Das Wimmern der Gebärenden war bereits zu hören, als Alpina die Casa des Schusters Modorok betrat. Mit zügigen Schritten durchquerte sie den Wohnraum und fand Almudis auf ihrem Bett liegend vor. Sie krümmte sich vor Schmerz und stöhnte laut. Alpina trat zu ihr und kniete sich neben die junge Frau.
"Hallo, Almudis! Ich bin es, Alpina."
Die Schwangere drehte sich zu ihr um und ein zaghaftes Lächeln erschien auf ihrem schmerzverzerrten Gesicht.
"Wie gut, dass Du gleich kommen konntest, Alpina. Ich glaube, ich sterbe!"
Alpina musste lächeln ob der Übertreibung der Gebärenden, aber sie kannte diese Äußerungen. Wehen waren kein leichtes Bauchgrimmen - ihre Intensität überraschte die Erstgebärenden oft.
"Wann haben die Wehen begonnen und wie oft kommen sie?", wollte Alpina wissen.
"Ich denke seit der 5. oder 6. Stunde. Ich habe Dich rufen lassen, als sie regelmäßig wurden. War das richtig so?"
"Bestens!", antwortete Alpina. "Ich werde jetzt erstmal heißes Wasser holen und dann untersuche ich Dich."
Sie ging zum Herd des Hauses und traf dort mit der Schwiegermutter von Almudis zusammen, die aufgeregt zwischen Werkstatt und Wohnräumen hin und herlief.
"Wie froh ich bin, dass Du da bist, dass Du kommen konntest! Ich bin so nervös! Ich weiß gar nicht mehr, wie das bei mir war. Alleine würde ich so eine Entbindung sicher nicht durchstehen."
Alpina lächelte und beruhigte die Frau. Dann gab sie Anweisungen, ihr eine Schüssel mit heißem Wasser zu bringen und aus den Kräutern, die sie der Frau reichte, einen Tee für Almudis zu kochen.
Wieder zurück bei der Gebärenden, bat Alpina die junge Germanin, sie möge alles Beengende lösen und sogar die Haare lösen, um die Entbindung zu erleichtern. Nachdem sie ein Gebet für die Geburtsgöttin Iuno Lucina gesprochen hatte, setzte sie sich an den Bettrand und untersuchte Almudis Bauch. Das Kind lag richtigherum und schien auch schon ins Becken gerutscht zu sein. Doch Alpina konnte auch tasten, dass es sich um ein sehr großes Kind handelte. Es würde mit Sicherheit keine leichte Entbindung werden.
Als die Schüssel mit dem heißen Wasser gebracht wurde, wusch sich Alpina die Hände darin. Sie ölte sich die Finger mit Olivenöl ein und begann mit der Untersuchung des Unterleibs. Tatsächlich war der Muttermund schon 4 Finger breit geöffnet und Alpina konnte den Kopf des Kindes tasten. Die Fruchtblase war noch intakt, das Fruchtwasser noch nicht abgegangen. Sie legte ihr Ohr auf den Bauch der jungen Frau und horchte nach den Herztönen. Alles in Ordnung. Dann teilte sie Almudis das Ergebnis der Untersuchung mit.
"Das beste wird jetzt sein, wenn Du aufstehst und Dich noch ein wenig bewegst. Denn die Geburt geht meist schneller voran, wenn man aufrecht ist. Außerdem hoffe ich, dass die Fruchtblase noch platzt. Das erleichtert die Sache."
Almudis starrte sie ungläubig an.
"Ich soll aufstehen und gehen? Das ist nicht Dein Ernst? Ich kann mich kaum noch bewegen und dazu noch diese Schmerzen... ah! Da sind sie schon wieder! Unmöglich! Ich kann nicht aufstehen!"
Alpina streichelte beruhgiend die Hand der jungen Frau und wartete, bis die Schwiegermutter mit dem Tee kam.
"Wir helfen Dir beim Aufstehen, Almudis. Keine Sorge!"
Durch ihre Beharrlichkeit und die Sicherheit, die Alpina ausstrahlte, ließ sich Almudis bewegen aufzustehen. Zu zweit halfen sie ihr auf und begannen, unterbrochen von den Wehen, mit der Gebärenden durch das Haus zu wandern.