Beiträge von Susina Alpina

    Ein paar Wochen, nachdem Alpina und Massa beschlossen hatten, dass es besser wäre getrennter Wege zu gehen, machte sich die raetische Hebamme große Sorgen. Ihre Blutung war überfällig. Wenn sie richtig gezählt hatte war sie deutlich über den 28 Tagen, die ihr Zyklus sonst hatte. Es mussten wohl 32 oder 33 Tage sein.


    Kein Bauchgrimmen und auch keine Kopfschmerzen, wie sie es sonst oft hatte, wenn die monatliche Reinigung anstand. Allerdings fühlte sie auch keine Spannung in den Brüsten, wie damals, als sie mit Ursicina schwanger war. Sie konnte doch nicht etwa schwanger sein? Der Zeitpunkt ihrer Intimitäten mit Massa war nah am Eisprung gewesen, doch eigentlich sollte sie noch unfruchtbar gewesen sein an diesem Tag. Alpina rätselte weshalb die Blutung ausblieb.


    Sie überlegte, ob sie einen Kräutertrank mischen sollte um die Blutung anzuregen, doch erinnerte sie sich noch sehr gut an das letzte Mal als sie ganz gezielt eine Blutung hervorgerufen hatte. Sie war hin und hergerissen. Sie wollte keine Abtreibung auch wenn sie zugeben musste, dass sie auch kein Kind von Massa bekommen wollte. Letztlich entschloss sie sich noch ein paar Tage zuzuwarten. Vielleicht verspätete sich die Blutung dieses Mal einfach.

    Mit einer Briefrolle in der Hand betrat Alpina die Regia. Sie wollte ihren Brief an Licinus abgeben.


    Ad
    Marcus Iulius Licinus
    Domus Iulia
    Roma


    Lieber Licinus,


    Ursicina und ich haben uns sehr über deinen Brief und die lieben Zeilen von Esquilina gefreut. Wir sind hoch erfreut, dass ihr gut in Rom angekommen seid. Die Fische im Mare Nostrum müssen jetzt hoffentlich nicht des Hungers sterben, weil du sie nicht füttern konntest und wie gut zu wissen, dass du ohne meine Hilfe ausgekommen bist.
    Das beste Mittel gegen Reiseübelkeit ist eine Wurzelknolle, die aus fernen Landen kommt. Hier ist sie sehr teuer und nur selten zu bekommen. In Rom aber solltest du sie erwerben können. Sie heißt Zingiber. Kleine Scheiben der frischen Knolle in Wasser aufgekocht und schluckweise getrunken, helfen sehr gut. Leichter hier zu bekommen und auch sehr wirkungsvoll ist die Pfefferminze, Mentha piperita. Sie kann als Kraut frisch gekaut werden, als Trank getrunken oder auch als Öl auf die Haut aufgetragen werden. Bestimmt könntest du die Pfefferminze auch in Rom bekommen.


    Deinem Wunsch entspreche ich gerne und berichte Seneca und Runa von der guten Reise. Beide habe ich in letzter Zeit nicht gesehen, doch hoffe ich darauf, dass sich bald eine Gelegenheit ergibt.


    Ich hoffe du hast in Rom bereits einen Medicus deines Vertrauens gefunden? Du würdest mich sehr beruhigen, wenn du mir das bestätigen könntest. So eine große Stadt birgt viele Gefahren für Leib und Leben. Der Posten, den du nun bekleidest erst recht. Pass gut auf dich auf!
    Und, bitte, auch wenn ich womöglich lästig bin, schreibe mir bevor der Sommer kommt wieder, damit ich beruhigt bin, dass es euch gut geht.


    Vale bene,
    Alpina


    p.s. Da Ursi selbst noch nicht schreiben kann hier ein paar Zeilen von ihr.


    Liebe Esquilina,für mich klingt Schiff fahren ganz toll und sehr spannend. Kannst du nicht gleich wieder auf das Schiff steigen und wieder zu mir kommen? Es ist voll langweilig ohne dich. Ich vermisse dich sehr. Mama hat gesagt, dass wir nicht einfach so nach Rom kommen können um dich zu besuchen. Ich verstehe nicht warum, denn schließlich konntet ihr es ja auch. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dich bald wiederzusehen. Bis dahin lass dir einen Kuss von mir geben. Ursi


    p.p.s. Auch ich möchte noch ein paar persönliche Worte an meine kleine, fleißige Helferin in der Taberna medica richten.


    Liebe Esquilina, du fehlst mir sehr. Ich habe seit deiner Reise nach Rom keine so fleißige Helferin mehr in der Taberna medica gehabt und vor allem keine so liebenswürdige. Sei schön brav und lerne recht fleißig in der Schola und pass gut auf Licinus auf. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie gefährlich euer Leben in der großen Stadt sein mag. Die herzlichsten Grüße und einen dicken Kuss, Alpina



    Sim-Off:

    Bitte die Wertkarte der Helvetier mit der Gebühr belasten. Danke!

    Ein Brief von Licinus und Esquilina! Alpina erkannte es sofort an dem Siegel und dem Absender. Sie nahm den Brief mit sich ins Schlafzimmer, brach das Siegel und las Ursi, die dort spielte, den Inhalt vor.
    Erleichtert stellte sie fest, dass die beiden gut und sicher in Rom angekommen waren. Ganz besonders freute sich Alpina über den Teil, den Esquilina selbst geschrieben hatte. Ursi sprang auf, als sie hörte, dass ihre Mutter ihr einen Kuss von Esquilina geben sollte, um diesen persönlich abzuholen. Sie sah sich die Zeilen ganz genau an, denn auch wenn sie noch nicht lesen konnte, erkannte sie doch die perfekt gezogenen Buchstaben, die Iulius Licinus geschrieben hatte und konnte entsprechend ahnen, dass die noch unsicheren Wörter von ihrer Freundin stammten. Traurig sah sie ihre Mutter an.
    "Ich will Esquilina wiedersehen! Können wir nicht einfach morgen nach Rom fahren, um sie zu besuchen?"


    Alpina streichelte ihrer Kleinen über den Kopf.
    "Leider nein, cara mia! Rom ist nicht eben um die Ecke. Wir müssten die Alpes queren oder gar wie der Praefetus mit dem Schiff fahren. Das geht leider nicht!"


    Unverzüglich brach Ursi in Tränen aus. Ihre kleinen Fäuste schlugen auf die Schenkel ihrer Mutter.
    "Ich will aber! ich will aber! Ich will zu Esquilina!!!!"


    Seufzend ertrug die Mutter die Schläge und streichelte weiter das Haar der verzweifelten Tochter.
    "Weißt du was? Wir schreiben ihr gleich zurück! Was meinst du, wäre das was?"
    Schniefend wischte sich Ursi die Rotzglocke von der Nase fort und sah ihre Mutter in einer Mischung aus Wut, Verzweiflung, Trozt und leiser Hoffnung an.
    "Wenn wir sie dann doch besuchen können, dann schon."

    Auf dem Gelände des Handwerksbetriebes standen viele Beispiele der Steinmetzkunst des Meisters und seiner Gehilfen. Überall arbeiteten Männer an den verschiedensten Steinkunstwerken. Von der Brunnenfigur über Säulenkapitele bis hin zu Altären und eben Grabmäler. Einer der Arbeiter unterbrach seine lärmende Tätigkeit als er Alpina sah und lief in das Gebäude des Betriebes. Er kehrte mit einem kräftigen Mann in mittleren Jahren zurück, dessen muskulöse Arme und die Lederschürze deutlich machten, dass auch er ein Steinmetz war. Er trat auf die Raeterin zu.
    "Salve, gute Frau. Ich bin Gratus, der Inhaber dieses Betriebes. Wie kann ich helfen?"


    Alpina stellte sich vor und beschrieb den Grund ihres Besuchs. Sie erzählte Gratus auch von dem Grabstein an der Via Alteium, der ihr gefiel. Gratus nickte.
    "Sowas können wir natürlich herstellen. Kein Problem. Willst du dir nicht mal ansehen, welche Möglichkeiten es sonst noch gibt? Dieser hier zum Beispiel zeigt einen Reitersoldaten. Du sagst doch, der Verblichene war Decurio..."


    Der Stein, den ihr Gratus zeigte was schön. Er zeigte unter einem Rundbogen einen Reitersoldaten auf einem prächtigen Pferd. Hinter ihm ein Knappe und zu seinen Füßen ein gefallender Feind. Der Reiter trug das typische Langschwert der Reitersoldaten und hatte das Pilum hoch erhoben, um den Feind tödlich zu verwunden. Doch Alpina schüttelte den Kopf.
    Corvinus war zum Decurio degradiert worden. Er war eigentlich Centurio gewesen und nicht wirklich stolz auf seine "Karriere" als Decurio gewesen.
    "Nein danke, Gratus. Ich hätte lieber einen Stein wie den, den ich gesehen habe."


    Der Steinmetzmeister nickte. "Nun gut, ich wollte es ja nur anbieten. Du sagtest, ihr habt eine gemeinsame Tochter. Sollen wir dich und sie mit auf den Stein bannen oder nur den Verstorbenen? Willst du dann nur im Text erwähnt werden? Was überhaupt soll denn auf dem Stein stehen?"

    An der Via Alteium vor den Toren der Stadt gab es neben den üblichen Grabmälern auch die Betriebe, die ebensolche herstellten. An diesem Tag machte sich Alpina auf den Weg zu einem der Steinmetze, die dort die Denk- und Grabmäler herstellten.


    Dieses Mal betrachtete sie die Grabmäler mit anderen Augen. Meist ging man doch recht achtlos an ihnen vorbei. Und doch waren sie hergestellt worden, um die Lebenden an diejenigen zu erinnern, die nicht mehr unter ihnen weilten.


    Die Grabsteine einfacher Legionäre und Reitersoldaten der Ala standen eher in zweiter oder dritter Reihe. Oft zeigten sie nur Inschriften, manchmal Symbole für die Legio oder die Ala. Die Grabsteine der Signifer und Beneficiarier waren schon aufwändiger gestaltet und oft auch größer. Alpina sah den schönen Grabstein eines Aquilifer. Stolz trug er die Stange mit dem Adler. Sein Brustpanzer zeigte zwei Armillae. Sorgsam waren die Phalerae gearbeitet. Cingulum und Pugio zeigten sich ebenso plastisch wie der florale Schmuck und die Säulen, die den Mann umgaben. Die Inschrift erklärte, dass er im Alter von 34 Jahren gestorben war.
    Der Raeterin gefiel dieser Grabstein. Die Familie von Corvinus, seine Eltern und sein Bruder hatten ihr Geld gegeben und sie würde ihren Teil dazugeben um einen schönen Grabstein für Corvinus errichten zu lassen. Alle die nach Mogontiacum kamen sollten sehen, dass man seiner gedachte.


    Die größten Grabmäler, ja manchmal richtige Schreine hatte die römische Oberschicht ihren verstorbenen Familienmitglieder gegönnt. Ritter und Politiker, Adel und Geldadel baute aufwändig und teuer. Nicht selten wurden die tempelartigen Gebäude von Landstreichern und billigen Huren als Schlafstätte genutzt. Ein Platz in der ersten Reihe war vielleicht zu teuer, aber die zweite sollte es schon sein befand sie.


    Alpina sah den Wegweiser zum Betrieb des Steinmetzes Gratus. Sie bog vom der Straße ab. Das Klopfen der Hämmer und Meissel war weithin hörbar.

    Dass Massa enttäuscht war konnte Alpina verstehen, doch sie sah die Schuld nicht nur bei sich. Die Kommunikation zwischen ihnen war mehr als mangelhaft gewesen. Sein Unverständnis gegenüber ihrer Trauer tat ein übriges. Aber eine Szene war nun gar nicht das was Alpina brauchte.
    "Ja so ist es. Dafür habe ich nichts. Dafür ist die Zeit zuständig. Sie heilt alle Wunden. Tempus facit aerumnas leves."


    Auch ihr tat es weh, jedoch hatte sie eine andere Art und Weise damit umzugehen.


    Und wenn er nicht selbst sofort zur Tür hinausgerauscht wäre, hätte sie ihm nun definitiv die Tür gewiesen.

    Seit der Nachricht über Corvinus Tod war nichts mehr wie es vorher gewesen war. Alpinas Trauer über ihn hatte einen Keil zwischen die beiden frisch Verliebten getrieben. Die Raeterin spürte, dass Massa unsicher war, sich zurückzog. Sie sahen sich weniger als zuvor. Das Verhältnis war reserviert.


    Nun schien es endgültig zum Bruch zu kommen. Sie sah ihn traurig an.
    "Entschuldige, Massa. Ich dachte, dass Corvinus mich verlassen hätte und war sehr enttäuscht. Als ich nun erfuhr, dass er auf dem Weg zu mir und Ursi starb, hat mir das gezeigt, dass ich ihm unrecht getan habe. Das hat zwar mit uns nichts zu tun, aber hat mich doch mehr ins Grübeln gebracht als ich geahnt hatte. Ich glaube ich bin nicht noch einmal bereit hinzunehmen, dass der Mann, den ich liebe von heute auf morgen verschwindet, abkommandiert wird oder im Einsatz stirbt. Es tut mir leid, Massa."


    Auch er schien frei sein zu wollen. Sie antwortete noch auf seine Äußerung von der "Schuld" in der er sich fühlte.
    "Du stehst längst nicht mehr in meiner Schuld. Denn du hast sehr viel für mich getan. Ich danke dir sehr herzlich dafür und in Ursis Namen ebenfalls."


    Dann wurde Massa ganz geschäftsmäßig. Alpina spürte einen Kloß im Hals. Doch dann gelang es auch ihr umzuschalten.
    "Um welche Art Wunde handelt es sich? Eine offene Wunde, großflächige Schürfwunde oder bereits verheilte Wunde, die aber noch verschorft oder empfindlich ist? Oder eine Brandverletzung?"

    Das Glöckchen über der Tür kündigte einen Kunden an. Alpina kam aus dem Vorratsraum gelaufen wo sie aufgeröumt hatte. Sie erkannte Massa und lächelte.
    "Oh, wie schön, dass du vorbeischaust. Ist das ein privater Besuch oder suchst du die Kräuterfrau auf?"

    Fast schon hatte Alpina nicht mehr damit gerechnet, dass Massa zurückkommen würde. Doch er tat es. Setzte sich zu ihr und tröstete sie. Alpina schmiegte sich an ihn. Es war ein schönes Gefühl in der Trauer nicht allein sein zu müssen. Sie wusste, dass sie ihn mit ihren noch immer vorhandenen Gefühlen für den verstorbenen Corvinus nicht über Gebühr belasten durfte, doch für dem Moment war die Trauer einfach übermächtig.


    Nach einer Weile aber ebbten die Tränen ab. Alpina konnte es nun genießen, gehalten zu werden. "Danke, Massa", hauchte sie.

    Wenige Tage nach dem Erhalt des Briefes hatte sich Alpina soweit gefangen, dass sie sich an die Beantwortung des Briefes machen konnte, den Decria Timarcha, die Mutter von Corvinus und Curio, ihr geschickt hatte.


    Ad Decria Timarcha
    Vinus Vosegus Helveti


    Liebe Timarcha,


    mit unsäglicher Trauer erfüllt mich dein Brief. Die bange Angst, die sich schon seit langem in meine Seele geschlichen hat, wird zur Gewissheit. Mit großer Anteilnahme teile ich Euren Verlust, der ja auch meiner und Uricinas ist. Wie bitter muss der Verlust seines ältesten Sohnes für deinen Gatten sein. Er hatte sicher große Hoffnung in die weitere Karriere seines Erstgeborenen gesetzt. Wie es für dich als Mutter ist, kann ich ungefähr nachempfinden, wo ich doch selbst Mutter bin. Ein furchtbarer Schicksalsschlag.


    Etwa zeitgleich mit deiner Nachricht hatte ich ein eigenartiges Erlebnis. Ein verlumpter Mann, vermutlich ein Germane, der nur radebrechend Latein sprach, überbrachte mir eine sehr persönliche Nachricht von Corvinus. Vermutlich schrieb es sie sehr kurz vor seinem Tod auf ein Bärenfell, begleitet von einer Zeichnung, die eine Familie und eine Bärenfamilie zeigt - eine Anspielung auf unsere kleine Familie. Dazu folgende Worte: "Ich werde dich immer lieben Alpina Ich habe versucht zurück zu kommen doch es war mir nicht möglich zu stark waren die Kräfte die dies nicht wollten. Gestorben bin ich wohl schon am Danuvius Ich hoffe ich sehe dich auf der anderen Seite irgenwann wieder In Liebe dein Bär!"


    Es ist natürlich kein Zeugnis seines Todes, zumal der Bote nicht mehr befragt werden konnte. Er starb, wie ich gestern bei der Nachfrage in der Castra der Legio erfuhr, an seinen Verletzungen. Dennoch sagte der Mann desöfteren Corvinus Namen und hatte auch den Schlüssel von Corvinus Geheimversteck im Wald. So viele Zufälle kann es nicht geben. Ich nehme an der arme Mann hatte den Auftrag mir direkt von Corvinus Tod zu berichten, was ihm dann nicht mehr möglich war. Vielleicht hilft dir diese Anekdote dennoch, deine Zweifel zu beseitigen und um den verstorbenen Corvinus trauern zu können.


    Wie du dir denken kannst, beschäftigt mich auch die Frage nach den sterblichen Überresten meines Geliebten und wie die Manes besänftigt werden können. Auch möchte ich, dass es einen Ort gibt, an dem die Nachwelt seiner gedenkt und auch Ursicina und der Rest der Familie den Manes Opfergaben bringen kann, so wie es die Tradition will. Aus diesem Grund möchte ich einen Grabstein setzen, der sein Gedenken in Bild umsetzt.


    Von Herzen möchte ich, vor allem auch im Namen Ursicinas dafür danken, dass ihr mir und ihr die Hälfte der Casa Helvetia schenkt. Es ist sehr beruhigend zu wissen, dass Corvinus Tochter auf diese Weise auch in Zukunft versorgt sein wird.


    In einigen Wochen, wenn wir alle ein wenig gelernt haben mit der neuen Situation umzugehen, werde ich gerne auf dein Angebot zurückommen und Euch mit Ursicina gemeinsam besuchen. Die Grüße an Duccia Silvana richte ich selbstverständlich gerne aus.


    Ich bin in Gedanken bei Euch und fühle mich Euch durch die Trauer noch mehr vereint.


    Vale bene, Timarcha


    Susina Alpina mit Ursicina

    Alpina verstand Massas Reaktion nicht wirklich. Sie suchte Trost und Verständnis und er ließ sie allein. Sein "Ich muss an die Luft" war wie ein Schlag ins Gesicht. Sie hatte ihr Innterstes nach außen gekehrt, ihm ihre Trauer anvertraut und ihm sogar das Bärenfell gezeigt. Nun ließ er sie allein.
    Die Stimmung war vergiftet. Er hatte kaum den Raum verlassen, da brach Alpina erneut in Tränen aus. Sie spürte, dass sich ein Schatten auf ihre Beziehung gelegt hatte, die vor Tagen noch so glücklich gewesen war. Gerne hätte sie die Zeit zurückgedreht - doch das ging ja bekanntlich nicht. Fortuna wurde nicht umsonst mit dem Rad dargestellt. Mal ging es aufwärts, mal abwärts.

    Er wollte den Brief sehen. Alpina zögerte. Es war ein Brief ihrer Beinahe-Schwiegermutter. Sehr persönlich. Eigentlich wollte sie ihn nicht herzeigen.
    "Es ist ein sehr persönlicher Brief der Mutter von Corvinus. Aber ich habe auch andere Hinweise darauf, dass Corvinus tot ist."


    Nun erzählte sie die Geschichte von dem seltsamen Boten, dem Schlüssel und wie sie den Verletzten und später auch das Bärenfell gefunden hatte, auf dem die Zeichnung und die persönliche Nachricht standen. Alpina stand auf und holte das Fell. Sie zeigte es Massa.
    "Ich glaube es ist besser, wenn wir da nicht weiter in der Wunde wühlen. Ich hoffe nur, dass er seinen Frieden finden wird, dass die Lares besänftig werden können, wo auch immer seine Gebeine jetzt ruhen. Requiescat in pace."

    Gleich wurde Massa mit Beschlag belegt und irgendwie schaffte er es Ursi aus dem Triclinium zu locken. Dann setzte er sich zu ihr. Natürlich erkannte er, dass sie geweint hatte. Wieder stiegen die Tränen auf und sie nahm das Angebot an sich auf seinen Oberschenkel zu legen. Dann erzählte sie von dem Brief von Corvinus Mutter Timarcha, der ihr vom Tod ihres ehemaligen Geliebten und Vater Ursicinas berichtete. Von dem Boten mit dem Schlüssel, der zum Höhlenversteck im Wald passte und dem Fell sagte sie jedoch nichts. Es spielte ja auch keine Rolle, Corvinus war tot. Sie wusste zwar nun, dass er sich nicht verlassen hatte um mit einer anderen zusammen zu sein, sondern auf dem Weg zurück nach Mogontiacum den Tod gefunden haben musste, aber die Tatsache war, dass er nicht wieder kommen würde.


    Für Alpina hatte sich das Leben in den letzten Wochen so glücklich verändert, dass sie den Tod von Corvinus leichter würde verwinden konnte. Doch blieb nach wie vor das Problem Ursi davon zu erzählen.
    "Weißt du, es ist nicht so sehr der Verlust für mich. Denn ich habe schon lange gefühlt, dass ich Corvinus verloren hatte, bevor er wohl sein Leben verlor. Er war aus meinem Leben gegangen und ich hatte keine Aussicht daruf, dass er zurückkommen würde. Aber Ursi lebt noch in dieser Hoffnung. Sie fragt noch nach ihrem Vater. Fragt wann er zurückkommt. Nun werde ich ihr sagen müssen, dass er nicht wieder kommt. Sie enttäuschen zu müssen tut mir so weh."


    Alpina kuschelte sich an Massa.. Die Trauer überwältigte sie und sie weinte. Weinte um den toten Corvinus und um die kleine Ursi, die ohne Vater bleiben würde.

    Alpina hatte die Taberna medica zugesperrt und saß nun mit Ursi im warmen Triclinium. Die Kleine spielte am Boden mit ihren Holztieren und kam ab und an zu ihrer Mutter, die auf der Kline lag, ihrer Tochter beim Spielen zusah und trüben Gedanken nachhing. Sie wusste, sie würde Ursi sagen müssen, dass ihr Vater tot war. Doch wann und wie? Sie ging alle möglichen Varianten durch und verwarf jede wieder.


    Als sie hörte, dass Liam Besuch brachte, blickte sie auf. Massa kam. Wie versprochen. Ein Lächeln kam auf ihre Lippen auch wenn ihr sonst gerade gar nicht nach Lachen zumute war. Doch die Tatsache, dass er Wort gehalten hatte und sie ihm ganz offensichtlich wichtig war, tat ihr gut.
    "Massa, wie schön dich zu sehen!", begrüßte sie ihn. Und auch Ursi sprang auf und rannte, ein Holzpferd in der Hand auf den Tribun zu. Sie strahlte ihn an und plapperte drauflos.


    Massa würde sehen können, dass Alpinas Augen rot waren. Sie hatte geweint. Auch wenn sie jetzt vor ihrem Kind die Fassung behielt, war ihr anzusehen, dass sie etwas belastete.


    Liam öffnete. Er lächelte als er Massa sah. Er mochte den Tribun und seinen Gehilfen Onasses. Doch der Tribun sah müde aus. Da Liam wusste, dass Massa Alpina in schlechter Verfassung vorfinden würde, nahm er den Tribun beiseite.
    "Tribun, ein Wort. Ich möchte, das du vorgewarnt bist. Alpina ist im Augenblick sehr niedergeschlagen. Sie hat gerade erst erfahren, dass der Vater ihrer Tochter und mein ehemaliger Dominus Lucius Helvetius Corvinus für tot erklärt wurde. Ich weiß nicht, ob sie es dir sagen wird, aber ich möchte, dass du verstehst warum sie dich heute nicht in derselben gelösten Stimmung empfängt wie das letzte Mal. Es wird ihr aber gut tun, dass du kommst, denn es bringt sie auf andere Gedanken. So glücklich wie vor drei Tagen habe ich sie schon ewig nicht mehr gesehen."

    Die Kräuterfrau sah die Unsicherheit der jungen Frau als es um das Thema Mutterschaft ging. Naja, in ihrem Alter verständlich wenn man nicht gebunden war und davon war auszugehen. Wahrscheinlich war sie Sklavin und wollte kein Kind von ihrem Dominus. Wie oft kam das vor. Alpina hatte viele solche Kundinnen.


    Ohne weiter darauf einzugehen nannte sie die Summe und stellte alle Einkäufe in eine kleine Kiste, damit Thula sie leichter tragen konnte.
    "Vale bene!", verabschiedete sie Thula.

    Alpina packte die Salbe, das Fliederöl und die Walnüsse ein.


    Dann kam sie zum Verhütungsthema.
    "Ja es gibt kleinere Flaschen davon und zeigte auf eine Reihe verschiedengroßer Tonflaschen hinter ihr. Schwämmchen habe ich auch. Sie holte einen Korb aus dem großen Verkaufsraum der Taberna medica. Da gab es Schwämme in allen Größen. Sie kommen aus dem Mare nostrum und sind nicht bilig, weil sie herausgetaucht und über die Alpes transportiert werden müssen. Wir können dir aber ein kleineres Schwämmchen zurechtschneiden."


    Dann kam eine unangenehme Frage. Die Frage nachdem was wenn es doch passiert?
    "Nun, dann wirst du sicherlich eine wunderbare Mutter werden und sehr hübsche Kinder gebären", sagte sie rundheraus. "Ich bin Hebamme, meine Aufgabe ist es Iuno Lucina zu helfen, die Kinder in die Welt zu holen. Aber wenn es denn wirklich sein sollte, dass ein echter Notfall es dir verbietet Mutter zu werden, komm wieder, dann reden wir in Ruhe darüber. Und wenn es dir recht ist, dann freue ich mich, wenn du mich als Hebamme rufst."

    Zurück in der Casa Helvetia zog sich Alpina zurück. Obwohl das Bärenfell bestialisch stank, nahm sie es mit. Sie trug es in die geschlossene Taberna medica und besah es sich genauer.


    Zitat

    Sollte Alpina später zurückkommen würde sie an Ort und Stelle nur noch das Bärenfell wiederfinden. Falls sie es untersuchen würde dann würde sie feststellen das auf der Innenseite des Fells zum einen eine grobe Zeichnungen im Stile von Höhlenmalereien war. Sie zeigten einen Mann und eine Frau mit vielen Kindern und im Hintergrund einen Bären und eine Bärin mit vielen Bärenkindern. Auf der anderen Seite stand in sehr schlechter Schrift


    "Ich werde dich immer lieben Alpina Ich habe versucht zurück zu kommen doch es war mir nicht möglich zu stark waren die Kräfte die dies nicht wollten. Gestorben bin ich wohl schon am Danuvius Ich hoffe ich sehe dich auf der anderen Seite irgenwann wieder In Liebe dein Bär!"


    Alpinas Finger verkrampften sich als sie die Zeichnung sah und die dazugehörigen Zeilen las. Es war tatsächlich eine Nachricht von Corvinus. Er schien sie kurz vor seinem Tod geschrieben zu haben. Der Germane, den sie in das Fell gehüllt vor der Höhle gefunden hatte und der wohl auch den Schlüssel in die Casa gebracht hatte, musste ein Bote gewesen sein. Er schien Corvinus gekannt zu haben und irgendwie auch so verbunden gewesen zu sein, dass er es auf sich genommen hatte, so schwer verwundet bis nach Mogontiacum zu laufen um ihr die Nachricht vom Tod ihres Corvinus zu bringen.


    Tränen füllten Alpinas Augen. Langsam füllten sich die Seen und schließlich gingen sie über und die salzigen Tropfen fielen auf das struppige Fell. Sie dachte an Corvinus, wie er als einsamer Mann gestorben war, am Ufer des Danuvius. Er hatte versucht zu ihr und Ursi zurückzukehren, doch war es ihm von Fortuna redux nicht vergönnt gewesen, seine Familie wiederzusehen.


    Lang saß sie so und weinte um Corvinus und ihr gemeinsames Glück.

    Als Alpina mit Liam in der Castra ankam, war diese schon informiert worden, dass im Wald ein unbekannter, verwahrloster Mann Hilfe brauchte. Zunächst wusste sie nicht, was sie machen sollte. Dem Mann wurde ja geholfen. Er würde ins Lager gebracht und im Valetudinarium versorgt werden. Mehr konnte man für ihn ja wohl nicht tun.


    Also ging die Raeterin zuerst zurück in die Casa Helvetia. Doch die Sache ließ ihr keine Ruhe. Sie nahm die beiden Schlüssel und marschierte noch einmal los in den Wald. Wieder begleitete Liam sie. An der Höhle angekommen, fanden sie das Bärenfell vor, in das der Mann gehüllt gewesen war. Alpina hob es hoch und gab es Liam, damit er es mitnahm. Sie sperrte die Höhle auf und sah sich um. Es sah noch immer so aus wie vor Jahren, als Corvinus es ihr gezeigt hatte. Nein - nicht ganz. Ein Topf war geöffnet. Der fest gewordene Honig mit den Fingern herausgekratzt. Also war der Mann in der Höhle gewesen und hatte sich bedient.


    Ratlos verschloss Alpina die Höhle wieder und machte sich auf den Heimweg. Am kommenden Tag wollte sie dem unbekannten Mann das Fell in die Castra bringen. Er wollte es sicher wiederhaben. Es war ja vermutlich im Kampf mit dem Bären selbst errungen worden, hatte also auch einen ideellen Wert für ihn.
    Zunächst nahm sie das Fell mit in die Casa Helvetia. Sie grübelte. Eine eigenartige Begegnung.

    Alpina wog Thula eine Menge Walnüsse ab, die für die erste Färbung ausreichen würden.
    "Das reicht für das erste Man färben. Dann siehst du wie es dir gefällt. Was die Spülung angeht. Olivenöl ist toll bei trockenen und brüchigen Haaren. Aber ich persönlich bevorzuge Brennnesselsamen und Birkenblätter. Möchtest du das Fliederöl als Duftöl? Dann kannst du es auch in andere Kosmetika einarbeiten. Es hält lang und ist nicht sehr teuer."


    Sie nannte den Preis. Anschließend kam sie auf das andere Thema zu sprechen.
    "Nun, Granatapfel ist teuer und nicht das ganze Jahr verfügbar. Die getrockneten Schalen sind auch nicht so wirkungsvoll wie die frischen. Alaunlösung hat auch ihren Preis. Wenn du das Schwämmchen nur mit Essig tränkst passiert nicht viel, Alaunlösung ist eher ungesund auf Dauer. Die eignet sich besser für eine Spülung danach. Du wirst ja deinen Zyklus kennen, oder? Dann weißt du auch, dass nur die Mitte des Zyklus gefährlich ist. Verwende dann den Essig und eine Spülung. Sonst nur das Schwämmchen mit dem Essig. Wie wäre das?"