Beiträge von DIVUS VALERIANUS

    Es dauerte noch eine ganze Weile und benötigte den Weg durch mehrere Räume, dann stand der reiter tatsächlich dem Caesar gegenüber. Jener saß an seinem Tisch, was gegenüber der langen Zeit im Bett schon ein gewaltiger Fortschritt war. Einem Außenstehenden fiel das aber ganz sicher nicht auf, auf ihn musste der Caesar immernoch erschreckend schwach wirken.


    "Welche Nachricht schickt mir der Kommandeur der Legio I?"

    Nicht alle Einschätzungen seines Freundes sind das, was der Caesar zum Aufbauen braucht. Sein Gesichtsausdruck bleibt sorgenvoll und zeigt kaum Anzeichen von Glück.


    "Mit aufgeriebenen Legionen fange ich nichts an. Ihre Kommandeure werden neue, stärkere Truppen haben wollen, um zu Ende zu bringen, was sie begonnen haben. Und Truppen, die gelangweilt in Syria sitzen, kommen auch nur auf dumme Gedanken. Du kennst die Geschichte und weißt, woher der Sieger des Vier-Kaiser-Jahres kam. Und seine Truppen hatten sogar eigentlich gut zu tun! Hoffen wir also, dass es den Truppen besser geht und sie sich selber vergnügen."


    In all den Jahre hatte er sich nur wenig dafür interessiert, wen sein Vater aus welchen Gründen wo als Statthalter eingesetzt oder abberufen hat. Briefkontakt in die Provinzen war kaum vorhanden, nur einzelne Schlaglichter der Vergangenheit sind vorhanden.


    "Africa hat seinen Laeca gehabt, den haben wir davon gejagt. Seitdem sollte mein Vater dort sorgfältiger ausgewählt haben. Calpurnius in Asia würde mir den Osten frei halten, sicher. Aber habe ich ihn auf meiner Seite? Ich werde mich seiner Treue versichern müssen, um ruhiger schlafen zu können. Hispania und Gallia sind genauso irrelevant wie Africa. Zum Glück. Der Name Curtius sagt mir nicht einmal was. Vinicius Lucianus ist mit Vinicius Huringacus verwandt, dem Praefectus? Dann haben wir ihn entweder auf unserer Seite oder ein gewaltiges Problem. Ich werde mir auch darüber Informationen einholen lassen, bevor ich Italia betrete."

    Der Caesar wusste nur zu gut, wie Recht sein Freund hatte. Allein, zu lange schon hatte er keine Kraft mehr gezeigt.


    "Du sprichst wahre Worte und ich werde bald nach Rom aufbrechen müssen. Aber ich brauche dich nicht zu täuschen. Du weisst, dass ich zu einer eiligen Reise nicht in der Lage bin. Ich werde Dinge von hier aus regeln müssen. Parthia wird auf meine Anwesenheit ganz sicher verzichten müssen. Ich hoffe, dass man dort keine anderen Pläne schmiedet. Schon deswegen werde ich Truppen in der Hinterhand brauchen."


    Er blickte eine Weile schweigend auf seinen leeren Teller und nahm dann doch keine weiteren Speisen.


    "Ich fürchte den Senat nicht. Er wird seine Macht nutzen wollen, aber er ist träge. Für ihn brauche ich nicht zu eilen. Die Provinzen sind es, die sich schnell entscheiden werden. Auf welche Statthalter kann ich mich verlassen? Wer könnte mir Ärger machen?"

    "Salve, mein Freund!"


    Der Caesar erwiderte den Gruß des eintretenden Freundes nicht überschwänglich und war auch zu geschwächt für eine militärische Reaktion eines Kommandeurs, aber trotzdem zeichnete sich Freude auf seinem Gesicht ab. Er wechselte kurz einen Blick mit seiner Gattin, die daraufhin schweigend den Raum verließ.


    "Ich habe dich erwartet. Lege dich nieder und lasse dir Speisen reichen. Der Koch soll wenigstens an dir seine Freude haben."


    Die Nachricht vom Tod seines Vaters hatte den Caesar Kräfte gekostet, aber auch Kräfte freigesetzt. Kärfte die es ihm ermöglichten, zumindest ein halbwegs guter Gastgeber für seine Freunde zu sein und die Rolle des Hausherrn einzunehmen.


    "Lass' uns meinem Vater gedenken."


    Ein Becher Wein wurde als Opfer vergossen, nicht der erste an diesem Tag. Durch seinen Tod schien der Kaiser im Haus des Caesaren präsenter zu sein denn je.

    Schweigen füllte den Raum, während der Caesar las. Langsam und stockend, während ihm ein eikalter Schauer nach dem anderen über den Rücken jagte. Das Bild vor seinen Augen verschwamm, die Schrift wurde undeutlich. Er schloss die Augen, zitterte am ganzen Körper, dann las er weiter, bis er das Ende erreicht hatte. Seine Stimme klang matt und belegt, noch tonloser und unsicherer als sonst.


    "Er ist als siegreicher Feldherr gestorben?"


    Die Boten bestätigten dies, immerhin hatte das Heer Dura Europos erreicht. Der Caesar nickte und die Antwort schien ihn zu beruhigen. Mit glasigen Augen blickte er die Anwesenden an.


    "Lasst mich allein. Aber haltet euch bereit. Ich werde eure Dienste noch brauchen. Alle sollen sich bereit machen. Ich werde euch alle brauchen. Rom braucht mich und ich brauche euch. Der heutige Tag hat unser aller Leben verändert."


    Mit geschlossenen Augen sank der Caesar wieder in seine Kissen. Sein Puls raste, flackernde Lichter tanzten vor seinen Augen. Die Nachricht veränderte Leben, aber er wusste selber nicht, ob man seinen Zustand noch guten Gewissens als Leben bezeichnen konnte. Er musste sich mit seinen Freunden beraten.

    Der Caesar lag in seinem Bett, als die Boten eintrafen. Fieber machte ihm regelmäßig zu schaffen, Krämpfe quälten seinen Körper. Und wenn es beides nicht war, dann war es der kalte Schweiß, der ihm ausbrach und die Leinentücher durchnässte, die neben seinem Lager bereit lagen. Seit Wochen ging das so, ohne dass sich die Lage besserte. Seine Präsenz im Lager war auf dem Nullpunkt angekommen und außerhalb seiner Wohnung bekam ihn niemand zu Gesicht. Die Offiziere führten die Legion, der Statthalter die Provinz. Aber so wenig, wie er noch gebraucht wurde, so wenig Aufmerksamkeit schien auch Pluto ihm entgegen bringen zu wollen. Oder der Caesar weigerte sich einfach zu sterben.


    "Heute ist also der Tag, für den mein Leben bestimmt war und der Tag, den ich doch gefürchtet habe."


    Der Caesar wirkte müde, nur noch ein Schatten der Tage, an denen er der starke Arm seines Vaters war. Seit seiner Adoption war klar, dass er es sein würde, dem man eines Tages die Nachricht vom Tod des Kaisers persönlich überbringen würde und von dem man dann Tatkraft und all die anderen römischen Tugenden erwarten würde. Er war bereit, dieses Erbe anzutreten, aber sein Körper darauf nicht eingestellt.


    "Das Schicksal Roms in zitternden Händen. Vater, ich hoffe du weißt, was du verlangst. Du durftest nicht gehen."


    Er griff nach dem Brief.

    "Ein guter Vorschlag, mein Freund." Valerianus lächelte matt. "Bereite alles vor. Auch deine Männer sollen ein kleines Donativum aus meinen Privatgeldern erhalten."


    Plötzlich krampfte der Körper des Caesar sich zusammen. Er sog tief Luft ein, begann zu Husten und beugte sich über die Schüssel. Als er sich wieder aufrichtete, bedeckte Schweiß seine Stirn, sein Gesicht war noch blasser als zuvor.


    "Das war alles. Ich werde mich ein wenig ausruhen."

    Als hätte er dies bereits erwartet, nickte Valrianus. Obwohl er in schlechter Verfassung war, gingen Nachrichten aus Rom und Parthien noch immer zuerst durch seine Hände. Trotz allem war er noch immer der Caesar des Imperium Romanum.


    "Lass die Grenzpatrouillen verstärken. Ich möchte keine Überraschungen von Seiten der Iazyges solange wir nicht wissen, wie es in Parthien aussieht. Wir haben sie im Sommer gut zurück gedrängt. Ich glaube nicht, dass sie die Mittel haben, jetzt im Winter Krieg zu führen, aber bei diesen unbändigen Völkern kann man nie wissen, wie verzweifelt sie sind."


    Im Grund gab es außer ein paar Scharmützeln seit Monaten keinen Kontakt mit dem Feind. Das Volk der Iazyges hatten sich allmählich an die Grenze gewöhnt, und obwohl Salinator des öfteren darauf drängte, weiter in ihr Gebiet vorzustoßen, begnügte der Caesar sich damit diese Grenze zu halten. Das Imperium konnte sich keine zwei Fronten gleichzeitig erlauben und der Augustus hatte seine Prioritäten in den Osten verlagert.

    Nur ein müdes Lächeln hatte Valerianus für den Legaten übrig.


    "Ich habe mit Lucilla gesprochen. Wir bleiben, vorerst. Ich möchte nicht, dass die Truppe unruhig wird. Ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann, Salinator. Die Männer der XIVten folgen dir ebenso wie mir, wenn es sein muss. Doch meine Abreise würde sie verstören. Ich bin zudem guter Hoffnung, dass bald ein fähiger Arzt eintreffen wird, irgendwo in dieser Provinz wird es schon einen geben. Mein Stab sorgt hier für die reibungslosen Abläufe, doch ich möchte, dass du ein Auge auf ihn hast, dass du in ständigem Kontakt mit der XIVten bleibst. Ich will ehrlich zu dir sein, Salinator, diese feuchte Kälte macht mir zu schaffen. Ich werde an den Kalenden des Januarius wieder vor meine Männer treten, doch ich brauche deine Unterstützung."


    Seit Jahren hatte sich sein treuer Freund an der Spitze der Legio VII und schließlich als Statthalter bewährt. Dies machte es Valerianus leicht, ihm indirekt auch seine geliebte XIVte anzuvertrauen, denn sein Tribunus Laticlavius war ein unfähiger Bürokrat, ein junger Mann auf dem Weg durch den Cursus Honorum, und seinem Praefectus Castrorum hatte er noch nie recht vertraut.


    "Gibt es in Viminacium neue Nachrichten von den Legionen des Augustus?"

    Beendet schließlich die Besprechung, nachdem alle Übergangsregelungen getroffen sind.


    "Jeglicher Aufwand zu meinem Abschied ist überflüssig. Der Dienstbetrieb geht normal weiter."


    Entlässt die Offiziere und lässt einige Schreiber kommen, die seine Sachen packen sollen.

    Beginnt die Besprechung, nachdem alle eingetroffen sind.


    "Meine Herren, ich erhielt ein Eilbrief von meinem Vater aus Rom. Er berichtet von besorgniserregebden Meldungen aus Illyricum und davon, dass der dortige Statthalter die Lage nicht mehr unter Kontrolle hat. Weitere Meldungen fehlen bisher.


    Er hat mir wieder das Kommando über die Legio XIV Flavia übertragen, die ich einst führte und mich zudem mit Sonderrechten als Corrector ausgestattet. Ich werde so schnell wie möglich abreisen.


    Ein neuer Legat für die Legio I wurde bereits angefordert. Ich weiss jedoch nicht, wer es ist, aber er sollte in Kürze hier eintreffen."


    Gibt noch zahlreiche weitere Anweisungen für die Zeit seiner Abwesenheit und nimmt dringende Fragen entgegen.

    Sitzt in seinem Büro und liest zum zweiten Mal einen Brief, der am Morgen per Eilbote aus Rom kam. Ruft den Cornicularius.


    "Jeder, der vom Stab greifbar ist zu mir. Es gibt wichtige Dinge zu besprechen."


    Lässt die Tür zum Vorzimmer des Cornicularius offen stehen, damit die Offiziere gleich eintreten können. Läuft dann grübelnd einige Schritte durchs Zimmer.

    Zieht leise und langgezogen etwas Luft durch die Nase ein.


    "Nun gut, dann bist du also wieder dabei."


    Blickt auf eine Liste auf seinem Tisch.


    "Melde dich bei Centuruio Claudius Vesuvianus wegen der Bauarbeiten zurück. Lass dich für Aufsichts- und Schreibarbeiten einteilen, da sind deine Fähigkeiten als Quaestor am besten aufgehoben. Über deine weitere Zukunft reden wir dann in einigen Wochen. Vielleicht hole ich dich als Optio Tabellarii in die Principia."

    Schweigt lange, weil der Optio in Gedanken versunken und unschlüssig erscheint.


    "Keine Ausbildung geleitet zu haben ist kein besonderes Merkmal. Zahlreiche Unteroffiziere, die in der Fabrica, in der Principia oder im Valetudinarium ihren Dienst tun, sind über ihre Leistungen dort zu ihrem Dienstgrad gekommen.


    In der Legion wird jeder Mann nach seiner besten Verwendung eingesetzt. Du kommst von den Stadtkohorten, kennst also den Dienst unter Zivilisten. Und du sprachst gerade den Posten als Regionarius an. Dir einen Posten als Centurio Statorum in Aussicht zu stellen, klingt da nach einer schlüssigen Option."

    Nickt und erinnert sich nach einer kurzen Denkpause an das Gespräch.


    "Ich sagte ihm damals, dass ich die Stärke der Abordnung nicht benennen kann. Das hat sich bis heute nicht geändert."


    Macht eine Handbewegung, die nach draußen zeigt.


    "Da draußen entsteht ein Amphitheater. Das bindet viele Männer. Ich kann dir nicht schicken, wen ich nicht zur Verfügung habe. Einfach Soldaten für die Arbeiten sind nicht das Problem, aber es braucht Techniker und Spezialisten für handwerkliche Feinarbeiten. Und die brauchen wir alle hier."