Etwas verstohlen kratzte sich Plautus hinter seinem linken Ohr. Worauf, bei Plutos Hintern, wollte der dicke Grüßefinger mit seinen Fragen eigentlich hinaus? Klar doch, der wollte nur die geltende Rechtslage verteidigen. Altbewährt, praktisch, gut. Warum sollten sich also verdiente Senatoren mit den Skrüpelchen eines kleinen Aquarius herumschlagen? Vor der Rechenaufgabe, wie lange er bräuchte, um 2500 Sesterzen zusammenzubringen, kapitulierte er aber erstmal und verlegte sich auf's Schätzen.
"Mit meinem Gehalt würde es länger als ein Jahr* dauern. Ein Taglöhner würde das nie zusammenbringen und ein reicher Mann hingegen bezahlt das locker aus der hohlen Hand, Curator. Man muss dabei natürlich im Auge behalten, wie groß das Interesse dieser drei Männer an einer Manipulation an der Wasserleitung sein könnte. Und hier kann ich konstatieren, dass die Leichtigkeit einer Strafzahlung im umgekehrten Verhältnis zum Interesse an einer Manipulation steht."
Plautus begutachtete seine Fingernägel. Aber die blieben stumm. "Der Taglöhner hat nämlich so gut wie kein Interesse, an der Leitung rumzumachen, weil er sich an jedem Laufbrunnen bedienen kann. Mehr braucht er nicht. Ähnliches gilt für Leute wie mich, obwohl bei mir zu berücksichtigen wäre, dass ich eine Brauerei besitze, die sich aus der Aqua Marcia bedient. Die Wasserkosten, die nur einen geringen Teil der Betriebsabgaben ausmachen, laufen sich in eineinviertel Jahren aber keinesfalls zu 2500 Sesterzen auf. Also kein Grund, zu Hammer und Meißel zu greifen, um die Leitung anzuzapfen, oder? Ganz anders sieht es jedoch bei dem reichen Mann aus. Wenn bei dem eine Wasserleitung über die Äcker seines Fundus führt, ist das ärgerlich, weil es beim Pflügen stört. Folglich schert sich dieser Mann nicht um Schutzstreifen, nicht zuletzt, weil er das als einen Eingriff in seine 'königliche' Entscheidungsfreiheit betrachtet. Und das Anzapfen einer Leitung für Bewässerungszwecke lohnt sich bei ihm wirklich allemal und auch so sehr, dass er das bißchen Geldstrafe lächelnd in den Betriebskosten verrechnet. In diesen Fällen wäre dann tatsächlich für höhere Geldstrafen zu plädieren, zumal das Anzapfen von Wasserleitungen, schaut man mal in die Akten, immer schon zu den beliebtesten Kavaliersdelikten reicher Leute gezählt hat."
Jetzt zum Schadensersatz. Plautus blickte kurz zur Decke und kramte in seinem Hirn. "Ja, Du hast recht. Der 85, Absatz drei sagt nur, dass das Gericht die Höhe des Schadensersatzes lediglich bestätigt. Das setzt voraus, dass dem Gericht ein Fachgutachten vorliegt."
Sanktionen? Plautus beugte sich vor und hob eine Hand, um seine Worte zu unterstreichen. "Freilich, die Wasserleitungen sind Eigentum der Res Publica. Dennoch habe ich leichte Zweifel, ob der Angeklagte dann wegen der verhängten Sanktionen wirklich keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen wird. Denn sicherlich wird er ja einen Patron haben, der ihm dann irgendeine Hilfe angedeihen lässt, um ein bißchen an den Sanktionen rumzuschrauben. War schon immer so, mos maiorum."
Mit einem Stirnrunzeln fuhr Plautus fort: "Eigentum der Res Publica? Hoppla, da wird es doch einige Schwierigkeiten geben, einen Richter zu finden. Wie löst man denn das Problem, das mit §11, Absatz 1 aufgeworfen wird? Kann der Staat als Betroffener in einem solchen Fall überhaupt einen Richter einsetzen? Fällt mir grade so ein, daran hatte ich noch gar nicht gedacht."
Weiterführendes? Plautus machte ein überraschtes Gesicht. "Na gut, als ich dieses von Schimmel und Bücherwurmlarven zerfressene und in viele Bruchstücke zerfallene alte Gesetz gefunden habe, war mein erster Gedanke, dass man dieses Gesetz sofort wieder einführen müsste. Ich gebe zu, dass Deine Überlegungen mich trotz meiner Zweifel etwas ausgebremst haben. Ich konnte bisher auch nur die beiden ersten Artikel zusammenpfriemeln. Aber ich mach mal mit dem Ding weiter. Und zu dem, was wir eben besprochen haben, würde ich sagen, dass man im Fall der Wasserleitungen die Strafzumessung unter Würdigung der Vermögenslage des Täters vornehmen sollte. Knetemäßig, sozusagen."