Beiträge von Susina Alpina

    Kichernd zogen sich Runa und Alpina in die Taberna Medica zurück. Kaum hatte Alpina die Tür hinter sich geschlossen als sie auch schon prustend loslachte.
    "Entschuldige bitte, Runa. Aber Curio ist schon eine Spaßbremse, oder nicht? Kann er nicht mal für einen Augenblick seine Toga sinken lassen und die Tunika des Lausbuben rauslassen?"


    Mit einem prüfenden Blick sah sie sich in der Taberna Medica um. Seit der Entbindung war sie nicht hier gewesen. Mit schwerem Herzen überließ sie Runa die Arbeit in ihrer Taberna. Bald jedoch wären die 40 Tage vorrüber, dann würde sie Ursi einfach mitnehmen und die Arbeit wieder aufnehmen.
    Während sie auf eine Antwort der Freundin wartete, begann sie Kräuterbehälter und Gläser hin und her zu räumen.

    Der ernste Blick mit dem ihr Schwager sie und Runa bedachte, die sichtlich Spaß an der kleinen Abwechslung vom sonst so langweiligen Alltags in der dunklen Jahreszeit hatten, ließ keinen Zweifel, er war eine Spaßbremse. Alpina warf Runa einen augenrollenden Blick zu und antwortete gestelzt.
    "Sehr wohl, Hausherr! Wir albernen Gören werden den geschätzten Aedituus Iullus Helvetius Curio nicht weiter bei seiner mehr als verantwortungsvollen Aufgabe stören und uns in die Taberna medica zurückziehen. Ich gebe allerdings zu bedenken, dass deine Revanche noch aussteht, werter Schwager. Für den Fall, dass du vor den Augen der Dienerschaft und deiner Frau nicht als Feigling dastehen möchtest, lade ich dich später zum Duell mit weichen, weißen und runden Waffen in den Hortus der Casa."


    Schwungvoll drehte Alpina sich um, hakte sich bei Runa unter und verschwand mit ihr in Richtung der Taberna Medica.

    Alpina sah irritiert von einem zum anderen. Dann musste sie lachen als Runa sich ihrer Hilfe versicherte.
    "Dann wollen wir mal den Wunsch deines Gatten und meines Schwagers erfüllen."


    Alpina winkte Neman heran und drückte ihr Ursicina in den Arm. Nachdem die Kinderfrau die Kleine in Sicherheit gebracht hatte, gab die Hebamme vor mit Runa in die Taberna Medica zu gehen. Doch als sich Curio schon wieder dem Schneeschaufeln widmen wollte, bückte sich Alpina schnell noch einmal und kratzte den Schnee zu einem Ball zusammen. Blitzschnell flog er über das Impluvium hinweg und traf den Schwager an der Schulter. Der Ball zersprang und die Schneespritzer trafen auch Akanthos und Gwyn, die neben ihm standen.
    Lachend bückte sie sich ein weiteres Mal um vorsichtshalber einen Schwung Munition zu machen. Ihr schelmisches Augenzwinkern galt Runa.

    Es war kalt in Alpinas Bett. Corvinus war mal wieder im Castellum und sie lag alleine in dem großen Bärenbett. Nein, nicht ganz alleine. Wenn ihr Lebensgefährte nicht bei ihr war, hatte Ursicina das Privileg bei Mama schlafen zu dürfen. Schützend zog Alpina also die Decken noch ein wenig über den Körper des schlafenden Kindes.
    Wie schon zu erwarten war, wachte die Kleine davon auf und gab deutlich zu verstehen, dass sie Hunger hatte. Alpina stillte also zunächst das hungrige Kind. Dann aber trieb es sie aus dem Bett und weil es so bitterkalt war, zog sie gleich eine langärmlige wollene Tunika und eine warmes Überkleid darüber. Die kleine Ursicina wickelte sie der Einfachheit halber in eine dicke Wolldecke.


    Aus dem Atrium waren Stimmen und eigenartige Geräusche zu hören. Alpina konnte diese nur schlecht einschätzen. Neugierig begab sie sich dorthin. Als sie gerade um die Ecke bog, flog ein verirrter Schneeball an ihr vorbei und zerschellte an der Wand. Spritzend verteilten sich die Schneebrocken in der Umgebung. Entgeistert starrte Alpina auf das Geschehen im Atrium. Schnee! Es hatte durch das Impluvium ins Haus geschneit. Und nicht nur das, die Sklaven und Curio waren eifrig beschäftigt den Schnee in Eimer zu schaufeln, während sich Runa einen Spaß daraus machte, ihren frisch angetrauten Ehemann mit Schneebällen einzuseifen. Sie kicherte übermütig und hätte beinahe Alpina und Ursicina damit getroffen.
    "Guten Morgen, beisammen!", rief sie den Schaufelnden und ihrer Freundin entgegen. "Hat Skadi auch den Übermut mitgebracht oder nur jede Menge Schnee?"

    Als Curio Alpina fragte, ob sie für die Lustratio bereit wären, nickte sie.
    Runa, Timarcha und Lana traten an ihre Seite, denn alle mussten sie schließlich rituell gereinigt werden. Alpina flüsterte der Freundin ins Ohr: "Du hast die Räume wunderschön hergerichtet. Ich danke dir für diesen feierlichen Rahmen. Und Alruna täte es auch wenn sie schon sprechen könnte."


    Nur einen Augenblick später wandte Alpina ihre volle Aufmerksamkeit wieder dem in die Toge gehüllten Schwager zu. Mit fester Stimme sagte sie. "Wir sind für die Lustratio bereit."


    Als auch aus der Decke auf ihrem Arm ein leises Quäken zu hören war, musste Alpina unwillkürlich grinsen. Ja, auch Ursicina war bereit. Sanft schaukelte die Raeterin das Bündel hin und her bis wieder Ruhe eingekehrt war und die Zeremonie beginnen konnte.

    Die erste Woche hatten Mutter und Tochter gut überstanden. Nach anfänglicher Schwäche war Alpina, dank der Fürsorge ihrer Schwiegermutter und ihrer Schwägerin Runa, langsam wieder zu Kräften gekommen. Ihre Furcht vor einem Wochenbettfieber erwies sich als unbegründet. Die kleine Ursicina hatte glücklicherweise die Mutterbrust angenommen und legte nun auch an Gewicht zu.


    Am sechsten Tag nach der Geburt, fiel der Nabelrest ab. Die Narbe war noch ein wenig gerötet aber nicht entzündet. Alpina badete die Kleine gemeinsam mit Neman und wickelte sie. Dann zog sie ihr die eigens für diesen Tag selbst geschneiderte winzige Tunika an. Lächelnd betrachtete die Mutter ihren Spross in dem blütenweißen Kleidchen. Es war an der Zeit, ins Atrium zu gehen, die Reinigungsriten zu vollziehen und der Familie sowie den Lares und Penates des Hauses, das neue Familienmitglied namentlich vorzustellen.

    Als sie den Raum betrat, staunte Alpina, wie schön Runa alles arrangiert hatte. Da es zu dieser Jahreszeit kaum mehr blühende Pflanzen gab, hatte die Freundin den Raum mit Girlanden aus bunten Blättern, Hagebutten und anderen farbigen Früchten sowie immergrünen Zweigen geschmückt. Auch der Hausaltar, das Lararium, war mit ebensolchen Girlanden geschmückt. Alles war für das Reinigungsritual, das Opfer an die Lares und Manes und die feierliche Namensverkündung vorbereitet.
    Im angrenzenden Triclinium war alles für ein kleines Prandium gerichtet, das im Anschluss an den rituellen Teil des Familienfestes, vorgesehen war.


    Alpina strahlte. Auch wenn ihr Körper noch nicht ganz wieder die schlanke Silhouette zeigte, wie vor ihrer Schwangerschaft, trug sie bereits wieder ihre raetische Tracht, in der sie sich besonders wohl fühlte und auf die sie bei diesem feierlichen Anlass auch nicht verzichten wollte. Über der dunkelgrünen, langärmligen Tunika, fiel die hellgrüne Übertunika in einem tiefen Bausch. Über diesem hing der mit Bronzeplättchen versehene Gürtel weit herab und endete in einigen klimpernden Talismanen. Zwei große Flügelfibeln fixierten die Übertunika auf dem Untergewand. Eine zierliche Gliederkette verband die traditionellen raetischen Fibeln vor der Brust. Das Haar trug sie hochgesteckt.


    Mit stolz geschwellter Brust trug Alpina ihre in ein Wolltuch gewickelte Tochter ins Atrium. Ihr erster Blick galt Corvinus, der an der Seite seines Bruders Cornutus stand. Dann wanderte er hinüber zu Curio und Runa, den Schwiegereltern sowie zu Lana. Sie grüßte alle mit einem freundlichen "Salvete!"
    Die anwesenden Sklaven bedachte Alpina mit einem begrüßenden Lächeln.

    Runa sagte zu, die Organisation des dies lustricus zu übernehmen. Alpina freute sich darüber und beeilte sich, die Freundin zu beruhigen.
    "Nein, außer der Familie möchte ich niemanden einladen. Ich wüsste ja auch nicht wirklich, wen ich sonst einladen sollte. Unser Kind ist ein peregrines Mädchen, also in zweifacher Hinsicht, zumindest aus Sicht eines römischen Bürgers, keine Feier wert. Wenn man es genau nimmt, ist Ursicina ja noch nicht mal eine Helvetia. Aber ich denke, es sollte auf diese Weise schon deutlich werden, dass es nicht nur mein Kind ist."


    Liebevoll betrachtete Alpina ihre Tochter. Was würde sie darum geben einen Blick in die Zukunft dieses kleinen Wesens werfen zu können. Sie musste sich förmlich losreißen, um Runa aufzuzählen, wer alles eingeladen sein würde.
    "Also hält sich der Rahmen in Grenzen. Neben den vier Helvetiern, die bald abreisen, werden nur Curio und du, sowie wir zwei...äh... drei daran teilnehmen. Am liebsten wäre mir, wenn wir keinen großen Aufwand betreiben. Vielleicht nur einen Umtrunk und eine leichte Mahlzeit dazu. Was denkst du?"

    Wenige Tage nach der Geburt ihrer Tochter brachte ein Bote einen Brief für Alpina aus ihrer Heimatstadt Augusta Vindelicum.




    Ad
    Obstrice
    Susina Alpina
    Casa Helvetia
    Vicus Cabanae Mogontiaci
    Germania Superior


    Carissima Sorore Alpina,


    was muss ich von unserer Mutter erfahren? Du erwartest ein Kind? Wieso teilst Du mir das denn nicht selbst in einem Brief mit? Du bist ohnehin schrecklich schreibfaul, meine kleine Schwester! Wie ich höre, hast auch Du Dein Herz an einen Soldaten verloren. Nun, wollen wir hoffen, dass er Dir nicht das Herz bricht und dich sitzen lässt, wie unser Vater unsere arme Mutter. Das hat sie völlig zerstört. Du solltest sehen, wie sie seither abgebaut hat. Es ist wirklich erschreckend. Aus diesem Grund ist es auch völlig unmöglich, dass sie zu Dir nach Germania Superior reist, um Dir bei der Geburt zur Seite zu stehen, auch wenn sie das natürlich sofort wollte. Ich habe es ihr verbieten müssen. In ihrem Zustand ist das ein Ding der Unmöglichkeit.


    Weil wir aber alle recht neugierig auf den neuen Erdenbürger sind und meine beiden Kinder zu gerne den neuen Consobrinus kennenlernen würden, bietet Dir mein Gatte folgendes an: Er schickt Dir einen Reisewagen und eine Eskorte, die Dich und das Kind sicher und wohlbehalten zu den Saturnalien zu uns nach Raetia bringen werden. Wie findest du das?


    Bitte lehne dieses Angebot nicht ab und schreibe mir schon in den den nächsten Tagen zurück. Und natürlich erwarte ich auch, dass Du uns sofort schreibst, wenn das Kind zur Welt gekommen ist!


    Vale bene, Ilara

    Es war zu erwarten gewesen, dass gerade die Tatsache, dass Curio von der Duccischen Familie noch mit leichter Skepsis betrachtet wurde, dazu führte, dass sich das frisch gebackene Ehepaar in Zugzwang sah, was die "Produktion" von Nachkommen anging. Curio und Runa taten Alpina leid. Bei ihr würde sich keiner wundern oder an eine "Scheidung" denken, wenn sich kein Nachwuchs einstellte. Runa hingegen würde - obwohl noch reichlich jung - zur Zuchtstute. Mindestens einen Spross musste sie wohl bald nachweisen können.
    Also nickte Alpina und lächelte aufmunternd. "Ich bin auf jeden Fall an deiner Seite, wenn es soweit ist."

    Dann aber musste die Hebamme sich wundern wie naiv ihre junge Freundin war. Aber woher sollte sie auch von den Grausamkeiten der Welt wissen. Sie war behütet in der Duccischen Familie aufgewachsen. Dort schien es nach außen hin zumindest zivilisiert zuzugehen. Wobei die Fassade ja getüncht sein konnte. Nach außen hin gaben die übelsten Dreckschweine schließlich den Saubermann. Deshalb nickte Alpina diesmal mit einem traurigen Gesicht.
    "Du hast keine Ahnung was Frauen erdulden müssen, Runa. Und sei froh, wenn du es nie erfahren musst. Zumal nicht am eigenen Leib. Die Bedürfnisse von Frauen spielen in dieser macht- und männerzentrierten Welt kaum eine Rolle. Und wenn ich mir den Vater unserer beiden Männer so ansehe, glaube ich kaum, dass die beiden Brüder es von ihm so gelernt haben. Vielleicht haben wir einfach Glück... zumindest so lange sie uns lieben...."


    Alpina schwieg wieder. Am Anfang war jede Liebesbeziehung von Euphorie geprägt. Hatte sich erst der Alltag eingespielt und tauchten die ersten Missverständnisse und Schwierigkeiten auf, würde sich erst zeigen, wie lange dieses Gefühl vorhielt.


    Runa kam Alpinas Aufforderung nach und holte ihre Tochter aus der Wiege. Kuss und Lächeln zeigten, dass auch sie schon dieses besondere Gefühl in sich trug, das eine Mutter ihrem Kind entgegen bringt. Noch schlief diese Mutterliebe, würde aber spätestens dann geweckt werden, wenn Runa den ersten Blick auf ihr eigenes Kind werfen würde.
    Alpina legte das Kind an. Während Ursicina trank, sprach Alpina noch ein weiteres Thema an.


    "Corvinus und ich haben beschlossen, einen dies lustricus im Kreise der Familie zu feiern, sobald der Nabelrest abgefallen ist. Es wird die letzte gemeinsame Feier sein, bevor Curvus, TImarcha, Lana und Cornutus abreisen. Da ich noch nicht wieder so viel aufstehen und laufen kann, wollte ich dich bitten, ob du mir bei der Organisation der Feier helfen kannst? Timarcha hat schon die Hochzeit fast alleine durchziehen müssen, weil ich keine große Hilfe mehr war. Ich würde sie gerne entlasten. Willst du das übernehmen?"
    Es würde eine gute Gelegenheit für Runa sein, ihr Ansehen als Hausvorstand in den Augen Timarchas noch zu steigern.

    Zitat

    Original Lucius Helvetius Corvinus:
    Der Blick den er ihr nach diesem Vorschlag zuwarf drückte eine Mischung aus Unglauben und dem Vorwurf des Wahnsinns aus.
    "Das geht doch nicht, wir zerquetschen das kleine Bärchen doch im Schlaf?"


    Vorerst blieb seine Hand da wo sie war. Fühlte sich auch gar nicht so schlecht an.
    Um Alpina noch etwas Zeit zu geben sich von ihrem Wahnsinn, wahrscheinlich Nachwirkungen der Geburt, zur erholen antwortete er noch auf die anderen Dinge.


    "Dann machen wir es doch so. Wenn der Nabel abgefallen ist feiern wir mit der Familie und wenn du wieder kannst und darfst gehen wir Iuno und Epona opfern. Wenn es die Regeln nicht so vorschreiben kann es auch gerne mehr als ein Sesterz sein. Da will ich mich nicht lumpen lassen. Auch wenn ich bis dahin vielleicht was für das Opfer besorgen soll sag nur was!"


    Schmunzelnd beobachtete sie Corvinus, diesen Bären von einem Mann, wie er das zarte Geschöpf mit seiner Pranke hielt und diesen Körperkontakt offensichtlich genoss. Seine Antwort und der Gesichtsausdruck ließen erkennen, dass er sich den Säugling im Ehebett nicht vorstellen konnte. Alpina hob belustigt die Augenbrauen, ihr Blick wanderte an seiner Statur herab.
    "Nun ja, wenn ich mir dich so ansehe, wäre sie vermutlich platt wie ein Fladenbrot, wenn du dich über sie rollst..." Ihre Mimik verriet, dass das ein Scherz war.
    "Du kannst mir aber glauben, dass es durchaus nicht ungewöhnlich ist und bestimmt noch ab und an vorkommen wird, dass Ursi bei uns im Bett liegt, zumindest für eine Weile, bis sie eingeschlafen ist oder wenn sie krank ist und die Nähe einfach braucht. Sie scheint sich auch recht wohl auf deiner Hand zu fühlen."
    Tatsächlch schien die Kleine eingeschlafen zu sein.


    Auf Corvinus Vorschläge hin nickte Alpina. "Gut. Ich freue mich, dass du es genauso siehst."
    Sie schlug die Decke ein wenig zurück und strich mit der Hand über den freien Platz neben sich.
    "Wenn du dich irgendwann von deiner Tochter losreißen kannst, würde ich mich freuen, wenn du mir noch ein wenig Gesellschaft leistest. Ich habe das dringende Bedürfnis nach Anlehnung. Darf ich das sagen?"


    Sie sah ihn vorsichtig von unten herauf an. Langsam fiel die Anspannung nach der anstrengenden, gefahrvollen Geburt und der Angst, dass er sich nicht über ein Mädchen freuen würde von ihr ab. Alpina realisierte erst jetzt so richtig, welches Glück sie gehabt hatte, dass Ursicina und sie selbst die Geburt überlebt hatten.

    Alpina hörte Corvinus´ Erklärung nicht mehr, woher sich die drei kannten. Sie sah nur noch, während sie auf ihrem Stuhl darauf wartete, dass die Wehe verging, dass auch der Praefectus Alae irritiert drein blickte. An seinem Gesichtsausdruck war zu erkennen, dass er sich fragte, wie er die offensichtliche Lüge seiner Frau einzuschätzen hatte. Als er Alpina ein Glas Wasser anbot, nickte sie erschöpft. "Gerne, danke!"


    Corvinus bemerkte nun auch, dass Alpina nicht mehr an seiner Seite war und kam zu ihr. Besorgt erkundigte er sich ob alles gut sei. Sie hob den Blick und sah ihm in die Augen - versuchte darin die Wahrheit darüber zu lesen, was ihn mit der Frau des Iuniers verband. Doch sie las tatsächlich nur die Sorge um ihren Zustand darin. Sie hielt den Blick länger als notwendig. Wenn es etwas gab, was er ihr zu sagen hatte, würde er die Aufforderung darin lesen können. Wenn nicht, würde Alpina nicht nachhaken. Dann würde es irgendwann Zeit und Raum dafür geben.


    Der Schmerz war vorüber, die Nadelstiche der Eifersucht hatten sich gelegt. Sie hinterließen ein taubes Gefühl. "Ja, danke. Jetzt geht es wieder. Der Tag ist sehr anstrengend für mich."


    Sie nahm den Arm, den er ihr bot und stand wieder auf. Inzwischen war auch das Wasser da. Alpina leerte es durstig. Sie hatte definitiv zu wenig getrunken und schalt sich selbst, weil sie wusste wie wichtig das in ihrem Zustand war. Tapfer lächelte sie Corvinus an. "Eine Bärin läßt sich nicht unterkriegen!"

    Als die Freundin zu Boden sah und äußerte, dass sie Angst davor hatte, eigene Kinder zu bekommen nach dem, was sie bei der Geburt der kleinen Ursicina erlebt hatte, drückte Alpina ihre Hand ganz fest.


    "Ich kann deine Furcht verstehen und leider muss ich auch sagen, dass es in deinem jungen Alter noch gefährlicher ist als in meinem reifen Alter." Alpina war immerhin schon bald 21. Runa noch ein junges Mädchen. "Meine Mutter hat mir dringend geraten, zu warten mit der ersten Schwangerschaft und nach meiner eigenen Erfahrung als Hebamme und Mutter kann ich das gut heißen. Von mir wird aber auch nicht erwartet eine Dynastie voranzubringen. Ich bin die Geliebte eines Soldaten, das Kind unser Schicksal, weder geplant noch für eine große Karriere vorgesehen. Auch wenn ich einen Sohn geboren hätte, wäre er Peregriner wie ich und somit nicht wichtig für das Ansehen der Helvetier. Ich habe dir schon einmal angeboten, dass ich weiß wie man eine Schwangerschaft verhinden kann... " Alpina führte das Thema nicht weiter aus. "Das wird aber vermutlich nicht für dich und Curio in Frage kommen. Ich kann dir nur sagen, dass es sehr positive Geburten gibt. Die von Octavena war keine schwere und komplizierte Geburt. Aber in den Cabanae und auch in so manchem anderen Haus der Stadt habe ich schon Dramen erlebt. Das gehört zu meinem Beruf. Die Götter entscheiden über unser Schicksal und das unserer Kinder.... und noch sind Alruna und ich nicht über den Berg. Es geht uns gut, aber die ersten Wochen und Monate sind immer eine Herausforderung für Mutter und Kind. Du musst einfach darauf vertrauen, dass die Götter es gut mit euch meinen. Curio haben sie eine große Nachkommenschaft prophezeit. Wollen wir hoffen, dass damit eure gemeinsamen Kinder gemeint sind. Dann musst du wohl nicht befürchten, im Kindbett zu bleiben."


    Sie drückte die Hand noch einmal fest und lächelte aufmunternd. Auf Runas indirekte Frage, ob sie eine furchtbare Ehefrau war, schüttelte Alpina energisch den Kopf.
    "Nein, bist du nicht. Du bist die beste Frau, die Curio sich wünschen kann und er weiß das auch. Er wird deine Ängste verstehen und glaub´ mir, er wird auch Angst um dich haben, wenn es erst soweit ist, dass du in Wehen liegst. Das Glück, das ihr beiden in Händen haltet ist geliehen. Es kann schon bald vorbei sein. Dehalb halte diese Momente fest, halte ihn fest und genieße diese Zweisamkeit ohne darüber nachzudenken, was es für Folgen haben kann."


    Sie hörte grinsend der Beschreibung der zweiten, ersten "richtigen" Nacht zu und nickte. Corvinus und ihr waren noch nicht viele solche Nächte vergönnt gewesen. Er war viel im Dienst und ihre Schwangerschaft hatte ihn wohl auch vorsichtig sein lassen. Alpina jedenfalls hoffte darauf, dass sich in einigen Wochen, wenn sein Dienst es zuließ, auch wieder Zeit für Zärtlichkeit einstellen würde.
    "Es freut mich jedenfalls zu hören, dass es keine lästige Pflichterfüllung für dich ist und Curio es offensichtlich versteht, dir Freude zu bereiten. Da hast du viel Glück. Das ist sicherlich nicht die Regel. Ich höre ja oft die Klagen der Frauen und viele Männer sind nur wenig darauf bedacht, dass ihre Partnerin Spaß an der Sache hat. Das funktioniert in meinen Augen ohnehin nur, wenn man sich liebt. Andernfalls..."


    Alpina sprach nicht zu Ende. In ihrer beruflichen Arbeit mit Frauen hörte sie viele Klagen über sexuelle Gewalt und männlichen Egoismus. Wenn gegenseitiger Respekt und Liebe fehlten war der Schritt klein zwischen "Überreden" zum Sex und Gewaltausübung um zu "seinem Recht" zu kommen. Nicht wenige der Kinder, die sie auf die Welt geholt hatte, waren das Erzeugnis sexueller Gewalt in der Ehe oder einer Vergewaltigung durch Fremde, Freunde oder Familienmitglieder. Abgründe taten sich auf, wenn man genauer hinsah. Doch damit wollte Alpina die junge Freundin nicht belasten, die sich ohnehin schon so viele Sorgen machte.


    Aus der Hängewiege ertöte ein leises Jammern, das sich schnell zu einem ausgewachsen Schreien nach der Mutterbrust verwandelte.
    "Möchtest du erleben, warum man so schnell die Scherzen der Geburt vergisst. Dann darfst du Alruna aus der Wiege holen und mir bringen. Riech einmal an ihr und halte sie ganz eng an deinem Körper. Das Gefühl ist wunderschön und unbeschreiblich wenn man ihr zusieht wie sie zufrieden trinkt. Ich könnte sie den ganzen Tag lang ansehen..."

    Natürlich merkte Alpina, dass ihre junge Freundin sehr mitgenommen war von den Erfahrungen "ihrer" ersten Geburt. Alpina war es nicht anders gegangen als sie damals zum ersten Mal ihrer Mutter bei einer Entbindung assistiert hatte. Auch jene Geburt war komplikationsreich gewesen.


    "Runa, was du getan hast, war alles andere als selbstverständlich. Es war sehr, sehr mutig! Und ich weiß, dass dich das Erlebte mit Sicherheit noch eine Weile in deinen Träumen verfolgen wird. Es ist aber nicht so, dass jede Geburt so schwierig und handwerklich herausfordernd ist. Mit Schmerzen ist sie aber in jedem Fall verbunden. Doch was sind schon die Schmerzen, im Vergleich zu dem Glücksgefühl danach. Ich habe Alruna oder Ursicina das Leben geschenkt! Hoffentlich ein langes Leben! Das zählt und die Schmerzen sind schnell vergessen... naja, fast jedenfalls. Natürlich bin ich noch nicht wieder die Alte, das Wasser lassen brennt noch wie Feuer... aber sie ist einfach perfekt und Corvinus hat sich auch gefreut, obwohl sie nur ein Mädchen ist."


    Alpinas Augen strahlten und sie umarmte Runa.
    "Was den Geburtsschmerz angeht... nun ja, den empfinden sicher auch alle Frauen anders. Und bei der ersten Geburt ist natürlich alles noch sehr eng. Da bleibt ein Schmerz nicht aus. Aber wo wir schon bei Schmerzen beim ersten Mal sind. Wie war deine Hochzeitsnacht? Ich bin gar nicht dazu gekommen, nachzufragen..."

    "Komm rein, Runa!", rief Alpina erfreut. Und als sie sah, dass Runa sogar Blumen mitgebracht hatte, schwang sie die Beine aus dem Bett. An der Bettkante musste sie dann jedoch zunächst sitzen bleiben, alles drehte sich um sie und Funken stoben vor ihren Augen. Der Blutverlust machte sich noch immer durch Kreislaufprobleme bemerkbar.


    "Es ist schön, dass du kommst. Und was für schöne Blumen du mitgebracht hast! Danke dir! Nimm doch einfach den Wasserkrug da drüben für die Blumen her. Neman kann nachher einen neuen bringen."
    Alpina zeigte auf die Wasserkanne neben der Waschschüssel. Dann deutete sie auf die Hängewiege.
    "Sie schläft!" Und mit dem Stolz der frisch gebackenen Mutter schob sie hinterher: "Sie ist so süß, unsere Ursi! Ach, du weißt ja noch gar nicht, wie unsere Kleine heißen wird, oder? Offiziell wird sie Susina Ursicina heißen, weil Corvinus sich ein Bärchen gewünscht hat. Ich wollte sie ja eigentlich Alruna nennen. Nach der Alraune, der wir dieses kleine Wunder zu verdanken haben und nach Dir! Meiner tapferen Geburtshelferin, der wir zu verdanken haben, dass wir beide am Leben geblieben sind."
    Dass sie auch an Alwina gedacht hatte, verschwieg Alpina der Freundin gegenüber. Runa wusste ja nichts von der Schattenfrau, die immer ein wenig zwischen ihr und Corvinus stand. Sie zuckte die Achseln.
    "Ich fürchte nur, Corvinus kann sich nicht mit einem germanischen Namen anfreunden..."


    Hilflos lächelte Alpna Runa an.

    Corvinus trat zu ihnen und begrüßte den Praefectus Alae und seine Frau. Es war zu bemerken, dass er sie kannte. Entsprechend äußerte sich auch der Iunier, doch seine Gattin zeigte eine gänzlich andere Reaktion. Sie erstarrte förmlich als sie Corvinus sah. Und auch wenn sie sich schnell wieder im Griff hatte und mit aufgesetzter Höflichkeit so tat, als kenne sie ihr Gegenüber nicht, hatte Alpina längst verstanden, dass Corvinus und Seiana sich aus mindestens einer früheren Begegnung kannten. Nur sollten offenbar weder Seneca noch Alpina davon erfahren. Warum log sie so gekonnt?
    Der Stachel der Eifersucht bohrte sich tief in Alpinas Herz. Sie musterte Seiana noch genauer als zuvor. Sie war eine schöne Frau mit ebenmäßigen Gesichtszügen, dunklem Haar und brauen Augen. Alpinas Blick ging von Seiana zu Corvinus und zurück. In diesem Moment durchfuhr sie eine Welle des Schmerzes. Ihr Uterus formte sich zu einer harten Kugel, der Muskelkrampf ließ Alpina aufstöhnen. Sie lächelte schmerzverzerrt.
    "Ich hoffe ihr werdet mich entschuldigen? Ich muss mich hinsetzten", presste sie hervor und eilte gekrümmt zu einem der Klappstühle, die für die vielen Gäste aufgestellt worden waren. Als sie sich niedergelassen hatte, ließ der Schmerz im Unterbauch nach. Was jedoch noch immer stach, war der Stachel der Eifersucht...

    "Natürlich kannst du sie Ursi nennen", lachte Alpina. Der Spitzname war also schon fest gebucht.


    Dann sprach Corvinus seinen Glauben und die Zugehörigkeit zum Mithraskult an. Sie nickte zunächst ernst, dann grinste sie und zwinkerte ihm zu.
    "Ich nehme auch an, dass Ursi keinen großen Wert darauf legen würde, in einem dunklen Kellerloch, zwischen behaarten Sodatenbeinen mit Fußschweiß und dem Blut eines Stiers zu spielen. Nein, im Ernst. Selbstverständlich werde ich Iuno opfern, ich verdanke ihr viel und in meinem Beruf ist Iuno Lucina die wichtigste Göttin. Aber in meiner Heimat habe ich mit meinem Vater oft Epona geopfert. Die Pferde- und Reitergöttin wäre eine gute Empfängerin für den Sesterz. Denn sie verbindet uns. Du bist der Reitersoldat und ich verbinde sie mit meiner Heimat. Aber wir können damit auch warten, bis ich wieder das Haus verlassen kann. Ein Dankopfer für die geglückte Geburt sollten wir aber unedingt darbringen. Es hätte auch anders kommen können...."


    Als Corvinus bei ihrem Vorstoß mit dem dies lustricus eine Wartezeit anriet, nickte Alpina.
    "Mein Bär, du kannst es ja nicht wissen, aber das Fest der Namensgebung ist ohnehin erst nach dem Abfallen des Nabelrestes. Also nach einer Woche bis neun Tagen. Keine Sorge. Es würde mich freuen, wenn wir das Fest gemeinsam mit deinen Eltern und Geschwistern feiern könnten bevor sie wieder abreisen. Und ich hoffe doch, dass Curio und Runa bis dahin wieder aus ihrem Bett finden." Sie lachte.


    Schließlich legte Corvinus die Kleine in die Wiege und wie es nun mal so ist, wenn "Mann" seine große Hand unter einem winzigen Säugling hervorziehen will, es gelang ihm nicht, ohne Ursicina zu wecken.
    "Ich fürchte, du wirst in Kauf nehmen müssen, dass sie kurz wach wird. Vielleicht lässt sie sich beruhigen, wenn du sie ein wenig streichelst. Wenn nicht, nimmst du sie wieder hoch und bringst sie her. Dann lassen wir Ursi bei uns im Bett schlafen."

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    Die Seite präsentiert digitale 3-D-Modelle des Forum Romanum. In Szene gesetzt durch Studenten und Lehrer des Winckelmann-Instituts der Humboldt-Universität zu Berlin, dem Excellence Cluster TOPOI und dem Architekturreferrat des Deutschen Archäologischen Instituts Berlin werden Rekonsturktionen des Forum Romanum in verschiedenen Entwicklungsstufen vorgestellt. Noch ist nicht alles online und selbstverständlich wird es immer wieder Updates geben, wenn neue Erkenntnisse oder Arbeiten dazugekommen sind.


    Neben den 3-D-Modellen sollen Animationen, Filme und Simulationen Eindrücke des Forum Romanum vermitteln. Einzelne Gebäude können gesucht und im Verlauf der Jahrhunderte betrachtet werden. Dazu gibt es Erklärungen und Detailbilder.
    Die Seite sieht sich zudem als Diskussionsplattform für wissenschaftlichen Austausch.


    Wer lieber auf Facebook stöbert, kann das hier machen.


    Witzig finde ich auch, das von den Machern der Seite angefertigte Facebookprofil von Caius Iulius Caesar. Vor allem die Kommentare von Kleopatra sind lesenswert. ;)

    Wieder grinste Alpina. Corvinus konnte einfach nicht ernst sein. Ein wunderbarer Charakterzug, den sie sehr an ihm liebte. Er nahm die Schwere aus jeder kniffligen Situation.Galant ließ er Alpina die Wahl des Namens. Die Gegenleistung bei einem weiteren, dann womöglich männlichen Bärchen, ihm die Namenswahl zu überlassen, nickte Alpina entspannt ab. Dazu musste es ja auch erstmal irgendwann kommen.


    "Also gut. So machen wir es. Dann wird unsere Tochter offiziell Ursicina heißen und rufen können wir sie ja Alruna, wenn dir der Name über die Lippen kommt."
    Sie zwinkerte ihm zu.


    "So viel ich weiß ist es üblich, im Tempel der Iuno einen Sesterz zu opfern. Melden wirst du das Kind ja nicht müssen, denn deines ist es ja ohnehin offiziell erst wenn du die Legio verlässt und den Antrag stellst, dass wir dann deinen Namen tragen dürfen. Da fließt noch viel Wasser den Rhenus hinunter. Und bis ich sie als meine Tochter anmelden kann, müssen auch erst die 40 Tage vergehen, die ich als unrein gelte. Also werden wir zunächst in der Familie den Namen bekannt geben. Wollen wir einen dies lusticus feiern oder willst du lieber auf ein Fest verzichten, so kurz nach Curios Hochzeit?"


    Die Kleine war inzwischen an der Brust eingeschlafen. Alpina zog ihr vorsichtig die Brust weg und strich sanft die Milch von der zarten Gesichtshaut. Dann drückte sie Corvinus das schlafende Mädchen erneut in die Bärenpranken. Sie schmunzelte.
    "Würdest du Susina Ursicina bitte in die hängende Wiege legen?"

    Lana verließ das Cubiculum und Corvinus legte sich zu Alpina, die ihre gemeinsame Tochter stillte. Er entkräftete ihre Bedenken, dass sie ihn mit einem Mädchen enttäuscht hatte, mit einem Scherz. Sie musste grinsen. Ihr Blick glitt über das Gesicht der Kleinen. Der dunkle Haarflaum und auch die Augenpartie ließ keinen Zweifel aufkommen, dass es sein Kind war. Er musste es ebenfalls erkannt haben. Alpina war erleichtert, dass die Tochter dem Vater ein wenig ähnlich sah.


    "Wir müssen einen Namen suchen für die Kleine. Ich habe natürlich schon ein wenig darüber nachgedacht..."
    Alpina sah ihn forschend an, ob auch er sich Gedanken gemacht hatte.


    "Mein erster Gedanke war Alruna gewesen, weil sie doch das Ergebnis eines Alraunenrausches ist... in diesem Namen würde zudem der Anfang von Alwina und der Name meiner besten Freundin Runa stecken, doch ich bin mir nicht sicher, ob du deiner Tochter einen germanischen Namen geben möchtest?"


    Fragend sah sie Corvinus an. Sie wusste um sein zwiespältiges Verhältnis zu den Germanen.
    "Andernfalls, wie wär es mit einem Bärchen? Ursicina? Was hältst du davon?"