Beiträge von Susina Alpina

    Endlich! Endlich erschien Corvinus und er sah sehr glücklich aus. Alpina wischte sich die Tränen aus den Augen. Ein zentnerschwerer Brocken fiel ihr vom Herzen.


    Tatsächlich weinte die Kleine auf seinem Arm nun herzzerreißend. Es war wohl alles ein wenig viel für die Neugeborene. Alpina streckte die Arme aus und nahm das Kind entgegen. Mit der Routine einer Hebamme schob sie ihre Tunika hoch und legte die Kleine an die Mutterbrust. Nach anfänglichen Fehlversuchen, die Brustwarze zu fassen zu kriegen, kehrte schließlich Ruhe ein und die frisch gebackenen Eltern konnten das zufriedene Schlucken des Säuglings hören.


    Alpina sah Corvinus selig lächelnd an.
    "Ich hoffe du bist nicht allzu enttäuscht, dass es kein Stammhalter geworden ist."

    Timarcha war mit dem kleinen Mädchen verschwunden und Alpina lauschte angestrengt, ob sie hören konnte, was der frisch gebackene Vater dazu sagte, dass sie ihm "nur" eine Tochter geschenkt hatte.


    Sie wartete, doch aus dem Atrium war kein laut zu hören. Da das Cubiculum der beiden nach hinten hinaus ging und das Fenster doch recht klein war, hörte Alpina nicht den Ausruf der Freude, den Corvinus in die Nachbarschaft schallen ließ.


    Sie wartete und wartete.


    Niemand kam, weder Timarcha, um ihr das Kind zurückzubringen, noch Corvinus. Einzig Lana war zurückgeblieben und stand etwas unsicher herum. Alpinas Herz schlug bis zum Hals. Er war enttäuscht, weil es nur ein Mädchen war. Ganz bestimmt. Sonst hätte sie längst etwas gehört oder er wäre längst bei ihr. Doch er blieb fort.


    Alleine lag Alpina in dem großen Bett an dessen Kopfteil die Bärenfamiilie spielte ohne Kind und ohne den Vater dazu. Die Tränen sammelten sich in ihren Augen.

    Tatsächlich erschien Lana mit Corvinus. Sein Vater folgte mit einigen Schritten Abstand. Da Alpina nicht wusste, dass der neue Praefectus Alae und vor allem seine Gattin Corvinus bereits vor langer Zeit in Rom einmal über den Weg gelaufen waren, war sie gänzlich unverkrampft.


    "Schön, dass du kommst, mein Bär. Darf ich dir jemanden vorstellen? Das hier ist der neue Praefectus Alae der Ala Numidia Aulus Iunius Seneca und seine reizende Gattin Decima Seiana."


    Sie machte eine Geste zu dem Pärchen hin.


    Helvetia Coriolana


    Nach der Ankunft in der Casa Helvetia, als die Riten vollzogen waren und man zum entspannten Teil des Abends überging, wandte sich der neue Praefectus Alae erneut an Lana. Seine BItte, ihm und seiner Frau den Rest der Familie vorzustellen war mehr als berechtigt. Lana errötete.
    "Verzeiht, dass ich noch nicht selbst die Initiative ergriffen habe. Es ist sehr aufrgend heute für mich. Zunächst einmal: willkommen in der Casa Helvetia. Wie ihr vielleicht schon erkannt habt, ist dieses Haus nicht neu gebaut worden sondern aus zwei Häusern zu einem verschmolzen worden. Mein ältester Bruder Lucius bewohnt mit seiner Frau Susina Alpina die eine Hälfte, mein jüngerer Bruder Curio mit Duccia Silvana die andere. Alpina ist Hebamme und Kräuterfrau und betreibt auch die Taberna Medica, die ihr beim Eintreten ins Haus womöglich rechts von der Tür gesehen habt. Sie ist hochschwanger."


    Coriolana sah sich um. Tatsächlich kam Alpina gerade mit einem Tablett voller Becher vorbei.
    "Alpina, kommst du gerade mal her? Ich möchte dich dem neuen Praefectus Alae Aulus Iunius Seneca und seiner reizenden Gattin Decima Seiana vorstellen."


    Die Angesprochene erschien und bot gleich den Gästen die Becher an. Neugierig und mit offenem Blick musterte sie das Paar.
    "Salvete! Wir kennen uns noch nicht. Ich bin Susina Alpina, die Frau von Lucius Helvetius Corvinus, Decurio in der Legio II Germanica. Ich freue mich, euch kennen zu lernen. Was für eine gute Gelegenheit für euch gleich ein paar persönliche Kontakte zu knüpfen. Es war eine gute Idee des Legatus Augusti, euch mit zu dieser Hochzeit zu nehmen. Ich will mal sehen, ob ich Corvinus irgendwo finden kann. Ah, dort drüben steht er. Bei seinem Vater. Lana, magst du mal sehen, ob beide dazu kommen möchten?"


    Coriolana verabschiedete sich, um ihren Vater und den älteren Bruder zu holen. Alpina übernahm die Konversation.
    "Ihr hattet sicher eine lange und anstrengende Reise. Ich bin noch nie jenseits der Alpes gewesen und kann mir kaum vorstellen, wie es ist diese majestätischen Bergriesen zu überwinden. Und ich fürchte Mogontiacum muss euch sehr provinziell vorkommen."


    Sie sah vor allem Seiana an. "Wenn ich irgendwie helfen kann, damit du dich leichter einlebst, dann lass es mich wissen. Ich bin in der Regel leicht zu finden, da ich die Taberna Medica hier im Haus betreibe. Nur in den kommenden Wochen werde ich wohl eine Auszeit nehmen müssen."
    Lächelnd streichelte Alpina ihren dicken Schwangerenbauch.

    Nun war Runa offiziell als Curios Frau in der Casa Helvetia aufgenommen worden. Den Segen der Götter und der Laren und Manen hatten sie erbeten, germanische und römische Bräuche kombiniert. Alpina gefiel diese Hochzeit ausgesprochen gut.


    Es war abzusehen, dass die Festlichkeiten begossen werden sollten. Also begab sich Alpina mit Timarcha und den Haussklavinnen in die Culina um für die Bewirtung der zahlreich erschienen Gäste zu sorgen. Becher wurden herangeschleppt. Wein, Bier und Met ausgeschenkt, Wasser zum Verdünnen des Weins in Karaffen gereicht. Dazu Kleinigkeiten als Gaumenfreude: herzhaft und süß, ganz nach Geschmack. Gebäck, Brot, Nüsse, Käse und kleine Würstchen, Oliven und eingelegtes Obst, dazu aus Alpinas Heimat Raetia Brezen und "Obazdn", eine Käsespezialität.


    Helvetia Coriolana


    Zitat

    Original von Aulus Iunius Seneca: „Und die Feier folgt germanischen Traditionen? Hat deine Familie dazu auch Bindungen?“ fragte sie, noch bevor die Zeremonie dann schließlich stattfand.


    Lächelend schüttelte Coriolana den Kopf als Iunius Seneca fragte, ob sie germanische Bindungen habe. Sie blickte schamhaft zu Boden.


    "Die Feier wird zum Teil germanischen Traditionen folgen, zum Teil den römischen. Meine Familie hat keine germanischen Wurzeln. Mein Vater ist Lucius Helvetius Curvus, ehemaliger Primus Pilus. Meine Mutter Decria Timarcha, ebenfalls Römerin. Allerdings leben wir auf einem Weingut in der Nähe von Noviomagus. Da nimmt man mit Sicherheit im Laufe der Zeit einige einheimische Sitten an. Zumal meine Brüder und ich ja alle hier geboren wurden."


    Coriolana sah mit feuchtem Blick der Vermählung ihres Bruders Iullus zu. Dann reihte sie sich in die Schlange der Gratulanten ein.
    Nachdem die Familien gratuliert hatten, stellte sich Lana wieder an die Seite des Praefectus Alae und seiner Frau. Sie wartete, bis Freunde und Bekannte zu dem Hochzeitspaar vorgedrungen waren. Als sich dann eine Gelegenheit bot, zog winkte sie ihren Bruder zu sich.


    "Iullus, kommst du mal herüber, bitte?"


    Sie wartete, bis ihr Bruder mit Runa im Schlepptau zu ihr und den ihnen noch unbekannten Gästen getreten war.


    "Darf ich dir den neuen Praefectus Alae der Ala II Numidia und seine Gattin vorstellen? Das hier sind Aulus Iunius Seneca und seine Gattin Decima Seiana. Sie sind mit dem Legatur Augusti aus Rom gekommen und nun als Gäste bei deiner Hochzeit."
    Damit trat Lana einen Schritt zur Seite und gab ihrem Bruder die Gelegenheit sich und seine Frau vorzustellen und sich mit den Gästen bekannt zu machen.

    Die Zeremonie fand nach dem Ringtausch und den Gelöbnissen gegenüber den Göttern und gegenüber eingander mit dem Kuss einen krönenden Abschluss. Alpina war gerührt. Sie hatte Tränen in den Augen und drückte ganz fest Corvinus Hand. Die ersten Hürden waren genommen. Nun würde man zum feierlichen Teil in der Duccischen Villa übergehen bevor der Brautzug in das neue gemeinsame Zuhause anstand.


    Alpina und Corvinus reihten sich in die Schlange der Gratulanten ein. Nach Corvinus durfte sie die Freundin und ihren frisch gebackenen Schwager in den Arm nehmen.
    "Ich freue mich so für euch!"


    Sie wischte sich die Tränen der Rührung aus den Augen und schenkte beiden ein strahlendes Lächeln.


    Helvetia Coriolana


    Lana beobachtete, während der etwas chaotischen Vorgänge mit den Duccischen Überraschungsgast, der sich als der Statthalter entpuppte, der die Hochzeit aufgehalten hatte, ein Pärchen, das mit Titus Duccius Vala gekommen war. Er war deutlich als hoher Offizier kenntlich, die Frau an seiner Seite, schien sich noch unwohler auf der sehr germanischen Hochzeitsfeier zu fühlen als ihr Begleiter. Lana beschloss die beiden erst einmal willkommen zu heißen und ihnen den Einstieg ein wenig zu erleichtern.


    Sie schlenderte zu dem Paar hinüber und stellte sich lächelnd vor.
    "Salvete. Mein Name ist Helvetia Coriolana. Ich bin die kleine Schwester des Bräutigams."
    Lana zeigte auf Curio.


    "Ihr seid mit dem Legatus Augusti, Duccius Vala gekommen, nicht wahr? Dann seid ihr vermutlich auch mit ihm aus Rom angekommen. Das Chaos bei der Feier muss euch ein wenig seltsam vorkommen. Aber ich kann euch beruhigen. Nach dieser ungeplanten Verzögerung wird es sicher gleich mit dem Hochzeitsritus losgehen. Kommt, ich begleite euch in den Hain, wo die Vermählung stattfinden wird. Nehmt euch doch gleich noch was zu trinken mit. Wenn ihr Fragen habt oder ich euch jemanden vorstellen soll, sagt es mir ruhig."


    Coriolana griff sich zwei Becher von einem Tablett und drückte sie den Gästen in die Hände. Dann führte sie die beiden zum Festakt.

    Mit banger Sorge sah Alpina nach dem Wesen von dem das wimmernde Geräusch kam und wartete auf die Bestätigung, dass ihre Tochter gesund war. Silvanas und auch Timarchas beruhigende Worte führten dann dazu, dass sie sich wieder auf ihre letzte Aufgabe im Geburtsvorgang besinnen konnte. Sie presste die Plazenta mit den Nachwehen hervor. Auch dieser galt ein sorgenvoller Blick, denn nur wenn sie intakt war, konnte Alpina sich sicher sein, nicht noch eine schmerzhafte Prozedur vor sich zu haben. Doch alles schien in Ordnung zu sein.


    "Bitte, gib sie mir!", flehte Alpina die Schwiegermutter an.


    Ungeduldig wartete sie bis Timarcha ihr das kleine Mädchen in den Arm drückte. Den Kuss erwiderte sie mit einem Lächeln, doch wichtiger war jetzt der erste Kontakt mit ihrer Tochter. Sie schob sanft die Decke beseite und sah in wunderschöne dunkle Knopfaugen. Diesen Anblick würde sie ihr Leben lang nicht mehr vergessen. Wie schön sie war. Ein perfekter kleiner Mensch. Alpina untersuchte alles: 5 Finger an jeder Hand, 5 Zehen an jedem Fuß, zwei Ohren, eine Nase, ein Mund. Da war ein Muttermal an der Hüfte, das ihr auch schon bei Corvinus aufgefallen war. Er würde also kaum in Zweifel ziehen können, dass dies hier sein Kind war. Auf ihrem Köpfchen wuchs ein zarter dunkler Flaum. Liebevoll betrachtete Alpina die Stupsnase und die fein geschwungenen Lippen.


    Jetzt erst hatte sie die Muße, sich ihren beiden Helferinnen zuzuwenden.
    "Vielen, vielen Dank, Runa! Ich glaube ohne deine Hilfe, wäre es nicht so gut ausgegangen. Ich bin dir unendlich dankbar. Und dir natürlich auch, Timarcha. Entschuldige, Lana, ich habe dich noch nicht erwähnt, aber auch du hast deinen Beitrag geleistet. Danke euch allen."


    Die Kleine sah ihre Mutter neugierig von unten herauf an. Sie schien nicht schreien zu wollen. Alpina nahm es lächelnd zur Kenntnis. Nun, sie war kein Junge. Da galt der kräftige Schrei als Zeichen für spätere Stärke und Durchsetzungskraft. Das hatte die kleine Maus hier nicht nötig. Ihre Waffe würden einmal die schönen Augen sein und das Wissen darum, wann es Sinn machte, die Stimme zu erheben und wann man besser schwieg. Schon jetzt schien sie eine Meisterin dieser Kunst zu sein.


    Alpina lauschte Timarchas eigenartiger Bitte an Silvana, sie gleich nach den Riten im Garten sprechen zu wollen, und runzelte die Stirn. Einmischen wollte sie sich jedoch nicht. Deshalb bat sie stattdessen Timarcha: "Würdest du wohl nachsehen, ob Corvinus da ist? Ich würde ihm gerne seine Tochter zeigen."

    Der Schmerz ließ augenblicklich nach als Runa das Kind in den Mutterleib zurückschob. Doch gleich darauf nahm der Dehnschmerz erst richtig zu. Runa musste ja auch ganze Arbeit leisten. Für Alpina dauerte die Entwicklung der Füße nach unten eine Ewigkeit, sie atmete flach, immer in der Angst, die nächste Wehe könnte alle bisherigen Anstrengungen zunichte machen.
    Doch Runa vollbrachte ein Wunder! Sie schien die Beine zu fassen zu kriegen und als sich schon die nächste Kontraktion ankündigte, hörte Alpina wie von fern die Freundin. Sie rief Alpina zum Pressen auf.
    Einatmen. Den Atem sammeln. Nach unten leiten. Druck aufbauen.
    Pressen! Pressen! Pressen!



    "AAAhhhh!!!!"


    Der Schmerz war unbeschreiblich. Er blieb und wurde mehr und noch mehr!


    Dann plötzlich ließ er schlagartig nach!


    Das Geräusch, das sie nun hörte war wie Musik in Alpinas Ohren. Ein kindliches Weinen, leise aber doch hörbar! Die Stimme ihres Kindes. Sie hatte Corvinus Tochter das Leben geschenkt.

    Langsam lichtete sich das Chaos. Nachdem geklärt war, wer der aufsehenerregende Gast nebst Gefolge war und welche Funktion er inne hatte, schienen sich alle Fäden zu entwirren und endlich konnte die Hochzeitszeremonie beginnen.


    Aufatmend hakte sich Alpina bei Corvinus unter und folgte der Gesellschaft in den Hain wo sich die Goden bereits postiert hatten. Gespannt wartete sie auf das Ritual. Sie hatte ja noch nie eine germanische Hochzeit miterlebt.

    Wie ein munterer Herbstwind flog Runa ins Cubiculum. Mit ihrem Temperament und ihrer scheinbaren Sorglosigkeit, löste sie Alpinas Anspannung tatsächlich für einen Moment auf. Bis die nächste Wehe den Beckenboden bis zum Zerreißen spannte. Der Kuss auf die Stirn wurde dennoch dankbar aufgenommen.
    "Ich bin froh, dass du gekommen bist!", sagte Alpina schwach.
    Alles war bereit. Timarcha stand mit dem Tuch da. Nachdem Runa sich desinfiziert hatte und die Bereitschaft signalisierte, dass Kind holen zu wollen, wartete sie nur noch auf Alpinas Einsatz.


    "Du musst die Kleine ein Stück zurück in den Uterus schieben. Dann kannst du vielleicht mit etwas Geschick an ihre Beine kommen. Versuche die Beine an den Knien oder den Füßen, je nachdem was du besser fassen kannst, nach unten zu ziehen. Das beste wäre, wenn du sie daran vorsichtig herausziehen könntest. So wie ich es gefühlt habe, liegt sie mit dem Gesicht nach hinten. Das wäre gut. Dann musst du sie nicht mehr drehen beim Durchtritt durchs Becken. Wir warten die nächste Wehe ab, danach musst du schnell sein. Sollte eine weitere Wehe kommen bevor zu sie fassen kannst, mach eine Pause und setzte erneut an."


    Alpina wartete ab, bis Runa ihr zunickte. Sie atmete tief durch, dann kam schon die nächste heftige Wehe. Alpina ließ einen erstickten Schrei los. Als der Schmerz nachließ, presste Alpina ein "Los jetzt!" hervor.
    Sie schickte ein Stoßgebet an Lucina und krallte die Fingernägel ins Holz des Geburtsstuhls.

    Alpinas Vorschläge erschreckten beide Geburtshelferinnen und während Timarcha den Schnitt nicht vornehmen wollte, konnte sich Coriolana nicht zur eingreifenden Hilfe durchringen. Alpina konnte beide Frauen gut verstehen. Sie machte ihnen keinen Vorwurf. Es machte einen Unterschied, ob man sich im Berufsalltag immer wieder mit solchen Situationen konfrontiert sah oder ob man unerfahren und bar jeder anatomischen und medizinischen Kenntnis war.


    Der Schmerz war kaum mehr auszuhalten. Alpinas Atem ging stoßweise. Sie versuchte sich darauf zu konzentrieren die Luft zum Pressen anzuhalten und nach unten zu lenken. Dadurch ließ sich der Druck auf den Geburtskanal erhöhen. Doch der Schmerz im gespannten Beckenboden war übermächtig. Sie hatte das Gefühl zu zerreißen. Ihr Ausatmen entlud sich in einem Schrei.
    Dazu kam, dass Alpina langsam die Kraft ausging. Bald würde sie nicht mehr mithelfen können. Dann würde die Geburt nicht zu Ende gebracht werden können. Es würde nur noch eines bleiben, um das Kind lebend aus dem Mutterleib zu holen und das würde Alpinas Tod bedeuten.


    Als Timarcha letztlich Lana losschickte, Runa zu holen, schöpfte Alpina neue Hoffnung. Der Freundin traute sie den benötigten Mut zu, den Eingriff vorzunehmen. Ihr Atem beruhigte sich wieder und sie wartete ungeduldig auf Runas Erscheinen.

    Es schien Corvinus Wunsch zu sein, sie glücklich zu machen. Einzig ihr Wohlgefühl war das Ziel seiner zärtlichen Bemühungen. Nach all dem, was sie schon erlebt und durchgemacht hatte, eine wundervolle Erfahrung. Alpina ließ sich also gehen, sie genoss vor Entzücken aufstöhnend das sie durchströmende Gefühl des Höhepunktes.
    Langsam verebbte dieses ekstatische Erlebnis und hinterließ eine große Dankbarkeit, die Alpina noch eine Weile nachschwingen ließ.
    Gerne hätte sie das Geschenk erwidert, ihm die gleiche Freude bereitet, wie er ihr. Sie litt unter der Vorstellung, dass er zu kurz gekommen war. Doch Corvinus machte den Eindruck, dass ihn das nicht störte.


    Alpina löste den Kopf vom Beckenrand und schlang die Arme um Corvinus Hals. Sie schmiegte sich eng an ihn. Leise flüsterte sie in sein Ohr. "Du weißt, dass ich dir vollkommen verfallen bin?"


    Noch eine ganze Weile genossen sie gemeinsam die Wärme des Wassers, kuschelten sich aneinander und zeigten sich die gegenseitige Zuneigung mit Streicheleinheiten und Zärtlichkeiten. Dann wickelten sie sich in die angewärmten Handtücher und dösten ein wenig auf dem warmen Fußboden.

    Lana und Neman trugen den Geburtsstuhl herein. Alpina bat die beiden ihn so hinzustellen, dass Timarcha ausreichend Licht von dem einzigen, recht kleinen Fenster bekommen konnte. Neman drapierte die Tücher darunter und drumherum. Dann schob Alpina der Schwiegermutter einen Hocker hin.


    Sie setzte sich auf den Stuhl. Kaum hatte sie die Sitzposition eingenommen, ließ die nächste Wehe sie aufschreien. Alpina stützte sich mit den Armen auf der Lehne des Stuhles ab und stemmte die Füße in den Boden. Diesmal blieb der Schmerz länger, verebbte nur langsam.
    DIe Hebamme sah die vierfache Mutter an.
    "Wenn du möchtest, kannst du dir jetzt ein Bild vom Fortgang der Geburt machen. Der Muttermund ist an sich schon weit genug geöffnet, doch die Lage verhindert ein leichtes Durchtreten des Kindes durch den Beckenboden. Auch wenn diese Wehe schon recht kräftig war, reicht die Kraft der Kontraktion noch lange nicht aus, das Kind mit dem Hinterteil voran hinauszuschieben."


    Sie wartete ab, bis Timarcha sich begutachtend und tastend einen Überblick verschafft hatte. Dann stand sie wieder auf.
    "Ich glaube es ist besser, wenn ich noch etwas gehe und noch einmal einen Becher Diptamtrank zu mir nehme."




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    Stunde um Stunde lief Alpina auf und ab, stützte sich an den Möbeln ab und setzte sich wieder auf den Geburtsstuhl. Die Wehenabstände wurden kürzer, die Kontraktionen kräftiger. Die Kerze für Iuno Lucina brannte langsam herunter. Mit Timarchas Hilfe und von hinten von Lana gestützt versuchte sie das Kind hervorzupressen. Doch vergeblich. Langsam schwanden Alpinas Kräfte. Sie schrie, sie flehte, sie weinte. Als alles nicht half, sah Alpina Timarcha durchdringend an.
    "Wir haben nur noch zwei Möglichkeiten. Beide sind nicht schön. Die erste: ein Dammschnitt. Du müsstest das Kind ein wenig hochschieben, um Platz für das Skalell zu schaffen, den Damm einschneiden und dann während einer Presswehe das Kind hervorholen. Die andere Methode erfordert etwas Geschick und eine schmale, biegsame Hand."


    Alpina sah zu Coriolana hinüber.
    "Jemand muss mit geölter Hand in den Uterus greifen und das Kind ein Stück nach oben schieben. Dann könnte diese Hand versuchen die Beine nach unten zu ziehen."


    Sie wusste, dass beide Varianten sehr viel Mut erforderten. Alpina als versierte Obstetrix würde es mit der zweiten Variante versuchen, hatte aber auch Verständnis wenn sich ihre beiden Helferinnen das nicht zutrauten. Ihr Blick wanderte von Lana zu Timarcha.

    Als Lana mit Neman gegangen war um den Geburtsstuhl zu holen, waren Alpina und Timarcha allein. Auf die Frage in welchen Abständen die Wehen kämen, antwortete Alpina wahrheitsgemäß.
    "Inzwischen relativ regelmäßig, die Abstände sind noch ausreichend so dass ich mich ein wenig erholen kann dazwischen. Etwa 8-10 pro Hora. Sie sind auch noch nicht sehr stark. Ich habe nicht das Gefühl, dass das Kind nach unten drückt. Aber vorhin habe ich es ertastet. Der kleine Po liegt vor dem Muttermund, die Beine sind nach oben geklappt. Das wird ein hartes Stück Arbeit werden."


    Alpina versuchte zu lächeln. "Dafür weiß ich schon, was es werden wird. Du wirst es dann wohl nacher auch tasten können oder besser gesagt, nicht tasten können."


    Ihr vielsagender Blick traf die Schwiegermutter. "Leider kein Stammhalter für die Helvetier."
    Bedauernd hob Alpina die Schultern. Sie wusste noch nicht, wie Corvinus es aufnehmen würde. Die meisten Männer wünschten sich einen Sohn. Er vermutlich auch, doch sie würde ein Mädchen gebären. Wenn die Kleine denn geboren werden würde...


    Neman führte Timarcha zum Cubiculum ihrer Herrin und klopfte an.
    "Herrin, ich habe Decria Timarcha mitgebracht, die junge Helvetia Coriolana sollte auch in Kürze dazukommen."


    Alpina öffnete die Tür und ließ beide ein. Zu Timarcha gewandt sagte sie:
    "Guten Morgen, Timarcha. Es tut mir leid, dich so früh wecken zu müssen. Du hattest sicher nur eine kurze Nacht. Um so mehr danke ich dir für deine Hilfe."


    Dann bat sie die Sklavin noch um ein paar Dienst.
    Besten Dank, Neman. Könntest du mir noch zwei Gefallen tun. Ich bräuchte einen Krug mit abgekochtem noch heißen Wasser und wenn es möglich ist, bring mir auch bitte den Geburtsstuhl, den der Schreiner erst kürzlich geliefert hat. Er steht in der kleinen Kammer neben der Taberna Medica. Wir wollen doch sehen ob er seinen Zweck erfüllt."


    Kaum hatte Alpina den Satz beendet und die Sklavin den Raum verlassen, da krümmte sie sich auch schon wieder unter einer Wehe. Mit einem verkniffenen Lächeln sah sie Timarcha an.
    "Du hattest mich ja vorgewarnt, dass die helvetischen Kinder es ihren Müttern nicht leicht machen. Dieses hier ist besonders widerspänstig. Es hat sich nicht gedreht und weil das Fruchtwasser bereist abgegangen ist, werden wir auch keine äußere Wendung mehr versuchen können. Ich fürchte, es kommt eine schwere Aufgabe auf dich zu, TImarcha. Es wird in jedem Fall eine Steißgeburt werden. Du wirst heute den Kurzlehrgang zur Obstetrix absolvieren müssen."


    Neman


    Es dauerte eine Weile bis die Erkenntnis zu Timarcha durchgedrungen zu sein schien, dass Alpina ihre Hilfe benötigte. Dann aber kam Leben in die Helvetia. Sie bat darum, dass Neman auch ihre Tochter weckte.
    Die Sklavin wollte gerade weitergehen, um Coriolana zu wecken, als sich die Tür erneut öffnete. TImarcha fragte nach der Lage des Kindes im Mutterleib. Neman zuckte mit den Achseln.


    "Es tut mir leid, Helvetia Timarcha. Das hat sie mir nicht gesagt. Du wirst sie selbst fragen müssen."


    Timarcha nahm die Antwort zur Kenntnis und schloss die Tür. Neman beeilte sich, die zweite Geburtshelferin zu wecken. Auf dem Rückweg zum Cubiculum ihrer Herrin traf sie mit der bereits angezogenen Schwiegermutter Alpinas zusammen. Gemeinsam legten sie das letzte Stück zurück.


    Neman


    Der Sklavin war durchaus bewusst, dass sie ungelegen kam. Doch Geburten halten sich eben selten an Wunschterminpläne. Also ignorierte Neman das säuerliche Gesicht Timarchas.


    "Es tut mir leid, dich so früh zu stören, Decria Timarcha, aber meine Herrin Alpina schickt mich. Die Wehen haben eingesetzt. Sie bat mich, dich zu informieren, dass es zwar nicht eilig ist, dass das Kind aber vermutlich in einigen Stunden geboren werden wird. Soll ich auch eure Tochter Helvetia Coriolana wecken oder übernimmst du das?"