Beiträge von Julia Duccia Germanica

    Nun traten die Hufe nur noch langsam und Stück für Stück auf den weichen Waldboden. Es waren nur vereinzelte Bäume die ich hinter mir zurückließ und es waren Laubbäume. Ich sah in die Laubkronen, viele Tiere tummelten sich dort. Von kleinen Vögeln wie Meisen zu größeren Vögeln wie Spechten. Eichhörnchen ließen leises Keckern vernehmen, doch sie erblickte ich nicht. Ich streichelte Skadi sanft durch die Mähne.


    Wie Skadi und ich uns immer weiter in den Wald hineinwagten, wurde es mit jedem Schritt deutlich kühler, es war, als wenn eine kalte Hand nach uns greifen würde. Doch es machte mir nichts aus. Auf dem Boden lagen viele verdorrte Blätter die leise raschelten wenn Skadis Hufe uns darüber trugen. Äste knackten leicht. Ich sah mich wachsam um, doch es dauerte nicht lange und die leise Unruhe war verschwunden. Ich begann, mich mit meinem Leben auseinanderzusetzen. Ich wollte bei Meridius anfangen und mit einem Lächeln dachte ich an unser erstes und einziges Treffen zurück. Wenn ich jetzt so an diesen Vibullius dachte, tat er mir immer mehr leid. Es war keine besonders freundliche Art von mir gewesen, ihn so abblitzen zu lassen und einfach mit Meridius in die Loge zu gehen. Er hatte es nicht wissen können, dass ich Angst vor männlicher Nähe hatte. Ich hätte es ihm sagen können und ihm eine Chance geben sollen, mir eine weniger aufdringliche Seite zu zeigen. Aber ob das so klug gewesen wäre?


    Ich stieß einen Seufzer aus als es plötzlich neben mir laut raschelte und mich etwas in meinem Nacken berührte. Ich saß wie erstarrt, während Skadi unberührt weiter vor sich hinschritt. Was bei den Göttern war das gewesen? Mir wurde heiß und kalt, warum war ich so nervös? Ich wandte zögerlich meinen Kopf nach hinten. Und was ich sah, jagde mir einen Schrecken ein, einen sehr, sehr großen Schrecken.

    Es war an einem sonnigen Vormittag als ich den Stall betrat. Skadi sah mir entgegen und in ihren Augen stand Freude geschrieben. Ihr schneeweißes Fell schimmerte in dem matten Sonnenlicht, dass durch das vergitterte Holzfenster fiel. Mit großen Schritten ging ich auf Skadi zu und fuhr sanft mit meiner rechten Handfläche über ihre Nüstern. Ich wusste wie sehr sie das liebte und lächelte, als sie ein leises Wiehern von sich gab. Vorsichtig und bedacht legte ich ihre Zügel um und führte sie aus dem Stall heraus. Lautes Vogelgezwitscher empfing uns und ein leichter Wind bewegte mein schwarzes Haar, welches frisch gewaschen war. Noch immer ein wenig müde von der letzten Nacht, in der ich kaum hatte schlafen können, da ich zum einen lange im Büro gesessen hatte und zum anderen von Alpträumen geplagt wurde, schloss ich meine Augen und ließ die Geräusche auf mich eindringen. Doch Skadi mahnte mich, als ich vor mich hindöste mit einem Stups von ihrem Kopf an meinen Bauch. Ich öffnete die Augen und nahm mir an diesem freien Tag vor, über mein Leben nachzudenken. Über meine traumatische Kindheit. Über meine Gefühle gegenüber Meridius und Maximian, die mich sehr verwirrt hatten. Über die Liebe zu Flavius, meinem Bruder. Für mich selbst würde ich alles klarer machen, Vorsätze erstellen.
    Mit Skadi an meiner Seite begab ich mich langsam aus der Colonia Claudia Ara Agrippinensium. Ich war froh, endlich einmal ganz allein für mich zu sein. Während Skadis Hufe auf dem gepflasterten Boden klapperten und durch die Straßen und Gänge hallten, sah ich mich um. Einige wenige waren schon jetzt unterwegs, ein paar Bettler, Obdachlose und Hausfrauen. Skadi und ich hatten inzwischen das Tor in die Freiheit erreicht, das Tor in das Gebiet wo es für uns keine Grenzen und Gesetze mehr gab. Meine Kleider waren bequem, engten nicht ein. Es war keine Tunika, keine Toga Praetexa, es waren germanische Kleider, die an mir sehr locker saßen. In ihnen hatte ich viel mehr Bewegungsfreiheit. Ich schwang mich auf Skadis Rücken und beugte mich vor, damit ich meine Arme um ihren Hals schlingen konnte. Ich sog den Duft ihres Fells ein und fühlte mich ihr verbunden. Ihre Nähe erfüllte mich mit Glück und das wusste sie. Kurz klopfte ich ihren Hals und vergewisserte mich, dass alles fest saß und dass wir nichts verlieren konnten. Dann übte ich sanft Druck auf ihre Flanken aus und schon ging es los. Langsam schritten wir über die Wiesen, fern von der Colonia und obwohl ich dort wohnte, fühlte ich mit jedem Schritt den wir uns entfernten, wie die Lasten von meinen Schultern fielen. Ich wandte mich noch einmal um und erkannte die Wachen auf den Mauern. Es war nicht sicher, dass ich mich allein entfernte, doch mir würde nichts geschehen, die Germanen würden mir nichts tun. Dann riss ich meinen Blick von den Stadtmauern und sah nach vorn, nach vorn in meine Zukunft und trieb Skadi zu einem schnellen Galopp an. Wir flogen dahin, völlig zeitlos und ohne Dinge die uns hielten. Während wir über die Felder und Wiesen galoppierten, fühlte ich wie meine Kleider immer leichter wurden, die eben noch so schwer gewirkt hatten. Die Freiheit strömte durch meine Venen und am liebsten hätte ich einen lauten Schrei ausgestoßen. Der Wind liebkoste meine Haut, während er durch die dicke Kleidung schlich und es war ein herrliches Spiel. Vorsichtig und noch ein wenig zaghaft streckte ich einen Arm von mir, während ich meine Schenkel zur Sicherheit fester an den Pferdeleib presste. Nun schon etwas sicherer fand auch mein anderer Arm den Weg fort von den Zügeln und ich hatte meine Arme, wie ein Vogel seine Flügel, ausgebreitet. Ich legte meinen Kopf nun in den Nacken, vertraute Skadi voll und ganz, legte mein Leben in ihre Hufe. Am blauen Himmel über mir flog ein wunderschöner Adler, ein königliches Geschöpf. Ich beobachtete ihn, wie er seine eleganten Kreise zog, er stieß einen lauten Schrei aus. Mit geschlossenen Augen versuchte ich mich in ihn hineinzufühlen und wünschte, ich könnte wie er die Welt von oben sehen. Ob er mich sah? Auf jeden Fall konnte er die grünen Ebenen sehen.
    Das Schweben ließ mich langsam aber sicher in eine Ekstase übergehen, es nahm mich völlig in Besitz. Langsam öffnete ich meine Augen wieder und griff nach den Zügeln von Skadi, um besseren Halt zu erlangen. „Heya!“, trieb ich sie an, noch schneller zu laufen. Inzwischen sah ich einen Wald näher kommen, die Colonia war sicherlich nicht mehr in Sichtweite. Der Wald war riesig und er wirkte kühl. Ich beschloss in ihn hineinzureiten und erst kurz bevor die ersten Bäume kamen, bremste ich Skadi.

    Ich war vorgegangen, mir wurde allerdings versprochen, dass ich alsbald es möglich war, Gesellschaft kriegen würde. Ich war das erste Mal in meinem Leben in Hispania, doch so anders als Italia war es gar nciht mal. Ich hatte Angst, Maximian zu treffen, doch ich durfte ihn nicht im Ungewissen lassen und so könnte ich es wohl kaum vermeiden. Ich sah mich um. Bei den letzten Spielen war ich ungefähr auf der Höhe wie auch jetzt gewesen, meiner Ansicht nach ein guter Platz. Ich setzte mich.

    Der Blick der zu dem Fremden ging wurde beinahe ein wenig feindselig. Was starrte er so zu uns herüber? Kannte er denn gar kein Benehmen. Ich stubste Iustina in die Seite und deutete zu ihm.


    "Kennst du den? Der starrt die ganze Zeit so komisch hierher..."

    flüsterte ich leis.

    Ich nahm Iustina leicht in den Arm und strich ihr beruhigend über die Wange.

    "Mach dir keine Sorgen, ich bin mir sicher es werden gute Nachrichten herauskommen! Du wirst schon sehen, Iustina, wir finden deinen Mann!"


    Ich sah mich um und bemerkte, wie wir beobachtet wurden. Mein Blick wurde misstrauisch.

    Irgendwie schien mein Bauch ein Eigenleben zu haben und irgendwie konnte dieses Eigenleben fliegen. Mir war als ob ich abheben könnte.


    "Deine Küsse schmecken so gut, hör nicht auf!"


    Die Hand auf meinem Rücken ließ mich erschaudern. Lange waren Flavius und ich nicht getrennt gewesen, doch ich bemerkte bereits jetzt, dass es zulange gewesen ist...

    "Naja, er hat es mehr oder weniger... in mir abgelesen. Ich habe nur berichtet dass ich einen Flavius liebe und scheinbar war mein Gesicht zu vielsagend..."


    Ich blickte etwas schuldbewusst zu Flavius und fügte hinzu.


    "Aber es wäre mir auch schwergefallen wenn er es nicht erraten hätte...Ich könnte euch beide nicht belügen und dazu gehört aus meiner Sicht auch verschweigend."

    Ich lächelte leicht. (Gut, dass Iulia sich nicht mehr an das Gespräch mit Sextus erinnern kann :D) Ich erwiederte seine Küsse sanft aber mit Nachdruck.


    "Hmmm... Valentin... er weiß von uns... !"


    Vermutlich war es besser dass Valentin es wusste. Und vermutlich war es besser wenn Flavius wusste, dass Valentin es wusste.