Beiträge von Titus Germanicus Antias

    [Blockierte Grafik: http://oi62.tinypic.com/2n9yrts.jpg]
    Appius Rabuleius Caprarius



    „Gegrüßt!“ freute sich Caprarius. „Ein Schreiben! Nicht einzuwerfen, zuzustellen.“ Eifrig zog der Urbaner die Tabula unter dem Mantel hervor. „Zu treuen Händen.



    An den
    Senator Tiberius Lepidus
    Villa Tiberia,
    Roma


    Mein guter Junge!


    Ich, dein zukünftiger Schwiegervater Cnaeus Flavius Aetius, habe die lange Reise aus Ravenna auf mich genommen und stehe nun hier an der Porta Collina vor verschlossenen Toren! Da die pflichtbewussten Männer der Cohortes Urbanae nur Passanten mit einer schriftlichen und besiegelten Sondergenehmigung durchlassen, benötige ich nun dringend Deine Hilfe. Ansonsten befürchte ich, wird die Hochzeit mangels Vater der Braut nicht stattfinden können!


    Vale,
    gez.
    Cnaeus Flavius Aetius



    Zackig händigte Caprarius sein Kleinod aus, salutierte und machte sich umgehend wieder aus dem Staub.

    [Blockierte Grafik: http://oi62.tinypic.com/2n9yrts.jpg]
    Appius Rabuleius Caprarius


    „Nicht einwerfen .. zustellen, Capra.. “ murmelte Caprarius auf sich ein. „.. weil’s wichtig ist .. und ein Becherchen extra bringt .. aber nur wenn’s schnell geht ... Holla!“ Eine knochige Faust hämmerte gegen die Porta. „Aufgetan! Eine Tabula!“ Das dauerte aber. „Vom Tor!“ Nichts. „HOLLA! Ein Schreiben dringlicher Natur!“

    [Blockierte Grafik: http://oi57.tinypic.com/nd9zq8.jpg]
    Cossus Orbius Blandus


    Blandus zog geräuschvoll das Feuchte in der Nase hoch. Das Schicksal des wichtigtuerischen Sklaven interessierte ihn eine nasse Wurst, und darüber nachzusinnen, ob zehn Schläge bei Morgengrauen schlimmer waren als in der Abenddämmerung, hielt er nicht für sehr ergiebig. Sollte der Servus ruhig bluten, ihm war das einerlei, ebenso wie die Frage nach seinem Namen. Es verwunderte ihn nicht weiter, dass der Flavius sich offensichtlich über ihn zu beschweren gedachte, da war dieser betuchte Civis nicht der erste, und würde auch nicht der letzte bleiben.


    „Ich bin Miles Orbius Blandus.“ gab er beiläufig Auskunft, während sein Interesse eher dem Inhalt der überreichten Tabula galt. Wer immer dieser Senator Tiberius Lepidus auch sein mochte, Blandus hatte keinen Zweifel daran, dass sich der gute Junge sofort mit qualmenden Sandalen aufmachen würde, um seinem künftigen Schwiegervater das triste Los des gemeinen Reisenden zu ersparen.
    „Das geht in Ordnung. Einer unserer Meldegänger wird die Nachricht zustellen. Wenn sonst nichts mehr ist ...“ letzteres war nicht als Frage gemeint. „Du entschuldigst mich, werter Flavius Aetius.“ Ohne sich weiter um den Flavier oder seine bunte Schar zu kümmern schritt Blandus unter Vermeidung jeglicher Form von Hektik zum Tor und machte sich bemerkbar.


    „HE! TIRO PEDUCAEUS! Hier ist Miles Orbius! Ich habe eine dringendes Schreiben weiterzugeben!“ Das Tor rumpelte auf, der Kopf des langen Elends aus dem Fünften schnellte vor wie ein Habicht. „MILES PEDUCAEUS! KAPIERT? Bin ich euer Tabellarius, oder was?“ Etwas überreizt, der Knabe, fand Blandus, der schlief sicher nicht viel, man sah es ihm an. „Die Nachricht deines Kumpels Germanicus hast du doch auch weitergegeben, oder nicht?“ „Das .... war dienstlich!“ „Ja, sicher .. ganz bestimmt .. ist das hier auch.“ Blandus hielt dem roten Choleriker stoisch die Tabula hin. Der Peducaeus warf einen neugierigen Blick darauf, hüllte sich aber ansonsten in verstocktes Schweigen.


    Schweigen jedoch war des Sarden Element. Als gereifter Vertreter seines Volkes vermochte Blandus derart gellend zu schweigen, dass seinem Gegenüber eher die Ohren zu bluten begannen, bevor er auch nur eine einzige Sardensilbe zu hören bekam. „Das ist .. aber am Esquilin ..“ knickte der Peducaeus schließlich zaghaft ein. „.. liegt nicht grade auf der üblichen Route der Meldegänger ..“ Ach ja? Schon möglich, nicht mein Problem, schwieg Blandus. Der Rotschopf wand sich immer noch ein wenig, griff dann aber knurrend nach der Tabula. „Na schön! Dann soll eben der Raubleius nochmal los .. ist sonst sowieso zu nichts zu gebrauchen. Und jetzt hau bloß ab, du sturer Inselbock! Hier zieht’s!“ Das Tor schlug zu, Blandus machte schweigend kehrt. Wo man hintrat, lauter Hektiker.

    „Wieder nichts! Verdammt! Ich hätte schwören können ..“ Antias verrenkte sich fast den Hals. Von der Galerie aus waren die Zuschauermassen zwar hervorragend zu überblicken, und tatsächlich machten sich auch zwei Männer aus der engeren Wahl auf den Weg nach unten, blieben aber auf halbem Weg zur Bühne stehen, begrüßten andere Besucher und würdigten die nun demaskierten Schauspieler keines Blickes. Drei weitere passende Gestalten hatten sich ohne erkennbare Rührung von ihren Plätzen erhoben, um nun eilig die Praecinctiones entlang zum Ausgang zu streben. Die zwei übrigen Kandidaten seiner Wahl hatten gelangweilte Gattinnen im Schlepptau. „Mist!“


    Hispo brummelte nur zustimmend. „Und was ist mit deinen acht?“ fragte Antias ohne viel Hoffnung, er ahnte bereits, was kommen würde. „Naja ..“ räusperte sich Hispo trocken. „Mir sind die gleichen aufgefallen wie dir.“ Bestens! Einen wunderbaren Plan hatten sie sich da zurecht gelegt. „Und der achte?“ Mit trüber Miene schüttelte Hispo den Kopf. „Vergiss es. Der hat die meiste Zeit nur seinen zartbraunen Lustknaben angehimmelt. Außerdem scheint er ein Freund des Tribunus zu sein.“ Antias’ Hirn begann schlagartig zu prickeln. Dives? Lustknabe? Zartbraun?


    „Wo ist der Bursche hin?“ Wenig motiviert wies Hispo zu einem schmalen Durchgang neben der Bühne hinunter. „Ist mit dem Tribunus da reingegangen.“ Antias setzte sich sofort in Bewegung, schob sich mehr oder minder rücksichtsvoll durch die bunte Menge der plaudernden Zuschauer. „Ich bitte dich ..“ hörte er Hispo hinter sich keuchen. „.. ein Tempelinitiand mit einem Lustknaben .. das ist doch absurd.“ Sicher war das absurd. Das Ganze war absurd. Angefangen bei einem absurden Mord mit anschließender Selbsttötung, absurd war gar kein Ausdruck. Ungeduldig ließ Antias Hispo herankommen und wühlte sich dann weiter zwischen den Sitzreihen durch. „Der braune Lustknabe hatte nicht zufällig eine rote östliche Kopfbedeckung auf dem Schädel?“ Hispo ließ ein verständnisloses Grunzen vernehmen. „Was? Nein. Der hatte nix auf ... wieso soll er ... Au! Scheiße!“

    [Blockierte Grafik: http://oi57.tinypic.com/nd9zq8.jpg]
    Cossus Orbius Blandus


    Mit starrer Miene lauschte Blandus den Ausführungen des Flaviers. Junger aufstrebender Miles? Karriere? Cleveres Kerlchen? Ach, Götter. Wenn es etwas gab, was ihn noch mehr langweilte als aufgeblasene Arroganz, dann waren das schmierige Schmeicheleien und leere Versprechungen. Dass er nicht der allerhellste Funke im Kohlenbecken war, wusste Blandus selbst. Aber so blöd, zu glauben, der Flavius würde nach Passieren des Tores auch nur einen weiteren Gedanken an ihn verschwenden, war er denn doch nicht. Der einzig leidlich interessante Punkt am Vortrag des großen Flavius Aetius war der Umstand, dass weder der künftige Schwiegersohn noch der fast allmächtige Consul bislang Vorkehrungen getroffen hatten, dem herannahenden Verwandten in spe die Einreise zu ermöglichen. Mochte sein, die Herren hatten im Moment Wichtigeres zu tun, vielleicht waren sie aber auch längst nicht so scharf auf die Anwesenheit des Flaviers, wie dieser annahm. Wie auch immer. Die Familie war heilig.


    „Ich versteh schon .. die wichtige Mission.“ seufzte Blandus mit einem müden Kopfschütteln. „Hättest du das gleich gesagt, Civis, wäre uns allen der peinliche Versuch mit den Sesterzen erspart geblieben. Aber Mann kann eben nicht aus seiner Haut, nicht wahr?“ Wozu sich erklären, wenn man schmieren konnte, schon klar. „Sicher, die Möglichkeit, Senatores oder Praefectus von deinem Eintreffen in Kenntnis zu setzen, besteht durchaus. Wenn du also eine entsprechende Nachricht verfassen willst, nur zu.“

    Das Stück war zu Ende, zumindest ließ der einsetzende Applaus darauf schließen. Warum es gerade jetzt zu Ende war, worin genau sein Inhalt bestanden- und warum es überhaupt jemals begonnen hatte, mochten die Götter wissen. Gut möglich, dass der Urheber dieses Schauspiels etwas damit hatte sagen wollen. Was ihn davon abgehalten hatte, vor die Cavea zu treten und es schlichtweg zu sagen, erschloss sich Antias allerdings nicht. Wahrscheinlich fehlte ihm für sowas einfach der intellektuelle Zugang. Egal, er saß ohnehin nicht zur eigenen Erbauung im Publikum, sondern um unter den zahlreich erschienenen Premierenbesuchern diesen aus dem Tempel entwichenen Serapio ausfindig zu machen, und das war für Antias’ Geschmack schon anspruchsvoll genug.


    „Also, dieser Monolog über die unerfüllte Sehnsucht war richtig herzzerreißend, findest du nicht?“ murmelte Hispo ergriffen. Nein, fand Antias nicht. Sein Herz war noch an einem Stück, nur die Augen brannten wie Zunder von dem konzentrierten Geglotze. Einerseits war er hocherfreut darüber, sich endlich erheben zu können, andererseits ging die Arbeit jetzt erst richtig los. „Wie viele hast du dir ausgeguckt?“ fragte Antias zurück, ohne auf Hispo’s Schwärmerei einzugehen. Waren es mehr als zwanzig, konnten sie es fast schon vergessen.


    Schon vor Beginn der Vorstellung hatten sich die Urbaniciani einen groben Plan zurecht gelegt, wie sie die Menge der infrage kommenden Besucher zumindest etwas eingrenzen konnten. Mümmelgreise und Jungspunde konnten sie ignorieren, Uniformierte, Peregrini und derbe Proleten auch. Alle bärbeißig drein schauenden, gelangweilten oder schlafenden Zuschauer ebenso. Serapio war mit einem der Schauspieler befreundet, der würde zweifellos hoch interessiert und andächtig der Vorstellung folgen, und mit etwas Glück sein Augenmerk besonders auf einen einzelnen Mimen richten. Wenn nun noch einige der Verbliebenen Kandidaten nach der Vorstellung zur Bühne hinunter eilten, um die Künstler zu beglückwünschen, standen die Chancen gar nicht so schlecht, Serapio unter ihnen zu finden. Wenn, wohlgemerkt. Dazu musste aber jeder der im Publikum platzierten Urbaner seinen Abschnitt genau im Auge behalten und nach Ende des Stückes schnell reagieren.


    „Acht.“ vermeldete Hispo noch immer mit bebender Stimme. Antias stieß erleichtert die Luft aus. Das ging ja noch, er hatte sieben. „Also, dann nichts wie hoch zur Galerie und die Burschen bloß nicht aus den Augen verlieren!“

    [Blockierte Grafik: http://oi57.tinypic.com/nd9zq8.jpg]
    Cossus Orbius Blandus


    Den verheißungsvollen Versprechungen des Sklaven lauschte Blandus nur noch mit halbem Ohr. Nachdenklich wog er den Geldbeutel in seinen Händen, schmiss ihn hoch, fing ihn wieder auf, zeigte ihn den Kameraden. Die warfen einen kurzen Blick darauf, schnaubten ein paar mal verächtlich und gaben sich wieder der ausgefeilten Kunst des Schweigens hin. Ziemlich leichtsinnig, in dieser illustren Runde mit Beuteln voll Sesterzen rumzuwedeln, der große Flavius Aetius schien ein ebenso reicher wie unbedachter Mann zu sein. Offensichtlich wog er sich inmitten seiner pittoresk anmutenden kleinen Reisegruppe in völliger Sicherheit. Schön für ihn. Mit einem faden Schnaufer warf er den Beutel wieder dem salbadernden Servus zu. „Nimm dein Klimpergeld und schieb ab.“ Drollig, auf welche Einfälle manche Leute kamen. Hier standen drei Contubernia vor dem Tor, dahinter nochmal zwei, und trotzdem glaubte so ein selbstherrlicher Flavius, sich mit hundert Sesterzen die Wartezeit ersparen zu können. Wirklich sehr originell.


    Erwartungsvoll blickte Blandus zum Reisewagen hinüber. Die Mission in Persona hatte sich doch tatsächlich dazu herabgelassen, aus dem Karren zu steigen und kam nun eskortiert von ein paar schwarzhäutigen Beschützern auf die Urbaniciani zu. Aha, der Flavier wollte offenbar mit seiner Garde grimmiger Breitnasen die Stadttore angreifen. Das erste mal an diesem Tag flimmerte so etwas ähnliches wie ein Schmunzeln über Blandus’ Gesicht. „Salve Civis. Willst du mit deinen verkohlten Prachtpimmeln irgendwas verdeutlichen?“ Aus den Reihen der Sarden erhob sich amüsiertes Gekeuche. „Dein Ansinnen in allen Ehren. Trotzdem. Betreten der Urbs, wenn überhaupt, nur mit Sondergenehmigung des Praefectus Urbi. Schriftlich und Gesiegelt.“

    „Ganz recht, ein Geschenk.“ lachte Antias heiter. Wie wunderbar, Apolonia endlich wieder so gelöst zu sehen. Flink huschte er durch den Raum und begann in seinem achtlos hingeworfenen Bündel zu kramen. Das Geld würde er ihr erst später geben, die Sesterzen waren nicht das Geschenk, sondern sein leider sehr bescheidener Beitrag zu ihrem Lebensunterhalt. Der kleine in Stroh verschnürte Weinkrug war auch nicht für sie sondern für die Kameraden bestimmt, aber irgendwo am Boden des Ledersacks war etwas ganz allein für sie. „Also, es ist nichts so schrecklich besonderes, Dorcas .. und einen praktischen Wert hat es schon gar nicht ..“ plapperte er im Sack wühlend. „Außerdem ist es eher klein ..“ Wo zum Orcus hatte er es denn hingetan? Ah, da war es ja! Mit triumphierendem Brummen zog er einen kleinen Lederlappen hervor, flitzte damit zu Apolonia zurück, setzte sich eng neben sie auf die Kline und wickelte das Leder auf.


    Dank den Göttern hatte der arabische Schmied Wort gehalten und nicht nur einen passenden Anhänger nach Antias’ Wünschen bearbeitet, sondern ihn auch so lange für ihn zurückgelegt wie vereinbart. Vorsichtig nahm Antias die Halskette zwischen die Finger und hielt sie lächelnd empor. An den feinen Gliedern baumelte ein flaches Oval aus Bronze, überzogen mit gehämmertem Goldblech, in das auf der Vorderseite ein trüber Schmuckstein in annähernd meergrüner Farbe eingelassen war.


    Noch immer beeindruckt von der Kunstfertigkeit des Araber drehte Antias den Anhänger in den warmen Lichtschein des Kandelabers. Auf dem Stein wurde eine feine Gravur sichtbar, die vollendeten Proportionen einer jungen Gazelle. „Da bist du ..“ raunte er Apolonia leise zu. „Und schau ..“ Er drehte das Oval um. Auf der Rückseite schimmerte ihnen die Gravur eines stattlichen Esels von der polierten Bronze entgegen. „Da bin ich.“


    Natürlich wäre es vernünftiger gewesen, anstatt des Schmuckes so banale Dinge wie Brot, Fleisch, Gemüse oder eine schöne warme Tunika für sie zu erwerben, aber dafür waren ja die mitgebrachten Sesterzen gedacht, und außerdem – was war schon vernünftig? Hätte er sein Leben ausschließlich nach der Vernunft ausgerichtet, säße er gar nicht hier. „Sieht teurer aus, als es ist.“ sagte er leichthin. „Gefällt es dir, Dorcas? Wenn ja, leg’ ich es dir an.“

    [Blockierte Grafik: http://oi57.tinypic.com/nd9zq8.jpg]
    Cossus Orbius Blandus



    Unbewegt und schweigend stand Blandus unter seinen sardischen Brüdern. Fror, hungerte, dürstete und machte sich nicht das geringste draus. Der Himmel war klar, die Luft rein, das Volk erzürnt und doch weitgehend folgsam, mehr konnte man nicht erwarten. Wachdienst war noch nie ein Spaß gewesen, in dieser Arschkälte wurde er zur Tortur, trotzdem würden sich die Sarden keine Blöße geben, bevor nicht alle übrigen Contubernia vor Erschöpfung umgekippt waren. Und danach sah es momentan nicht aus.


    Ohne großes Interesse beobachtete der Sarde einen sich nähernden Reisewagen, gefolgt von üppiger Entourage, aus der sich ein blasiert dreinblickender Sklave löste und auf ihn zu marschierte. Ach nein, nicht schon wieder so ein wissbegieriger Wicht. Für langatmige Auskünfte war Blandus genau der Falsche. Der Bursche hätte sich besser an diesen Eloquenzbolzen von Germanicus gewandt, aber der hatte ja gerade mit einer südlichen Schönheit zu tun.


    Wider erwarten verlangte es dem Sklaven dann doch nicht nach Informationen, stattdessen brabbelte er etwas von seinem Dominus und dessen angeblich wichtiger Mission. Schon wieder. Hier hatte allmählich jeder irgendwelche Missionen von staatstragender Bedeutung, wie es den Anschein hatte sogar dieser gespreizte Servus. Als der Schwätzer auch noch einen prallen Geldbeutel zückte und ihm alle Huren der Stadt in Aussicht stellte, hatte Blandus genug gehört. Hundert Sesterzen für den Stolz eines Sarden. Lachhaft.


    Gelangweilt schnappte er nach dem Beutel und riss ihm dem Slaven aus der Hand. „So, und nun? Holst du jetzt die Urbaner bevor dein Dominus dich totschlägt?“

    In einem Anflug infantiler Selbsvergessenheit legte Antias den Kopf in den Nacken, ließ seinen Blick ziellos durch das flimmernde Dunkel streifen und streckte die Zunge heraus, um die tänzelnden Flocken zu fangen. In der knisternden Abendstille konnte er fast hören, wie die Gedanken durch den Geist seines Bruders tobten. Wie gerne hätte er Ferox beruhigt, seine Bedenken zerstreut, ihm einen minutiös durchdachten Zukunftsplan präsentiert. Stattdessen hatten seine knappen Kommentare bei Ferox wohl nur unzählige weitere Fragen aufgeworfen.


    Kein Sorge, mein Bester, hätte er liebend gerne verkündet, es ist alles ganz simpel. Ich werde Apolonia mit meinen Paarhundert gesparten Kröten von Senator Menecrates freikaufen, der natürlich den Göttern sei Dank als verständnisvoller Philanthrop großzügig über ihre Flucht hinwegsehen wird. Dann werde ich ihr Leben als Libertina zunächst aus meinem verschwenderisch üppigen Sold finanzieren, mich binnen kürzester Zeit vom protektionslosen Nichts zum Centurio hochdienen und als solcher um die Erlaubnis zur Eheschließung ansuchen. Diese wird mir fraglos umgehend gewährt, weil ich ja mittlerweile über so unfassbar gute Beziehungen und ein ganzes Heer von Fürsprechern verfüge. Danach heirate ich meine Libertina kurzerhand, mach sie so zur Bürgerin, anerkenne selbstverständlich die derweil zur Manipelstärke angewachsene Kinderschar und führe die glückliche Großfamilie inklusive des geliebten Onkels heim nach Mogontiacum. Unnötig zu betonen, dass wir alle so alt wie der Rhenus werden und unser Leben fürderhin in gottgleichem Frieden und ungetrübtester Harmonie fristen werden. Kein Problem, Bruder, alles bestens.


    Seine Zunge wurde kalt, also fuhr er sie seufzend wieder ein und ließ sie noch eine Weile schweigen im Mund vor sich hin prickeln. Ferox hatte inzwischen weise das Thema gewechselt. Schlafprobleme? Oh ja, dieses Leiden hatte unter den Urbanern in jüngster Zeit epidemische Ausmaße angenommen. Schmunzelnd nahm Antias das Säckchen entgegen. Mit dem hilfsbedürftigen Freund konnte Ferox nur Hispo gemeint haben. „Danke, Ferox. ich werd’s ihm unterjubeln.“


    Benetzt vom Tropfennebel eines gewaltigen Niesers nickte Antias seinem Bruder dankbar zu. „Mach das, Bruder. Wenn Hispo da erstmal drin war, ist die Pisse das kleinere Übel, glaub mir.“ Noch einmal zog er Ferox an sich, klopfte ihm brüderlich auf den Rücken und wandte sich dann zum Gehen. Nach ein paar Schritten hielt er noch einmal inne. „Ferox .. pass bloß auf dich auf! Ja?“

    Antias hörte seinem Bruder aufmerksam zu, nickte, fuhr sich mit den Fingern durch die nassen Haare, nickte erneut, atmete in tiefen gierigen Stößen und trat schließlich gerührt räuspernd auf Ferox zu, um ihn herzlich an die Brust zu drücken. „Patruus Ferox.“ lächelte er warm. Ferox’ Argumente hatten ebenso Hand und Fuß, wie der noch fiktive Gegenstand seiner Fürsorge. Antias hatte an einem dicken zähen Kloß zu schlucken, sein Bruder musste ihn für einen verantwortungslosen Hedonisten halten, der nicht weiter voraus dachte als bis zur pulsierenden Spitze seiner Hasta. Dem war aber nicht so. Zumindest nicht grundsätzlich. In diesem Fall jedoch musste er sich eine gewisse Gedankenlosigkeit eingestehen. Völlig richtig, er durfte einem Spross seiner Lenden nicht das gleiche antun wie Varus seinem Bruder angetan hatte, vor allem aber konnte er es Apolonia nicht antun! Nicht unter den gegebenen Umständen.


    Ein Plan für den Notfall, Ferox konnte gar nicht ahnen, wie richtig er damit lag. Apolonia und er lebten bereits nach einem Notfallplan, einem noch nicht besonders ausgereiften, um genau zu sein. So sehr es ihn auch danach drängte, er konnte Ferox nicht die ganze Geschichte erzählen. Noch nicht, später vielleicht. Stattdessen drückte er den Bruder noch einmal kurz an sich und starrte dann nachdenklich die Gasse hinauf. „Schon gut, Ferox, ich weiß genau, was du meinst.“


    Der Wind wisperte hämisch um die Steingiebel, die umher treibenden Schneeflocken waren so penetrant wie eisige Stechmücken. Ein Standlager, ein Soldat, eine Lupa. War das Schicksal wirklich so einfallslos? „Ein wirklich konsequenter Plan ..“ nahm Antias den Faden schließlich wieder auf, „.. könnte nur darin bestehen, die CU zu verlassen, und mich meiner Verantwortung zu stellen. Alles andere wäre auch nur eine eher schäbige Notlösung."

    Gespannt und voll Sorge stapfte Antias neben seinem um Worte ringenden Bruder die dunkle Lagergasse entlang. Dass es angeblich nichts Schlimmes sei, vermochte ihn nur mäßig zu beruhigen. Über Alltägliches hätte sich Ferox sicher nicht derart den Kopf zerbrochen. Oder doch? Und was sollte das heißen, es ginge seinen Bruder nichts an? Der gutmütige Waldbär musste doch wissen, wie sehr ihn Antias mittlerweile in’s Herz geschlossen hatte. Schon wollte Antias widersprechen, aber Ferox in’s Wort zu fallen, hätte es ihm gewiss noch schwerer gemacht, auf den Punkt zu kommen.


    Als es dann schließlich heraus war, prallte Antias zurück als wäre er im nächtlichen Dunst gegen eine unsichtbare Mauer gelaufen. Mit vielem hätte er gerechnet, damit nicht. Etwas benommen blieb er stehen und blickte Ferox mit erhobenen Augenbrauen an. Erstaunlich, worüber sich dieser Gemütsmensch Gedanken machte. Erstaunlich vor allem, weil Antias sich diese Gedanken längst selbst hätte machen müssen. Hatte er nicht erst vor wenigen Tagen gesagt, er wolle nicht den gleichen Fehler machen wie einst sein Vater?
    „Ähm .. ja, Ferox .. schon .. das heißt ..“ Natürlich passten sie auf, ständig. Sie passten auf, dass Apolonia nicht entdeckt wurde, sie passten auf, dass sie sich nicht gegenseitig belasteten, aber das war eindeutig nicht, was Ferox meinte. „.. nicht wirklich .. ich meine .. bis jetzt wohl eher nicht so ..“ Seine Finger raspelten über die Bartstoppeln als wollten sie das Kinn vom Kiefer schaben. Richtig, er war der ältere Bruder, aber in machen Belangen ...


    „Guter Hinweis, Bruder ..“ Sinnvolleres fiel ihm stante pede nicht ein. „Brillanter Gedanke. Ich .. äh .. werd’ nächstes mal dran denken.“

    Ein neuer vielversprechender Morgen zwischen einem nicht sehr vielversprechenden Stadttor und einer noch viel weniger versprechenden Menschenmenge. Auch wenn es bislang noch nicht zu ernsthaften Ausschreitungen gekommen war, hatte sich die Lage vor der Urbs keinesfalls entspannt. Einige der murrenden Reisenden hatten sich notgedrungen dreingefunden und entweder in Herbergen, Vorstadtcauponae oder überteuert vermieteten Verschlägen Unterschlupf gefunden, andere nicht. Von Dutzenden kleinen Lagerfeuern wehten dünne Rauchfahnen zu den Soldaten herüber. Eigentlich hätten die Urbaniciani gegen diese wilden Feuerstellen vorgehen sollen, aber die Milites waren schon voll und ganz damit ausgelastet, Raufhändel und kleinere Diebstähle unter den Wartenden zu ahnden, ab und zu ein paar fürwitzigen Nörglern in die Weichteile zu treten und sich ansonsten dem verbal vorgetragenen Missmut der Umstehenden zu stellen.


    Als Antias die dunkle östliche Schönheit von neulich grazil auf sich zuschreiten sah, glaubte er schon an einen Lichtblick, erkannte aber schnell, dass auch sie nicht mehr ganz so gefasst war wie bei ihrer ersten Begegnung. Verstehen konnte er das sehr wohl, dulden jedoch nicht. Hey du? Antias schluckte ein Schmunzeln hinunter, Oh ja, ein stolzes anmutiges Weib war das, wenngleich die säuerlichen Fältchen um ihre sonst so ebenmäßigen Züge ihr einen Hauch von Attraktivität abspenstig machten. Mit einem kunstvollen Räuspern schob er sich seine verkniffenste Pisslappenmiene ins Gesicht. „Damit wir uns gleich richtig verstehen, Peregrina, du redest hier mit keinem deiner Fußnägelfeiler! Wie du siehst, bist du bei weitem nicht die einzige, die sich in Geduld zu üben hat, und was schlüssig ist oder nicht, entscheidet der Praefectus Urbi! Nicht du!“ Gern schlug er einen solchen Ton nicht an, schon gar nicht gegenüber einer solch beeindruckenden Erscheinung, die noch dazu von den Senatores seiner eigenen Gens erwartet wurde – wenn es denn so war wie sie vorgab – aber seine Sanftmut lag allmählich in den letzten Zügen angesichts des endlosen Gemäkels der Ausgesperrten.


    „Und ich entscheide das auch nicht, leider.“ fuhr er schon etwas weniger garstig fort. „Sobald entsprechende Order ergeht, werde ich dir mit Vergnügen das Tor öffnen, aber bis dahin kann ich nicht viel für dich tun, auch wenn ich das aufrichtig bedaure.“ Nach einem unwillkürlichen Kontrollblick über die Menge ließ er schließlich ein leichtes Lächeln zu. „Ich bin selbst ein Germanicus. Wenn du den Senatores vielleicht eine Nachricht über deinen Verbleib zukommen lassen möchtest, werde ich mich gerne darum kümmern.“

    Besorgt stellte Antias die Patera ab. Ferox schlotterte ja richtig. Er hatte sich doch wohl nichts eingefangen bei dem Mistwetter? Oder war seine Verfassung etwa auf die jüngsten Ereignisse auf dem Forum Boarium zurückzuführen? Der Cluvier hatte sich auf Wache schon großspurig darüber ausgelassen. Ein Mordsspektakel musste das gewesen sein, wenn man Sulca glaubte, ziemlich blutig und ereignisreich. Was auch immer der alte Kotzbrocken mit ereignisreich meinen mochte. Antias wusste nur, dass die Tirones – darunter sein Bruder – ihren ersten Außeneinsatz absolviert und nach Sulcas’ Andeutungen leicht erhitzt abgeschlossen hatten. Oder war sein Bruder von Heimweh geplagt? Immerhin hatte er noch eine Mutter irgendwo da oben in Germania.


    „Natürlich, Kleiner .. ich hab auch keinen besonderen Appetit.“ beeilte sich Antias zu entgegnen, schnappte sich seinen Mantel, warf ihn über und folgte Ferox in die nasskalte Nacht hinaus. Der gestampfte Lagerboden schmatzte fett und vollgesogen unter ihren Schritten. Ein paar Schneeflocken trudelten einsam im schwachen Westwind. Wortlos und nachdenklich tappten die Brüder eine Weile ohne besonderes Ziel nebeneinander her, bis Antias räuspernd das Schweigen brach. „Erzähl. Worüber hast du nachgedacht, Bruder?“

    Babila schaffte es immer wieder, Antias zu verblüffen. Während er mit Apolonia zugange gewesen war, hätte er schwören können, die Wohnung sei ansonsten menschenleer gewesen. War sie aber nicht. In irgend einer Ecke hatte der zappelnde Bursche still und unsichtbar abgewartet, nur um endlich wie auf ein stummes Signal hin, herbei zu wuseln und den Tisch zu decken. Antias staunte. Wo hatte seine Kleine nur all das frische Essen her? Vom Markt natürlich, woher sonst? Als ob sie jemanden erwartet hätte.


    Angenehm schlaff ließ er sich neben Apolonia auf die Kline fallen, nippte am Weinbecher und lauschte amüsiert ihren Fantasien. Ob er es schon mal in einer Therme getrieben hatte? „Nein, Dorcas, weder in den Thermen noch im Balneum.“ lachte er schallend auf. Ob nun Sklavin oder nicht, Apolonia war zweifelsfrei Römerin durch und durch. „Wo ich herkomme, ging es nicht ganz so kultiviert zu wie in der Urbs Aeterna.“ Selbstverständlich war auch Mogontiacum mit einer Vielzahl von Bädern gesegnet, aber im Gegensatz zu den tief römischen Cives konnten nur oberflächlich romanisierte Halbgermanen der Planscherei nicht übertrieben viel abgewinnen. Den Geschlechtsakt jedenfalls vollzogen sie lieber im Trockenen, wenn’s sein musste auf allerlei Einrichtungsgegenständen, vorzugsweise aber auf Heu, Fell, Gras, Moos oder Strauchwerk. „Kein Grund, es nicht auszuprobieren, meine Gazelle.“


    Vergnügt beugte er sich Apolonia entgegen und begann genussvoll nach der Traube zwischen ihren Zähnen zu züngeln. Die Traube verschwand. Verschluckt. Ob von ihm oder von Apolonia konnte er nicht sagen, er hatte nicht darauf geachtet. Seine Zunge drang noch etwas weiter vor, fand die ihre, begann sie lauernd zu umkreisen. Sie schmeckte nach Honig. Oder Mandeln? Kräuterwein? Lustvoll kostete er sie aus, naschte sie, trank sie. Nein, das waren weder Früchte noch Kräuter, das war Dorcas, wonach sie schmeckte. Süßeste feinste Dorcas. Genießerisch lächelnd löste er sich schließlich von ihr. „Wenn ich’s mir recht überlege, gibt es noch ziemlich viele Orte, an denen ich es noch nicht getrieben habe.“ Grinsend fischte er nach einer Feige und bot sie ihr dar. „Vielleicht sollten wir morgen einen kleinen Ausflug machen, was meinst du?“ Er zupfte sich selbst ein Stückchen Huhn vom Teller und verschlang es. „Aber erst musst du was essen. Außerdem hab’ ich dir etwas mitgebracht.“

    Nachdem zum einen Fimbria wieder den Kochdienst übernommen- und zum anderen Hispo in den nächtlichen Latrinen einen passenden Ort gefunden hatte, seines Blutstaues zumindest notdürftig Herr zu werden, hatte sich die Stimmung im Contubernium wieder merklich verbessert. Marullus’ stummes Dahinvegetieren lag zwar noch immer dunkel auf den Gemütern, aber insgeheim hatten die Milites bereits Abschied vom zurückgebliebenen Zwilling genommen. Noch funktionierte Marullus, noch erfüllte er alle Anweisungen und Befehle mechanisch mit übertriebenem krankem Eifer, der Tag konnte jedoch nicht mehr all zu fern sein, an dem ihn seine Kräfte verlassen würden. Antias konnte nichts für ihn tun, keiner konnte das. Mit viel Glück mochte der todtraurige Schatten eines Soldaten bis zum ersten Ausgang durchhalten. Wohin er dann verschwinden würde, wusste nur Marullus selbst. Fort musste er, daran gab es keinen Zweifel.


    Versonnen starrte Antias in seine Patera. Ein weiterer Tag vor den versperrten Stadttoren lag hinter ihm, eine weitere Nacht voll Unwägbarkeiten lag vor den Kameraden draußen. Irgend etwas lag in der Luft. Nicht nur er, auch der Rest des Contuberniums verausgabte sich tagtäglich verbissener beim Kampftraining, freiwillig, instinktiv fast unwillkürlich. Sie bereiteten sich vor, machten sich bereit, für alles, was da noch kommen mochte.


    In allerlei Grübeleien vertieft, hatte Antias dem Klopfen keine Beachtung geschenkt. Erst die Stimme seines Bruders ließ ihn erfreut herumfahren. „Ferox! Kommst du mich endlich besuchen!“ Strahlend sprang er von seiner Pritsche auf, schob den brummenden Hispo beiseite und eilte auf Ferox zu. „Magst du mit uns essen? Es gibt – Überraschung – Puls. Aber mit Rindfleisch drin.“ In all seinem Überschwang nahm er doch die nachdenklichen Furchen auf seines Bruders breiter Stirn wahr. „Alles in Ordnung, Ferox? Bedrückt dich was?“

    [Blockierte Grafik: http://oi61.tinypic.com/11tyjd5.jpg]
    Spurius Cluvius Sulca


    Die denkwürdige Darbietung des Carnifex hatte bei der Menge zu unterschiedlichen Reaktionen geführt. Während die einen von jeglicher Protestattitüde kuriert nur noch damit beschäftigt waren, sich den Mageninhalt nicht über das eigene Schuhwerk zu erbrechen, strebten die anderen nun erst recht dem total versauten Richtplatz zu, ob nun aus Begeisterung oder Empörung war nicht klar ersichtlich, aber die Motive der vordrängenden Plebs waren dem Cluvius auch völlig egal. Er starrte nur ungläubig auf die linke Flanke und hätte vor Zorn über das, was er da sehen musste, am liebsten seine Gedärme ausgekotzt. Kaum war einer der sogenannten Rekruten plötzlich zusammengesackt, lag schon der nächste wie ein zappelnder Maikäfer unter seinem Scutum, und drohte von stolpernden Cives erdrückt zu werden. Oh Virtus! Oh Victoria! In welcher Weltgegend wurden bloß solche Materialfehler gezeugt? Schnaubend drosch er ein paar mal mit der Hasta auf den unverschämten Pöbel ein und stapfte dann brüllend auf die größer werdende Urbanerlücke zu. „Tirones! Surgite! Aciem dirigite!“ Ach ja, richtig, das war bei diesen Anfängern vergebliche Liebesmüh. „Hoch mit euch! Richtet die Linien aus!“ Es half nichts.


    Dank allen Göttern standen auf dem rechten Flügel noch ein paar Altgediente in Stellung, auch allesamt sture Arschlöcher, aber wenigstens in der Wolle gefärbte Urbaner. „He! Laevinus! Vargula! Wir brauchen hier ein paar Erwachsene!“ Mit steinernen Mienen setzten sich die Milites in Bewegung. Sulca nickte kurz befriedigt und wandte sich ausgesprochen unbefriedigt an den schweigend abseits stehenden Deciumus. „Von dir hätt’ ich auch mehr erwartet, Söhnchen! Aber was soll’ s ..“ Wozu sich aufregen? Hatte er wirklich etwas anderes erwartet? Eigentlich schon. Grummelnd riss Sulca den Schild hoch und warf sich gegen die vorquellenden Leiber. Mit ein paar herzhaft geführten Hieben und Stichen fegte er schreiendes Pack vom Scutum des flachliegenden Tiros. „So! Und jetzt auf die Beine mit dir!“ Dann waren endlich Laevinus und Vargula zur Stelle. „Jetzt passt mal gut auf, ihr Kaulquappen!“ blökte Sulca den Tirones über die Schulter zu, während er mit den beiden Milites zu einem engen Schildwall zusammenrückte. „So geht das!“



    Die Soldaten traten geschlossen vor, rammten die Scuta gegen Brustbeine und Kieferknochen und legten die Hastae an. „Block!“ brüllte Sulca belehrend „Und Stoß!“ Die umgedrehten Lanzen zischten nach vorn, fraßen sich dumpf in Rippen und Bäuche. „Block!“ Wieder knallten die Scuta in die Menge. Zwei Schritte nach vorn. Weg mit dem Pack. „Und Stoß!“ Unter den gefräßigen Zungen der schweren Lanzenschuhe begann sich die vergnügungssüchtige Saubande jaulend zurückzuziehen. „Block!“ Und weil's so schön war, noch einmal mit Gefühl. „Stoß!


    Das sollte reichen. In der Menge klaffte nun ein Loch von der Tiefe einer guten Pertica. Zeit, sich wieder zurückzuziehen und die Reihen zu schließen. Laevinus und Vargula sicherten die Linie ab, Sulca trat schäumend auf den am Boden verbliebenden Rekruten zu. War das nicht der selbe, der erst vor kurzem schon mal umgekippt war? Für ihn sahen diese Milchgesichter alle gleich aus. „He, du Lurch!“ krähte er angewidert auf den besinnungslosen Tiro hinunter. „Schwache Nerven oder Schwache Beine? Wohl zuviel an deinem Strunk rumgezupft. Hoch mit dir!“

    Der sternenklare Frühjahrshimmel hatte sich herabgesenkt bis in Apolonias’ kleines Zimmer. Dort, wo eigentlich Decke, Balken, Bohlen und Ziegel hätten sein müssen, erblickte Antias die funkelnden Bilder von Cygnus, Perseus und Orion, sah auf leuchtende Nebel, schimmernde Schleier und Myriaden von gleißenden Tautropfen auf dem satten Atramentum der Nacht. Sie, die all dies überstrahlte, lag warm und sanft atmend neben ihm, und das war alles, was er brauchte. Es gab nichts, was ihm je vollkommener erschienen wäre. In tiefen Frieden versunken fühlte er ihre weiche Hand auf seiner Wange, spürte ihren ruhiger werdenden Herzschlag an seiner Brust, lauschte ihrer leisen Stimme, und ließ seine Gedanken träge ihren Worten folge.


    Wusste er, dass sie ihn liebte? Ja, das wusste er. Und er wusste ebenso, dass sie sich ihrer Lage bewusst war und sie nicht hinnehmen würde. Er ahnte, was sie mit ihrer Weise meinte, schwieg aber dazu. Wie konnte er sie bitten, vorsichtig zu sein? Wie konnte er von ihr verlangen, sich weiterhin hier zu verkriechen? So lange er ihr kein sorgenfreies Leben ermöglichen konnte, in dem es ihr an nichts fehlte, hatte er nicht das Recht, sie mit seinen Bedenken zu belasten. Oh ja, er sorgte sich um sie, jeden Tag, jede Stunde. Aber Apolonia war nicht all die Risiken eingegangen, um wieder als Gefangene zu enden. Sie musste frei atmen, sie musste leben. Im aller besten und aller glücklichsten Fall mit ihm. Trotz seiner Sorge war er kein schlechterer Soldat durch sie, im Gegenteil. Sie trübte seine Sinne nicht, sie machte sie wach und lebendig. Sie war das Leben selbst.


    „Ach, Dorcas ..“ seufzte er tief und rau, „.. ich bin derjenige, der etwas tun muss.“ Sanft lächelnd schlug er die Augen auf, griff nach ihrer streichelnden Hand und küsste sie. „Denn – und das wird dich jetzt vielleicht zutiefst entsetzen – es ist folgendermaßen ..“ Er zog sie näher an sich, rollte sich zur Seite, schirmte sie zärtlich vor der kühlen Nachtluft im Zimmer. „Ich betrachte dich als meine Frau.“ Um jeden Protest im Keim zu ersticken, versiegelte er ihre Lippen mit einem langen Kuss. Als kein Protest kam, fuhr er lächelnd fort. „Wenn meine Frau eine Lupa ist, auch recht. Ich liebe sie schließlich nicht für das, was sie nicht ist, sondern für das, was sie ist. Aber wenn sie schon eine Lupa ist, soll sie wenigstens eine freie Lupa sein.“ Tief im stillen glatten Spiegel ihrer Augen versunken strich er ihr klammes Haar zurück. „Wir müssen jetzt nicht über diese Dinge reden. Wahrlich, du hast recht, ich habe tatsächlich Durst wie ein Kamel und Hunger wie ein Bär. Außerdem bekomme ich schon wieder Lust auf Gazelle. Aber immer eines nach dem anderen. Diesmal haben wir Zeit.“ Er küsste sie noch einmal, stand dann langsam auf, nahm ihren hastig abgelegten Überwurf von der Kline und hüllte sie darin ein. „Komm, Dorcas .. ich würde gerne mit meiner Frau eine Kleinigkeit essen.“