RE: Der erste Tag
Minerva sei Dank, schien sein Lehrer recht zufrieden mit der Wahl des Opfertieres zu sein. Dann würde er schauen, dass er eine Ziege fand, die er sich auch leisten konnte.
"Ja, eine weibliche, weiße Ziege. Ich werde sehen, was ich finden kann.", fasste er seinen kleinen Auftrag für den nächsten Tag nochmals zusammen.
Ein weiterer Lichtblick am heutigen Tage. Für den Weihrauch und die sonstigen Opferzutaten musste er nicht selber aufkommen. Also konnte er all seine Ersparnisse für ein vernünftiges Opfertier verwenden. "Ja, alles geklärt.", antwortete Livius dem Matinius, als dieser ihm aufmunternd auf die Schulter klopfte. "Bis Morgen.", rief er dann noch, als er die Tempelanlage wieder verließ und sich in Richtung Heim aufmachte.
vormittags auf dem Markt
An diesem besonderen Tage, war Livius bereits vor dem Morgengrauen auf den Beinen. Er war viel zu aufgeregt, als dass er hätte schlafen können und frühstückte daher bereits, als der Rest seiner Familie noch schlief. Aus dem Nebenzimmer hörte er seinen Vater laut aufschnarchen, als der letzte Löffel Brei in seinem Mund verschwand und komplett von Nahrung befreit wieder hervorkam. Er verstaute sein Essgeschirr wieder in seinem Fach in dem kleinen Regal an der Wand, nachdem er es etwas mit Wasser aus seiner Trinkflasche gereinigt hatte. Einen Wasseranschluss in der Wohnung besaß die kleine Familie um Livius Drusus natürlich nicht. Das konnten sich nur die reicheren Römer in ihren Atriumhäusern leisten.
Ein weiterer Schnarcher drang durch die dünne Tür an seine Ohren. Ein kurzer Blick zurück zum Schlafplatz, den er sich mit seiner kleinen Schwester teilte, um sich zu vergewissern, dass auch sie noch schlief. Dann machte er sich auf den Weg zum Markt, denn je früher er da war, desto mehr mögliche Angebote waren noch vorhanden.
Während er seinen Weg zu den Märkten suchte, drangen bereits die ersten Sonnenstrahlen über die Dächer der ewigen Stadt und füllten die Straßen mit einem orangen Schimmer. Mit jeder Kreuzung die Drusus überquerte wuselten auch immer mehr Menschen durch die Gassen und über die Plätze der Stadt. Das rege Treiben der Hauptstadt erwachte langsam zum leben.
Den Geldbeutel sicher unter seiner Tunika verstaut erreichte er endlich die ersten Stände auf dem Viehmarkt Roms. Es waren bereits so unglaublich viele Menschen da, dass sich Drusus Hoffnung auf ein günstiges Angebot bereits wieder in Luft auflöste. Mit zerknirschtem Blick beobachtete er die rege Menschenmenge. "Verdammt! Wieso ist hier schon so viel los?", murmelte er zu sich selbst, als sein Blick gen Himmel ging. Die Sonne war wirklich gerade erst aufgegangen und hier herrschte schon ein Treiben, wie er es für Mittags erwartet hätte. "Wieviel hier wohl später los sein wird?", reihten sich seine Gedanken verbalisiert aneinander. "Ich beeil mich lieber." Mit der Hand kratzend seiner Schläfe suchte er einen Stand, der Ziegen anbot.
An einem Stand angekommen, sprach er den Händler an: "Salve, hast du eine weiße, weibliche Ziege? Ich will Minerva opfern." Der Händler schaute ihn beinahe empört an. "Eine Ziege?", sein Mund verzog sich zu einer Grimasse, die seine faulenden Zähne offenbarte. "Ernsthaft? Du willst der Schutzgöttin unserer Stadt eine Ziege opfern? Eine Ziege?", die letzten Worte zischten nur noch durch sein lückenhaftes Gebiss und sein Blick verriet genau, was er davon hielt. Eingeschüchtert starrte Livius den ungepflegten Händler an. Sein Lehrer hatte doch gemeint, dass das völlig in Ordnung sei. Jetzt wusste er weder ein noch aus. Der Händler hatte ihn genau da, wo er ihn haben wollte. Das wurde ihm spätestens klar, als Drusus mit zittriger Stimme fragte: "Was soll ich ... ihr denn sonst op - opfern?"
"Na ein Kalb!", polterte der Händler los, der gerade ein gutes Geschäft witterte. "Für Minerva ist ein Kalb gerade gut genug.", mit verbissener Stimme redete er weiter auf den eingeschüchterten Discipulus ein. "Du hast Glück. Ich habe hier ein sehr günstiges Exemplar." Dabei zeigte er mit seiner Rechten auf eine junge Kuh, die sich einem Gehege hinter ihm befand. Sie schien zu humpeln, der Euter war eingefallen und sie machte allgemein einen kränklichen Eindruck auf Livius, der allerdings keinerlei Ahnung von Tieren hatte. "Du bekommst sie auch günstig von mir. Nur 50 Denarii." Mit einem nun schmalen Lächeln auf den Lippen taxierte der Händler sein Gegenüber. "50 Denarii? Soviel besitz' ich nicht.", erwiderte Drusus niedergeschlagen. "Dir ist Minervas Segen nur nicht soviel Wert."
"Er ist mir noch viel mehr Wert! Wenn ich nur soviel Geld hätte."
Einsichtig, dass er hier nicht soviel rausholen konnte wie er wollte, schlug er vor: "Dann nimm ein Lamm! Die kosten nur 90 Sesterzen. Aber eine Ziege ... PAH!" Dann spuckte er auf den Boden zwischen ihm und Drusus. Zähneknirschend und eingeschüchtert von den lauten Worten des Händlers überlegte Drusus ob er nun das Lamm nehmen sollte. 90 Sesterzen waren alles was er noch besaß. Doch schien ihm dieses Lamm völlig alternativlos zu sein.
Mittags am Tempel
Mit einem Gefühlsmischmasch im Bauch, das irgendwo zwischen der Hoffnung ein vernünftiges Opfertier gefunden zu haben, und der Niedergeschlagenheit ob der horrenden Kosten für das Tier lag, und dem Lamm auf dem Arm erreichte Livius den Templum Iovis Capitolini und suchte seinen Lehrer, den Aedituus Matinius. Er stieg die Stufen des Tempels hinauf und warf einen Blick ins Innere. Da entdeckte er den Matinier und grüßte ihn vorsichtig. "Salve, Matinius." und das kleine Lamm blöckte artgerecht.