"Nosce te ipsum" - "Erkenne dich selbst" in Germania Libera

  • Der Sturm zog trotz seiner Anrufungen nochmal an. Immer lauter wurde das Heulen des Windes, immer drängender das Donnern von Thors Hammer und immer heller die durch die Luft zuckenden Blitze, die immer wieder das Innere der Hütte in grelles Licht setzte. Dazu der Regen, der mit unnachgiebiger Härte auf das Dach einprasselte, sodass Othmar fürchtete, es würde nicht standhalten. So wurde auch die Anrufung des Händlers im lauter und flehender, und seine sonst so stoische Ruhe war wie durch die scharfen Sturmböen weggeblasen. Auch die Tiere und seine Begleiter wurden unruhig und besonders Alpinas Atem wurde schneller und schneller, was auf eine drohende Panik hindeutete. Doch hatte der Händler keine Ahnung, wie er hier jemanden beruhigen sollte. Einige Augenblicke befürchtete er, dass er sich mit der Entscheidung, die junge Frau mitzunehmen, einen Bärendienst erwiesen hatte. Die Geister schienen nun sie alle erwischen zu wollen, die junge Frau und alle die ihr halfen und sich zwischen sie und ihr tödliches Schicksal stellten.


    Doch dann plötzlich: Ruhe. Nur ein paar donnernde Ausläufer, die sich wie von Götterhand geführt entfernten waren noch zu hören, denn der Regen hatte von jetzt auf gleich aufgehört zu prasseln. Irritiert blickte Othmar nach oben. Bislang hatten seine Anrufungen - wenn überhaupt - nur selten etwas erreicht, einmal hatten sie sogar den Wagen umwerfen müssen, um nicht davongeweht zu werden. Doch hatte er bislang weder einen so drastischen Sturm erlebt, noch dass er von jetzt auf gleich endete. Er schüttelte ungläubig den Kopf, versuchte etwas zu sagen, scheiterte aber an seiner eigenen Überforderung mit der Situation.

  • Nach dieser unruhigen und ereignisreichen Nacht, setzten sie ihren Weg am kommenden Morgen in der gewohnten Stille und Gelassenheit fort. Natürlich waren der heftige Sturm und die Regengüsse der Nacht nicht spurlos an ihrem Weg vorübergegangen. Überall bedeckten abgerissene Zweige und Äste den Weg und zwei Mal mussten sie gar mit vereinten Kräften einen umgestürzten Baum aus dem Weg befördern. Das kostete Zeit.


    Wie schon erwartet, fiel deshalb die mittägliche Rast kürzer aus. Othmar schien ein Ziel zu haben, das er an diesem Tag erreichen wollte. Da sich Alpina nicht auskannte und sich auch nicht traute, den schweigsamen Pelzhändler danach zu fragen, kümmerte sie sich einfach wieder um die Esel. Deren Laune war am heutigen Tag auch nicht so gut wie die Tage zuvor. Vor allem wenn es darum ging an großen heruntergefallenen Ästen oder querliegenden Baumstämmen vorbeizulaufen, stemmten sie sich immer wieder mal mit den Hufen in den Boden und verweigerten die Mitarbeit. Die ungewohnten Hindernisse schienen ihren Unwillen zu erregen. Mit Engelszungen redete Alpina auf Primus und Secundus ein und wenn das gar nicht half, dann erinnerte Hrothgar die beiden mit einem Klapps daran, dass sie weiterlaufen mussten.

  • Die ganze Gruppe schien von den nächtlichen Ereignissen noch am nächsten Morgen tief beeindruckt zu sein, denn kaum jemand wagte mehr, als die nötigen Worte zu sprechen. Zudem waren alle hin- und hergerissen zwischen verwirrter Verwunderung und stiller Euphorie, dass sie die Nacht wohl mit einer wie auch immer gearteten göttlichen Unterstützung überstanden hatten. Doch schon an diesem Tag die nächsten Herausforderungen vor ihnen. Eine überraschend warme Brise weht, als sie sich auf den Weg machten. Teilweise waren die Pfade bereits trocken, doch überall lagen umgestürzte Bäume und manche Pfade wurden durch tiefe, seenähnliche Pfützen dermaßen überflutet, dass sie nur mühsam passiert werden konnten. Zu allem Überfluss fingen nun auch die Esel an zu bocken und das kurz vor ihrem Zwischenziel, der Siedlung Melocabus...


    Während der mittäglichen Rast, die Othmar bewusst kurz hielt, warnte er zudem noch ihre Begleiterin vor den nächsten Stunden.


    In kurzer Zeit werden wir das Land der Chatten erreichen, die sich in ständigem Zwist mit den weiter im Norden ansässigen Marsen befinden. Wir müssen also umso vorsichtiger sein.


    mahnte er Alpina, denn bis zur Siedlung waren sie in umso erhöhter Gefahr von Überfällen. Zudem hatte ihm ihr letzte Gastgeber Ranulf von einer größeren Gruppe chattischer Krieger berichtet, die durch die Gegend zögen... Und Othmar hatte überhaupt keine Lust, dieses Gerücht persönlich zu bestätigen. Da die Tiere nun immer häufiger bockten und sich immer mehr Hindernisse in den Weg stellten, befürchtete der Händler, dass sie ihr Ziel nicht mehr erreichen würden, denn die Sonne näherte sich bereits dem Horizont. Othmar überlegte, wo sie so kurz vor der Siedlung noch eine Unterkunft finden könnten, denn das Übernachten unter freiem Himmel war ihm nach der letzten Nacht zu riskant. Da hatte ihnen offenbar irgendeine höhere Macht beigestanden. Ob sie das nochmal machen würde, wollte er nicht austesten. Dann jedoch heiterte sich sein Gesicht auf. Vor ihnen war eine markant geformte Eiche zu sehen...

  • Während der mittäglichen Rast warnte Othmar Alpina, dass sie von nun an das Land der Chatten betraten. Sie erinnerte sich, dass Duccius Verus genau diesen Zwist zwischen den Marsern und den Chatten angesprochen hatte. Auch er hatte vor der Gefährlichkeit gewarnt. Doch was nutzte es, sie wollte, nein, sie musste weiter.
    Wie nah die Gefahr war, verschwieg ihr Othmar wohlweislich.


    Alpina hatte gar nicht wirklich gemerkt, dass es bereits dunkel wurde. Auf dieser Etappe beschäftigten sie die Esel zu sehr. Ständig blieben sie stehen. Als sie gerade wieder Primus am Führstrick an einem umgefallenen Baum vorbeizerrte, sah sie plötzlich einen erleichterten Gesichtsausdruck des Pelzhändlers. Sie schienen ihrem Tagesziel näher zu kommen. Ob sie die Nacht unter einem Dach verbringen würden? Vielleicht sogar in einer germanischen Siedlung, in der sie ihre Vorräte auffüllen konnten? Wenn es tatsächlich eine Siedlung war, konnten sie sicher auch erfahren, ob die verfeindeten Stämme gerade friedlich waren oder ob sie auf der verbleibenden Strecke noch vorsichtiger sein mussten. Vielleicht würde Alpina sogar schon etwas von Osrun hören und in Erfahrung bringen können, wie weit der Weg wohl noch für sie war.

  • An der großen, markant gewachsenen Eiche mussten sie links vorbei und dann war es nur noch eine halbe Meile, bis sie die Siedlung Melocabus erreicht hatten. Daher nahm Othmar jetzt keine Rücksicht mehr auf die Dämmerung und trieb die Tiere nun selbst an. Bald hatten sie die Eiche hinter sich gelassen und da die beiden Esel nun regelmäßige Klapse bekamen, merkten sie langsam auch, dass Bocken nicht weiter half. Allerdings blieben die Pfade schlammig und nass und immer wieder stellten sich ihnen Bäume in den Weg. Der einzige Hoffnungsschimmer war, dass die feuchte Umgebung und das schlechte Wetter des letzten Tages Räuberbanden abschreckte und wilde Tiere lieber in ihren schutzbietenden Höhlen oder Bauen blieben. Daher hatten sie in diese Richtung kaum noch etwas zu befürchten. Und wieder sahen sie nun nach den nächsten Schritten einen Erdwall, doch wurde der Weg zur Schneise von einem massiven Baum versperrt, auf dem Männer standen und versuchten diesen mit Äxten abzutragen. Man sah, dass sie bereits den ganzen Tag daran gearbeitet hatten, denn große Teile lagen bereits an der Seite. Othmar gute Laune verfinsterte sich wieder etwas, bis er ein ihm bekanntes Gesicht entdeckte. Er löste sich von den Gruppe und trat auf den Mann zu, der am Fuß des Stammes stand und die anderen Männer antrieb.


    Heida, Egbert! Was ist denn hier passiert.


    Der Mann drehte sich mürrisch um, blickte Othmar einen Augenblick an, kam dann aber einigermaßen freundlich auf ihn zu, wobei er seine schlechte Laune nicht verschleiern konnte.


    | Egbert, Oberhaupt der Siedlung Melocabus


    Schon wieder hier, Othmar? Dieser verfluchte Sturm gestern hat diesen Eingang komplett unter sich begraben. Heute morgen sind uns fast die Augen ausgefallen, als wir den ganzen Scheiß hier gesehen haben.


    Er schüttelte immer noch ungläubig den Kopf und blickte dann wieder zu den arbeitenden Männern, dass sie auch bloß nicht ihre Arbeit vernachlässigten.


    Den ganzen Tag malochen wir hier schon. Doch das Ding ist zäh.


    Othmar schaute sich den Baum nun ebenfalls an. Ein wahres Prachexemplar, das wohl schon vor ihrer aller Geburten hier gestanden haben musste.


    Meine Männer werden euch beim Abtragen helfen. Können wir denn dafür die kommende Nacht bei euch verbringen?


    Eigentlich war es weniger eine Frage, als ein Handel den er vorschlug. Arbeitskraft für Unterkunft. Egbert schaute sich zuerst Hrothgar und Wolfhart an, blickte dann kurz zu Alpina, musste schmunzeln und nickte Othmar dann zu.


    Die beiden kannst du hier lassen und auch der Wagen muss draußen bleiben, da ihr den nicht durchkriegen werdet. Das Mädchen geht dann am besten erstmal zu meinem Haus und sprecht mit meiner Frau. sie wird euch dann den üblichen Raum zuweisen.


    brummte der Alte und ging dann wieder zu seinem Platz. Othmar gab derweil seinen beiden männlichen Begleitern, dass sie den Wage so nah wie möglich an den Baum heranziehen und sich dann Äxte schnappen sollten. Dann blickte der Händler Alpina auffordernd an.


    Dann lass uns mal zu Egberts Haus gehen.


    sagte in einem freundlichen Ton, in dem nur ein bisschen die Unzufriedenheit mit der Situation mitschwang.

  • Zum Glück kam bald schon der Wall in Sicht, der die germanische Siedlung umgab. Doch auch hier zeigten sich die Zerstörungen, die der heftige Sturm in der Nacht angerichtet hatte. Ein Baumriese, einst sicher mächtig und schattenspendend war umgekippt und versperrte nun ausgerechnet die Schneise, die den Eingang zur Siedlung markierte. Einige Männer schienen bereits den gesamten Tag gearbeitet zu haben, um den Baum von seinen Ästen zu befreien und ihn dann hoffentlich beiseite räumen zu können. Auf einer Seite war ein riesiger Stapel aus den abgetragenen Ästen.


    Alpina hielt die Esel an. Othmar begrüßte einen der Männer, dessen wildes Aussehen Alpina mehr als nur Respekt einflößte. Er nannte ihn Egbert. Dieser freute sich über die dazugekommenen Arbeitskräfte und schickte Alpina mit Othmar zusammen in sein Haus. Nur ungern ließ sie die Esel vor der Siedlung, immernoch ins Joch eingespannt. Sie hatten keine leichte Aufgabe gehabt und eingespannt stellten sie für Raubtiere wie Wölfe bei Nacht eine leichte Beute dar. Vorsichtig fragte Alpina.


    "Meinst du, ich kann die beiden Esel später noch in die Siedlung holen? Ich habe kein gutes Gefühl sie über Nacht hier vor der sicheren Umwallung zu lassen."


    Während sie Othmar folgte, wartete sie auf seine Antwort.

  • Langsam gingen sie durch die kleine Schneise, die in den Baum geschlagen worden war und betraten zielstrebig das Dorf. Es war nicht viel los, die meisten Männer halfen beim Abtragen des Baums und die Frauen waren zu Hause und bereiteten das Abendessen vor. Othmar kannte sich hier aus, er nutzte Melocabus meistens als Zwischenhalt, da der direkte Weg deutlich riskanter war, als der kleine Umweg über diese Siedlung. Außerdem kannte Othmar das Dorfüberhaupt schon lange und wusste, dass er zuverlässig genug war, um eine sichere Unterkunft anbieten zu können. Dass er dabei immer murrte, da sein Wahlspruch zu lauten schien Des Menschen Fluch sind Regen und Besuch. Regen geht noch., war zwar ein Übel, aber nur ein kleines im Vergleich zu den Alternativen. Dann jedoch stellte Alpina eine Frage und Othmar verlangsamte seinen Schritt etwas.


    Hrothgar und Wolfhart werden schon ein Auge auf die Tiere und den Wagen haben. Du kannst aber gleich gerne nochmal nach den Tieren schauen und versuchen, sie ins Dorf zu bringen. Sobald wir uns bei Egberts Frau angemeldet haben, wollte ich sowieso nur kurz alles in der Kammer verstauen und dann selbst bei dem Baum anpacken.


    Im Moment tat den Tieren eine kleine Pause gut und die beiden anderen Begleiter hatten auch ein Auge auf sie. Zudem würde sich wohl kaum ein wildes Tier an die große Gruppe heranwagen, denn obwohl sich der Tag seinem Ende näherte, veranstalteten sie immer noch jede Menge Lärm, vom Schreien der Männer, um sich abzusprechen, zum durchdringenden Geräusch der Axt, die ins feuchte Holz eindrang, um es zu spalten.


    Wie schon zuvor in Mattiacum war das Haus des Dorfoberhaupts das größte Haus innerhalb des Dorfwalls. Dort angekommen klopfte Othmar zweimal fest an und nach wenigen Augenblicken erschien eine ältere ausnehmend hässliche Frau in der Tür. Mit ihrem rattenhaften Gesicht blickte sie ihre Gegenüber an und ließ nur ein kurzes


    Othmar...


    fallen. In ihrer Mürrigkeit stand sie ihrem Mann in nichts nach und Othmar dachte immer wenn er hier war, bei sich, dass sie sich gegenseitig mit ihrem Murren angesteckt haben mussten. Dann gab sie den Weg ins Haus frei, natürlich nicht ohne Alpina erstmal misstrauisch zu taxieren.


    Brunnhild...


    grüßte Othmar dann ebenso kurz zurück, bevor ihm einfiel, dass er ja auch noch eine Fremde dabei hatte. Auch wenn sie ihn hier kannten, sorgten neue Gesicht immer für Misstrauen, zumal sie hier schon mehrfach von wütenden Marsern angegriffen wurden und jedes fremde Gesicht einem marsischen Kundschafter gehören könnte.


    Das ist Alpina. Sie begleitet mich auf dieser Reise und ist KEINE Marserin.


    Damit schien sie Brunnhild zufrieden zu geben zuckte die Schultern und führte sie in eine Kammer.

  • Othmars Antwort beruhigte Alpina. Natürlich waren die Tiere sicher solange die Männer an dem Baum arbeiteten, doch bald würde es dunkel werden, dann mussten die Männer ihre Arbeit einstellen und dann wären die Esel vor der Siedlung durchaus den wilden Tieren ausgeliefert.


    Alpinas Begleiter klopfte an die Tür des größten Hauses. Die Frau, die ihnen öffnete und die Othmar als Brunnhild ansprach war mindestens ebenso muffig wie ihr Mann und zudem das, was man in Raetia "an selten schiachen Nachtscherbn" (*) nannte. Sie war nie eine schöne Frau gewesen und das Alter ging nicht gnädig mit ihr um. Othmar stellte Alpina vor und betonte, dass sie keine Marserin sei. Alpina begrüßte die Frau höflich und folgte dann Brunnhild, die ihren Gästen das Quartier zeigte. Es war einfach, doch alle würden ein Schlaflager finden. Othmar und sie stellten ihre Sachen ab und während der Pelzhändler nach draußen ging, um den anderen beim Beseitigen des Baumriesen zu helfen, versuchte Alpina sich bei der Zubereitung des Abendessens nützlich zu machen.
    Brunnhild ließ sie zwar nicht mitkochen, doch überließ sie es Alpina, den Tisch zu decken. Wortkarg und mürrisch wie sie war, fiel es Alpina schwer, eine Konversation zu beginnen. Ihr brannte jedoch eine Frage so sehr auf dem Herzen, dass sie die Germanin schließlich doch ansprach.


    "Entschuldige, Brunnhild. Ich bin auf dem Weg zu einer Seherin mit Namen Osrun. Kennst du sie, hast du von ihr gehört?"


    Brunnhild sah von ihrer Arbeit auf.
    "Oja, das habe ich. Sie hat einen guten Ruf. Aber persönlich kenne ich sie nicht. Sie muss schon sehr alt sein. Bist du sicher, dass sie noch lebt? Schon lange habe ich niemanden mehr gesprochen, der bei ihr war."


    "Ist es noch weit? Muss ich noch weit gehen, um sie zu finden?"


    Die hässliche Germanin wog den Kopf.
    "Das hängt davon ab, was du als weit bezeichnest. So etwa zwei oder drei Tagesmärsche werden es schon sein. Und wenn die Marser dich erwischen, dann gnade dir Odin! Mit einem Mädchen wie dir gehen die nicht zimperlich um."
    Sie wandte sich wieder der Essenszubereitung zu. Währenddessen murmemelte sie "Meine Gunda haben sie auch verschleppt und nur die Götter wissen, was sie mit ihr gemacht haben..."


    Alpina schluckte. Nun konnte sie verstehen, warum Brunnhild und ihr Mann so abweisend und mürrisch waren. Als sie mit den Essensvorbereitungen fertig waren ging Alpina noch einmal hinaus zu den Männern und dem Wagen vor der Siedlung. Inzwischen war es so dunkel geworden, dass die Männer unmöglich weiterarbeiten konnten. Immerhin hatten sie den Baum soweit abtragen können, dass der Eingang zur Siedlung wieder halbwegs passierbar war. Alpina half Hrothgar die Esel auszuspannen und in die sichere Umwallung zu bringen.


    Mit sichtlichem Hunger stürzten sich alle auf die nahrhafte Mahlzeit, die Brunnhild auf den Tisch gestellt hatte. Die Männer unterhielten sich, unter anderem über die fragile Sicherheitslage und die Überfälle, die es in den letzten Wochen in der Umgebung gegeben hatte. Alpina lauschte. Inzwischen verstand sie die germanischen Dialekte schon ein wenig besser. Sie musste sich zwar noch konzentrieren, doch das Meiste dessen, was gesprochen wurde, konnte sie verstehen.


    Sim-Off:

    (*) "ein selten hässlicher Nachttopf"

  • Das Essen war deftig und reichhaltig und während Egbert in seinem mürrischen Ton von den jüngsten Vorkommnissen aus der Umgebung erzählte, hörten Othmar und seine Begleiter aufmerksam zu. Schließlich ging es da auch um die kommenden Etappen weiter gen Norden und allen war klar: Je weiter sie gen Norden zogen, desto gefährlicher wurde es. Daher war besonders für Othmar jede Information bares Gold wert. Währenddessen verweigerte sich Brunnhild jeglicher Konversation, saß mürrisch auf ihrem Platz und schaufelte langsam das Essen in sich hinein. Als sie das Essen beendete hatten, räumte Brunnhild den Tisch ab, doch die Gespräche der Männer dauerten noch an. Doch allzu lang wollten die Händler auch nicht mehr warten, sich in ihre Nachtlager zu legen, denn die letzten Tage waren anstrengend und kraftraubend gewesen und besonders in der letzten Nacht hatten sie kaum geschlafen.


    Somit verabschiedeten sich der Händler und seine Begleiter zu nacht und gingen gemeinsam mit Alpina in die Schlafkammer, die etwas größer war, als jene in Mattiacum, allerdings auch nur zwei richtigen Betten zum schlafen bot. Auch hier hatte Brunnhild während der Abwesenheit ihrer Gäste ein paar Strohsäcke hinterlegt und zwei zusätzliche Schlaflager gebildet. Dieses Mal legten sich Hrothgar und Wolfhart sofort auf die Strohsäcke, sodass das eine Bett für Othmar blieb und das andere für Alpina. Nach der langen Strecke in den letzten Tagen wollte Hrothgar, dass auch die junge Frau wenigstens einmal ein bisschen Luxus bekam. Schon kurze Zeit nachdem sie sich in die Betten gelegt hatten, schliefen Othmar und Wolfhart tief. Hrothgar hingegen starrte noch einige Zeit an die Decke, ohne zu wissen, warum er trotz der harten Arbeit in den letzten Tagen nicht schlafen konnte.

  • Die Neuigkeiten, die die Ortsansässigen über die Unruhen unter den germanischen Völkern berichteten, waren nicht gerade geeignet, sorgenfrei in den Schlaf zu sinken. Dabei hatte Alpina in dieser Nacht sogar ein festes Bett zur Verfügung. Bedingt durch die Anstrengungen und die Übernächtigung der vergangenen Nächte mit wenig Schlaf, sank Alpina dennoch schnell in den Schlaf.


    Umso härter trafen sie die Alpträume, die sich wie meist kurz nach Mitternacht einstellten. Sie konnte gerade noch verhindern, dass sie schreiend hochfuhr. Heftig atmend versuchte sie Herrin ihrer Sinne zu werden. Dann schwang sie die Beine aus dem Bett und tastete sich im Dunkeln zur Tür. Sie schlich hinaus vor die Tür des Langhauses. Überrascht stellte sie fest, dass sie nicht die Einzge war, die in dieser Nacht nicht schlafen konnte. Eine Gestalt saß auf der Veranda des Hauses. Im Mondlicht, das zwischen den Wolkenhaufen hervorblitzte, erkannte sie Brunnhild. Die Alte hatte sich auf einer Bank unter dem Vorbau des Hauses niedergelassen. Sie nickte Alpina zu, als diese näher trat.


    "Komm, Kleine, setz dich zu mir", forderte sie Alpina auf.


    Alpina tat, wie ihr geheißen. Sie nahm neben der Germanin Platz.


    "Warum kannst du nicht schlafen?", fragte Brunnhild.


    EInen Augenblick lang war Alpina versucht, ihr die Wahrheit zu sagen, doch dann entschied sie sich für eine Notlüge. "Wolfhart schnarcht so laut."


    Brunnhild erwiderte. "Egbert auch", sagte sie. "Lassen dich die Männer wenigstens in Frieden?"


    Alpina nickte. "Ja, sie sind sehr umgänglich. Bislang hat keiner versucht, mir nachzustellen. Aber ich würde für keinen der Männer die Hand ins Feuer legen, wenn sie betrunken sind. Erst kürzlich musste ich erfahren, wie es ist, wenn sich ein Mann nicht unter Kontrolle hat."


    Brunnhild stimmte Alpina zu. "Ist er der Grund für deinen Weg zu Osrun?"


    "Nein, auch wenn es der endgültige Auslöser für meinen Weggang war. Ich trage schwer an einer Schuld. Meine Hoffnungen ruhen auf Osrun. Ich spüre, dass sie allein helfen kann."


    Die alte Germanin lächelte sanft. "Es würde mich freuen, wenn du auf deinem Heimweg wieder hier Station machst. Du sollst wissen, dass du hier immer willkommen bist."


    Alpina sah Brunnhild lange an. "Das ist lieb von dir. Ich weiß noch gar nicht, ob ich wieder "nach Hause" will. Das hängt von meinem Besuch bei Osrun ab..."


    Brunnhild sagte zunächst nichts mehr. Sie legte ihren Arm um Alpina und drückte sie an sich. "Dann bleibst du bei mir, Alpina!"


    Dankbar nahm Alpina die Umarmung an. Sie atmete tief durch und blickte noch eine Weile mit Brunnhild in den Nachthimmel. Schließlich stand sie auf.
    "Ich werde versuchen, noch ein wenig Schlaf zu bekommen. Gute Nacht, Brunnhild, und vielen Dank für dein Angebot. Ich werde gerne wieder herkommen."

  • Letztlich hatte niemand bemerkt, dass Alpina in der Nacht aufgestanden war. Am nächsten Tag standen die drei Männer dann einigermaßen erholt auf, machten sich draußen vor dem Haus frisch und deckten sich für die nächsten zwei Tage mit genug Proviant ein. Othmar achtete darauf, dass sie zwei zusätzliche, schon etwas ältere Brote kauften, die er Alpina in die Hand drückte.


    Eine kleine Bestechung für die beiden Esel.


    sagte er mit einem Zwinkern, bevor er zu Egbert ging. Wie immer wechselte Othmar noch ein paar Worte mit dem Dorfoberhaupt, der sich danach wieder mit den Männern des Dorfes vor dem Eingang sammelte, um den Rest des Baum abzutragen. Hrothgar und Wolfhart luden den Proviant und die Geldbeutel zurück auf den Wagen, wobei sie den Beutel mit Alpinas 50 Sesterzen wieder an einen gesonderten Platz legten. Dann spannten Hrothgar und Alpina die Esel ein, während Wolfhart wieder die Radachsen überprüfte. Als alle Vorbereitungen abgeschlossen waren, gab Hrothgar den Eseln einen kleinen Klaps und schon trabten sie los.


    Ihr Weg führte sie heute nicht mehr nach Osten, sondern nach Norden, den linken Arm des Visurgis entlang, der sie direkt in die nächste Siedlung, Novaesium, führen würde. Ein bis zwei Tagesetappen hatte Othmar dafür veranschlagt, je nachdem, wie die Straßenverhältnis nach dem Sturm waren. Um endlich aus dem ewig gleich Wald herauszukommen, wählte Othmar, auch wegen der besseren Übersicht einen flussnahen Pfad. Als sie nach einigen Meilen daher den letzten Wald hinter sich ließen, erstreckte sich vor ihnen der Visurgisarm. Dieser war nach den Regenfällen etwas über die Ufer getreten, hatte aber den Pfad verschont. Sollte es nicht zu weiteren Stürmen kommen, könnten sie dem Pfad bis hin zur nächsten Siedlung folgen und hätten sogar, etwa nach zwei Drittel des Weges eine kleine Hütte, die sie bei Bedarf als Übernachtungsmöglichkeit nutzen könnten.

  • Mit einer langen, herzlichen Umarmung verabschiedete sich Alpina von Bunnhild. Noch einmal wiederholte die Germanin ihr Versprechen aus der Nacht, dass Alpina jederzeit willkommen wäre. Auch Brunnhilds Mann gab sie die Hand. Das Ehepaar hatte die Pelzhändler und ihre seltsame Reisegefährtin mit Provinat für die nächsten Tage versorgt. Dass ihr Othmar sogar mit einem Augenzwinkern ein wenig trockenes Brot für die Esel in die Hand drückte, ließ Alpina schmunzeln. Er schien den Vorteil der Bestechung verstanden zu haben.


    Wie immer wechselten sich Hrothgar und Alpina beim Führen der Esel ab. Mit dem Brot war diese Aufgabe deutlich leichter als am Tag zuvor, wo ihnen das Bestechungsgeld ausgegangen war. Als sie auf den flussnahen Pfad am Oberlauf des Visurgis einschwenkten, konnte Alpina einen ersten Blick auf den Fluss erhaschen. Die starken Regenfälle hatten ihn über die Ufer treten lassen und auch der Weg war feucht und matschig, nicht aber überspült, was das Wichtigste war. Auch wenn das Wasser braun vom mitgeschwemmten Erdreich war, faszinierte die Landschaft. Der mäandernde Fluss mit seinen Nebenläufen und Totarmen war atemberaubend schön. Mal durch Wiesen und Auen, dann wieder an sanften Hügeln vorbeiströmend war der Anblick wie Balsam für die Seele.
    Alpina genoss die immer wieder wechselnden Ausblicke und merkte so gar nicht wie die Zeit verging. Ihre mittägliche Rast nahmen sie in der Nähe einer kleinen Insel ein, die vom Wasser fast gänzlich überspült war. Ein paar versprengte Rinder eines nahen Gehöfts hatten sich auf den verbliebenen Teil der Insel gerettet. Vom dazugehörigen Bauern war weit und breit nichts zu sehen.


    Alpina sah Othmar fragend an. Sollten sie eingreifen und versuchen, die Rinder auf ihrer Seite des Flusses in Sicherheit zu bringen?

  • Der Fluss verschaffte ihrer Wanderung nach Norden eine gewisse Abwechslung, denn mal zeigte sich eine Insel, mal fanden sich Tiere am Wasser und besonders nach dem Sturm ragten nun immer wieder Äste in den Fluss. Während ihrer Mittagsrast sahen sie eine Insel, auf der mehrere Rinder nach dem Sturm gestrandet waren und offenbar schon mindestens einen Tag dort stehen mussten. Othmar runzelte die Stirn und auch der fragende Blick Alpinas machte klar, dass sie wohl vorhatte, den Tieren zu helfen. Allerdings war dem Händler vollkommen schleierhaft, wie sie das anstellen sollten. Der Fluss war bereits über die Ufer getreten und die Strömung war stark genug, um sie mit sich zu reißen. So besah sich der Pelzhändler die Lage, ging nah an den Fluss heran, um zu schauen, wie weit sie gehen konnte, und versuchte zudem die Wassertiefe zu schätzen. Zuletzt, und da dachte er auch an seine Begleiter, blickte er nach oben, um abzuschätzen, wie viel Zeit noch bis zur Dämmerung blieb. Die Sonne war jedoch von den dichten Wolken verhüllt, sodass eine Schätzung schwierig war.


    Kopfschüttelnd ging er zu seinen Begleitern zurück.


    WENN wir die Tiere tatsächlich da runter holen wollen, müssen wir uns irgendwas einfallen lassen. Allerdings darf dabei niemand von uns gefährdet werden und wir dürfen auch nicht zu viel Zeit damit verplempern. Also. Hat jemand 'ne Idee?


    Er blickte fragend in die Runde und wartete auf Antworten. Er selbst würde ja am liebsten weiterziehen, damit sie ihr heutiges Tagesziel erreichen könnten. Wenn allerdings jemand eine Idee hätte, könnten sie überlegen, ob sie dem Besitzer der Tiere einen Gefallen tun und so vielleicht auch ein frühes Nachtlager erlangen konnten.

  • Es war deutlich, dass Othmar auch gerne den Tieren über den Fluss geholfen hätte, doch die Strömung war viel zu stark. Es wäre ein sehr riskantes Unterfangen gewesen. Als er fragte, ob einem von ihnen einfallen würde, wie man die Tiere durch das Wasser bekommen würde, sah Alplina Hrothgar flehend an. Sie hoffte, dass ihm vielleicht der rettende Einfall käme. Doch auch er schüttelte den Kopf und hob entschuldigend die Schultern. Alpinas Blick auf Wolfhart brachte auch keine Lösung. Der dritte Begleiter konnte nicht mit einer schlüssigen Rettungsidee aufwarten.


    Seufzend gab Alpina nach.
    "Gut. Es scheint keine Möglichkeit zu geben, den Rindern zu helfen. Dann lasst uns weitergehen, damit wir unser Ziel vor Einbruch der Dunkelheit erreichen."


    Das Wetter schlug erneut um. Der Wind frischte auf und es wurde kalt. Eisig blies der Wind unter die Mäntel und unter Alpinas Tunika. Ihre Unterschenkel und Füße wurden krebsrot von der Kälte. Die Männer hatten es besser. In ihren langen Hosen waren sie deutlich besser vor der Kälte geschützt. Ein Graupelschauer ging nieder. Fast horrizontal trug es die eisigen Körner auf die gegen den Wind stapfende Gruppe zu. Alpina zog die Kapuze ihres Wollmantels tief ins Gesicht. Sie fror und hoffte inständig, dass sie an diesem Abend ein Dach über dem Kopf haben würden.

  • Die Entscheidung, die Tiere ihrem Schicksal zu überlassen, hinterließ bei Othmar einen schlechten Beigeschmack. Doch hätten sie sich selbst nur gefährdet, wenn sie es auf Biegen und Brechen versucht hätten. Einen seiner Begleiter zu verlieren wäre derweil der schlimmste Fall, den sich Othmar vorstellen konnte. Jetzt, auf dem weiteren Weg, schlug das Wetter erneut uhm, von Osten wehte ein kalter Wind und der Schneeregen setzte der Gruppe übel zu. Alle mummelten sich noch tiefer in ihre Mäntel ein und irgendwann verteilte Othmar an alle jene Pelze, die er immer für sich zurückhielt. Mit Blick auf die schlechte Wetterlage entschied er sich dann dafür, die Tagesetappe vorzeitig zu beenden und die Hütte zu suchen, die er als Zwischenunterkunft eingeplant hatte. Doch dauerte es etwas, bis sie sie gefunden hatte, da das schlimme Wetter die Orientierung drastisch erschwerte. Als sie dann an der Hütte ankamen, bot sich ihnen ein unschönes Bild. Ein riesiger Ast steckte im Dach der Hütte, vermutlich, doch glücklicherweise waren die Außenwände noch intakt. Othmar schüttelte den Kopf, entschied sich aber dafür, die Hütte dennoch zu nutzen. Wenigstens bot sie ein wenig Schutz vor dem kalten Winden und dem Schnee, auch wenn das Dach nicht mehr dicht war.


    Verdammte Scheiße!


    fluchte der Händler doch gab er seinen Begleitern zu verstehen, dass sie hier Unterkunft suchen würden. Wie sie mit dem Ast umgehen sollten, müssten sie schauen, wenn sie in der Hütte waren und der Händler hoffte, dass es weniger schlimm war, als es aussah.

  • Als Othmar seine Begleiter aufforderte nach einer Hütte Ausschau zu halten, in der sie die Nacht verbringen wollten, war Alpina beruhigt. Bei diesem Wetter eine Nacht im Freien verbringen zu müssen, hätte ein großes gesundheitliches Risiko für alle bedeutet. Die Suche nach der Schutzhütte gestaltete sich allerdings schon schwierig und als die Gruppe sie endlich gefunden hatte, stellte sich heraus, dass der Sturm sie beschädigt hatte. Ein starker Ast steckte im Dach der Hütte.


    Fluchend öffnete Othmar dennoch die Tür und ließ die Begleiter ein. Alpina versorgte zunächst mit Hrothgar die Esel, dann folgte sie. Ratlos standen Wolfhart und Othmar im Inneren der Hütte und blicketen nach oben. Der Ast hatte die Dachkonstruktion aus Reisigbündeln auf etwa einem Drittel der Fläche eingedrückt. Der Boden der Hütte war bis über diese Fläche hinaus nass. Auch die Einrichtung hatte gelitten. Das Dach war auf ein Bett gestürzt und auch die Kochstelle lag nun unter freiem Himmel. Damit war sie ebenso feucht wie der Boden der Hütte.


    Es würde wohl nichts anderes übrig bleiben, als sich in den kleinen Teil der Hütte zurückzuziehen und womöglich eine neue Feuerstelle zu schaffen, die trocken blieb. Nun, es würde wohl "gemütlich" werden, weil sie eng zusammenrutschen mussten, um die Nacht halbwegs trocken und windgeschützt zu verbringen. Zum Glück hatten sie genug Vorräte dabei. Alpina versuchte also die gedrückt Stimmung zu verbessern, indem sie sich an die Vorbereitung des Abendessens machte.

  • Während Alpina das Essen vorbereitete, versuchten Othmar und Wolfhart zumindest die gröbsten Schäden an der Hütte zu flicken. Die kleinen feuchten Äste legten sie zusammen, sodass der erhaltene Teil der Hütte nun etwas größer wurde. Den großen Ast jedoch konnten sie, obwohl sie überlegten, wie sie das vielleicht anstellen könnten, nicht entfernen. Stattdessen machten sie aus Not eine Tugend und nutzen den Stamm dazu, einige überzählige Pelze als Windschutz aufzuhängen. Hrothgar holte zudem die Esel wieder in die Hütte, denn trotzdem sie viel Platz brauchten, bestand draußen die Gefahr, dass sie sich auf Dauer Erfrierungen zuziehen könnten. Zudem würden die Tiere mit ihrer Körperwärme dafür sorgen, dass sie sich im Innern der Hütte nicht noch wärme anziehen mussten und auf die Pelze verzichten konnten.


    Das größte Problem war die Suche nach einer geeigneten Feuerstelle, denn einerseits war die Hütte zum Teil vollkommen durchnässt, anderseits brauchten sie einen Platz, von dem aus der starke Rauch des feuchten Holzes abziehen konnte. Glücklicherweise fanden sie einen Platz, doch war dadurch die Liegefläche für die Nacht wiederum verkleinert. Othmar bebachtete die ganze Szenerie und schüttelte nur den Kopf. Einziger Lichtblick war das von Alpina gekochte Abendessen und er war gespannt, was die junge Frau dieses Mal aus ihrem Proviant kochen würde. So setzten sich die Germanen um die Kochstelle zu Alpina, um gemeinsam das Abendessen einzunehmen und sich danach schnell zum Schlafen zu legen. Für Nachtwache teilte sich Othmar erstmal selber ein, zur halben Zeit wollte er sich dann von Alpina ablösen lassen.

  • Erstaunt sah Alpina zu, wie Othmar und Wolfhart die Hütte mit ihrem Einfallsreichtum in eine halbwegs sichere und trockene Bleibe für die Nacht verwandelten. Gemeinsam mit den Eseln wurde es dann jedoch wirklich eng und "kuschelig" in ihrer Unterkunft.


    Alpina bereitete auf der neu geschaffenen Feuerstelle eine Mahlzeit aus einem Teil der mitgebrachten Lebensmittel. Sie ließ kleingeschnittenen Speck aus und vermischte ihn mit dem Schmalz, das Brunnhild ihnen mitgegeben hatte. In der gleichen Pfanne röstete sie Brotscheiben, die sie anschließend mit dem "Griebenschmalz" bestrich. Dazu gab es die Reste des Bratens vom Vortag.


    Besonders aber überraschte Alpina, dass Othmar ihr für die zweite Nachthälfte die Nachtwache zubilligte. Ein ungläubiger Blick traf den Pelzhändler. Erstaunlich. Nun, wo sie sich bald trennen würden, schien er Vertrauen zu ihr zu fassen.
    In der trockenen Ecke der Hütte hüllten sich Alpina, Hrothgar und Wolfhart in ihre Mäntel und versuchten zu schlafen. Immer wieder fiel Alpinas Blick auf Hrothgar, der fast ebensolang wie sie zum Einschlafen brauchte.


    Weit vor der Zeit, zu der Alpina Othmar ablösen sollte, fuhr sie aus einem verwirrenden Traum hoch. Sie legte Holz für das Feuer in der Hütte nach, hob Runas Fellumhang vom Boden auf und trat vor die Tür der Hütte. Dort saß Othmar und starrte in die Dunkelheit. Schweigend setzte sich Alpina an seine Seite und sah ebenfalls in den schwarzen Wald hinein. Als sie spürte, dass er sich ihr zuwandte, sagte sie leise: "Danke."

  • Draußen vor der Hütte hatte der Schneeregen mittlerweile stark nachgelassen, doch wehte immer noch der kalte Wind mit mal stärkeren, mal schwächeren Böen über ihre Unterkunft hinweg. Daher hatte Othmar seinen Mantel tief ins Gesicht gezogen und blickte hinaus. Manchmal gaben die dichten Wolken sogar einen Blick auf den Mond frei, sodass die Umgebung nicht ständig von einer mondlosen Dunkelheit erfüllt wurde. Allerdings würden sich Alpinas Augen wahrscheinlich auch erst langsam an das Dunkel gewöhnen müssen. als sie aus der Hütte heraustrat und ihm leise dankte, als sein Blick zu ihr wanderte. Er deutete auf den freien Platz neben sich. Da sie seinem Zeitgefühl zur Folge recht früh dran war, würde er noch ein bisschen bei ihr sitzen, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hätten.


    Ich glaube, dass dir jetz endgültig klar ist, dass diese Reise kein Spaziergang am Rhenus ist. Daher kannst du jetzt auch anfangen, weitere Verantwortung zu übernehmen.


    antwortete er mit ruhiger Stimme, während er seinen Blick auf das einige Schritte entfernte Visurgisufer richtete. Die Hütte befand sich weit genug vom Fluss entfernt, dass ein Hochwasser ihm nichts antun konnte, allerdings auch auf einer kleinen Anhöhe, durch die der Blick auf den Visurgis möglich war. Im Hintergrund waren die üblichen Geräusche der Nacht zu hören, eine Eule hatte wohl in einiger Entfernung ihr Nest, Kleintiere raschelten durch das Unterholz und der Wind rauschte leise in den Baumwipfeln.

  • Zitat

    Ich glaube, dass dir jetz endgültig klar ist, dass diese Reise kein Spaziergang am Rhenus ist. Daher kannst du jetzt auch anfangen, weitere Verantwortung zu übernehmen.


    Alpina antwortete nicht auf Othmars Feststellung. Sie wusste ja inzwischen, dass er nur ungern von einer gefassten Meinung abrückte. Dennoch war Alpina schon zuvor bewusst gewesen, dass diese Reise kein "Spaziergang am Rhenus" werden würde. Sie behielt ihre Meinung jedoch für sich.


    "Ohne euch und vor allem dein umsichtiges und weitblickendes Verhalten, hätte ich mein Ziel, das nun in nahezu greifbare Nähe rückt, wohl kaum erreichen können. Ich danke dir dafür aus tiefster Seele."


    Die in der Luft liegende Abschiedsstimmung machte sie melancholisch. Nicht nur, weil sie ihre Begleiter mittlerweile schätzen gelernt hatte, sondern auch weil ihr klar wurde, dass sie bald ihr so dringend ersehntes Ziel erreichen würde. Was kam dann? Sie wusste, dass mit Erreichen eines lang gehegten Wunsches häufig die Motivation zum Weitermachen schwand. Würde es ihr genauso ergehen? Würde ihr Osrun helfen können? Und wenn ja... was sollte sie dann machen, wohin gehen? Wo würde ihr zukünftiger Lebensmittelpunkt liegen?
    Ihr Blick versank in dem schwarz und träge dahinströmenden Visurgis. Nahezu magisch schön war die Landschaft hier und außer den Geräuschen der nachtaktiven Tierwelt, störte nichts die Stille in ihrem Inneren. In diesem Moment hatte sie den Frieden wiedergefunden, der ihr in den vergangenen Monaten abhanden gekommen war.

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