Während sie auf die Bestellung warteten widmeten die Rekruten ihre gesammelte Aufmerksamkeit der zwischen Hispo und Fimbria eingekeilten Hure, die im lüsternen Fokus von acht Augenpaaren geradezu aufblühte. Hispo rutsche nervös auf seinem Stuhl herum, Fimbria wurde von einem Schweißausbruch heimgesucht und Antias musste unwillkürlich grinsen.
Nun gut, das war heute bislang keine schöne Erfahrung gewesen, aber vielleicht die richtige Erfahrung zum richtigen Zeitpunkt. Sie alle standen noch ganz am Anfang ihrer Dienstzeit und in der militärischen Hierarchie kaum höher als Packesel, die die Ausrüstung schleppten – von ihrer gesellschaftlichen Stellung ganz zu schweigen. Das durften sie nicht vergessen.
Natürlich war ihr Stolz allmählich gewachsen nach jedem überstandenen Tag an den Holzpfählen, die sie mit den schweren Übungsschwertern und Schilden so lange angegriffen hatten, bis die Holzschwerter Risse bekommen hatten und die zerhackten Pfähle ausgewechselt werden mussten. Jedes zusätzliche Pfund an Ausrüstungsgewicht, mit dem sie über Mauern und Holzverhaue geklettert und durch Becken, Gräben und Bäche geschwommen waren, hatte ihr Selbstvertrauen genährt. Ohne Zweifel befand sich jeder von ihnen in einem besseren körperlichen Zustand als jemals zuvor im Leben, und dennoch gab es für sie keine Abkürzungen und keinen schnellen Ruhm zu erringen.
Antias sah sich unter den Kameraden um. Manch einer würde seine Dienstzeit einmal beenden, ohne auch nur eine Stufe weiter gerückt zu sein als ein Miles. Das musste ihnen klar sein. Alles darüber hinaus bedurfte nicht nur Ehrgeiz, Fleiß und einem gewissen Maß an Selbstaufgabe sondern vor allem Geduld und Beharrlichkeit. Aber heute war nicht der Abend, um über Erreichtes und Erreichbares nachzudenken, sie hatten ihren Nasenstüber erhalten, verstanden und gut. Es blieben ihnen noch etliche Stunden und jetzt ging es erstmal den Amphoren an die Hälse und ihrer dampfenden Tischgenossin an die Kurven.
Der Wirt kam beflissen herbeigeeilt und stellte Weinkrüge, Becher und eine Schale mit dunkel glänzendem schwer definierbaren Allerlei auf den Tisch.
„Fo, Früchte und Wein. Fonf noch Wünfe?“ Rufo blickte fragend in die Runde, die ihre Blicke wiederum noch immer größtenteils auf die hauseigene Jubelspalte geheftet hatten.
„Alfo, ja .. daf ift Faferna, meine .. äh ..“
„Faferna?“ fragte Hispo interessiert.
„Saserna!“ prustete das Objekt des Interesses kelhlig auf. „Sssso isses.“
Mit einem halblaut gemurmelten „Flampe.“ drehte sich Rufo beleidigt um und wandte sich wieder seinen anderen Gästen zu. Hispo machte ein paar schwülstige Bemerkungen bezüglich der Anmut von Frau nebst Namen, Antias griff grinsend zu den Früchten und erspähte gerade noch rechtzeitig zuckende Bewegungen auf der eingelegten Apfelscheibe, die er im Begriff war, sich in den Mund zu schieben. Misstrauisch zog er die Obstschale zu sich heran und entdeckte weiteres sich schlängelndes Kleinstgetier zwischen den Früchten. Angewidert schenkte er sich Wein in den Becher und stürzte ihn gierig hinunter.
„Hhaaarghhh.“
Ihm blieb die Spucke weg, damit hatte er nicht gerechnet. Wein hatte er eigentlich als trinkbare Flüssigkeit in Erinnerung. Hatte er da irrtümlich den Schierlingsbecher eines in Ungnade gefallenen Senatoren erwischt? Keuchend schob er den Becher weiter zu Hispo, der ihn sofort furchtlos an die Lippen führte.
„Hhooaachhh.“
Hispo hustete, Saserna kicherte, Antias fluchte.
„RUFO!“
Der Wirt wuselte schwitzend herbei.
„Herr?“
Antias deutete mit mordlüsternem Blick auf seinen Becher.
„Was ist das?“
„Daf? Unfer beliebtefter Rotwein auf der umbrifen Traube.“
„So! Und das?“ Schnaubend hielt Antias dem Wirt die Obstschale unter die Nase.
„Auferlefene Früchte von den Füdhängen des Vefuv.“
„Auserlesen? Du meinst wohl aufgelesen .. na gut ..“ Ruhig bleiben. Ausgang, Entspannung, Genuss und Wolllust. „.. hast du Bier?“
„Natürlich Herr, friff angeliefert.“
„Da wett ich drauf. Dann bring mir einen Krug. Und nimm deine auserlesen Früchte mit, ich mag keine Würmer an der Tunica.“
Der Wirt verschwand, Antias atmete zischend aus und spürte plötzlich einen Fuß an seinem Gemächt.
„Das is aba kein Wurm da unten.“ hauchte ihm Saserna über den Tisch zu. Antias sank grinsend in seinem Stuhl zurück und wollte entsprechendes erwidern, aber im gleichen Moment grunzte Hispo wohlig. „Nein. Eher ein Aal. In Marmor gemeißelt.“
Antias reckte den Hals und sah Sasernas Hand unter Hispos Tunica umherwandern. Begabt, dachte er anerkennend, durchaus begabt. Während Sasernas Zehen ihn weiter zwickten, stellte Antias sachlich fest, dass sein Schaft wohl demnächst die Tischplatte samt Gedecken anheben würde und überlegte fieberhaft, wie er die Kameraden überreden konnte, ihn bei Saserna vorzulassen. Aus der Tiefe des Raumes stolperte der zusehends überarbeitete Rufo heran und knallte einen weiteren Krug auf den Tisch.
„Fo! Bier!“
Bemüht, seine Körperhaltung nicht zu verändern nestelte Antias seinen Lederbeutel vom Gürtel.
„Was bekommst du?“
Die Augen des Wirtes leuchteten auf.
„Alfo .. fünffehn Affe daf Bier, fanfig Affe der Wein, Herr.“
Antias nickte und machte eine Kopfbewegung zur anderen Seite des Tisches.
„In Ordnung. Und Saserna?“
Die Köpfe der anderen Rekruten fuhren herum, Saserna kicherte und Rufo holte hörbar Luft.
„Fünfunfanfig.“
„Asse?“
„Fefterpfen.“
Antias fuhr hoch, Sasernas Fuß rutsche ab.
„Sesterzen? Bist du irre?“
„Fünfunfanfig Fefterpfen.“ beharrte der Wirt.
„Zehn!“
„Na gut .. tfanfig.“
„Was!?“ blökte Saserna und sprang ebenfalls auf. „Du zahnlosa alta Teigschwanz!“
„Zehn!“ wiederholte Antias stur.
„Dreissig!“ brüllte Saserna und funkelte ihn angriffslustig an.
„Gekauft!“ rief plötzlich Hispo, zog Saserna auf den Stuhl zurück und klatsche seinen Geldbeutel auf die Tischplatte.
„Na alfo, warum fo komplipfiert?“ seufzte Rufo müde und sah Antias fasziniert dabei zu, wie der sich wieder setzte, den Wein mit dem Bier zusammengoss und einen tiefen Zug direkt aus dem Krug nahm.
„Hhaaarghhh.“
„Besser?“ fragte Hispo fürsorglich.
Antias schüttelte energisch den Kopf.
„Stärker.“
Nachdem das Finanzielle geregelt und Hispo breit grinsend mit Saserna im Hinterzimmer verschwunden war, starrten die übrigen Rekruten belämmert in ihre Becher.
„Na kommt ..“ versuchte Antias die Kameraden aufzumuntern. „.. wir haben noch Zeit genug. Nicht mal Hispo braucht ewig.“ Keine Reaktion. Ewig nicht, dachte er resigniert, aber lange auf jeden Fall.