Beiträge von Irvin

    Was war jetzt? Was wollte Esther mit seinem Bart? War sie jetzt böse auf ihn? Aber man konnte doch über alles reden nur nicht heute. Heute war kein guter Tag.
    Hoffentlich hatte er sie mit seiner Abweisung nicht gekränkt, ausgerechnet sie, die sich so sorgevoll um ihn bemühte.
    Aufmerksam beobachtete er was sie dann machte und konnte dann fast sein erleichtertes ausatmen hören.
    Dann verstand er, doch um sicher zu gehen zeigte auch er ihr was er verstanden hatte. Auf sich zeigend und dann auf sein Bett weisend. “Ich schlafen da?” Dann wies er auf Esther und sich. “Nicht du und ich da schlafen?” Mit einem Kopfschütteln unterstrich er dies mich.
    Ein erleichtertes Lächeln zeigte sich auf seinem Gesicht und ganz wie er es zu Hause bei seiner Schwester gemacht hatte, trat er näher an Esther heran, beugte sich runter und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.

    Etwas verwirrt war Irvin nun doch, als Esther hinter ihm die Türe schloss. Mit einigen Blicken hatte er das Inventar aufgenommen. Was aber sollte er nun hier?
    Dann sah er ihr freundliches Lächeln, ihren Blick in Richtung Lagerstätte. Ihr deuten auf das Bett machte ihn verlegen.
    Er spürte wie ihm der Schweiß ausbrach und sein Gesicht sich immer mehr rötete.
    Fieberhaft überlegte er, ob er Esther jetzt gerade richtig verstanden hatte. Sie wollte jetzt mit ihm?


    Sicher das war nichts ungewöhnliches, viel gleichaltrige in seinem Dorf hatten schon einen Bund fürs Leben geschlossen und ihre ersten Kinder. Er dagegen war eher der Ungewöhnliche, der Träumer wie ihn viele auch nannten.
    Doch jetzt hier und sofort.
    Gehörte das zum Sklaventum? Ließen die Römer sich so kleine Sklaven zeugen.
    Esther fand er durchaus sympathisch, doch jetzt stand ihm der Sinn nun wirklich nicht danach.


    Mit hoch rotem Kopf stand er vor ihr. Er wollte sie nicht verletzen und wusste nicht ob sie ihn verstehen würde.
    Schnell trat er auf die Türe zu und öffnete sie. “Bitte Esther, heute nicht”, kam dann sehr hilflos von ihm.

    Irvin hörte Schritte und wollte sie dennoch nicht hören.
    Mit niemanden wollte er spreche. Sein Leben war zerstört und mit jedem Sprechen entwickelte sich seine Zukunft noch schlimmer.
    Die Schritte hörten sich nach einer Frau an. Wenn das Varia wäre, würde er sie nicht mehr beachten. Sie redete und redete und mit jedem ihrem reden, wurde für ihn alles nur noch schlimmer. Nein sie sollte gehen.
    Er hörte wie sie sich hinhockte und spürte wie sie nach seinem Kinn griff. Unwirsch wollte er sich abdrehen, doch dann begegneten sich ihre Augen. “Esther?” Kam ungläubig, fragend von ihm.
    In dem Ton, mit welchem diese nun mit ihm sprach, hörte er den Trost in ihren Worten heraus.
    Langsam lockerte er sich und gab seine abwehrende Haltung auf. Aufmerksam lauschte er ihren Worten. Suchte nach etwas bekannten.
    Da war es, Dominus Varus. Dominus verstand er. Ja so redeten die Sklaven den Sklavenhändler an. Es bedeutete wohl Herr, doch Varus, wer war Varus?
    Fast hätte er ihre Hand fest gehalten, als sie ihm über die Wange strich. Irvin fühlte sich wie der kleine Junge, der er einst war und von seiner großen Schwester getröstet wurde, wenn die Großen ihn mal wieder geärgert hatten.
    Er sah Esthers ausgestreckte Hand und verstand das “komm mit”. Zögernd und voller Misstrauen erhob er sich. Nickte Esther zu und meinte: “Ich komme mit”, doch ihre Hand würde er nicht nehmen. Sie würde es bestimmt verstehen.

    Irvin überlegte wer da gerade, nicht älter als sein jüngste Schwester, gekommen war.
    Er verstand ja nichts on dem was gerade gesprochen wurde aber wunderte sich doch sehr, als er sah wie sie sich aufführte. Nach einigen Beobachtungen kam er zu dem Ergebnis, diese Römerkinder werden also schon in ihrer Kindheit zur Überheblichkeit erzogen. Welch ein seltsames Volk, musste er mal wieder denken.
    Verwundert verfolgte er dann den Flug des Mantels und schüttelte mit dem Kopf.
    Wurde jetzt etwa erwartet, das er diesen nahm, weg räumte oder so etwas in der Art? Achselzuckend blieb er stehen und schaute der Gesellschaft hinterher.

    “Dann mach es doch, mach es gleich”, rief Irvin Varia hinterher und leise fügte er hinzu:” oder ich mache es selber. Außerdem warum soll ich kämpfen lernen? Gewalt erzeugt doch nur Gegengewalt. …. Dumme Varia, warum verstehst du das denn nicht?” Dann rief er wieder lauter in die Richtung in der sie verschwunden war: “ Ich ziehe euch doch alle rein, nach deinen Worten, wenn ich weglaufe.”
    Ob Varia dies oder überhaupt etwas von dem was er gesagt hatte wusste er nicht.
    An dem Baumstamm gelehnt, dachte er mit geschlossenen Augen über ihr Verhalten nach.
    Sie war schon eine merkwürdige Frau. Immerfort redete sie von kämpfen. Wollte ihm helfen und bewachte ihn dennoch. Sagte sie wolle auch die Freiheit und fügte sich den Regeln um so die Freiheit zu erlangen. Wieso? Glaubte sie so die Freiheit zu erlangen. Sie als Frau? “Pah, sie werden dich mit irgendwelchen Versprechungen hin halten. Sie sind gierig, diese Römer. Sie wollen alles und jeden Besitzen. Eines Tages wird ihnen diese Gier zum Verhängnis werden.”
    Konnte es aber nicht auch so sein, dass sie ihn zurückgehalten hatte, damit nur sie keinen Schaden dadurch hatte. Zu ihrem Vorteil also. Langsam wusste er nicht mehr was er glauben oder denken sollte. Er hatte ihr doch gesagt, das er wiederkommen würde. Warum vertraute sie ihm nicht? Kein Mensch hätte etwas gemerkt.
    Irwin schlug mit seinem Hinterkopf gegen den Baumstamm und murmelte. “Dann geh doch zu den Römern, ich brauch dich nicht.”

    “Warum brüllst du so? Ich höre gut.” Irvin schaute Varia kopfschüttelnd an. “Ich verstehe nicht alles was du sagst, doch ist es wie mir scheint, hier auch nicht besser als unterwegs. Wieder werden andere bestraft wenn einer etwas falsch macht.
    Hör also endlich auf mir zu erzählen, ich würde meine Heimat wieder sehen. Wie kann ich hier weggehen wenn andere dafür leiden müssen? Zeige mir bitte nie mehr einen Blick auf die Freiheit”, fügte er noch hinzu bevor er sich von ihr abwandte und schweigend zurück ging.
    An der Stelle wo sie beim Absprung gelandet waren, sah er die Spuren. Mit einem Sprung in die Höhe schaffte er es seine Arme auf die Mauer zu stützen und sich dann hoch zu stemmen. Schon stand er wieder auf der für Varia richtigen Seite. Ohne sich weiter nach ihr um zu sehen und zu vergewissern ob sie alleine hoch kam, ging er wütend aber auch traurig zu einem Baum um sich vor ihm nieder zu lassen.

    Lange saßen sie auf der Mauer und wie es schien gingen beide ihren Gedanken nach.
    Irgendwann war es dann soweit, Irwin gab sich einen innerlichen Ruck, saß gerade und schaute sich aufmerksam um.
    Noch einen prüfenden, abschätzenden Blick in Richtung Füße und schon hockte er auf der Mauer, drehte sich um und ließ sich an der Mauer entlang gleiten nach unten. So gerade schaffte er es festen Halt auf dem Boden zu bekommen. “Keine Angst Varia, ich komme wieder. Ich möchte nur wissen was hinter der Mauer ist.”
    Schon rannte Irvin los. Er fühlte sich zum ersten Mal nach langer Zeit frei. Frei wie ein Vogel. Fast hätte er es wie als Kind gemacht, die Arme beim Lauf ausgebreitet, in der Vorstellung wie ein Vogel zu fliegen.
    Er rannte und rannte, in der Erwartung irgendwann am Ausgangspunkt zurück zu kommen.

    Irvin erhob sich gleich nach Atermas Anweisung und wiederholte murmelt was dieser gesagt hatte: “Drei Kisten aus dem Vestibulum vorsichtig ins Atrium”. Dies machte er ständig, damit sich ihm die Wörter besser einprägten, auch wenn er nicht immer die Bedeutung aller Wörter kannte, wie gerade jetzt. Das Wort Vorsichtig war neu für ihn, wenigstens erinnerte er sich nichts schon gehört oder benutz zu haben.


    Im Vestibulum angekommen, betrachtete er die Kisten, hob eine kurz an, setzte sie ab und überlegte ob er sie auf einander stapeln sollte. Zu Hause hätte er es bestimmt gemacht, alleine um seine Kräfte zu testen. Diese Idee verwarf er gleich wieder. Immer schön fleißig sein und arbeiten, so war das Motto der Römer für die Sklaven, wenigstens sollte es so aussehen.
    Schon wirkte Irvin angepasst wie alle Sklaven und er hasste sich selber dafür. Wie oft dachte er, was macht arbeiten für einen Sinn wenn man nicht weiß wofür man arbeitet.
    Seufzend hob er eine Kiste hoch und brachte sie zum Atrium. Kehrte um holte sie Zweite und setzte sie auf die Erste um zum Schluss die dritte obendrauf zu hieven. Noch ein wenig gezerrt und geschoben , bis sie ordentlich gestapelt waren. Wartend blieb er die Arme verschränkt, die Beine ein wenig gegrätscht daneben stehen und betrachtet wie die beiden sich umarmten.
    Waren die miteinander verwandt, dass sie sich so begrüßten?
    Die haben ja doch Gefühle, stellte Irvin fast erbost fest. Sie wissen wie es ist, eine Familie zu haben und diese zu lieben. Und dennoch nehmen sie anderen Menschen dieses Gefühl. Seine Backenmuskeln begannen sich zu bewegen, da er seine Zähne zusammenbiss. Langsam glitten seine Arme hinunter und die Hände ballten sich zu Fäusten. Erschrocken über sein eigenes Tun, rieb Irvin sich über die Stirn.

    Interessier beobachtete Irvin Varias Tun. Verwundert stellte er fest wie leicht das war. Wenn sie, die um einiges kleiner als er war. Da so leicht hoch käme, würde es für ihn ein Kinderspiel sein. Ohne zu zögern griff er mit beiden Händen hoch, ein Klimmzug, das rechte Bein auf die Mauer gehievt und dann den Rest des Körpers nachgezogen. So einfach wie auf einen Baum zu klettern. Oben angekommen stellte er sich zunächst auf die Mauer und genoss die Aussicht. Schon schweifte sein Blick sehnsüchtig in die Ferne. Von diesem Augenblick stand für ihn fest, hier würde er nicht lange bleiben.
    Langsam setzte er sich dann neben Varia, mit niemanden würde er über sein Vorhaben reden.

    “Garten, … Hortus”, sprach Irvin leise vor sich hin, während er immer noch nach dem Handtuch suchte. Endlich hatte er es gesehen und gleich daneben fand er eine Tunika.
    Nachdem er sich abgetrocknet hatte, faltete er die Tunika auseinander und betrachtete diese. Ja von der Größe konnte sie so ungefähr passen. Merkwürdig war es schon wo diese so schnell herkam.
    Die Tunika übergezogen ging er zur Tür, er war schon sehr gespannt darauf wie hier der Garten aus sah. Ob er Ähnlichkeit mit dem Garten seiner Mutter hatte? Oder ob es bei einem Garten der Römer, wie mit allem anderen war, ganz anders als er es kannte. Neugierig trat er zu Varia. Ich bin fertig und gehen wir nun los, wollte er sagen als er schon einen ersten Blick auf
    den Garten werfen konnte. Schon stand er staunend neben Varia. Das war also ein Garten der Römer. “Nach einiger Zeit wandte er sich zu ihr und meinte fast schon enttäuscht: “Und Gemüse gibt es hier nicht“. Ein paar Schritte machte er vorwärts, drehte sich halb zurück und meinte: “Komm mit ich möchte alles sehen.”

    Erschrocken zuckte Irvin zusammen. Sein rechter Arm der über seinem Kopf angewinkelt gegen der Wand des Beckens lag, klatschte ins Wasser. Jetzt war er endgültig wach, fast denn leicht irritiert blickte er um sich, wo war er hier, dann kehrte auch dieser Teil in sein Bewusstsein zurück. Er musste zugeben das Bad hatte ihm wirklich gut getan, doch nun war es genug. Er kletterte aus dem Becken und ging zum kalt Wasserbecken und sprang mit einem gewaltigen Klatscher in das kalte Wasser.
    Auch wenn er im ersten Augenblick die Luft anhielt und langsam wieder durchatmete tat es gut. Es erinnerte ihn an die Seen, Bäche und Flüsse seiner Heimat. Ob es in dieser Stadt auch einen Fluss gab? Wenn ja so musste er unbedingt da hin. Träumerisch dachte er weiter, vielleicht sogar einen See oder gar ein Meer, wäre das schön.
    Da fiel ihm ein, war das nicht vorhin Varias Stimme gewesen? “Varia?”, kam leise von ihm, dann etwas lauter, “Varia hattest du etwas gesagt”, dann in Lautstärke, während er aus diesem Becken stieg, “Varia?”
    Suchend schaute er sich um und entdeckte dann das Handtuch.
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    Noch einen kurzen Blick auf Varia, ehe diese das Bad verließ, dann hatte er das was er die ganze Zeit gewollt hatte. Er war endlich alleine. Nicht in seiner Heimat oder gar an seinem geliebten Strand aber wenigstens allein und das mit Wasser. Eingefangenes Wasser und dazu noch warmes aber immerhin.


    Langsam ließ er seine schmutzig Tunika von seinem Körper gleiten. An seinem früher so unversehrten Körper zeigten sich jetzt doch einige Spuren der Versklavung. Nicht so schlimm wie bei den meisten seiner Mitgefangenen und auch nichts was nicht in einigen Wochen verschwunden wäre. Am schlimmsten hatten es die Frauen gehabt, noch immer gellten ihre Schreie in seinen Ohren. Unwillig schüttelte Irvin seinen Kopf, nein daran wollte er jetzt nicht denken, jetzt wollte er einfach nur Ruhe.


    Zurück in der Wirklichkeit merkte Irvin, dass der Fußboden warmwar. Verwundert bückte er sich fühlt mit der Handfläche nach, ob er sich nicht geirrt hatte. Keineswegs, es war kein Irrtum langsam trat er an den Beckenrand, schaute nochmals ins Becken ehe er dann rein stieg. Er nickte vor sich hin, es tat seinem Körper gut.
    Irvin spürte wie das warme Wasser ihm gut tat. Langsam kehrte auch innerliche Ruhe bei ihm ein. Sorgfältig begann er sich mit dem Bimsstein zu bearbeiten. Anschließend tauchte er unter, bevor er dann die Augen schloss und das hier genoss.
    Es war das erste Mal seit Monaten seine Muskeln sich lösten.
    Er hatte in einer ständiger Anspannung gelebt. Durch seine Eltern nach den Regeln seines Volkes zur Friedfertigkeit erzogen, musste er seit seiner Gefangennahme, bis jetzt hier im Warmwasserbecken, ständig die Gefühle wie, Zorn, Hass, Wut und Rachsucht unterdrücken.
    Angst hatte er nie gehabt und was alle für Feigheit hielten war enorme Beherrschung, Bemühung die Göttermutter nicht zu erzürnen. Sie wollte, dass ihr Kinder in Ruhe und Frieden miteinander lebten. Nie hätte sie geduldet, dass eins ihrer Kinder die Hand gegen einen anderen Menschen erhob.
    Irvin erlaubte sich jetzt für die Zeit hier locker und gelöst zu sein. Deshalb war auch sein Wunsch nach dem Alleinsein so groß.
    Langsam jetzt wo sein Körper und sein Geist langsam Ruhe bekamen, versank er langsam in einen Schlaf.

    Irvin nahm Varias Hand und, drückte sie kurz, stand auf und folgte ihr. Abermals staunte er über die Größe des Hauses.
    Im Balneum angekommen blieb er zunächst einmal vor Verwunderung stehen, langsam ging er staunend an den Wänden entlang und strich immer wieder mit seinen Fingern über die Mosaiksteine. Fassungslos stand er vor dem Becken. Diese Römer waren schon merkwürdige Menschen holten sich soviel Wsser ins Haus. Es wäre doch viel einfacher man ginge an den Fluss um sich dort zu waschen.
    Jetzt erst sah er den Wasserdampf in dem zweiten Becken hochsteigen. Langsam trat er näher kniete sich hin und fühlte
    Mit seinen Fingerspitzen die Temperatur des Wassers. Stand auf und schüttelte mit dem Kopf. Mehr zu sich selber meinte er: “ Ich versteh sie einfach nicht, warum das Wasser warm machen? Hier ist es doch gar nicht kalt.
    Dann wurde ihm erst bewusst das Varia mit ihm sprach. Er versuchte zu zu hören und auf ihre Letzte Frage antwortete er: “Ja danke, ich denke schon.”
    Obwohl er nicht so wirklich wusste was er jetzt machen sollte.

    “Baden? Was ist baden?” Irvin wusste nichts mit diesem Wort anzufangen. Das er nun schon zum dritten Mal hörte.
    Aufmerksam betrachtete er Varia, die schien irgendwie verärgert zu sein.
    “Was ist los Varia? Bist du jetzt böse mit mir?” Nach einer kurzem Pause ehe Varia Gelegenheit hatte zu antworten, kam seine nächsten Fragen. “Bin ich eigentlich ein Kind, das seine Wünsche erfüllt bekommt, wenn es schön brav war. …. Warum sagst du mir nicht was eigentlich wirklich los ist? ….Was sind das hier für Menschen? ….. Warum lebt ihr hier in dem Haus? Wieso redest du von Kämpfen? …. ”
    Irvin hätte noch so viele Fragen gehabt doch, doch Varia hatte ihn verwirrt.

    Irvin verstand einfach nicht was mit den Menschen hier los war.
    Er war doch kein Kind mehr. Warum musste er förmlich darum betteln einfach nur nach draußen zu gehen. Die einzigen, die ihm etwas sagen durfte waren seine Eltern, ansonsten respektierte er die Meinung anderer Menschen war aber Herr über sich selber.
    Er hatte ihre Sitte jetzt mehr als respektiert, indem er nicht sogar darum gebeten hatte nach draußen zu gehen und nicht einfach gegangen war. Aufmerksam betrachtete er Shanis Gesicht. Sie schaute nicht unfreundlich und nun erwartete er irgendwie so etwas wie, ja sicher geh nur.
    Dann folgte aber Varias Übersetzung, nach dem Shani geantwortet hatte.
    Irvin spürte wie Wärme ihm Aufstieg, er hatte ein Gefühl, was er noch nicht oft erlebt hatte. Er schaute Varia mit großen Augen an, schüttelte mit dem Kopf, nein, damit war er so nicht einverstanden und schon war er mit einem Satz an ihr vorbei, wobei er spürte das sein Fuß an einem Stuhlbein stieß. Schnell hatte er die zweite Türöffnung erreicht, blieb dort verwirrt einen Augenblick stehen, denn dort ging es nicht weiter. Doch dann hatte er aber eine frei Ecke entdeckt, schon saß er dort, die Knie angezogen und mit den Armen umschlungen. Hier würde er sitzen bleiben.
    Jetzt erst schaute er sich genauer in dem kleinen Raum um. Verwundert betrachte er die Menge der seltsamen Krüge. So viele hatte er zu Hause noch nicht einmal auf dem Markt gesehen und schon gar nicht in den Formen.

    Schweigend mit gesenktem Blick saß Irvin am Tisch. Und dachte über Varias Worte nach. Viele Fragen brannten in ihm, doch ob er noch einmal mit ihr sprechen würde wusste er noch nicht.
    Was waren das hier nur für Menschen? Hätte sie ihn doch, wie sie sagte, sehenden Auges in den Tod laufen gelassen. Wenn er doch nicht nach Hause konnte, so war das die beste Lösung.
    Warum sollte die Göttermutter ihm hier heraus helfen? Sie hatte doch zu gelassen, dass ihm und seinem ganzen Dorf, dies alles geschehen war.
    Mit seinen eigenen Gedanken beschäftig hörte er die Stimmen der anderen, doch es war eher für ihn, wie ein alltägliches Hintergrundgeräusch, wie das Summen der Bienen oder zirpen der Grillen. Das hier war nicht mehr wichtig für ihn.
    Wie vermisste er seinen heißgeliebten Strand, den Blick auf die weite See.
    Jetzt hob er seinen Blick und schaute alle an, wobei er Varia wohl wissentlich überging. Langsam, um zu zeigen, dass er keine böse Absicht hatte, erhob er sich. Noch einmal ging sein Blick zu Atermas und Shani. “Ich möchte alleine sein, bitte. Ich geh nicht weg. Doch alleine, irgendwo draußen.” Er brauchte Luft zum frei atmen, auch wenn das Haus groß war, so würde er gerne den Himmel über sich sehen, die Luft siechen und den Wind auf seiner Haut spüren.

    Irgend etwas stimmte nicht. Irvin spürte es ganz genau. Voller Misstrauen hörte er Varia zu und achte genau auf ihre Mimik und den Tonfall. Göttermutter, Schicksal, diese Worte sollten ihn nur beruhigen. Er war aber nicht aufgeregt. Er hatte nur einen Entschluss gefasst. Den Entschluss nach Hause zu gehen.
    Bei den nächsten Worten von Varia, schaute er sie zuerst groß, dann entsetzt und schlussendlich traurig an. Genauso traurig kam seine nächste Frage “Varia, warum belügst du mich?” Irvin machte eine Pause, die er nutzte um in ihren Augen zu lesen. Dann fügte er noch hinzu. ”Ich kenne keinen Dominus Helvetius Varus, der interessiert mich auch nicht. Du willst mir erzählen, es geht mir hier nur gut, wenn ich das mache was mir fremde Menschen sagen? Du machst mich traurig, weil du ihnen hilfst. Hab aber keine Sorge, Irvin vergreift sich an keine Frau.”
    Erst als er Esthers Hand auf seiner Schulter spürte, wurde er auf die anderen aufmerksam. Da kam auch schon Esterhs zweite Hand und berührte seine. Traurig schaute er sie an, langsam ging seine Hand zu der ihren, drückte sie leicht um dann höher zu gehen und diese Hand dann vorsichtig herunter zu nehmen.
    Danach drehte er sich zu den beiden anderen, und meinte leise, da er Hannahs ängstlichen Blick sah: “Habt keine Angst”.
    Langsam mit schweren Schritten, fast wie ein gebrochener Mann, ging er zu seinem Platz zurück und setzte sich wieder hin.
    Für ihn stand nun endgültig fest, er würde keinem Menschen mehr vertrauen.

    “NEIN” Verärgert wurde Irvins Stimme lauter. Etwas leiser fing er dann noch mal an.
    “Nein Varia, ich gehe. Du sagst Wörter die ich nicht kenne. Was sind Sklaven? Was sind Legionen? Bestimmt denkst du und die anderen ich wäre dumm, vielleicht bin ich es auch. Doch ich muss wissen, ob zu Hause noch jemand lebt. Ich muss den Menschen helfen, wir helfen immer einander. Jeder ist für jeden da. Es gibt keine Peitschen, Stöcke, Ketten, Schläge und Tritte. Wir helfen gerne einander. …..Nein hier ist es nicht gut. Zu laut, es stinkt und es gibt viele böse Menschen. Ich gehe, du kannst mit gehen oder du lässt mich alleine gehen.”
    Bei dem was er sagte schaute der Varia fest an ohne die anderen zu beachten.

    Irvin ergriff sich ein Stück von dem Käse, den Varia ihm zugeschoben hatte. In dem Moment wo er es sich in den Mund stecken wollte hielt er inne und schüttelte mit dem Kopf. Was für ein Blödsinn dachte. Das hat die Göttermutter der Shani bestimmt nicht aufgetragen. Langsam legte er den Käse zurück, stemmte die Arme auf den Tisch und erhob sich. “Die Göttermutter will das unser Dorf wieder aufgebaut wird, da werde ich gebraucht. In der großen Stadt hier sind genug Menschen, hier braucht man mich nicht. Ich muss nach Hause. Sag das der Shani.” Schon hatte Irvin seinen Platz verlassen und ging in Richtung Türe.

    Irvin war so mit seinem Essen und seinen Gedanken beschäftigt, das er Shanis Ankunft gar nicht bemerkt hatte. Erst bei der für ihn noch fremden Stimme, wurde er auf sie aufmerksam. Er sah, dass sie mit ihm sprach aber auch wieder nicht. Er konnte es einfach nicht fassen. Sie war ja noch dunkler als Atermas. Vor staunen vergaß er das kauen.
    Genau beobachtete er, wie die anderen auf sie reagierten. So wie die anderen sie begrüßten, musste seine Vermutung richt sein. Sie war die Oberste, weil sie die dunkelste Haut hatte.
    Nur warum hatte die große Göttermutter das hier so eingerichtet und nicht bei ihm zu Hause?
    Es gab nur noch eine Frage, wie würde Varia sich verhalten? Vor ihr hatten die anderen doch Angst.
    Noch einmal blickter in die Runde, kaute weiter und schaute Varia fragend an.