Beiträge von Galeo Sergius Plautus

    Der zottelige Schafhirt trug also den Namen Makritos. Plautus entschloss sich, den Kerl nicht weiter als Schafhirten, sondern als ganz normalen Sklaven einzustufen.


    "Oh, danke, ich nehme gerne ein Becherchen Wein, wenn es Dir keine Umstände macht. Du hast eben nach meiner Mutter gefragt. Nun, sie ist vor drei Jahren gestorben, zwei Monate nach meinem Vater. Er konnte es nicht verwinden, dass sein Garumladen pleite gegangen ist."


    Er nahm sich einen Becher und roch daran. Sehr gut, der Wein hatte einiges drauf, ganz anders als die fade Suppe, die er in einer Kneipe auf dem Weg hier her gegessen hatte. Anders als in Neapolis schien man hier in Roma etwas Angst vor Gewürzen zu haben, zumindest, was die Suppe betraf.


    "Ja, was mich angeht, so habe ich vor, eine Arbeit anzunehmen, mit der ich gutes Geld verdienen kann, genauer gesagt, viel Geld. Wenn ich genug zusammen habe, will ich einen Betrieb aufmachen. Und vielleicht auch in der Politik mitreden. In Neapolis habe ich eine Zeit lang für einen Advocatus gearbeitet. Ich fand das ganz spannend, obwohl oder weil dieser Winkeladvokat meistens nur irgendwelche Betrüger vor Gericht rausgehauen hat. Manchmal habe ich nicht ganz mitgekriegt, wie er das angestellt hat. Und genau das interessiert mich. Ich müsste mehr über Gesetze wissen, verstehst Du?"


    Inzwischen war es draußen ganz dunkel geworden. Plautus legte die Hände auf seine Knie, beugte sich vor und schaute Severa an.


    "Ich danke Dir vielmals, dass Du mir anbietest, hier zu wohnen. Das ist sehr großzügig von Dir. Doch als Makritos eben mit den Lichtern hereinkam, hast Du mitten im Satz innegehalten. Da war noch ein freischwebendes 'aber ...'. Was hat es damit auf sich?"

    Plautus' Blicke waren über die Regale mit den Büchern gewandert. Er hatte versucht, einige der Etiketten zu entziffern, was ihm aber bei dem Dämmerlicht in der Bibliotheca nicht gelang. Er gab das auf, als die Dame ihn ansprach.


    "Nun, Sergia Severa, ich bin außerordentlich erfreut, Dich kennenzulernen. Meinen Vater hast Du nicht kennenlernen können, weil er sich nicht getraut hat, hierher zu kommen. Du weißt ja vielleicht, dass man ihn unehrenhaft aus der Marine geschmissen hat. Er war halt ein bißchen aufbrausend und das hat seinen Kapos nicht geschmeckt. Und meine Brüder ... "


    Plautus hob die Schultern, "Die hatten beide einen Knall. Der eine hat Vaters Geld schneller unter die Leute gebracht als die Zeit laufen kann und der andere konnte noch nicht mal bis zwei zählen. Ich weiß nicht, ob der sich gefreut hätte, mich zu hier sehen. Oder genauer: Ob ich mich gefreut hätte, ihn hier zu sehen."


    Genug des Familienknatschs, sagte sich Plautus und setzte ein freundliches Lächeln auf.


    "Was mich angeht, so hatte ich jedenfalls das Vergnügen, zuzusehen wie ich ohne Vaters Geld klarkomme. Ich habe alles Mögliche gemacht, um Geld zu verdienen. Aber wenn man keine Ausbildung hat, dann ist bei zehn Sesterzen die Woche Ende der Fahnenstange. Und damit kann man nicht allzuhoch hüpfen. Schon gar nicht studieren. Obwohl, eigentlich hab ich ja doch ein Studium. Ein Studium beim Arbeiten. Ein bißchen Geldwirtschaft, ein bißchen Rechtswesen, ein bißchen Geometrie, ein bißchen Bauwesen und so weiter. Nichtsdestoweniger habe ich bald gemerkt, dass Neapolis die falsche Umgebung für ein Weiterkommen ist. So kam ich auf die Idee, dass Roma dafür geeigneter sein könnte. Deshalb bin ich hier her gekommen und stehle Dir jetzt die Zeit".

    In der Bibliotheca saß eine Frau mit einer so merkwürdigen Frisur, wie Plautus sie noch nie zuvor erblickt hatte. Er ging aber mal vorläufig davon aus, dass Roma sicher noch ungezählte weitere Merkwürdigkeiten der einen oder anderen Art beherbergte und fasste sich schnell wieder. Da nicht ganz klar war, wen die Dame gefragt hatte und der vermeintliche Schafhirt mit dem Namen Makritos nicht reagierte, antwortete Plautus selbst.


    "Salve, meine Dame, ich bin Galeo Sergius Plautus aus Neapolis, der Sohn von Lucius Sergius Catilina. Ich weiß nicht, ob Dir das etwas sagt, denn die neapolitanische Sergia ist sicher ein recht abgelegener Zweig der Sergia, den man sozusagen zu den Fransen der Gens zählen kann. Ich bin nach Roma gekommen, weil ich mir erhoffe, in dieser Stadt etwas weiter zu kommen, als das in Neapolis möglich ist."

    Die Porta öffnete sich und es erschien ein Wesen, das in etwa so aussah, wie man sich in Neapolis einen sardischen Schafhirten vorstellt. Plautus vermied es, bei seiner Begrüßung auf diesen Gedanken einzugehen, da er den Typ in der Porta momentan als very important person einstufen musste. Statt dessen konzentrierte er sich darauf, dessen Frage zu beantworten.


    "Salve, ich bin Galeo Sergius Plautus. Ich komme aus Neapolis und möchte der Hausherrin meine Aufwartung machen. Kannst Du mir da weiterhelfen?"

    Plautus hatte sich für seine Durchquerung von Roma etwas Zeit gelassen, weil er eine solch große Stadt noch nie gesehen hatte. Er hatte immer gemeint, dass Neapolis die einzige lebenswerte Stadt auf der Welt sei, doch Roma war gewaltiger und prächtiger. Und Roma stank. Genau wie Neapolis, aber etwas anders. Nachdem sich seine Nase daran gewöhnt hatte, gelang es ihm am späten Nachmittag, sich in die Via Nomentana einzufädeln und auch nach einigem Fragen fand er auch das alte Gehäuse.


    Er klopfte.

    Der Wachdienstleistende unterbrach das Gespräch mit seinen Kameraden und brachte eine längliche Frage hervor, die den Ohren von Plautus ein bißchen nach Verhör klang. Plautus holte Luft und antwortete artig:


    "Ich bin der ehrenwerte Bürger Galeo Sergius Plautus aus Neapolis und meine Reise führt exakt nach Roma, was vermutlich hier hinter dem Tor beginnt. Ich habe vor, dort meine Verwandten aufzusuchen".

    Nieselregen.


    Plautus hatte eigentlich gehofft, dass Roma sich bei seiner Ankunft im schönsten Sonnenschein zeigen würde. So hatte er es sich auf dem ganzen Weg von Neapolis nach hier wieder und wieder vorgestellt. Weil Roma ja nun seine Zukunft werden sollte, konnte Roma doch unmöglich etwas anderes sein, als eine große sonnenhelle Stadt mit freundlichen Menschen, die mit geldgefüllten Taschen zufrieden herumspazierten.


    Jetzt stand er vor einem finsteren Tor und wurde von einer finster dreinblickenden Wache beäugt, die wohl auch den Dezembernieselregen verfluchte.


    "Salvete Milites", versuchte er, seine Sache ein klein wenig voranzubringen.