Es war an einem sonnigen Vormittag als ich den Stall betrat. Skadi sah mir entgegen und in ihren Augen stand Freude geschrieben. Ihr schneeweißes Fell schimmerte in dem matten Sonnenlicht, dass durch das vergitterte Holzfenster fiel. Mit großen Schritten ging ich auf Skadi zu und fuhr sanft mit meiner rechten Handfläche über ihre Nüstern. Ich wusste wie sehr sie das liebte und lächelte, als sie ein leises Wiehern von sich gab. Vorsichtig und bedacht legte ich ihre Zügel um und führte sie aus dem Stall heraus. Lautes Vogelgezwitscher empfing uns und ein leichter Wind bewegte mein schwarzes Haar, welches frisch gewaschen war. Noch immer ein wenig müde von der letzten Nacht, in der ich kaum hatte schlafen können, da ich zum einen lange im Büro gesessen hatte und zum anderen von Alpträumen geplagt wurde, schloss ich meine Augen und ließ die Geräusche auf mich eindringen. Doch Skadi mahnte mich, als ich vor mich hindöste mit einem Stups von ihrem Kopf an meinen Bauch. Ich öffnete die Augen und nahm mir an diesem freien Tag vor, über mein Leben nachzudenken. Über meine traumatische Kindheit. Über meine Gefühle gegenüber Meridius und Maximian, die mich sehr verwirrt hatten. Über die Liebe zu Flavius, meinem Bruder. Für mich selbst würde ich alles klarer machen, Vorsätze erstellen.
Mit Skadi an meiner Seite begab ich mich langsam aus der Colonia Claudia Ara Agrippinensium. Ich war froh, endlich einmal ganz allein für mich zu sein. Während Skadis Hufe auf dem gepflasterten Boden klapperten und durch die Straßen und Gänge hallten, sah ich mich um. Einige wenige waren schon jetzt unterwegs, ein paar Bettler, Obdachlose und Hausfrauen. Skadi und ich hatten inzwischen das Tor in die Freiheit erreicht, das Tor in das Gebiet wo es für uns keine Grenzen und Gesetze mehr gab. Meine Kleider waren bequem, engten nicht ein. Es war keine Tunika, keine Toga Praetexa, es waren germanische Kleider, die an mir sehr locker saßen. In ihnen hatte ich viel mehr Bewegungsfreiheit. Ich schwang mich auf Skadis Rücken und beugte mich vor, damit ich meine Arme um ihren Hals schlingen konnte. Ich sog den Duft ihres Fells ein und fühlte mich ihr verbunden. Ihre Nähe erfüllte mich mit Glück und das wusste sie. Kurz klopfte ich ihren Hals und vergewisserte mich, dass alles fest saß und dass wir nichts verlieren konnten. Dann übte ich sanft Druck auf ihre Flanken aus und schon ging es los. Langsam schritten wir über die Wiesen, fern von der Colonia und obwohl ich dort wohnte, fühlte ich mit jedem Schritt den wir uns entfernten, wie die Lasten von meinen Schultern fielen. Ich wandte mich noch einmal um und erkannte die Wachen auf den Mauern. Es war nicht sicher, dass ich mich allein entfernte, doch mir würde nichts geschehen, die Germanen würden mir nichts tun. Dann riss ich meinen Blick von den Stadtmauern und sah nach vorn, nach vorn in meine Zukunft und trieb Skadi zu einem schnellen Galopp an. Wir flogen dahin, völlig zeitlos und ohne Dinge die uns hielten. Während wir über die Felder und Wiesen galoppierten, fühlte ich wie meine Kleider immer leichter wurden, die eben noch so schwer gewirkt hatten. Die Freiheit strömte durch meine Venen und am liebsten hätte ich einen lauten Schrei ausgestoßen. Der Wind liebkoste meine Haut, während er durch die dicke Kleidung schlich und es war ein herrliches Spiel. Vorsichtig und noch ein wenig zaghaft streckte ich einen Arm von mir, während ich meine Schenkel zur Sicherheit fester an den Pferdeleib presste. Nun schon etwas sicherer fand auch mein anderer Arm den Weg fort von den Zügeln und ich hatte meine Arme, wie ein Vogel seine Flügel, ausgebreitet. Ich legte meinen Kopf nun in den Nacken, vertraute Skadi voll und ganz, legte mein Leben in ihre Hufe. Am blauen Himmel über mir flog ein wunderschöner Adler, ein königliches Geschöpf. Ich beobachtete ihn, wie er seine eleganten Kreise zog, er stieß einen lauten Schrei aus. Mit geschlossenen Augen versuchte ich mich in ihn hineinzufühlen und wünschte, ich könnte wie er die Welt von oben sehen. Ob er mich sah? Auf jeden Fall konnte er die grünen Ebenen sehen.
Das Schweben ließ mich langsam aber sicher in eine Ekstase übergehen, es nahm mich völlig in Besitz. Langsam öffnete ich meine Augen wieder und griff nach den Zügeln von Skadi, um besseren Halt zu erlangen. „Heya!“, trieb ich sie an, noch schneller zu laufen. Inzwischen sah ich einen Wald näher kommen, die Colonia war sicherlich nicht mehr in Sichtweite. Der Wald war riesig und er wirkte kühl. Ich beschloss in ihn hineinzureiten und erst kurz bevor die ersten Bäume kamen, bremste ich Skadi.