Beiträge von Galeo Sergius Plautus

    Nachdem der Masseur sein Werk getan hatte, setzte sich Plautus auf den Rand der Liege und ließ sich einen Becher Wein bringen. Er dachte nach.


    "Weißt Du, ich hab mir eigentlich noch gar nicht überlegt, wie ich mir am besten einen Patron nehme. Meistens sucht man sich ad hoc irgendeinen Typ aus, der einem öfters über den Weg läuft und von dem man glaubt, dass der was zu sagen hat. Aber das kann ja auch in die Hose gehen. Kann ja sein, dass der realiter gar nicht so viel zu bestimmen hat oder amtsmäßig in einer Sackgasse steckt."


    Stirnrunzelnd betrachtete er seinen Gedankengang und konstatierte, dass diesem noch eine Fortsetzung fehlte.


    "Man müsste eigentlich viel genauer bestimmen können, wer das Zeug zum Patron hat, wer also 'patronabel' ist. Dann könnte man exakter auswählen. Zum Beispiel wäre es schon wichtig zu wissen, an welcher Stelle in dem ganzen Klientschaftssystem man seinen designierten Patron verorten kann."


    Er stellte eine Öllampe auf seinen Becher. "Schau, nehmen wir mal an, mein Weinbecher sei Dein Patron. Oft ist aber ein Patron seinerseits Klient bei einem höher schwebenden Patron, also hier in unserem Beispiel bei der Öllampe. Und die Öllampe hat vielleicht auch einen Patron. Weißt Du denn, wer der Patron Deines Patrons ist, Fabius?"


    Mit seinen Händen beschrieb Plautus einen imginären Turm aus übereinandergeschichteten Dingen. "Hi hi, als Handreichung für Leute, die grade einen Patron suchen, wäre es ganz praktisch, wenn es eine Tabelle gäbe, mit der man auf einen Blick alle Weinbecher-Öllampen-Beziehungen überblicken könnte und sich so durch die Wahl des richtigen Patrons den schlanksten Weg nach oben sichern könnte. Wär doch was." Plautus grinste, nicht zuletzt, weil Valens zum Schluss noch nach Bespaßungsmöglichkeiten gefragt hatte.


    "Ach, Du willst Spaß haben? Das ist in Roma katzenleicht, Fabius. Kauf Dir ein Buch oder geh ins Lupanar. Zwischen diesen beiden gibt's aber noch einige tausend Möglichkeiten."

    Der Gedanke, dass Valens ihm die Tür zu einer Bekannschaft mit dem Annaeer öffnen könnte, war schon recht verlockend. Doch Plautus winkte ab. "Aber nur, wenn Du mit Annaeus Modestus wirklich auch privat gut bekannt bist. Den Praefectus Urbi kenne ich nur dienstlich und war bisher bloß zweimal in seinem Officium. Dem Praefectus würde es sicher nicht unkomisch vorkommen, wenn ich plötzlich mit Dir in seinem Officium auftauchen und sagen würde 'Guck mal, Praefectus, was ich da für ein schlaues Bürschchen mitgebracht habe, nämlich den Fabius Valens, der Dich kennenlernen möchte'. Also ich denke, da müssten wir schon einen triftigen Grund finden, um sowas durchzuziehen."


    Was Valens da über den klandestinen Gehaltsausgleich bei den Primicerii erzählte, war wohl reine Vermutung, auch wenn es immerhin noch im Bereich des Denkbaren lag. Dass man so Klatsch auf Schlag zum Ritter gemacht wurde, wenn man dem Kaiser bekannt war, erschien Plautus ebenfalls wie reiner Aberglaube. Dennoch erinnerte er sich an eine verpasste Gelegenheit.


    Mit einem lautlosen Kichern meinte er: "Na ja, beinahe, aber nur beinahe wär ich auch Ritter geworden. Wir haben neulich ein gebrochenes Wasserrohr in der Domus Augustana repariert, aber der Kaiser ist uns leider nicht über den Weg gelaufen."


    "Ja, wenn ich nächstens mit den Socii Mercatorum Aurei Kontakt aufnehme, sag ich Dir Bescheid, Fabius. Von der Casa Sergia ist es ja nicht weit zum Viminal."

    "Knet mir mal den Rücken durch. Ich muss die nächsten Tage oft gebückt durch irgendwelche Stollen laufen", wies Plautus den Masseur an. Als der dann zulangte, reagierte Plautus mit einem langgezogenen Ächzer.


    "Ääärrrch, ach den Annaeer meinst Du? Annaeus Modestus, mmh, ja das ist ein ausgeschlafener Typ, der hat doch tatkräftig mitgeholfen, den dicken Salinator zu entsorgen. Nicht schlecht als Patron, würde ich sagen. Ich kenne ihn nicht, der war doch mal eine Weile von der Bildfläche verschwunden, weil's ihn im Bürgerkrieg ziemlich erwischt hatte. Ist der wieder aufgetaucht? Ja, der tät mir auch passen."


    Langsam kam Plautus in's Schwitzen. Er schaute über die Schulter und stellte befriedigt fest, dass es dem Masseur nicht anders erging.


    "Ist das wirklich Dein Ernst mit der kaiserlichen Kanzlei? Mann, da brauchst Du ja drei Legionen Fürsprecher, um da rein zu kommen. Außerdem krieg ich als Aquarius mehr Kohle als ein Primicerius. Und das, obwohl bei uns normalerweise morgens kein Kaiser reinschaut."


    Der Masseur hatte sich mittlerweile bis zum Steißbein durchgarbeitet und beendete seine Aktion mit einem gezielten Schlag zwischen die Schulterblätter.


    "Uompf, jetzt ist mir wohler. Nö, Fabius, ne neue Händlervereinigung zu gründen ist nicht das Gelbe vom Ei, es gibt eh schon genug davon. Ich werde die Socii Mercatorum Aurei in ein paar Wochen nochmal kontaktieren und wenn Decimus Varenus, der Curator von den Aurei noch nicht zurück ist, dann gibt's ja sicher noch nen Vertreter."

    "Bei dem Wetter, mein Lieber", sagte Plautus, "ist es ziemlich schweißtreibend, sich mit den Landbesitzern herumzuschlagen, die unerlaubterweise ihr Grünzeug auf dem Schutzstreifen der Wasserleitung anzubauen belieben oder ihre Stiere rauslassen, wenn wir ihre Grundstücke betreten. Und wenn's problematisch wird, dann muss ich ran, da kann ich nicht meine Leute vorschicken. Deshalb ist mir das Bad hier jetzt so wichtig und wenn ich zurückkomme, dann werd ich auf der Direttissima wieder hier reinrumpeln."


    Er winkte einen Masseur heran, kletterte aus dem Becken und legte sich auf eine Kline.


    "Du sagtest da was von einem Statthalter von Germanien. Meinst Du etwa Vinicius Hungaricus? Keine schlechte Idee. Das ist ein Mann, der ein gewichtiges Wort mitreden kann. Aber wie ich gehört habe, soll er sich auf irgendnem Landgut grade eine Auszeit gönnen."


    Plautus schnaufte hörbar auf, weil der Masseur ihn etwas heftig durchknetete.


    "Das mit der Händlervereinigung ist auch keine dumme Idee. Das wollte ich auch machen, aber auch da hängt der Obermacher grade auf nem Landgut ab. Es ist Sommer, Fabius."

    Plautus lächelte ein wenig. "Tja, man muss schon zugeben, dass Roma etwas unübersichtlich ist."


    Der Typ war also von Mantua hierher gewatzt, um sich in der Stadt was aufzubauen. Plautus paddelte ein bißchen in dem Becken hin und her und fragte sich, wie der das wohl einfädeln würde.


    "Ich? Ich bin hier Aquarius, kleiner Staatsdiener, sozusagen. Ich bin für das Wasser zuständig, in dem wir uns grade suhlen. Für heute gönn ich mir noch ein Bad, weil ich morgen für ein paar Tage auf's Land muss, Leitungen inspizieren und das wird ne staubige Angelegenheit. Aber zu Dir. Wie willst Du das hier hinkriegen, ich meine das mit dem Fuß fassen. Kennst Du hier jemand, der Dir dabei hilft? Ich meine seilschaftmäßig und so."

    Auf einem Grashalm kauend beobachtete Plautus eine ganze Weile die wandernden Schatten der Gebäude, die in dem mittlerweile flimmernden Licht auf das Pflaster des Tempelbezirks fielen. Auch nachdem er mehrmals nach einem Tempeldiener gerufen hatte, regte sich nichts, sosehr er sich auch umschaute. Der Widder hingegen glotzte schon eine ganze Weile auf den Grashalm und schien sich zu langweilen. Da fasste Plautus einen Beschluss.


    Er ging zu der nächsten Altarnische, kramte etwas Weihrauch hervor, entzündete ihn und bedeckte sein Haupt.


    "Oh Mercurius, der Du Geschenke und Nachrichten überbringst, den Verirrten den Weg zeigst und auch die seltsamsten Zufälle herbeiführst. So wie diesen Zufall, dass unter der heute so brennenden Sonne kein Tempeldiener zu finden ist. Höre mich dennoch an, wenn Du den aufsteigenden Weihrauch wahrnimmst."


    Plautus warf einige Münzen auf den kleinen Altar. "Hast Du das gehört, oh Mercurius? Ich weiß, Du liebst den Ton der Münzen. Ich wollte Dir heute eigentlich einen Widder opfern, doch ohne Tempeldiener werde ich das nicht zustandebringen. Den Widder wollte ich Dir opfern mit der Bitte, meine Geschäfte zu fördern. Kaum dass ich aber diese Idee hatte, Dir dieses Opfer darzubringen, haben sich meine Geschäfte auf einmal auf wundersame Weise belebt, so als hättest Du meine Idee mitbekommen. Doch wie die Dinge liegen, werde ich diesen Widder neben mir für heute wieder nach Hause nehmen und mit ihm wiederkommen, um Dir anstatt eines Bittopfers ein Dankopfer zu bringen. Sei unbesorgt, wir beide kommen wieder."


    Er ging zu dem Widder hinüber, band ihn los und ging nach Hause.


    "Mein Freund, Du kannst jetzt noch ein paar Tage den Lenz machen und Gras und Kräuter fressen."

    Mit einem Plumps ließ sich Plautus ins Wasser fallen, prustete kurz und meinte: "Dann ist Mantua ja gradewegs ein verschlafenes Städtchen geworden. Also echt was für Leute, denen der Krach und der Gestank von Roma auf den Wecker gehen."


    Er drehte sich auf den Rücken und ließ sich treiben.


    "Aber mach Dir nichts vor, was Neapolis angeht. Dem einheimischen Decius Normalverbraucher gehen die Feste der Bonzen eh an der Nase vorbei. Du kannst da höchstens einen Job als Servierer bekommen. Aber is nix, weil die Bonzen ja alle ihre Sklaven dabei haben. Ich bin nach Roma gegangen, weil ich einen ordentlich bezahlten Job machen wollte. Neapolis ist nämlich so korrupt wie .. äh, ich hätte beinahe gesagt wie Roma, aber genau besehen ist es nur ein bißchen korrupter als Roma. Jedenfalls hat man mich dort meistens um meinen gerechten Lohn beschissen. Hier ist das besser."


    Plautus lachte kurz: "Ja, ich bin zufällig der Sergius mit der Matschgrube. Aber lassen wir das mit dem Geschäft, wir sind ja zum Abhängen hier in der Therme. Sag, was hat Dich denn nach Roma getrieben?"

    Mit einem erleichterten "Uff" ließ sich Plautus am Beckenrand nieder und prüfte mit den Füßen die Wassertemperatur.


    "Salve, Fabius. Hab Dank für die Einladung. Ich bin Sergius Plautus aus Neapolis und lebe schon über ein Jahr in Roma. Du kommst aus Mantua? Über Mantua weiß ich nur, dass dort eine Legio stationiert ist und dass es in der Ebene des Padus liegt. Was gibt es sonst noch Berichtenswertes über diese Stadt?"


    Plautus überlegte, ob er sich eine Massage gönnen sollte, entschied sich aber, zuerst mal ins Wasser zu gehen.

    Und da tauchte auch schon ein Störer auf. Plautus verschränkte die Arme hinter seinem Rücken, um nicht zu aufdringlich zu wirken, machte ein freundliches Gesicht und blieb am Beckenrand stehen.


    "Salve, hat es hier noch ein freies Plätzchen für einen freien Römer?"

    Ein Bote brachte das folgende Schreiben zur Casa Decima Mercator:



    An T. Decimus Varenus, Roma, Casa Decima Mercator


    S. Sergius Plautus T. Decimo Vareno salutem dicit


    Verehrter Decimus, ich wende mich auf diesem Weg an Dich mit der Bitte, den Socii Mercatorum Aurei beitreten zu dürfen. Ich bringe dieser Vereinigung von Handelsleuten eine sehr hohe Wertschätzung entgegen und würde mich freuen, wenn ich dort einen Platz finden könnte.


    Bei einer Mitgliedschaft kann ich drei gut laufende Betriebe, nämlich Lupus Tostumque, eine Brauerei, Aulae Ollaeque, eine Töpferei und Argiletum Plauti, eine Tongrube in die Gesellschaft einbringen.


    Möge Mercurius Deine Geschäfte beflügeln.


    Galeo Sergius Plautus


    Casa Sergia, Roma

    "Ach was", mit leicht erstaunter Miene folgte Plautus den Worten des Curators, "das mit der Obergrenze bei 5000 Sesterzen wusste ich nicht. Auch die Sache mit dem Ausschluß aus öffentlichen Ämtern und der Aberkennung des Wahlrechts ist mir neu. Richtig, für einen normal tickenden Römer ist sowas schon ein harter Schlag und könnte Wirkung zeigen. Es gibt aber auch reiche Leute, denen das schlicht und einfach wurscht ist. Die haben mit Ämtern nichts am Hut und kommen dann bloß mit der mickrigen Geldstrafe davon. Zugegeben, solche Leute sind selten und ich kann nur hoffen, dass mir keiner von denen über den Weg läuft, solang ich Aquarius bin."
    Auf die Tatsache, dass es sich bei dem beliebten Kavaliersdelikt des Anzapfens von Wasserleitungen um blanken Diebstahl handelte, überging Plautus, weil ihn der nächste Punkt mehr interessierte.


    "Gucken wir uns mal den §11 an. Mir ist noch ein Fall aus Neapolis im Gedächtnis, wo man den Quaestor halbtot geschlagen hat, um an die Stadtkasse zu kommen. Die Duumvirn, obwohl sie selbst das Richteramt ausüben dürfen, mussten den Fall an die nächst höhere Instanz abgeben, weil sie von der Tat selbst betroffen waren. Befangenheit nicht ausgeschlossen, also. Wenn sich nun jemand an dem Eigentum der Res Publica vergreift, dann ist, zumindest hypothetisch, auch der Kaiser befangen, oder nicht? Ich weiß, von den Restriktionen des §11 ist der Kaiser ausgenommen, weshalb man ihn oder die von ihm eingesetzten Richter nicht wegen Befangenheit ablehnen kann. Aber lassen wir's. War nur so ein Gedanke."


    Ja, der Gedanke war sehr verlockend gewesen, aber Plautus hatte den §11,3 übersehen, womit sich die Chose in warme Luft auflöste. Dann war da noch die zerbröselte Lex Quinctia. Irgendwie hatte Plautus das Gefühl, dass er sich da auf eine Art Abenteuer eingelassen hatte. Dennoch hatte ihn der Curator ermuntert, weiter zu machen. "Tja, ich muss sicher noch viele Fetzchen zusammenkleben, bis ich den vollständigen Inhalt dieser Lex Quinctia de Aqaeductibus kenne. Mal ganz naseweis gesagt, glaube ich zwar schon, dass man mit der bestehenden Rechtslage, wie Du mir gerade erläutert hast, durchaus im Sinne dieses alten Gesetzes agieren kann. Vorausgesetzt man hat einen sehr ausgeschlafenen Ankläger (und einen unausgeschlafenen Verteidiger). Nichtsdestoweniger klebe ich mal weiter, aber jetzt ruft mich erst mal die Inspektion der Aqua Appia aus dem Haus."

    Etwas verstohlen kratzte sich Plautus hinter seinem linken Ohr. Worauf, bei Plutos Hintern, wollte der dicke Grüßefinger mit seinen Fragen eigentlich hinaus? Klar doch, der wollte nur die geltende Rechtslage verteidigen. Altbewährt, praktisch, gut. Warum sollten sich also verdiente Senatoren mit den Skrüpelchen eines kleinen Aquarius herumschlagen? Vor der Rechenaufgabe, wie lange er bräuchte, um 2500 Sesterzen zusammenzubringen, kapitulierte er aber erstmal und verlegte sich auf's Schätzen.


    "Mit meinem Gehalt würde es länger als ein Jahr* dauern. Ein Taglöhner würde das nie zusammenbringen und ein reicher Mann hingegen bezahlt das locker aus der hohlen Hand, Curator. Man muss dabei natürlich im Auge behalten, wie groß das Interesse dieser drei Männer an einer Manipulation an der Wasserleitung sein könnte. Und hier kann ich konstatieren, dass die Leichtigkeit einer Strafzahlung im umgekehrten Verhältnis zum Interesse an einer Manipulation steht."


    Plautus begutachtete seine Fingernägel. Aber die blieben stumm. "Der Taglöhner hat nämlich so gut wie kein Interesse, an der Leitung rumzumachen, weil er sich an jedem Laufbrunnen bedienen kann. Mehr braucht er nicht. Ähnliches gilt für Leute wie mich, obwohl bei mir zu berücksichtigen wäre, dass ich eine Brauerei besitze, die sich aus der Aqua Marcia bedient. Die Wasserkosten, die nur einen geringen Teil der Betriebsabgaben ausmachen, laufen sich in eineinviertel Jahren aber keinesfalls zu 2500 Sesterzen auf. Also kein Grund, zu Hammer und Meißel zu greifen, um die Leitung anzuzapfen, oder? Ganz anders sieht es jedoch bei dem reichen Mann aus. Wenn bei dem eine Wasserleitung über die Äcker seines Fundus führt, ist das ärgerlich, weil es beim Pflügen stört. Folglich schert sich dieser Mann nicht um Schutzstreifen, nicht zuletzt, weil er das als einen Eingriff in seine 'königliche' Entscheidungsfreiheit betrachtet. Und das Anzapfen einer Leitung für Bewässerungszwecke lohnt sich bei ihm wirklich allemal und auch so sehr, dass er das bißchen Geldstrafe lächelnd in den Betriebskosten verrechnet. In diesen Fällen wäre dann tatsächlich für höhere Geldstrafen zu plädieren, zumal das Anzapfen von Wasserleitungen, schaut man mal in die Akten, immer schon zu den beliebtesten Kavaliersdelikten reicher Leute gezählt hat."


    Jetzt zum Schadensersatz. Plautus blickte kurz zur Decke und kramte in seinem Hirn. "Ja, Du hast recht. Der 85, Absatz drei sagt nur, dass das Gericht die Höhe des Schadensersatzes lediglich bestätigt. Das setzt voraus, dass dem Gericht ein Fachgutachten vorliegt."


    Sanktionen? Plautus beugte sich vor und hob eine Hand, um seine Worte zu unterstreichen. "Freilich, die Wasserleitungen sind Eigentum der Res Publica. Dennoch habe ich leichte Zweifel, ob der Angeklagte dann wegen der verhängten Sanktionen wirklich keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen wird. Denn sicherlich wird er ja einen Patron haben, der ihm dann irgendeine Hilfe angedeihen lässt, um ein bißchen an den Sanktionen rumzuschrauben. War schon immer so, mos maiorum."


    Mit einem Stirnrunzeln fuhr Plautus fort: "Eigentum der Res Publica? Hoppla, da wird es doch einige Schwierigkeiten geben, einen Richter zu finden. Wie löst man denn das Problem, das mit §11, Absatz 1 aufgeworfen wird? Kann der Staat als Betroffener in einem solchen Fall überhaupt einen Richter einsetzen? Fällt mir grade so ein, daran hatte ich noch gar nicht gedacht."


    Weiterführendes? Plautus machte ein überraschtes Gesicht. "Na gut, als ich dieses von Schimmel und Bücherwurmlarven zerfressene und in viele Bruchstücke zerfallene alte Gesetz gefunden habe, war mein erster Gedanke, dass man dieses Gesetz sofort wieder einführen müsste. Ich gebe zu, dass Deine Überlegungen mich trotz meiner Zweifel etwas ausgebremst haben. Ich konnte bisher auch nur die beiden ersten Artikel zusammenpfriemeln. Aber ich mach mal mit dem Ding weiter. Und zu dem, was wir eben besprochen haben, würde ich sagen, dass man im Fall der Wasserleitungen die Strafzumessung unter Würdigung der Vermögenslage des Täters vornehmen sollte. Knetemäßig, sozusagen."

    Sim-Off:

    (*SimOn-Zeit)

    "Fein", freute sich Plautus, "dann können wir die Chose ja angehen."


    Er reckte sich und lächelte. "Wir treffen uns dann in drei Tagen vor der Porta Caelimontana auf der Via Tusculana. Am Besten, Du bringst noch zwei, drei Leute mit, denn wir müssen die Leitung oberirdisch und unterirdisch beäugen. Ich sag das nur, damit beim jeweiligen Trupp immer beide Seiten vertreten sein können. Messgerät bringen wir ausreichend mit, Leitern und Seile auch. Vielleicht könnt Ihr noch ein Maultier und ein paar Fackeln beisteuern."


    Er erhob sich. "Noch Fragen?"

    So, einen schriftlichen Bericht. Plautus' Stimmungslage driftete in Säuerliche. Erst tappt man draußen in der Sommerhitze rum und wenn man dann in das hoffentlich kühle Officium zurückgekehrt ist, kann man sich mit den Tabulae herumschlagen. Zugegeben, amtsschimmelmäßig war das schon 'erforderlich'. Er hoffte nur, dass sein Bericht nicht bloß geschrieben, sondern auch gelesen wurde.


    "Sehr wohl, Curator, Du bekommst einen gehaltvollen Bericht." Natürlich nur, wenn man bei der Inspektion auf Berichtenswertes stoßen würde. "Und der Aquarius Italiae wird mitzeichnen."


    Ah, eine rechtliche Frage. Da schau, der alte Curator hatte tatsächlich nicht vergessen, dass bisher nur einer von zwei Punkten zur Sprache gekommen war.


    "Ja richtig, ich hatte mir überlegt, dass wir nicht bloß mit technischen Mitteln die Wasserversorgung von Roma sicherstellen müssen, sondern auch dafür zu sorgen haben, dass unser juristisches Werkzeug die nötige Schärfe besitzt."


    Plautus hatte an einem regnerischen Tag im Codex Iuridicialis geblättert und zunächst bemerkt, dass die dortigen Bestimmungen lächerlich lasch waren, zumindest, was seine Vorstellung von der Bedeutung der römischen Wasserversorgung anbetraf.


    "Wenn jemand die Wasserleitungen beschädigt oder das Wasser verschmutzt, dann haben wir arg bescheidene Mittel, um solche Eingriffe zu ahnden, Curator. Einzig der Artikel 85 des Codex Iuridicialis gibt hierzu eine eventuell brauchbare Handhabe. Die dort angedrohten Strafen sind allerdings so gut wie nicht abschreckend. So wird in Absatz 2 des genannten Artikels eine Höchststrafe von 2500 Sesterzen angedroht. Ein bißchen praktikabler ist da schon der Absatz 3, in dem es um den Schadensersatz geht, dessen Höhe dann allerdings vom Gericht festgesetzt wird. Ich fürchte, dass die Richter sich, mangels greifbarer Anhaltspunkte, eher an der Höhe der Reparaturkosten orientieren werden als an der eigentlichen Bedeutung, die die Sicherheit der Wasserversorgung für Roma hat."


    Plautus runzelte die Stirn. Ja, beim Hades, was war denn die 'eigentliche Bedeutung'? Ein ganz schwammiges Merkmal für einen Richter, der sich immer darum bemühen muss, auf dem Boden der Gerechtigkeit zu bleiben und der deshalb eher dazu tendiert, sich auf mildere Urteile zurückzuziehen.


    "Wenn die Altvorderen nicht auf die Idee gekommen wären, Wasser aus dem Umland für die Stadt Roma bereitzustellen, dann wäre Roma keinesfalls so groß geworden wie es jetzt ist. In jeder Hinsicht. Die Wasserversorgung von Roma ist somit eine nicht wegzudenkende Säule, auf der unser Staatswesen ruht. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass zur Abwehr von Eingriffen in die Wasserversorgung eine Geldstrafe von 2500 Sesterzen angemessen hoch ist. Dies vor dem Hintergrund, dass in einem alten, heute wohl längst vergessenen Gesetz Geldstrafen von 100.000 Sesterzen angedroht wurden."

    Was der Curator da äußerte, war schon etwas diffenerenzierter als das, was Plautus beim Praefectus Urbi zu hören bekommen hatte. Zuständigkeiten großzügig auslegen, daran denken, dass man auf der Aquarius-Ebene Kollegen und Partner sei. Zugegeben, Plautus hatte diese Aspekte bei seinem Plan nocht nicht in ganzer Größe gewürdigt. Er hatte eher daran gedacht, seinen Kollegen, von dem man sagte, er sei sehr selten in seinem Officium anzutreffen, einfach mal ein wenig aufzuschrecken. Mal so eben. Huhu!


    "Gewiss, Curator, ich habe nicht vor, einen Krieg gegen den Aquarius Italiae zu eröffnen. Was die Inspektion angeht, dachte ich mir, dass er einen Schreiber seines Vertrauens mitschicken oder selbst die Inspektion begleiten könnte. Aber wegen des Qäntchen Gewichts, das uns zusteht, wie Du eben angemerkt hast, denke ich, dass unsere Leute die Inspektion durchführen sollten. Die kenne ich nämlich. Das Wasser der Aqua Appia ist schließlich eines der besten und wenn Gerüchte auftauchen, die der Appia eine Verschlechterung der Wasserqualität zuschreiben, dann sind wir diejenigen, die handeln sollten."

    Plautus schüttelte den Kopf. "Nein Helvetius, einen Bautrupp brauchen wir erst dann, wenn wir eine Beschädigung an der Leitung gefunden haben werden."


    Er rekapitulierte kurz, was er über die Aqua Appia wusste. "Die Appia verläuft ja auf der Strecke, die wir inspizieren wollen, ausschließlich unterirdisch. Teilweise ziemlich tief, oft weit über dreißig Fuß tief. Der Leitungsstrang ist mal gemauert, mal als Stollen in den Fels geschlagen. Wir werden den Verlauf sowohl oberirdisch als auch unterirdisch kontrollieren. Du weißt ja, dass der oberirdische Verlauf als Schutzstreifen mit Steinen gekennzeichnet ist. Damit wir als Ergebnis der Inspektion auch gleichlautende Berichte zustandebringen, schlage ich vor, dass Du uns einen Apparitor schickst, der zusammen mit unsrem Schreiber Protokoll führt. Dann hast Du auch die Gewähr, dass der das Gleiche gesehen hat wie wir. Oder Du kommst auch selber mit."

    Etwas neugierig war Plautus schon, denn er kannte den neuen Curator Aquarum ja noch nicht. Eine laute Stimme hatte der. Ob es eine befehlsgewohnte Stimme war, wäre noch herauszufinden. Er machte auch Geräusche, wie alle alten Leute. Altersbedingt war er auch schon etwas aus den Fugen geraten, aber die alten Leute trösten sich gewöhnlich damit, dass man mit zunehmendem Alter an Form verliert, zum Ausgleich jedoch an Charakter gewinnt. Man wird sehen, sagte sich Plautus und setzte sich.


    "Ja, richtig, Curator, Sergius Plautus ist mein Name. Ich habe das Folgende kürzlich, bevor Du Dein Amt angetreten hast, schon dem Praefectus Urbi vorgetragen. Ich hatte nämlich eine Inspektion der Aqua Appia angesetzt, weil wir vermuteten, dass es dort zu einer Verschmutzung gekommen sei. Wir haben bisher jedoch nur den Teil der Appia inspiziert, der innerhalb der Stadtmauern verläuft. Da wir keine Beschädigungen gefunden haben, will ich nun die Inspektion auch im Verlauf außerhalb der Stadtmauern fortsetzen. Da kommen wir aber in den Beritt der Administratio Italiae. Was in diesem Fall die Zuständigkeiten angeht, bin ich der Auffassung, dass wir die primäre Zuständigkeit für alle Leitungen innehaben, deren Wasser in die Stadt Roma fließt. Insofern wäre der Aquarius Italiae lediglich zu informieren. Ich bin weiter der Auffassung, dass, sofern wir Beschädigungen finden sollten, diese dann von der Administratio Italiae auf ihre Kosten zu beseitigen wären, falls man nicht einen Verursacher haftbar machen kann. Der Praefectus Urbi hat erkennen lassen, dass er diese Auffassung teilt."