in ihrem Schoß ineineander verschränkt hatten und nervös aneinander rieben. Sie wusste nicht was sie sagen sollte. Ob er überhaupt erwartete, dass sie etwas sagte? Sie folgte seinem Blick und betrachtete wie der Sonnenwagen sich in feurigem Rot dem Horizont näherte. Gleich würde er verschwinden, dann musste Babilus gehen.
    "Ich hoffe, du kommst mich wieder besuchen..." sprach Alpina leise aus, was sie dachte. ".... und wenn du dich über Post von mir freust..."
    Ihr Blick wanderte vom roten Horizont zu den im Abendlicht sehr warm leuchtenden Augen des Tiros. "... dann werde ich dir wieder schreiben."

    Alpina wusste nichts von Kaesos Gedankengängen. Sie setzte die Hausführung fort.
    "Das hier ist das Schlafzimmer von meinem Lebensgefährten Corvinus und mir, naja und von Ursicina im Augenblick auch noch."


    Sie sah traurig auf das große Bärenbett. Es wirkte so leer ohne Corvinus. Er war groß und kräftig. Nur mit ihm an ihrer Seite fühlte sie sich dort wirklich wohl. Die Nächte ohne ihn warf sie sich darin hin und her. Zu groß und zu leer war es. Mit einem tiefen Seufzer zog Alpina die Tür wieder zu.
    "Wenn du mich brauchst, kannst du bei Tag und bei Nacht hier klopfen. Nicht selten klopfen bei Nacht diejenigen an die Tür der Taberna Medica, die meine Dienste als Hebamme brauchen. Deine Kammer ist am Nächsten an dran. Du wirst ihnen öffen und mich rufen müssen."


    Alpina lächelte Kaeso freundlich an. "Trau dich also mich zu wecken. Ich werde nicht böse sein, im Gegenteil. Mein Schlaf ist leicht, erst recht seit ich Ursicina habe."

    Es machte Alpina nichts aus. Schon oft hatte sie diesen Weg eingeschlagen. Mit und ohne Corvinus. Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her. Die meisten Läden hatten bereits geschlossen, es war nicht mehr viel los auf den Straßen und Gassen des Vicus. Nicht weit von der Porta Praetoria setzte sich Alpina auf die Einfassung eines Brunnens. Sie sah ihren Begleiter lange an.
    "Ich habe mich sehr gefreut, dass du gekommen bist. Hoffentlich hast du es nicht seltsam gefunden, dass ich dir einen Brief geschrieben habe... " Sie hielt innen. "Ich weiß auch nicht, warum ich es tat. Es ist eigenartig. Denn ich habe keine Veranlassung dazu... also ich ... äh... weißt du was ich meine... wahrscheinlich ist es weil vieles an dir mich an meinen Lebensgefährten erinnert, den ich sehr vermisse. Er fehlt mir unglaublich. Und die Angst, dass ihm etwas zugestoßen sein könnte, ist schrecklich...."


    Sie sah den Tiro traurig an, denn sie ahnte, dass das nicht das war, was er hören wollte.

    Ursicina hatte lang nicht einschlafen wollen und so dauerte es doch einige Zeit, bis Alpina im Kräutergarten erschien. Sie fand Babilus bei der Betrachtung der Heilkräuter. Ein Lächeln huschte über ihre Lippen. Sie mochte den Tiro. Sie hatte ihn von Anfang an gemocht. Seine offene, neugierige Art - sehr sympathisch.


    Die Hebamme trat zu dem angehenden Legionär. "Das ist Gundermann", sagte sie und deutete auf eine mit zarten blauen Blüten geschmückte unscheinbare Pflanze. "Die Germanen nennen die Pflanze Herr des Eiters, er wird für Tränke und Umschläge bei Eiterungen verwendet. Sowohl wenn ein Zahn unter Eiter steht als auch wenn sich eine Wunde infiziert hat."


    Sie wartete bis er sie wieder ansah. Dann lächelte sie. "Komm, lass uns spazieren gehen. Bald wird es dunkel, dann musst du zurück in die Castra und auch für mich ist es dann besser wieder zuhause zu sein."


    Alpina übernahm die Führung und lotste ihren Gast wieder durch das Gemeinschaftsatrium und durch die Taberna Medica nach draußen.