Beiträge von Titus Germanicus Antias

    „Apolonia.“ Antias nickte nicht unfreundlich. Sein Blick glitt an der jungen Frau hinab.
    „Ich bin ein Urbaner, Mädchen .. nur ein Urbaner.“ sagte er leise, während er ihren Duft in tiefen langen Zügen einsog: Sandelholz, Narde und darunter unverkennbar der schwere Hauch des ewigen Meeres. Antias spürte sich aushärten wie ein Lehmziegel im Brennofen. Einen endlosen Augenblick kämpfte er dagegen an, die Hand auszustrecken und ihr die dunklen Haarsträhnen aus der Stirn zu streichen. Dann überfiel ihn eine leise Trauer und er riss seinen Blick vom zierlichen Körper der schönen jungen Frau los.


    „Nun, Apolonia .. “ seufzte er mit belegter Stimme, trat ein paar Schritte ins Zimmer und sah sich darin um. „ .. verzeih mein Eindringen, aber der Betrieb wird kontrolliert.“
    Keine Waffen, keine Säcke voll Münzen, keine Papiere – oder was auch immer ihm verdächtig vorkommen sollte. Mühsam gefasst wandte er sich wieder Apolonia zu.
    „Ich nehme an, du gehörst zum Betrieb?“

    Zwar wusste Antias noch immer nicht, was oder wen er und seine Kameraden in den Nebenräumen eigentlich suchten, für einen dezenten Hinweis diesbezüglich wäre er dem Tribun durchaus dankbar gewesen, gleichwohl durchforstete er ein leeres Zimmer nach dem anderen in der fatalistischen Gewissheit, dass es ihm schon von selbst auffallen würde, wenn es dort etwas bemerkenswertes zu finden gab. Und nun, im vierten Raum, hatte er tatsächlich etwas gefunden. Besser gesagt jemanden: Ein junge Frau, eher noch ein Mädchen.


    Nicht gerade ein sensationeller Fund, das war ihm klar. Junge Frauen in Bordellen vorzufinden war weiter nicht bemerkenswert. Allerdings - das Mädchen war es durchaus. Er hatte so einiges verdrängt wie ihm nun klar wurde, und dazu gehörte nicht nur die betörende Nähe einer duftenden jungen Frau. Weiser Entschluss, Hispo nicht in die Gemächer zu schicken. Einen besonderen Wunsch? Götter! Ja, hatte er – nicht nur einen, und sie wusste das natürlich ganz genau.


    „Und du bist?“ fragte Antias knapp, ohne sich ein leichtes Lächeln verkneifen zu können.

    Eine Betriebskontrolle im Hurenhaus. Aha. Von allen möglichen Einsätzen, die sich Antias seit ihrem Aufbruch ausgemalt hatte, war dies so ziemlich der letzte, auf den er gekommen wäre. Aber gut, der Tribun wird seine Gründe haben, dachte er sich. Auch in Mogontiacum am Arbeitsplatz seiner Mutter hatte es von Zeit zu Zeit sogenannte Betriebskontrollen gegeben, erinnerte er sich mit gemischten Gefühlen, aber die hatten stets nur ein paar erpresste Freinummern oder eine nicht minder erpresste Beteiligung am Umsatz zum Ziel gehabt. Antias bezweifelte, dass der Tribun so was nötig hatte, wenn aber doch, hatte das einen Tiro nicht anzufechten.


    Was ihn allerdings anfocht, wogegen er sich auch mit äußerster Selbstdisziplin nicht immunisieren konnte, war der feine Hauch von Frauen, der die Soldaten unerwartet umfing, mehr Ahnung als wirklicher Duft aber trotzdem unmöglich zu ignorieren. Bei Fecundias, wie lange war das nun schon her? Und welch Ironie, dass ihn sein Dienst nun näher an die saftigen Weiden der Venus gebracht hatte als sein verpatzter Ausgang vor einigen Tagen? Und welch Folter, dass ihm das nicht das geringste nützte! Aber Dienst war Dienst und Garum war Garum, wie Hispo es ausgedrückt hätte.


    „Hispo!“ zischte Antias seinem lüsternen Kameraden zu, der wie erwartet Mühe hatte, den Speichelfluß zu kontrollieren.
    „Wir durchsuchen die Zimmer. Bleib beim Tribun und hab' ein Auge auf den Glatzkopf.“
    Hispo schluckte enttäuscht. „Ich würde aber lieber ...“
    „Ich weiß. Eben drum!“
    Antias zwinkerte Hispo aufmunternd zu und schwärmte mit dem Rest des Contubernium aus, um wie befohlen die Räumlichkeiten zu durchsuchen.

    Ein Plan mit Denkfehlern, wie sich bald herausstellte. Zwar leerten sich die Gassen zusehends je weiter das Contubernium nach Südwesten vordrang und auch die Rechnung mit den Weinpreisen war aufgegangen, aber die Tirones hatten bei ihrer Planung nicht bedacht, was sie waren: Tirones.


    Die weniger überfüllten Cauponae und Tabernae in den ruhigeren Straßen jenseits der Castra waren ganz offensichtlich das alleinige Vergnügungsrevier der übergeordneten Dienstgrade, und jeder Dienstgrad vom Miles angefangen war den Tirones übergeordnet. Die Rekruten stellten schnell fest, dass sie in diesem Teil der Vorstadt weniger galten als mancher Zivilist, nicht anders also als in ihrem Castrum. Nur dass es dort kein geringeres Lebewesen gab als einen Zivilisten. Unter dem Hohn zechender Veteranen wurden Antias und seine Kameraden immer wieder an der Wirtshaustür abgewiesen und nicht nur das; auch auf den Gassen davor boten sie den Rempeleien und Schmähungen der Altgedienten ein dankbares Ziel. Mehr als einmal musste Fimbria vom gesamten Contubernium beschwichtigt werden, um den pöbelnden Soldaten nicht an die Wäsche zu gehn. Sogar die Huren zeigten hier deutlich weniger Interesse an den Rekruten als ihre Berufsgenossinnen im Umfeld der Castra, dies wiederum sehr zum Leidwesen des dampfschößigen Hispo.


    Auch Antias' Laune sank stetig. Die letzte Olive war verzehrt, der Abend bereits fortgeschritten und sein Verlangen, irgend jemandem das Nasenbein in die Hirnrinde zu rammen wuchs beängstigend. Als schließlich noch ein strunzbesoffener Praetorianercenturio mit Anhang ihren Weg kreuzte und im Vorbeigehen lachend mit der Vitis dreinschlug, war auch dem letzten Tiro in der Kolonne klar, dass sich der Plan im Lichte der Gegebenheiten als veritabler Scheißplan erwiesen hatte.


    „Gut! Also gut!“ schnaubte Antias mühsam beherrscht.
    „Entweder wir gehen dem Arschloch nach und lassen ihn seinen Rebstock fressen oder wir kehren um und saufen schlecht aber gemütlich mit den anderen Kameraden.“
    „Und die Nutten sind hier auch zu teuer.“ ergänzte Hispo mit großer Ernsthaftigkeit.

    Die Subura. Schon wieder die Subura. Antias blickte über die Schultern seiner Kameraden nach vorn zum Tribun und fragte sich, ob die Mannschaften hier nur durchmarschieren sollten oder ob sie ihr Ziel erreicht hatten. Nun ja, vielleicht würde sie ihr Weg auch hinaus führen vor die Stadt in die grünen Sommerhügel oder gar hinunter ans Meer, das er noch niemals gesehen hatte. Andererseits – grübelte er marschierend vor sich hin – war die ordnende Hand der Urbaner wohl nirgendwo in der Stadt mehr vonnöten als in der Subura. Er dachte da ganz speziell an zwei versoffene Gallier, denen er nur zu gern als Soldat der Cohortes wieder begenet wäre, um ihnen nur einmal so richtig einzuhämmern, dass man andere Leute nicht um den wohlverdienten Nachtschlaf brachte. Aber sei's drum, auch wenn der Tribun seine Männer bis hinauf nach Mogontiacum zu führen gedachte, sie würden ihm folgen. Immerhin war es unüblich, Tirones in der gegenwärtigen Ausbildungsphase zu einer derartigen Aufgabe abzustellen, also fühlten sich die motivierten Rekruten schlicht geehrt, genossen die Abwechslung und harrten neugierig der Dinge, die da kommen mochten.

    „All zu schlimm wird’s nicht sein.“ beruhigte Antias den besorgten Hispo. „Vermutlich nur irgendwelche Formalitäten.“ Antias konnte sich tatsächlich nicht vorstellen, dass Macro sich irgend etwas hatte zuschulden kommen lassen, der junge Iulier war stets pflichtbewusst und achtete sehr auf korrektes Benehmen.
    Offensichtlich waren nun auch Hispos Zweifel zerstreut. Mit genießerischem Blick schnüffelte der triebhafte Riese vor sich hin. „Gut! Ich kann sie nämlich schon riechen. Allerfeinstes Garum, fangfrisch und abgekocht “
    Antias grinste. „Alte Pottsau. Erstmal müssen wir den Tag überstehn, der Centurio wird's uns morgen nochmal so richtig geben, verlass dich drauf.“
    Stöhnend erhoben sich die Rekruten und machten sich auf den Weg zum Appell. Eineinhalb Tage noch Staub fressen und dann winkten ihnen die Verheißungen der Stadt.


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    Wie erwartet hatte der Centurio seine Anwärter auf den Freigang noch einmal nach allen Regeln der Kunst geschliffen bis sie beim Abendappell kaum mehr Haltung hatten annehmen können. Ein erschöpfter Freigänger war ein friedlicher Freigänger – idealerweise. Die Rekruten erholten sich allerdings immer schneller von den täglichen Strapazen, der nun schon wochenlange Drill zeigte Wirkung. Am Beginn seiner Ausbildung hatte sich Antias nach Dienstende nur noch ausgepumpt in die Unterkunft geschleppt und auf die Pritsche geworfen. Mittlerweile waren die Männer weit härter geworden. Härter und trotziger. Sie hatten mit der Zeit gelernt, dass Schmerzen bis zu einem gewissen Grad zu ignorieren waren und die Erschöpfung einen Scheitelpunkt hatte, der sich überschreiten ließ, wenn man sich ihm nicht ergab.
    So hatte die Dritte Centurie am Abend nicht viel Zeit darauf verwenden müssen, sich die Wunden zu lecken und Atem zu schöpfen. Die Männer hatten schnell ihre Ausrüstung für den nächsten Tag in Ordnung gebracht, waren in bequeme Tunicae geschlüpft und den Mauern der Castra entkommen bevor es sich noch irgendein Befehlshabender mit dem Freigang anders überlegen konnte.


    Draußen in den schmalen Vorstadtgassen empfing sie ein chaotisches Gedränge, was nicht weiter verwunderlich war, denn immerhin hatte die gesamte Centurie Ausgang erhalten, mit Ausnahme ein paar armer Hunde, die wegen diverser Nachlässigkeiten zum Wachdienst verdonnert worden waren. Und die Dritte war ganz offensichtlich nicht die einzige Centurie mit Freigang, sämtliche Wege in südwestliche Richtung waren nahezu verstopft von jungen Burschen, denen man den Rekruten trotz Zivilkleidung schon von weitem ansah. Dazu kamen noch die Altgedienten mit Ausgang, die omnipräsenten Einheiten der Prätorianer, diensttuende Einheiten der CU und CV und natürlich die Zivilisten: Händler, Huren, Artisten und allerlei anderes geschäftstüchtiges Volk, das es auf den Sold der Männer abgesehen hatte.


    Um im Gewimmel überhaupt vorwärts zu kommen, hatte sich die Centurie schnell in ihre Contubernien aufgelöst, die sich nun einzeln durch die Gassen schoben. Antias und seine Kameraden hatten sich zu einer lockeren Kolonne formiert, an deren Spitze Fimbria, der breitschultrige Bulle aus Alba Fucens die Menge teilte wie ein klobiger Ackerpflug. Als hoch aufgeschossene Nachhut schlenderte Hispo hinter der Gruppe her und behielt sowohl die Kameraden als auch deren Umfeld stets im wachsamen Auge. Von den breiteren Straßen direkt am Lager weg – stadteinwärts, das war der Plan. Unmittelbar an den Castra war der Wein am teuersten und am schlechtesten. Mit etwas Glück würden sie eine abgelegenere Caupona finden, die nicht allabendlich von durstigen Soldaten gestürmt wurde.
    Antias hatte sich bereits auf der Principalis eine Handvoll Oliven gekauft, von denen er sich beim Gehen immer wieder eine schwungvoll in den Mund warf. Ein recht simpler Plan, dachte er sich amüsiert, aber immerhin ein Plan.

    Salve


    Äähh .. ich bin's nochmal. :wink:
    Irgendwie fühl ich mich so entwurzelt. Es wäre also wunderbar, wenn ich an dem entsprechenden Platz im Stammbaum der Gens Germanica eingetragen würde:
    Sohn von Marcus Germanicus Varus.


    Germanicus Sedulus hat nix dagegen.


    Gratias!

    Die Rekruten waren kaum dazu gekommen, Haltung anzunehmen, da knallte die Barackentür bereits wieder zu und der Soldat war verschwunden.
    „Was war das denn?“ zischte Antias und sah stirnrunzelnd zu Macro hinüber.
    „Hast du was ausgefressen? Kann ich mir gar nicht vorstellen.“
    „Wenn das mal nix mit dem Ausgang morgen zu tun hat?" rätselte Hispo besorgt.
    „Ach was.“ wiegelte Antias ab. „Aber du solltest dich wohl beeilen, Macro. Der Kerl war amtlich bis in die Arschbacken. Viel Glück.“

    Antias nickte nachdenklich. An Besäufnissen hatte er wahrlich keinen Nachholbedarf. Vergiss nicht, warum du hier bist! sagte er sich. Außerdem wusste er nur zu gut, wie schnell sich die Kunde von ausgegebenen Prämien in einer Garnison verbreitete. Sämtliche Huren, Wirte, Spieler und Halsabschneider im Umkreis der Castra rieben sich sicher bereits die Hände angesichts des zu erwartenden Frischfleisches. Andererseits waren solche Anlässe wichtig, geradezu notwendig, um den Druck der Ausbildung wenigstens vorübergehend loszuwerden. Zudem konnte niemand wissen, wann sich die nächste Gelegenheit zu einem ausgelassenen Abend bieten würde.


    „Pah! Wer braucht Wein, wenn er Weiber hat!“ stellte Hispo fest und krazte sich ausgiebig am Gemächt. "Na, ich vielleicht?" protestierte ein anderer Kamerad.


    „Macro hat recht. Alles in Maßen.“ sagte Antias schließlich. „Die warten da draußen schon auf uns. Also sollten wir nicht unser ganzes Geld mitschleppen und außerdem versuchen, zusammen zu bleiben.“ sein Blick blieb am selig lächelnden Hispo hängen. „Wenigstens so gut es geht.“
    Hispo zuckte unschuldig die Achseln.
    „An mir soll's nicht liegen. Gebt mir Weiber und ich geb Ruhe“

    Aus den Tiefen der Barracke wurde zustimmendes Gemurmel vernehmbar. Hispo, ein baumlanger Bursche aus Ostia, sprang begeistert von seiner Pritsche auf. „Weiber!“
    Antias grinste noch breiter. Hispo war kurz davor, aus den Mundwinkeln zu tropfen. „Weiber aber auch, oder nicht?“


    Verdient hatten sie es sich alle. Die ersten Tage der Ausbildung waren hart gewesen, beinhart. Auf dem Ausbildungsplan hatten zwar Exerzierübungen und Theorie gestanden, tatsächlich aber waren sie erst einmal kreuz und quer über den Platz gejagt worden, in voller Montur, Stunde um Stunde. Anschließend hatte man ihnen eine lächerlich kurze Zeitspanne eingeräumt, um ihre Ausrüstung wieder auf Vordermann zu bringen, nur um gleich wieder durch den Staub gescheucht zu werden. Laufschritt! Stillgestanden! Liegestützen! Laufschritt! Kehrt! …. da staute sich so einiges an, vor allem in den Lenden.
    „Wo's Wein gibt, gibt’s auch Weiber, soviel steht mal fest.“ beruhigte Antias den lechzenden Riesen.
    Hispo ließ einen Freudenjauler hören und verfiel in rhythmisches Beckenzucken.


    „Ohnehin sollten wir unser zukünftiges Einsatzgebiet erstmal gründlichst auskundschaften.“ lachte Antias und sah augenzwinkernd zu Macro hinüber.
    „Und was meint unser Iulier? Stülpen wir uns die Stadt morgen über?“

    Antias griff grinsend zu seiner alten Tunica, zog sie über und machte sich dann an den Rest der Uniform. „Na wunderbar ..“ lachte er zu Macro hinüber
    „Meine Tunica und deine Caligae .. sollte uns jemals ein verwachsener Gnom mit gigantischen Schultern und winzigen Füßen zugeteilt werden, können wir ihn wenigstens vernünftig ankleiden.“
    Die neuen Stiefel ließ er natürlich an, und im Grunde war das mit der Tunica nichts, worüber es sich aufzuregen lohnte, denn ehrlich betrachtet, trug er auch die alten Klamotten noch nicht länger als ein paar Tage. Solange das Donativum nicht aus falschen Münzen bestand war alles in bester Ordnung. Und was nun damit anstellen? Scato hatte augenscheinlich den gleichen Gedanken, sein Vorschlag kam Antias gerade recht.


    „Verdammt überlegenswerte Idee!“ strahlte Antias den Kameraden an. „Kennst du dich ein wenig aus in der Stadt?“

    Wieder in der Unterkunft nuzte Antias die Zeit, bis das gesamte Contubernium aus der Kleiderkammer zurück sein würden für eine Anprobe der erhaltenen Sonderzuteilung.
    „Naja ..“


    Die neuen Caligae passten zwar besser als die alten, aber dafür hatte man ihn mit einer Tunica beglückt, die offenbar für einen kleinwüchsigen Gladiator maßgeschneidert und dann nicht abgeholt worden war.
    Oben fiel ihm der Stoff in tiefen Falten bis zu den Ellbogen von den Schultern, unten hatte er Mühe, den Saum unter dem Cingulum hervor zu zerren. So konnte er nicht rumlaufen, aber vielleicht würde sich noch ein Interessent für den Fetzen finden, wobei Antias bezweifelte, dass sich in den Reihen der Chohortes irgendwelche muskelbepackten Zwerge herumtrieben. Grummelnd zog er die Tunica wieder aus und wedelte damit den fünf anwesenden Kameraden zu.


    „Jemand Interesse an einem längsgeschlitzten Getreidesack?“

    Mit glühenden Wangen quittierte Antias den Empfang des kleinen Lederbeutels.


    „Danke Optio!“


    Nun schnell noch die Kleidung fassen und dann nichts wie raus hier. Der Dienstplan war straff und der Centurio allgegenwärtig.

    Tribun müsste man sein, dachte Antias und blickte dem Offizier, der eben sein Donativum entgegen genommen hatte verträumt hinterher. Dass der sich nicht anzustellen brauchte, weder in einer Kleiderkammer noch in einem Bordell war selbstverständlich, darum beneidete er ihn nicht weiter. Allerdings, zuzusehen, wie dem Tribun 1000 Sesterzen auf den Tisch gezählt wurden, ließ sogar in eher bescheidenen Menschen wie Antias leichte Wogen der Begehrlichkeit aufbranden. Andererseits – musste er zugeben – hatte er selbst noch nicht die winzigste Leistung für die CU erbracht, und durfte trotzdem eine Prämie empfangen. Mit der Welt im Reinen trat Antias endlich an den Zahltisch und nahm Haltung an.


    „Tiro Titus Germanicus Antias! Zwölfte Kohorte!“

    Was hatte sein Vater immer gesagt, bei der Legion bekäme man nichts geschenkt? Antias konnte sich nur wundern. Weniger über die Zuteilung an Kleidung, davon dürfte – so schätzte er – ein schier unerschöpflicher Vorrat vorhanden sein. Das Donativum hingegen stellte für seinen Verstand eine enorme Herausforderung dar. Während er in der langen Reihe von Kameraden dem Empfang seiner Prämie harrte, stellte er immer neue Rechenexempel an: Allein für seine Centurie musste das Donativum mindestens 12 000 Sesterzen betragen. Unsinn! Die Centurie bestand schließlich nicht nur aus Rekruten wie ihm. Aber sogar wenn dem so wäre, entspräche das Donativum bei sechs Centurien 72 000 Sesterzen für eine Cohorte, alle Ränge oberhalb des Tiro gar nicht mit eingerechnet, und dies alles nicht etwa verwendet für Neuaushebungen, sondern als schlichte Prämie? Als bloße Anerkennung für die irgendwann gefällte Entscheidung, bei den Urbanern zu dienen und zur Feier der eigenen Person? Unmöglich. Irgendwo musste da irgend jemandem ein verhängnisvoller Irrtum unterlaufen sein, und er konnte nur inständig hoffen, dass dieser Irrtum nicht bemerkt werden würde, bevor er seine 150 Sesterzen in den Händen hielt. Auf die Kleidung konnte er zur Not verzichten.


    Antias reckte den Hals. Es ging nur schleppend voran, noch immer standen gut zwanzig Soldaten vor ihm. Sei's drum, dachte er sich. So hatte er immerhin die Möglichkeit, seine neuen Kameraden etwas näher in Augenschein zu nehmen. Am vorangegangenen Abend war er nach der Inspektion auf seine Pritsche gekippt wie ein gefällter Baum und sofort eingeschlafen.

    Daran, den Tag zeitig zu beginnen war Antias gewöhnt und Gebrüll am frühen Morgen machte ihm an sich nicht viel aus, es erinnerte ihn schlimmstenfalls an die Garnison in Mogontiacum. Was er aber hasste – in kürzester Zeit hassen gelernt hatte, – war sein Helm.
    Tunika und Panzer saßen ganz passabel, die Caligae drückten ein wenig, stellten aber kein großes Problem dar. Aber der Helm! Sein ganzes bisheriges Leben hatte er barhäuptig hinter sich gebracht, und nun hatte er einen hässlichen drückenden Topf aus Bronze und Eisen auf dem Schädel, unter dem er sich fühlte, als würde er zwei Köpfe auf dem Hals tragen. Jetzt wurde ihm auch klar, warum bei der Tauglichkeitsprüfung im Valetudinarium das Gehör nicht untersucht wurde. Das Metall der eng anliegenden Bucculae verstärkte jedes Geräusch um ein Vielfaches. Unter diesem Deckel hätte selbst ein Tauber die Befehle des Centurio klar und deutlich vernommen.


    Mit angespannten Nackenmuskeln versuchte Antias sein gequältes Haupt möglichst optimal auszupendeln, und während er sich aus den Augenwinkeln an den Schultern der anderen Soldaten orientierte um sich in Reihe auszurichten, hatte er die schmerzloseste Kopfhaltung schließlich herausgefunden: Kinn hoch, Kopf in den Nacken, Augen geradeaus.

    Kitzlige Sache das. ging es Antias durch den Kopf. Der Offizier drang noch tiefer in die Barracke vor, ohne ihn bemerkt zu haben. Sollte er stumm hier stehen bleiben und riskieren, dass der Centurio ihn für einen maulfaulen Schwachsinnigen hielt? Oder sollte er in dessen Rücken versuchen, seinen Plunder lautlos zu einer freien Pritsche zu schleppen? Besser nicht.
    Antias beschloss, sich dem Schicksal zu ergeben und sich bemerkbar zu machen.


    „Centurio! Tiro Germanicus meldet sich zum Dienst!“