Beiträge von Susina Alpina

    Die Raeterin lauschte den Ausführungen des Deicimers. Er erzählte von seinen Fahrten über das Meer. Alpina hatte noch nie das Meer gesehen. Sie konnte sich so viel Wasser und die Naturgewalten der See nicht wirklich vorstellen. Allerdings stellte sie sich peitschenden Wind und Meter hohe Wellen nicht eben gemütlich vor. Um ehrlich zu sein, sie wollte niemals auf einem Schiff ein solches Unwetter erleben müssen. Schon alleine seine eindrücklichen Schilderungen ließen ihren Magen rebellieren, ganz zu schweigen von der Vorstellung wie man sich in Wirklichkeit fühlen musste. Stundenlang. Ohne die Sicherheit des Festlandes. Furchtbar!!
    Und dann auch ncoh die Aussicht auf Piraten... Brrr! Nein, Alpina wollte nicht tauschen mit den Seemännern.


    Auf dem Rückweg sammelten Massa und Ursi jede Menge Blumen und machten daraus einen wunderschönen Strauß mit Wildblumen. Er würde ihre Stube schmücken wenn sie erst wieder an der Casa Helvetia waren.


    Es war ein sehr schöner Ausflug gewesen. Als sie an der Tür der Casa waren, sah sie Massa mit einem sanften Lächeln an.
    "Danke für den schönen Ausflug, Massa! Ich habe es sehr genossen! Vielelicht können wir so etwas bei Gelegenheit wiederholen. Ich würde dich noch mit hineinbitten, aber..." sie sah auf Ursi. "Ich glaube es wäre nicht richtig... du verstehst...?"

    Alpina las weiter im Buch des Soranus. Die Lektüre erwies sich als spannend. Was sagte dieser Medicus, der sich auf Frauenkrankheiten spezialisiert hatte, über die Fähigkeiten, die eine Hebamme mitbringen musste?


    Ehrbar muss sie sein, weil ihr bisweilen Hauswesen und Privatgeheimnisse anvertraut werden, und weil verdorbenen Charaktere die Einbildung, medizinische Kenntnisse zu besitzen, oft zu Intrigen verleitet; ferner im Besitze gesunder Sinnesorgane, weil sie bald mit den Augen, bald mit dem Gehör untersuchen, bald mit dem Tastsinn erfassen muss, mit geraden Gliedern begabt, damit sie ungehindert ihren Geschäften nachgehen kann, von kräftiger Konstitution, denn weil sie auf mühsame Wanderungen angewiesen ist, unterzieht sie sich gewissermaßen doppelter Anstrengung. Auch ist es gut, wenn sie lange und schmale Finger hat und kurze Nägel trägt, damit sie beim Berühren entzündeter Stellen im Inneren keine Schmerzen verursacht. Dieses erreicht sie jedoch auch von selbst durch fleißige Arbeit und Übung.


    Die Raeterin ließ den Codex sinken. Ja, Verschwiegenheit war wichtig. Was war ihr nicht alles anvertraut worden in all den Jahren? Kuckuckskinder, Verhältnisse von Sklavinnen mit ihrem Herrn und umgekehrt, der Hausherrin mit einem Sklaven, aber auch Vergewaltigungen und Mißbrauch, schreckliche Grausamkeiten und Abtreibungen.


    Er warnte davor, dass die Einbildung über medizische Fähigkeiten zu verfügen zu Intrigen verleite. Nachdenklich ließ sie den Codex sinken. Wie meinte er das? Hatte sie ausreichende medizinische Fähigkeiten oder bildete sie sich das nur ein? War sie schon verleitet worden Teil einer Intrige zu werden? Kritisch ließ sie die Vergangenheit vor ihrem Auge ablaufen. Sie konnte in jedem Fall noch mehr lernen, musste dringend ihre medizinischen Fähigkeiten verbessern, zum Wohle der Frauen, Männer und Kinder, die sich ihr anvertrauten.


    Gesunde Sinnesorgane hatte sie. Mühsame Wanderungen fielen ihr nicht schwer. Beruhigt las sie, dass die langen, schmalen Finger nicht dringend nötig waren, da man die Kunst des Berührens entzündeter Stellen im Inneren auch durch fleißige Arbeit und Übung erlernen konnte. Ihre Finger waren schließlich nicht so lang und schmal wie gefordert.


    Mit einem Seufzen blickte sie auf das Werk des Griechen. Wie gerne würde sie von so einem Spezialisten lernen eine bessere Hebamme zu werden.

    Es war sehr schön am Flussufer zu sitzen und den Sonnenuntergang zu betrachten.


    Massa philosophierte über die durch den Wechsel des militärischen Personals entstandene Unruhe. Sie konnte verstehen, dass ihn das belastete.
    "Vermisst du deine Position als Nauarchus? Warst du gern an Bord eines Schiffes? Ich habe es ja selbst nie erlebt."


    Sie sah ihm zu, wie er Steine ins Wasser warf. Er konnte ein angenehmer Gesprächspartner sein.
    Als er Ursi darauf ansprach auf dem Rückweg noch ein paar Blumen zu pflücken strahlte die Kleine.
    "Oh ja, Massa!"


    Das Mädchen begann schon am Flussufer die ersten Blumen zu suchen.

    Amüsiert hörte Alpina zu. Ja der Schmetterling lebte in den Tag hiein, so wie sie. Und das mit den Honigkeksen wollte Ursi am liebsten gleich ausprobieren. Doch der Schmetterling war schon weitergeflogen. Also ass sie den Keks lieber selbst.


    Was Massa dann über die Ankunft der Kaiserin und das Zeremoniell berichtete war interessant. Ja, sie wollte versuchen, sich an eine der Straßen zu stellen, um einen Blick auf die Kaiserin zu werfen.


    Lächelnd beobachtete Alpina wie Massa Ursi tratzte. Die Kleine liebte solche Spiele und kicherte. Sie versuchte Massa zu umrunden um den frechen Grashalm zu finden. Nach einigen Fehlversuchen stampfte sie wütend auf. Tränen traten in ihre Augen. Aber als Alpina lachte und sie hochhob, war das schnell vergessen.
    "Sieh mal, dort drüben kann man sich hinsetzen. Dann können wir den Sonnenuntergang beobachten. Es müsste bald soweit sein. Bei dem schönen Wetter heute, sollte ein feines Abendrot zu sehen sein", schlug die Hebamme vor. Dabei zeigte sie auf eine Ansammlung von Steinen, die nah am Ufer des Rhenus standen.

    Alpina öffnete den Codex und vertiefte sich in das erste Kapitel.


    Kapitel 1


    Welche Frau eignet sich zur Hebamme?


    Die Erörterung ist notwendig, damit wir nicht ungeeignete Personen unterrichten und uns umsonst bemühen.
    Erforderlich ist Kenntnis des Lesens und Schreibens, scharfer Verstand, gutes Gedächtnis, Fleiß, Ehrbarkeit, normale Sinnesorgane, gesunde und kräftige Gliedmaßen; manche verlangen auch, dass die Hebamme lange und schmale Finger habe und die Nägel kurz gerundet trage.
    Die Kenntnis der Schrift verschafft ihr die Möglichkeit, auch theoretisch ihre Kunst zu studieren, scharfer Verstand erleichtert es ihr, was sie hört und sieht zu verstehen, das gute Gedächtnis, die erlernten Kenntnisse zu behalten, denn das Wissen gründet sich auf Merken und Auffassung. Liebe zur Arbeit verleiht ihr Ausdauer; denn mannhaften Ausharrens im Leiden bedarf, wer solche Wissenschaft erlernen will.


    Die Hebamme ließ den Codex sinken. Entsprach sie den Anforderungen des Autors? Sie konnte Lesen und Schreiben - ja. Scharfen Verstand? Naja... wer sollte das beurteilen? Ein gutes Gedächtnis besass sie schon, zumindestens im Bezug auf ihr Fachgebiet. Fleiß, Ehrbarkeit und normale Sinnesorgane - ja, das definitiv. Gesunde und kräftige Gliedmaßen. Nun ja, gesund ja, aber viel Kraft besaß sie nicht.
    Lange, schmale Finger.... Alpina sah an sich herab. Nicht wirklich. Eher kleine Hände mit mittellangen Fingern. Die Nägel aber stutzte sie regelmäßig.


    Dann führte der Autor aus, warum er diese Dinge forderte. Alpina nickte. Das war alles logisch und schlüssig.
    Sie fragte sich, ob es dort wo dieser Soranus lebte und praktizierte eine Möglichkeit gab, Kenntnisse und Wissen über ihren Beruf an einer Schule zu lernen. Sie hatte den Hebammenberuf von ihrer Mutter gelernt und die von deren Mutter. Aber was gab es sonst noch alles zu lernen? Was wussten die Hebammen in Rom oder Ephesus, was sie nicht wusste?


    Liebe zur Arbeit - ja! Und noch einmal - Ja!!! Das hatte sie und sie wusste, dass man Leiden aushalten musste, um es in diesem Beruf zu etwas zu bringen.

    Es schien Massa zu gefallen, dass die Kaiserin die Provinzen des Reiches besuchte und auch bei ihnen Station machte. Alpina konnte nachvollziehen, dass sich die Soldaten so weit entfernt von der Heimat oft etwas vergessen vom Kaiser im Herzen des Reiches fühlten.
    "Ich bin sehr gespannt auf die Kaiserin. Bislang habe ich noch keine zu Gesicht bekommen. Ich stelle mir alles sehr aufwändig und prunkvoll vor. Die Begleiter, die Kleidung, Frisuren und Schmuck. Ob ich wohl jemals wieder eine Kaiserin sehen werde?", sinnierte sie.


    "Die Taberna läuft soweit gut. Ursi und ich haben ein Auskommen. Es könnte immer mehr sein, aber es ist genug um uns zu ernhähren. Die Zeit für Ursi ist beschränkt. Aber zum einen kennt sie es nur so und wenn sie mich sehen will muss sie ja nur innerhalb des Hauses zu mir kommen. Die unvorhergesehenen Hausbesuche sind kritischer. Wenn ich vom Tisch weggeholt werde, beispielsweise, oder wenn wir ein Spiel spielen oder ich mit ihr einen Ausflug geplant habe und dann eine Schwangere die Wehen bekommt, ist sie schon oft enttäuscht. Sie ist ja auch noch klein und versteht die Dringlichkeit eines solchen Einsatzes nicht. Aber sie wird es lernen. Da bin ich sicher."


    Ursicina lief neben ihnen her und sammelte Stöckchen und Steinchen, die sie dann eher ungeschickt in den Fluss warf. Meist verfingen sich die Stöckchen schnell im Uferschilf und Ursi musste ein neues suchen. Dann entdeckte Massa einen Schmetterling - ein Pfauenauge. Ein wirklich schönes Wesen. Ursi kam näher und betrachtete den Schmetterlin. "Uiii!", entkam es ihr. "Schön! Wo der wohl hinfliegt? Was macht der Schmetterling den ganzen Tag so?"
    Ihre großen Augen sahen Massa herausfordernd an. Es war der übliche "erklär´mir die Welt"-Blick der kleinen Kinder.

    Alpina sah auf die Stromschnellen des Rhenus hinaus. Es ging ihr wieder besser, ja. Der Abort war spurenlos geblieben. Eine lange, heftige Blutung - nicht mehr. Er musste es nicht wissen.
    "Ja, es geht mir soweit gut. Ich habe mich eine Weile nicht so wohl gefühlt. Ursi wächst und gedeiht. Es ist unglaublich wie schnell sie wächst."


    Gab es Neuigkeiten in Mogo. Ja, schon. Aber die kannte er sicher schon, oder nicht?
    " Du weißt ja sicher, dass wir einen neuen LAPP bekommen, nicht wahr? Das pfeifen die Spatzen ja von den Dächern. Aber das neueste Gerücht ist, dass die Kaiserin den Legaten begleiten wird. Ich bin mir aber nicht sicher ob das so stimmt. Warum sollte die Kaiserin alleine ohne ihren Mann und ihren kleinen Sohn ins kühle und unfreundliche Germanien gehen? Eine Reise an diese gefährlich Grenze? Was hältst du davon?"

    Alpina war sehr überrascht als der nächste Brief von Lininus und Esquilina nicht nur aus einer Briefrolle bestand sondern auch ein Päckchen mit einem Codex enthielt. Neugierig las sie zuerst die Überschrift des Codex, bevor sie den Brief ihres römischen Freundes öffnete.


    Gynaecolgica des Soranus von Ephesus



    stand darauf.
    Faszniert betrachtete Alpina die Schrift. Doch bevor sie neugierig darin las, nahm sie den Brief des Freundes zu hand.


    Ad
    Susina Alpina
    Casa Helvetia
    Mogontiacum


    Liebe Alpina,


    wir beide haben uns sehr über deinen Brief gefreut.


    Ich danke dir herzlich für deine medizinischen Ratschläge und werde mich mal umsehen, ob sich auf den hiesigen Märkten diese geheimnisvolle Knolle findet. Pfefferminze gibt es, ich weiß zufällig, dass wir sogar welche im Haus als Gewürz haben.


    Nun, ich verlasse mich noch auf den medicus in der castra. Der Mann macht ein ganz kompetenten Eindruck und in der apotheca würde dir wohl das Herz übergehen. Man merkt, dass wir hier in Rom sind und die Geldreserven der Prätorianer größer sind, als die einer legio an der Grenze.


    Ansonsten gewöhne ich mich langsam an die Arbeit hier und auch an meine Pflichten als Hausherrn der Casa. Kurz nach meiner Ankunft hier mussten die beiden Senatoren nämlich Rom aus verschiedenen Gründen kurzfristig verlassen.


    Ich freue mich darauf schon bald wieder von euch zu hören, denn was du geschrieben hast gilt auch umgekehrt. Und stups Ursicina mal auf die Nase von mir.


    in treuer Freundschaft


    Dein Licinus


    Liebe Pina und liebe Ursi,


    es ist weit, weißt du und deshalb kann man nicht einfach so kommen. Aber ich will euch auch besuchen. Vor allem wenn Papa lange arbeiten muss und ich schlafen muss bevor er heimkommt. Aber das ist nicht oft.


    Ich lerne ganz fleißig, damit ich irgendwann mal genauso viel kann wie du, Pina. Und auf Papa pass ich auch auf. Aber eigentlich macht er gar nicht so viele Dummheiten. Auch wenn ich den Leuten ständig erklären muss, dass sie sich nach links stellen müssen, wenn sie mit ihm reden. Erwachsene sind manchmal sooo doof. Du und Papa natürlich nicht.


    Ich vermiss euch


    Esquilina.



    Nachtrag:


    Liebe Alpina,
    auf dem Weg zum Postversand bin ich an einem Buchladen vorbeigekommen, wo mir der beiliegende Codex in die Augen fiel. Ich fürchte zwar dass du aus ihr nichts neues mehr lernen wirst, aber ich möchte sie dir dennoch zum Geschenk machen.
    Licinus



    Begeistert drückte Alpina den Brief an ihr Herz. In Gedanken drückte sie Licinus und Esquilina, die beide so weit fort und ihr doch so nah waren. Wie lieb von Licinus, dass er an sie gedacht hatte, als er den Codex gesehen hatte. Ja, das war genau ihr Thema. Wie interessant! Gleich wollte sie sich in das Buch vertiefen.

    Alpina schlug den Weg zum Rhenus an. Sie kannte den Weg sehr gut. Es ging durch den Vicus Navaliorum und dann am Flussufer entlang. Ursi liebte das Wasser und die Mutter musste immer sehr aufpassen, dass sich die Kleine nicht zu nah an das glitschige Ufer traute. Sie hatte Sorge, das Mädchen könne abrutschen und dann in den reißenden Fluten ertrinken.

    Es klang nicht eben überschwänglich, aber Alpina war schon froh, dass er zusagte mit ihr spazieren gehen zu wollen. Immerhin war ihr daran gelegen, dass sie gut miteinander auskamen.
    Ursi hüpfte neben ihnen auf und ab. Sie freute sich sehr und Alpina ging das Herz auf, dass die Kleine so ausgelassen war.


    "Hast du Lust am Fluss entlangzugehen?"

    Es war schön zu sehen, dass sich Ursi so über Massas Besuch freute. Alpina schüttelte lachend den Kopf auf seine Frage hin.
    "Nein, nichts Schlimmeres als dieser kleine Racker. Ich komme nur nicht voran solange sie mir alles durcheinander bringt. Ich zähle die Tageseinnahmen und wenn immer wieder irgendwo eine Münze weg und woanders wieder dazu gelegt werden, dann werde ich nie fertig. Ich habe wirklich viel zu tun im Augenblick. Trotz des schönen Wetters sind viele Menschen erkältet und Magen-Darm-Beschwerden gibt es eigentlich immer. Ich würde aber bei dem schönen Wetter auch lieber draußen im Wald oder am Fluss spazieren gehen."


    Sie sah ihn an. "Hast du Zeit? Hättest du Lust auf einen Spaziergang?"

    An diesem Tag saß Ursi bei Alpina auf dem Tresen. Sie spielte mit den Münzen aus Alpinas Kasse während die Mutter verzweifelt versuchte den Überblick zu behalten und einen Kassensturz zu machen.
    "Uris, bei Merkur! Lass die Münzen bitte da vo ich sie hingelegt habe. Ich brauche den Überblick! Die sind bereits gezählt! Neeeiiiin!!!! Nicht schon wieder!"


    In diesem Moment ging die Tür auf und das Glöckchen überschlug sich halb. Ein Strahlen erschien auf dem Gesicht der Kleinen und sie ließ sofort von ihrem Tun ab. Mit glockenheller Stimme begrüßte sie den Tribun der Eintrat. "Massa!"
    Beide Arme ausstreckend ließ sie offen ob die Freude nur seinem Erscheinen galt oder aber dem Kekspaket in seiner Hand.


    Alpina musste lächeln. "Salve, Massa! Du kommst wie gerufen!"

    Alpina sah den Steinmetz an. Was wünschte sich Corvinus wohl. Er war Legionär gewesen, durch und durch. So etwas wie Familienleben hatten sie nicht lang gehabt. Also fand sie einen klassischen Soldatengrabstein passender.
    "Ich fände einen klassischen Grabstein für einen Centurio passender. Er war nicht sehr lang Decurio. Die längste Zeit seiner Laufbahn war er Centurio. Sein Pferd war ihm noch nicht so vertraut wie sein Gladius und der Vitis."


    Gratus nickte. Er nahm eine Tabula und ritzte eine Skizze in das Wachs. Unter einem Spitzgiebel die Buchstaben. DM stand im Tympanon - dies manibus. Den Göttern und Manen.


    Darunter war ein Rundbogen zu sehen getragen von zwei Säulen. In dem Arkadenbogen stand ein Centurio, der sich auf seinen Schild stützte. Gladius und Pugio im Gürtel, in der Rechten trug er den Vitis. Die Brustgurte zeigten die Phalerae. Alpina nickte.
    "Er hatte einen Torques und auch eine Corona in der Schlacht von Vicetia erhalten. Die sollten mit dargestellt werden."


    Der Steinmetz kratzte sich am Kopf. "Der Torques ist kein Problem. Den bekommt er einfach um den Hals. Die Corona... hm. Die könnten wir ihm hier zu Füßen hinstellen."
    Er malte einen Kreis neben das Scutum. Der sybolisierte die Corona aus Eichenlaub.


    Alpina war zufrieden. Dann besprachen sie den Text. Er sollte daunter auf dem Sockel stehen.
    Lucius Helvetius Corvinus, Sohn des Hevetius Curvus, aus der Tribus Noviomagus, Centurio der Legio II Germanica, hat hier seine Ruhe gefunden. Er lebte 29 Jahre und starb im 14. Dienstjahr. Der Gedenkstein wurde ihm von den Seinen errichtet.


    Etwas fehlte aber dennoch, stellte Alpina fest. "Wäre es noch möglich, irgendwo einen kleinen Bären anzubringen oder einen Großen und einen kleinen Bären?", fragte sie Gratus.


    Der sah sie von der Seite an und schmunzelte dann.
    "Ja auf den Seiten. Der Grabstein hat ja auch zwei Schmalseiten. Da können wir entweder nur die üblichen Girlanden anbringen, Helm und Speer oder Hasta sind auch beliebt, manche wollen Götterfiguren. Aber wenn du willst, dann mache ich auf die eine Seite einen großen Bären und auf die andere. Eine Bärenmutter mit Kind. Wie wäre das?"


    Jetzt zeigte sich die Raeterin zufrieden. "Hervorragend, Gratus. So möchte ich ihn gerne haben!"
    Zuletzt vereinbarten beide den Preis. Alpina wusste, dass es so eine individuelle Anfertigung nicht billig war, aber sie hatte genug Geld um diesen Gedenkstein setzen zu lassen.

    Am 39 Tag des Zyklus, Alpina war sich schon fast sicher gewesen, dass sie erneut schwanger war, setzte eine heftige Blutung ein. Zusammengesetzt aus dicken Klumpen geronnenen Blutes ergoss sich die Menstruation nach außen und damit auch das kleine, sich gerade erst in Entwicklung befindliche Leben. Alpina trauerte um das Kind, denn sie wäre doch gerne noch einmal Mutter geworden, andererseits dankte sie auch Iuno Lucina, dass sie ihr in dieser Situation kein Kind schenkte.
    Die Beziehung zu Massa war nicht von Dauer gewesen, sie hatte gespürt, dass sie nicht füreinander gemacht waren, auch wenn sie ihn nach wie vor mochte und seinen liebevollen Umgang mit Ursi sehr geschätzt hatte.


    Nun konnte sie Abschied nehmen. Von der Vorstellung erneut eine dauerhafte Beziehung zu einem Soldaten einzugehen und von der Hoffnung wieder Mutter zu werden. Mit dem Blut und den Gewebsfetzen ergossen sich heiße Tränen in den Nachtopf.

    "Wie du meinst, Massa", antwortete die Raeterin. "Ich freue mich, wenn du vorbei kommst. Ob du dann zum Essen bleiben willst oder nicht, bleibt dir überlassen. Vale bene!"
    Dann gab sie dem Tribun seine Salben mit.

    Alpina spürte den verletzten Stolz und sie wusste, dass sie Massa weh tat. Aber der Verlust von Corvinus hatte ebenso weh getan. Noch einmal wollte sie das nicht erleben.
    Sie schob ihm die Sesterzen zurück.


    "Weder der Tribun noch der Mann schulden mir etwas. Ich hoffe sehr, dass wir eine Möglichkeit finden, abseits einer Liebesbeziehung, freundschaftlich und respektvoll miteinander umzugehen. Ich würde dich gerne zu einem Essen in die Casa einladen. Ursi würde sich auch freuen, dich zu sehen. Möchtest du nicht in ein paar Tagen zur Cena kommen? Dann könnten wir einen Neustart wagen."


    Es war ein wager Versuch, Massa als Freund zu behalten, wenn sie ihm auch klar machen wollte, dass eine Beziehung in dem Sinne, wie er es sich wünschte, nicht möglich sein würde.

    Das Geständnis, das nun folgte, ließ Alpinas ganze Wut verpuffen.
    Ja, auch sie hatte ihn geliebt. Die erste Zeit ihrer Beziehung war wundervoll gewesen. Die Nacht, die sie gemeinsam verbracht hatten, war überaus erfüllend gewesen. Doch in der Folge waren so viele Dinge passiert. Massas Unverständnis über ihre Trauer als sie von Corvinus Tod erfahren hatte und auch sein andauerndes Nachbohren wie und auf welche Art er zu Tode gekommen war hatten ihr Vertrauen in ihn in seinen Grundfesten erschüttert. Sie wollte dass die Manes von Corvinus ihre Ruhe fanden.


    Die ganze Geschichte hatte nicht nur Massa zum Zweifeln gebracht, ob die Beziehung von Dauer sein konnte, sondern auch sie. Alpina zweifelte ob des erlebten Verschwindens und schließlich bestätigten Todes ihres Lebensgefährten Corvinus daran, dass sie noch einmal einen Soldaten als Partner haben wollte. Die Gefahr, dass sie ihn plötzlich und ohne Vorwarnung wieder verlieren konnte, war einfach immer gegeben, wenn ein Mann sich dem Exercitus verschrieben hatte und unter dem Adler diente.


    Alpina hatte in den vergangenen Wochen Zeit gehabt über ihre Wünsche für die Zukunft nachzudenken. Sie hatte beschlossen, keine feste Beziehung mehr einzugehen und stattdessen ihre ganze Aufmerksamkeit der Erziehung ihrer Tochter Ursicina zu widmen. Doch wie sollte sie das nun Massa sagen?
    "Es tut mir auch leid, dass die Umstände einen Keil zwischen uns getrieben haben. Das ist nicht mein Wunsch gewesen. Glaube mir, auch ich kann nicht vergessen was zwischen und war. Und ich will es auch gar nicht. Dafür war es zu schön und außergewöhnlich. Ich habe mich lange nicht so wohl gefühlt wie in deiner Gegenwart. Wollen wir versuchen, das was uns verbindet auf eine andere Stufe zu stellen? Wollen wir uns einfach so nehmen wie wir sind? Du der Tribun einer Legion, ich eine Peregrine ledige Mutter einer Tochter, die ihr selbstständiges Leben führt?"

    Bla, bla, bla... allgemeines Gewäsch. Alpina begann wütend zu werden. Raue Hände... ja klar! Was kam als nächstes? Hämorrhoiden?


    Dann aber kam die Überraschung. Massa entschuldigte sich. Schnell, fast eilig. Er reihte eine Menge kurzer Sätze aneinander. Entschuldigen...leid tun...weiß nicht warum... geirrt... Fehler...


    Alpina starrte ihn an. War das sein Ernst? Es klang nicht wirklich sehr überzeugend. Aber immerhin - er entschuldigte sich.


    Dann kam die Frage, wie es ihr ging....


    Ja, wie ging es ihr? Vor allem jetzt, nach dem Geständnis? Was sollte sie antworten? Ganz gut, wenn man davon absieht, dass ich vermute von dir schwanger zu sein... Nein! Ausgeschlossen! Was dann? Gut? Weit gefehlt! Gut ging es ihr nicht, aber sollte sie ihm das auf die Nase binden?


    Die Raeterin starrte ihn an. Um Zeit zu gewinnen drehte sie sich wieder zu ihrem Regal. Sie holte eine weitere Dose mit einer Salbe gegen raue Hände. Als sie sich zurückdrehte, sah sie wie schwer es ihm fallen musste, diesen Schritt zu tun.
    "Nun, wenn ich ehrlich bin, nicht wirklich gut. Aber interessiert dich das überhaupt?"

    Ein Ziehen in der Schulter also? Alpina musterte Massa nachdenklich. Was sollte sie tun? Ihn der Lüge bezichtigen? Ihn rauswerfen? Oder ihn behandeln wie jeden anderen Hilfesuchenden in der Taberna medica.


    Ebenso feige wie er, entschied sie sich für letzteres.
    "Selbstverständlich!"


    Sie drehte sich um und holte aus dem Regal, das sie eben eingerichtet hatte eine Dose mit einer Heilsalbe heraus. Sie ergriff die wärmende und Durchblutung fördernde Salbe, die Rosmarin, Beinwell und Arnika enthielt.
    "Das hier ist eine wärmende und Durchblutung fördernde Salbe. Die sollte dir helfen."


    Ein Blick in seine dunklen Augen offenbarte, dass die schmerzende Schulter wohl nicht der Grund seines Besuches war.
    "Und wie geht es dir sonst?", fragte sie vorsichtig.

    Als die Türglocke einen Besucher ankündigte räumte Alpina gerade das Regal hinter dem Tresen auf. Sie drehte sich um und erkannte Massa. Der Herzschlag beschleunigte sich, ihre Kehle wurde trocken. Was wollte er hier? Sie erneut beschimpfen? Wieder ein vermeintliches Heilmittel für seinen Liebeskummer besorgen?
    Alpina war unsicher, wie sie das Gespräch beginnen sollte, entschied sich dann für eine neutrale Begrüßung.


    "Salve, Massa. Wie kann ich dir helfen?"