Beiträge von Irvin

    Dankbar nickte Irvin Hannah zu als diese den Becher Milch vor ihm stellte.
    Interessiert schaute er auf Hannah und Ester, als diese ihr Gebet sprachen. Er vermutete, dass sie zur Göttermutter sprachen. Ob sie das vor jedem Essen machten und warum nur die beiden? Das es nicht alle Menschen an die Göttermutter glaubten, wäre ihm nie in den Sinn gekommen.
    Als Varia auf das Brot zeigte, nahm er zunächst an sie würde danach greifen, doch dann verstand er. Sie wollte ihm helfen die fremde Sprache zu lernen. Leise murmelte er “Brot”, so wie sie es aussprach.
    Gleich folgten noch andere Worte, deren Nennung sie ihm nannte. Er folgte ihrem Wunsch und wiederholte alles, wenn jedoch auch eher ungern. Irvin ahnte mit dem erlernen dieser Sprache würde feststehen, dass er auf seiner langen Reise angekommen war. So hörten sie ein leises, “Käse…. Honig…. Eier…. Puls” von ihm.
    Auf Varias Hinweis, mit dem tüchtigen zulangen nickte er, denn sein Hunger war erst einmal vordergründig.
    Die Fragen warum er hier war, was das für Menschen waren, ob es noch mehr in diesem Haus gab und welche Rolle sie inne hatten, mussten vorerst zurück treten.
    Der Griff nach dem Brot erinnerte ihn schmerzhaft an seine Mutter. Sie würde bestimmt nicht mehr leben, genau wie alle anderen aus seinem Dorf, nachdem Geschrei was er vom Strand gehört hatte und so blutverschmiert wie die Fremden nach ihrer Rückkehr zu ihren Booten aussahen.
    Mit einer fast hilflosen Geste strich er sich über seine Stirn, ehe er sich ein Stück Brot abbrach, ganz so als wolle er seine Gedanken so fortwischen.
    Aufmerksam beobachtete er was und wie die anderen aßen. Zwischendurch betrachtete er immer den jeweils Sprechenden.
    Nachdem er seinen ersten Hunger mit Puls und Brot gestillt hatte, richtet er an Varia die Frage. “Warum bin ich hier?”

    Irvin beobachtete angestrengt was gerade um ihn herum geschah. Er fand es wirklich anstrengt aus Gestik, Mimik und Tonfall, den Inhalt des Geschehens um ihn herum zu deuten.


    So gesehen war das Leben in den letzten Monaten wesentlich einfacher gewesen. Er brauchte sich nur auf die kurzen, präzisen
    Anweisungen zu konzentrieren. Aufstehen, setzen, hinlegen, vorwärts, warten und ähnlichem. Einer war immer da der verstand was gemeinte war, notfalls wurde das ganze noch mit irgendwelchen Drohgebärden untermauert. Nun aber musste er auf vieles und jeden achten.


    Alle schiene sichtlich um Varia bemüht zu sein. Ob das war um sie zu besänftigen oder sie zu trösten war ihm nicht ganz klar. Atermas wollte sie wohl eher besänftigen, wogegen Esther sie nach ihren Gesten eher trösten wollte.
    Bei der ganzen Aufregung entging Irvin aber nicht das Essen, welches gerade aufgetragen wurde. Jedes Teil wurde einem prüfenden Blick von ihm unterzogen. So wirklich anfangen konnte er mit einigen Speisen nichts. Brot und Brei gab es bei ihm zu Hause auch täglich. Wasser auch, doch Milch und Käse waren nicht für jede Familie selbstverständlich. Seine Familie hatte da Glück, die konnte sich eine Ziege leisten. Diese war trächtig als der Überfall war. Ob sie noch lebte?
    Noch so in Gedanken hörte er Varias Frage, "Milch bitte", kam kurz und knapp von ihm.

    Irvin schaute Varia aufmerksam an und folgte jedes Mal mit seinem Blick ihrem Finger, als sie die einzelnen Personen vorstellte.
    Genauer würde er die Menschen später betrachten, jetzt war es erst wichtig nichts zu verpassen was sie ihm sagte. Zum Rest von dem was sie ihm erklärte nickte er, als Zeichen dafür, dass erste verstanden hatte.
    In dem Moment als er zum Tisch gehen wollte, um sich hin zu setzen, sah er wie Varia nach vorne ging und anfing Holz zu hacken. Irvin kam nicht dazu sich Gedanken über ihr tun zu machen, denn verwundert stellte er fest, wie allgemeine Hektik ausbrach um nicht zu sagen Panik. Etwas wie Angst war in den Gesichtern der Anwesenden zu erkennen. Diese Angst hörte er auch bald aus Hannahs Laut heraus. Atermas schien sogar vor Angst fliehen zu wollen. Jetzt verstand Irvin gar nichts mehr. Wieso löste seine einfache Tätigkeit, wie Holzhacken, solch eine Panik aus? Dann hörte er an Atermas Stimme, dass er Varia um etwas bat oder sie beruhigen wollte. Verständnislos schaute er in die Runde.
    Gleich darauf kam Varia und setzte sich hin. Was sie sagte verstand er nicht, dennoch bekam er mit, dass sie sehr aufgebracht war.
    Er zuckte mit den Schultern und setzte sich an den Tisch.
    Varia hatte gesagt, er solle sich hinsetzen, gleich würde es etwas zu essen geben. Sein Hunger ging im Augenblick vor und außerdem wusste er nicht wann es wieder einmal etwas gab. Vielleicht war das hier auch nur eine Zwischenstation und man würde ihn dann noch weiter von seiner Heimat weg bringen. Daran wollte er gar nicht denken.

    Auf dem Sklavenmarkt hatte Irvin die Menschenmassen gesehen, die in Rom herum liefen. Als er hinter Varia hertrotte und sich über die Größe des Hauses wunderte, fiel ihm das wieder ein. Sicher bei so vielen Menschen brauchen sie so große Häuser. Doch wo sind alle, aus diesem Haus?
    Er hörte Stimmen und erkannte die Stimme von Atermas. Staunend blieb er stehen. Was für ein großer Raum und das sollte nur die Küche sein? Da passte ja fast sein ganzes Elternhaus rein.
    Nur am Rande bekam mit das Varia etwas zu Atermas sagte. Genau hingegen sah er, wie sie mit dem Jungen um ging. Als zum Eingang zurück ging befürchtete er schon, sie würde ganz gehen. Erleichtert sah er, dass sie dann doch stehen blieb.
    Es ging ihm nicht um ihre Gesellschaft. Zur Zeit legte er eher keinen Wert auf irgend jemanden seine Gesellschaft. Sein ganzes Leben war gerne alleine gewesen. Seit seiner Gefangenschaft war er gezwungen immer mit vielen Menschen auf kleinstem Raum zusammen zu sein, deshalb wäre er jetzt viel lieber alleine gewesen.
    Varia hingegen brauchte er noch, wegen der Verständigung. Irvin befürchtete, dass die Schwierigkeiten jetzt gerade erst anfingen.

    Leicht verwundert schaute Irvin hinter Atermas her, nach seinem Tonfall zu urteilen schien dieser verärgert zu sein. Ob der jetzt eine Peitsche oder Hilfe holte. Irvin war beides egal.
    Sein Blick ging zu der Frau, die nun wohl das sagen hatte.
    Warum schaute die ihn so an? Was wollte sie in seinen Augen lesen? Wollte sie sehen ob er Angst hatte? Ja er hatte Angst, nicht vor dem Menschen, sondern davor nie mehr seine Heimat zu sehen. Er wusste wo seine Heimat lag, denn er hatte die Sterne und die Sonne beobachtet. Die Richtung hatte er sich gemerkt, trotzdem würde es schwer werden sein Dorf wieder zu finden.
    Erleichtert sah Irvin dass sie ihm das Seil von den Händen löste.
    Er rieb sich die Handgelenke, schaute sie an und meinte kurz:
    “Danke”, bevor er vom Boden aufstand.
    Als er Varias Namen hörte, nickte er zur Bestätigung. Die Frage nach seinem Namen beantwortete er ihr verwundert. “Irvin, der Mann hatte doch meinen Namen genannt, dann kennt er ihn doch, warum sagte er später, “DU Irvin?”. Mein Vater gab mir meinen Namen und der war gut gewählt, denn Irvin bedeute, der Seefreund. Ich möchte nicht DU Irvin genannt werden.”
    Schon wieder meldete sich fordernd Irvins Magen.

    Irvin wollte durchaus nicht aufsässig sein. Doch nun war er für sich alleine verantwortlich und musste mit den Konsequenzen leben welche aus seinen Handlungsweisen entstanden. Er war der Meinung jetzt war es an der Zeit, dass er den Menschen hier zeigte, dass ein friedliebender Mensch durchaus nicht geistig zurück geblieben oder ein Feigling war. Auf seiner Reise nach Rom, hatte man ihm dies und noch weit schlimmeres vorgeworfen. Da er das Gefühl hatte hier nun endlich angekommen zu sein musste er für klare Verhältnisse sorgen.
    Die Frau hatte er verstanden und wusste was wie in welcher Reihenfolge geschehen sollte. Doch warum sollte er mit Handfesseln zur Küche gehen? Er war doch kein Stück Vieh.
    Also schüttelte er mit dem Kopf, ließ sich nicht von dem Dunkelhäutigen hoch zerren und sagte: ”Essen gut, Seil jetzt ab, dann Küche”. Langsam und deutlich sprach er, damit die Frau ihn gut verstand und es dem Mann übersetzen konnte.

    Irvins Blick wanderte wieder von Atermas zu seinem Finger. Er konnte es immer noch dicht fassen die braune Farbe war riebecht. Auf dem Weg nach Rom war er Menschen aus vielen Völkern begegnet. Menschen die ihren Körper, ihr Gesicht und ob allen Dingen ihre Haare mit vielerlei Dingen schmückten. Auch hatte er Menschen mit den seltsamsten Gesicht und Körperbemalungen gesehen, doch noch nie solche wie in Rom, die gleich ob Männer oder Frauen solche eine gleichmäßig aufgetragene braune Farbe hatten. Das interessante war das diese Brauntöne auch noch in den verschiedensten Abstufungen von hell bis dunkelbraun, ja fast schwarz waren. Ob dies eine Bedeutung hatte? Je dunkler je höher der Rang oder umgekehrt?
    Irvin hatte zwar mitbekommen wie Atermas zurückgewichen war, doch aus seiner Sicht war dies durchaus verständlich, er mochte ja auch nicht wenn man ihm an seinem Gesicht rumfingerte. Er hätte auch eine andere Reaktion verstehen können, wenn nicht sogar erwartet. Deshalb hatte er sich auch mühsam dazu durchringen müssen.
    Es schien aber umsonst gewesen zu sein. Erwar noch keinen Schritt weiter mit der Beantwortung seiner Fragen.
    Dann kann ihm blitzartig eine Idee. Das waren bevorzugte Kinder von der Göttermutter.


    Gerade als er sich eingehender mit diesem Gedanken befassen wollte, kam eine Frau dazu. Sie stellet sich neben den Dunkelhäutigen. Ob sie zu ihm gehörte und ob sie dann auch noch so braun wurde wie er?
    Noch mit diesen Fragen beschäftigt bekam Irvin ihre ersten Worte nicht mit. Was ihn hellhörig machte war das Wort Kette. Dieses Wort hatte für ihn, für sein Volk früher keine besondere Bedeutung gehabt. Erst nach seiner Gefangennahme
    hatte er erst erfahren was man damit alles machen konnte. Einen fesseln, Leute aneinander ketten, Menschen hinter sich herschleifen Menschen damit schlagen, Menschen damit einschüchtern, drohen. Die Frau wollte das jetzt auch mit ihm machen, wie es schien. Dann dieses Lachen von ihr und schon wieder nach die Frage nach seinem Namen.
    Warum sollte er ihn nennen, der Mann kannte ihn doch. Er hatte ihn doch selber genannt. Nicht dieses “DU Irvin“, nein einfach nur Irvin.
    Das die Frau scheinbar seine Sprache sprach verwunderte ihn nicht weiter, denn unterwegs waren sie immer wieder Menschen begegnet die etwas von seiner Sprache sprachen.


    Das Ganze fing an ihn zu langweilen. In der Zeit wo er unterwegs war hatte er gelernt, wenn man stand, musste man stehen bleiben. Wer aus der Reihe tanzte wurde mit Peitsche, Stock, Fäusten oder Fußtritten bestraft. Ferner hatte er erfahren, nicht nur der etwas falsch gemacht hatte bekam eine Strafe, sondern mit ihm auch viele Unschuldige oder alle.
    Hier war er aber alleine, also würde ihm nur etwas geschehen. Zwei Dinge wollte er, sitzen und die Handfesseln ab genommen bekommen. Was aber zuerst? Er überlegte wenn er sich hinsetzen würde und dann um Befreiung von den Handfesseln bitten, so sahen die beiden doch, dass er friedlich war.
    Ja so würde er es machen. Kurzer Hand setzte er sich auf den Boden und streckte Atermas seine zusammengebundenen Hände entgegen.

    Mit großen Augen schaute Irvin Atermas zu. Als dieser auf Irvin zeigte und dabei sagte, Du Irvin, schüttelt er heftig mit dem Kopf. Er hieß doch nicht DU Irvin, sein Name war doch Irvin.
    Was der Dunkelhäutige sonst noch sagte verstand er nun wieder gar nicht. Obwohl er vermutete, dass wenn er es richtig gedeutet hatte, dessen Name Atermas war.


    Und wieder schaute er auf die Hautfarbe. Ob die wirklich nicht abfärbte? Seufzend fasste er einen Entschluss. Er holte tief Luft, machte einen schnelle Schritt vorwärts, hob seine noch immer zusammengebunden Hände in Richtung Atermas Wange und rieb schnell mit seinem Zeigefinger daran. Nachdem er genauso schnell wieder auf seinem Platz stand betrachte er eingehend seinen Zeigefinger und rieb ihn dann an die andere Hand. Nichts zu sehen, die Farbe ging nicht ab. Bestimmt muss man mit warmen Wasser daran gehen und dann richtig bürsten, dachte er.


    In dem Augenblick als er Atermas wieder anschaute knurrte sein Magen überlaut.

    Was wird passieren wenn ich den dunkelhäutigen Mann berühre? Irwin schaute Atermas an. Gerade in dem Moment als dieser ihn fragte ob er sprechen könne.
    Ich glaube der hat mich etwas gefragt, wenigstens hörte es sich so an. Was könnte der gefragt haben, überlegte er. Wenn ich antworte kann mich keiner verstehen. Wie soll ich denn sagen ich versteh dich nicht. Er reagierte wie er immerhin den letzten Monaten reagiert hatte, wenn er etwas nicht verstanden hatte, er zog einfach die Schultern hoch. Bisher hatte das jeder verstanden, doch ob der Mann vor ihm das auch verstehen würde. Bald würde eures wissen. Fragend schaute er seinen gegenüber an und hob noch mal beide Schultern an.
    Irvin war der Meinung, dass ermehr im Augenblick nicht tun konnte.

    Als äußerst unangenehm empfand Irvin es mit dem Mann, der gerade auf ihn einredete, alleine zu sein. Für ihn war die Frage wichtig, wie diese dunkelhäutigen Menschen die Farbe auf sich bekamen. Warum sie das machten und woraus die Farbe hergestellt wurde? Ob die Farbe leicht abging?
    Mit diesen Fragen beschäftigt schaute er dann aber doch kurz hoch, als sein Name genannt wurde. Ein kurzer fragender Blick zu Atermas.
    Der kannte seinen Namen? Warum? War das wichtig? Was machte er hier und noch wichtiger musste er hierbleiben?
    Wieder senkte er den Blick zu Boden.

    Fast wäre Irvin zurück gewichen, wenn nicht einer der Wächter hinter ihm gestanden hätte und ihm somit die Rückzugsmöglichkeit genommen hätte. Er war so erschrocken weil er plötzlich vor solch einem dunkelhäutigen Mann Stand. Davon hatte er, seit er in Rom auf dem Sklavenmarkt war, schon einige gesehen, doch noch nie so nahe vor einem gestanden.
    Viel Zeit zum denken hatte er nicht denn schon ging es weiter. Der Dunkelhäutige, welcher geöffnet hatte, schien schon auf ihn gewartet zu haben, er nahm das Seil, zog Irvin hinein, nachdem er kurz mit den Wächtern gesprochen hatte und zog ihn rein, bevor er hinter ihm die Türe schloss.
    Irvin blieb stehen und schaute zu Boden.

    Irvin war von einem fremden Mann gekauft worden. Zumindest hatte er das so verstanden. Doch der Mann war wieder weg gegangen.
    Seufzend hatte sich Irvin nach der Begutachtung wieder hingesetzt. Seit einigen Tagen war er in dieser großen, lauten, stinkigen Stadt. Solch einen Ort hatte er noch nie betreten.
    Furcht kannte er nicht, doch ein gutes Gefühl hatte er auch nicht dabei.
    Überhaupt konnte er nicht fassen was geschehen war. Warum man ihn gefangen und mitgenommen hatte. Warum man ihn Monatelang, immer weiter weg von seiner Heimat brachte. Nicht nur ihn, viele Männer und Frauen. Warum man ihn zu diesem abscheulichen Ort brachte verstand er ebenso wenig.
    Viele sehr viele warum's schwirrten in seinem Kopf herum.


    Lange konnte er nicht sitzen bleiben. Zwei Wärter kamen zerrten ihn hoch und wollten ihm die üblichen Ketten anlegen.
    “Das braucht ihr nicht,” meinte der Sklavenhändler, “irgendwie scheint der ein bisschen einfältig zu sein, so wie der sich benimmt. Ein Kerl wie ein Baum und zahm wie eine Schmusekatze”. So banden sie Irvin nur ein Seil um die Hände und zogen ihn so durch die Stadt.
    Ein wenig mühsam gestaltete sich das ganze schon, da Irvin laufend stehen blieb und alles staunend betrachtete. So bekam er bei diesem letzten Stück seiner langen Reise fast mehr Stöße ab, als während der vergangenen Zeit, seit er von zu Hause weg war. Bald waren sie dann angekommen. Einer der Wächter betätigte, den Türklopfer.