Beiträge von Plinia Chrysogona

    Chrysogona lauschte den Ausführungen. Die verschiedenen Schulen der Medizin kannte sie zur Genüge. Aus allen diesen Lehrrichtungen hatte sie bereits Mediziner kennengelernt. Methodiker waren ihr äußerst suspekt. Allen anderen Lehrmeinungen konnte sie positives abgewinnen, wenn sie auch nicht mit allem einverstanden war. Ihr Vater war ein kritischer Empiriker, der jedoch auch die Erkenntnisse der durch Leichenschau gefundenen anatomischen Gegebenheiten für grundlegend wichtig erachtete. Chrysogona hielt es ähnlich mit ihrer ärztlichen Kunst. Auch wenn sie selbst bislang keine anatomischen Studien an Leichen vorgenommen hatte, interessierte sie sich doch sehr für die von anderen im Schnitt ermittelten Forschungsergebnisse.
    Sie war gespannt, was Herophilus von Samothrake ihrem Wissen beifügen konnte.

    Die Medica sah erneut in ihre Bücher. "So wie ich das sehe, ist in erster Linie die Quellenlage wichtig. Allerdings denke ich, dass nur ein Besuch vor Ort, eine Begehung des Oberlaufes des Flusses und des geplanten Bauplatzes uns weiterbringt. Denn wir werden sehen müssen, ob das Wasser auf dem Weg zum Heiligtum verschmutzt wird oder werden kann und in welcher Qualität und Temperatur es ankommt."


    Chrysogona sah wieder von einem zum anderen. "Wäre so ein Lokaltermin möglich? Dann würde ich mir den Ort, den du im Auge hast, gerne persönlich ansehen." Ihr letzter Blick galt dem Pontifex.

    Ein paar Wochen auf dem Landsitz? Das klang nach einer sinnvollen Maßnahme. Und nach einer willkommenen Abwechslung. Die Kaiserin und der Kaiser gedachten sie mitzunehmen? Die Leibmedica freute sich.
    "Natürlich werde ich euch begleiten. Also... äh... wenn ich darf. Also... " Sie stotterte nervös. Man wurde ja nicht geden Tag von der Kaiserin zum Urlaub auf dem Landsitz des Kaisers eingeladen. "Schon um schnell eingreifen zu können, falls du oder dein Mann erkrankt, sollte ich euch begleiten."
    Das stand außer Frage! Sie lächelte die Kaiserin an. "Das ist auf jeden Fall eine gute Idee und als Therapie sehr empfehlenswert. Nicht selten haben ein paar entspannte Tage gemeinsam Wunder bewirkt."


    Mit einer hinweisenden Bewegung auf die auf einem Tablett aufgebauten Bronzeschröpfköpfe machte sie der Kaiserin bewußt, dass zunächst etwas anderes als Urlaub anstand. Sie zückte das Skalpell aus ihrer Instrumentenkiste. "Doch vorher... bitte mach deinen Bauch frei, Serena!"

    Chrysogona nickte. Die Vorstellung eine der städtischen Quellen wie die der Iuturna, aus der die Vestalinnen ihr heiliges Wasser bezogen; umzuwidmen, war undenkbar. Also beugte sie sich wieder über das Corpus Hippocraticum.
    "Nun will ich von den Gewässern sonst sprechen, welche ungesund und welche besonders gesund sind, und was alles vom Wasser Schlimmes und Gutes zu erwarten ist; denn es ist sehr wichtig für die Gesundheit."
    Die Medica hob den Kopf. "Ich überfliege erst mal die ungesunden Gewässer. Das ergibt sich ohnehin von selbst. Sümpfe und stehende Gewässer fallen aus, dann ebenso warmes Wasser aus dem Erdreich, das reich an Eisen, Kupfer, Silber, Gold, Schwefel, Alaun, Pech oder Natron ist. Aber auch Wasser, das aus Felsen entspringt, denn es ist hart."


    Ihr Finger flog über die Papyrusseite. "Hier steht es: "Am besten ist das Wasser, das aus erhöhtem Gelände und erdigen Hügeln fließt. Denn das ist süß und und hell und braucht nur mit wenig Wein vermischt zu werden. Im Winter ist es warm, im Sommer kalt. So ist es wenn es aus den tiefsten Quellen fließt. Am meisten aber ist das Wasser zu loben, dessen Fluß nach Sonnenaufgang und besonders nach dem sommerlichen hin entspringt; denn dieses ist notwendig klarer, wohlriechend und leicht."


    Chrysogona legte die Papyrusrolle beiseite und holte die Naturalis historia des älteren Plinius hervor. "Plinius secundus wird konkreter. Er schreibt: "Das albulische Wasser bei Rom, welches lauwarm ist, heilt Wunden; aber das cutilische Wasser im Lande der Sabiner, von äußerster Kälte, das sich gleichsam beißend in den Leib einsaugt, wird mit bestem Erfolge für den Magen, die Nerven und überhaupt für den ganzen Körper angewandt." Sie sah die beiden Männer fragend an. "Hilft das irgendwie weiter?"

    Die Medica freute sich über die gute Laune der Kaiserin. Ein von den Göttern akzeptiertes Opfer war immer gut und wichtig für einen positiven Behandlungsverlauf und sei es auch nur, weil der Patient zuversichtlicher war, dass die Götter ihm zur Seite standen.
    "Das ist eine gute Nachricht, Serena!" erwiderte sie die Freude der Freundin und sogleich auch die Umarmung. "Es freut mich, dass die Götter dir und deinem Mann wohlgesonnen sind. Dann kann ja eigentlich nichts mehr schiefgehen."


    Der letzte Satz war allerdings eher so dahingesagt, denn die Medica wusste sehr wohl, dass man von einem Opfer nicht schwanger wurde. Umso mehr freute sie, dass Serena das positive Ergebnis des Opfers nicht zum Anlass nahm, die Behandlung abzubrechen. Sie fragte, was anstand.
    "Nun, heute kommt noch einmal ein ausleitendes Verfahren, um schlechte Säfte aus dem Körper zu eliminieren - blutiges Schröpfen. Wenn du das hinter dir hast, wird die Behandlung leichter. Dann musst du nur noch die Tränke zu dir nehmen, dich gut ernähren und ab und an die Therme aufsuchen. Das sollte genügen."

    In dieser Runde fühlte sich die Plinia sichtlich wohl. Es wurde kontruktiv und sachlich auf hohem Bildungsniveau gearbeitet. Sie bückte sich zu den Buchrollen, die sie mitgeführt hatte und fischte eine davon heraus.
    "Ich weiß nicht, inwieweit ihr das Corpus Hippocraticum kennt. Im Buch "Über Luft-, Wasser- und Ortsverhältnisse" werden Angaben darüber gemacht wie die idealen Bedingnungen für die Gesundheit des Menschen sind. Es heißt dort, man solle bei der Lage einer Stadt bedenken, wie sie zu den WInden und zum Sonnenaufgang liegt und das sollte ganz besonders für einen Tempelbezirk mit angegliedertem Sanatorium oder Asklepieion - wie auch immer wie es nennen wollen - gelten, denke ich."


    Chrysogona entrollte das Buch soweit, dass sie die passende Stelle vor sich hatte und las vor:
    "Alle diejenigen, die nach dem Sonnenaufgang zu liegen, sind natürlich gesünder als die nach Norden und die nach den warmen Winden zu gelegenen, wenn der Zwischenraum auch nur ein Stadion beträgt. Denn erstens stehen Wärme und Käte in besserem Ausgleich; ferner sind notwendigerweise alle Gewässer, die nach dem Sonnenaufgang zu liegen, klar, wohlriechend und weich, und unter keinen Umständen bildet sich in dieser Stadt Nebel; denn die Sonne verhindert es; da sie hoch steht und herabstrahlt. Die Krankheiten sind geringer an Zahl und schwächer. Die Frauen werden dort sehr oft schwanger und gebären leicht."


    Sie sah die beiden Männer nacheinander an. "Der Kaiser hat zudem den hervorragenden Vorschlag gemacht, einen Platz mit einer Heilquelle zu suchen. Sollten wir jedoch keine passende Quelle finden, habe ich noch im Corpus Hippokraticum einen Abschnitt dazu und auch hier", sie kramte die Buchrolle des Caius Plinius Secundus zum Thema "Wasser" hervor "gibt es Anregungen wie das Wasser beschaffen sein sollte, damit es der Gesundheit zuträglich ist. Soll ich vorlesen?"

    Chrysogona hörte zu, traute sich aber nicht eine Antwort auf die Fragen des Lehrers zu geben. Zu fremd war ihr die Denkweise der Epikuräer. Sie war also auch froh, als er den Iulier direkt ansprach. Der 14. Lehrsatz war interessant und sie fragte sich selbst ob sie in diesem Fall Epikur nicht doch zustimmen konnte. "...so erwächst doch die deutlichste Sicherheit aus der Ruhe und dem Rückzug vor den Leuten" Bislang hatte sie von dem Philosophiegründer eher das Bild eines Lebemannes gehabt. Doch aus diesem Satz sprach etwas anderes. Hatte er nicht eigentlich Angst vor der Allgemeinheit gehabt und sich deshalb mit seinen Schülern in den Hortus zurückgezogen?
    Die Medica musste an ihren Schützling den Kaiser und seine Familie denken. Ja, für diesen galt auch, dass der Rückzug vor den Leuten wohl die deutlichste Sicherheit bringen würde. Nur konnte ein Kaiser das nur bedingt.


    Auch über Ungerechtigkeit und Gerechtigkeit und die Lehrsätze dazu machte sich Chrysogona Gedanken. Fast fand sie es schade, dass der Lehrer nicht diese zur Diskussion stellte, sondern den Iulier zu dem Sicherheitsgedanken befragte. Dessen Antwort war interessant, denn er verfügte über die Erfahrung eines aktiven Politikers. Sie lauscht den Auführunge des Senators und konnte ihnen, soweit sie es beurteilen konnte, nur beipflichten. Mit Neugier wartete sie auf die Antwort des Lehrers. .

    Die gute Laune der Kaiserin entging der Medica nicht. Als sie zu ihrem Routinebesuch im Cubiculum Serenas erschien nahm sie sofort die Veränderung wahr.
    "Salve, Serena. Du siehst gut aus heute und so fröhlich? Darf ich den Grund erfahren?"


    Chrysogona angelte sich einen Stuhl und stahl sich eine Weintraube vom Frühstücksteller der Kaiserin.

    Die Medica begrüßte den Pontifex mit der gebotenen Ehrerbietung und neigte ihrerseits das Haupt. Die Tafel war reich gedeckt. Mit einem Lächeln nahm sie den angebotenen Platz. Auf die Ankündigung, dass ein weiterer Gast erwartet wurde, nickte sie. Es war ihr nur zu recht, wenn sich mehr Köpfe an den Gedankenspielen beteiligten. Sie nahm den Becher mit Wein und prostete ihrem Gegenüber zu.
    "Auf die Horen und die Gesundheit der kaiserlichen Familie"


    Als der Pontifex sie nach ihrer Anstellung beim Kaiser fragte, errötete sie leicht. "Nun, ich weiß auch nicht wirklich womit ich diese Ehre verdient habe. Vielleicht hat man mich einfach gefragt, weil schon mein Vater einem Kaiser als Leibmedicus diente."


    Decimus Casca erschien. Chrysogona begrüßte ihn freundlich. "Salve. Ich freue mich."
    Einen Augenblick überlegte sie, ob sie sich nicht schon begegnet waren. Ja, sicherlich auf dem Saturnalienfest in der Villa Decima. Doch ihre Erinnerungen daran waren nicht sehr nachhaltig. Sie wartete bis Casca auch ein Glas hatte, dann wiederholte sie den Trinkspruch.



    Sim-Off:

    entschuldigt bitte, auch bei mir ist dieser Thread irgendwie untergegangen

    Die Griechin litt mit der jungen Frau, die alles auf sich nahm, um ihrem Gatten ein Kind zu schenken. Auch wenn sie selbst nicht so sehr daran glaubte, dass die Götter etwas gegen Serena als Mutter einzuwenden hatten, sondern dass einfach das Säftegleichgewicht wieder hergestellt werden musste, um dem männlichen Samen ein optimales Bett zum Waschen zu bieten, nickte sie doch fromm.
    "Es ist sicher gut, die Götter wohlgesonnen zu stimmen. Du tust gut daran, Serena. Und natürlich fahren wir fort. Morgen machen wir weiter mit Bädern und Massagen sowie dem Rezitieren und zum Mondwechsel, wenn der Vollmond prangt, werde ich dich schröpfen. Dann wird das schon!"


    Die Medica tätschelte die Hand der Kaiserin. Dann hielt sie ihr den Becher mit dem Kräutersud hin, den Serena täglich zu sich nehmen musste. Nickend lächelte sie. "Hier, trink!"

    Obwohl ihr Vater Chrysogona vorgewarnt hatte, dass der angesehene Medicus Herophilus von Samothrake in seinen Vorlesungen noch bei den philosophischen Grundlagen war und erst noch zu den Grundlagen der Humoralpathologie kommen würde, hatte sich Chrysogona dazu entschlossen, die Vorlesung zu besuchen und den berühmten Mann kennenzulernen.


    Gaius Plinius Phoebus hatte den Kollegen von der zu erwartenden Teilnahme seiner Tochter unterrichtet und so ahte der Iatros womöglich, wer sich so leise durch die Tür des Vorlesungssaales schlich und so unauffällig wie möglich einen Platz im Auditorium suchte.


    Mit gesenktem Haupt, ein "Chaire!" murmelnd, nahm sie an der Seite eines jungen Mannes Platz, der den Ausführungen des Lehrmeisteres lauschte. Chrysogona bekam gerade noch mit, wie er Demokritos, Alkmaion, Platon und Aristoteles erwähnte. Dann kam die Überleitung zur Humoralpathologie. Die griechische Medica faltete sittsam die Hände im Schoss und hörte aufmerksam zu.

    Die Überfahrt über das Mare Nostrum war dieses Mal sehr unruhig und auch entspechend länger gewesen als Chrysogona erhofft hatte. Gewitterstürme und Platzregen hatten die Fahrt begleitet und die Medica daran zweifeln lassen ob es eine gute Idee gewesen war, von Rom nach Alexandria zu reisen. Zumal sie die Rückfahrt schließlich auch wieder antreten musste. Glücklicherweise erreichte sie ohne Schiffbruch zu erleiden ihr Ziel.


    Der Vater erwartete die Ankunft seiner einzigen Tochter mit Sehnsucht. Er schickte eine Sänfte an den Hafen, um sie sicher zu seinem Haus geleiten zu lassen. Mit klopfendem Herzen betrat die Medica das Haus, in dem sie ihre Kindheit verbracht hatte, das sie jedoch seit mehr als 8 Jahren nicht besucht hatte.
    Chrysogonas Amme und Kinderfrau Didyme öffnete und schlang sogleich ihre faltigen Arme um die Medica. Ihre Begrüßungsworte gingen in einem gerührten Schluchzen unter.
    Erst als sich Chrysogona aus der Umarmung gelöste hatte, erkannte sie ihren Vater, der die Szene mit vor der Brust verschränkten Armen verfolgte. So sehr er sich bemühte, den abgeklärten, standhaften Wissenschaftler zu geben, konnte die Weitgereiste doch Zeichen der Rührung in seinen Gesichtszügen erkennen.
    "Vater!", hauchte Chrysogona ergriffen.



    Gaius Plinius Phoebus


    Er öffnete die verschränkten Arme und wartete darauf seine einzige Tochter in die Arme zu schließen. Chrysogona ließ ihn nicht warten. Sie genoss die Umarumg, den vertrauten Geruch nach Arzneimitteln, der seiner Kleidung anhaftete und das Kitzeln des Vollbartes, den er mit Stolz trug.
    "Chaire, meine Kore!" brummte er weich. "Es ist schön, dich nach so langer Zeit wieder in Alexandria begrüßen zu dürfen. Komm erst einmal mit mir ins Haus und erzähle mir von Rom und ob sich die Urbs Aeterna irgenwie verändert hat, seitdem ich ihr den Rücken gekehrt habe."


    Er nahm Chrysogona am Arm und führte sie in die Wohnräume des Stadthauses.

    Chrysogona hatte alle Vorkehrungen für die Reise getroffen. Sie hatte die kaiserliche Familie vom Datum ihrer Abreise informiert und ihren Vertreter offiziell vorgestellt. Diesem hatte sie in einer Übergabe sämtliche wissenswerten Fakten ihrer "Patienten" mitgeteilt und die schriftlichen Unterlagen, die sie zu jedem angefertigt hatte, ausgehändigt.


    Die Medica verschloss die Reisetruhe mit ihrer Kleidung und die kleine Truhe mit ihren medizischen Geräten und den notwendigsten Medikamenten, ohne die sie niemals eine Reise antreten würde. Dann nickte sie ihrer Sklavin zu. "Fertig, Portia. Du kannst den Abtransport organisieren. Das Schiff legt morgen ab. Ich habe ein Zimmer in der Nähe des Hafens gemietet, in der Taberna "Granum et Vennuncula". Lass die Sachen dort hinbringen und gib mir Bescheid wenn der Reisewagen da ist."

    Die blutige Prozedur hatte ein Ende. Mit den Füßen in einer metallenen Schüssel hatte Chrysogona der Kaiserin mit einem gezielten und oftmals geübten Schnitt mit dem Skalpell eine Vene geöffnet. In zwei Rinnsalen war das Blut an den grazilen Unterschenkeln der jungen Frau hinuntergelaufen und hatte einen See zu Füßen der Kaiserin gebildet. Mit geschultem Blick interpretierte die Medica die Farbe und Zusammensetzung des Körpersaftes. Dann legte sie an beiden geöffneten Venen einen Druckverband an, stoppte die Blutung und gab ihrer Sklavin den Wink die Beine der Kaiserin mit sauberem Wasser zu reinigen. Zufrieden betrachtete die den Inhalt der Schüssel. Der blutigste Tag der Behandlung ... vorerst.




    Als sie nachmittags nach Serena sah war die junge Frau ein Häuflein Elend. Sie rang um Fassung, Tränen glitzerten in ihren Augen. Es war überdeutlich, dass die harte Behandlung ihre Spuren zeigte. Chrysogona setzte sich zu der Kaiserin und nahm ihre Hand.
    "Es tut mir sehr leid, dass ich dir heute so weh tun musste, Serena. Ich mache das nicht gerne, glaub mir das bitte. Aber es war notwendig, um deinen Körper ausreichend zu reinigen. Nun müsste eine gute Basis geschaffen sein. Mit der richtigen Ernährung, Sport und den passenden Bädern und Heilmitteln können wir dir sicher helfen."


    Sie sah der jungen Frau in die wassergefüllten Augen. "Und wir sind noch lange nicht am Ende unserer Möglichkeiten, Serena. Gewiss nicht."

    Nach der Zusage des Kaisers, sie nach Alexandria reisen zu lassen, setzte sich Chrysogona an den Schreibtisch um ihrem Vater zu antworten.



    Ad
    Gaius Plinius Phoebus
    Archiatros am Museion von Alexandria


    Chaire mein werter Vater,


    beglückt las ich deine Zeilen. Es scheint so, als erfreutest du dich ungebrochenen Lerneifers und das wiederum lässt mich hoffen, dass es dir gesundheitlich ebenfalls gut geht.
    Natürlich hat mich deine Beschreibung des berühmten Herophilos von Samothrake neugierig gemacht. Ich habe auch gleich den Kaiser um eine Beurlaubung ersucht, damit ich zum einen dich wiedersehen, und zum anderen die Vorlesungen des illustren Mannes besuchen kann.
    Der Kaiser hat zugestimmt! Und so bin ich noch mit einigen Vorbereitungen in Rom beschäftigt, werde mich aber spätestens zu den Kalenden des Iulius auf ein Schiff nach Alexandria begeben, so dass ich hoffe, bei günstigen Winden und guten Wetterbedingungen zu den Iden oder ein wenig später in Alexandria zu sein.
    Bitte kündige dem hochverehrten Herophilos von Samothrake meine verspätete Teilnahme aufgrund der weiten Anreise an und bitte ihn vorab um Verzeihung.


    In innigster Umarmung,
    sto kalo,
    Deine Tochter Chysogona


    Medica personalis
    TIBERIUS AQUILIUS SEVERUS AUGUSTUS

    Pünktlich zur siebten Stunde am zehnten Tag vor den Kalenden des Iulius erschien die Medica personalis des Kaisers an der Pforte der Villa Flavia Felix. Ihr Sklave trug einen Korb aus dem diverse Schriftrollen ragten. Auch wenn sie sicher war, dass der Pontifex Manius Flavius Gracchus über eine eigene Bibliothek verfügte, so war sie doch unsicher inwieweit die Werke, die sie gerne zur Standortbestimmung eines Heiligtums für den Tempel- und Therapiekomplex des Aesculapius zu Rate ziehen wollte, in seinem Fundus vorhanden waren. Sie hatte deshalb ihre Ausgabe des Corpus Hippokraticum und der Naturalis Historia des älteren Plinius mitgebracht.


    Als der Sklave die Hand zum Klopfen ausstreckte, rückte sie ihren bodenlangen Himation und das faltenreiche weiße Gewand darunter zurecht. Sie besuchte den Pontifex pro magistro, also den Vertreter des Pontifex maximus und den Vorstand des Collegiums Pontificum. Da war es angebracht auf die äußere Erscheinung zu achten. Dann ertöte das Klopfen und Chrysogona erwartete den Ianitor, um eingelassen zu werden.

    Der Kaiser zögerte nicht lange. Chrysogona war überrascht. Er stimmte zu unter der Voraussetzung, dass die Praetorianer den Vertreter für zuverlässig befinden würden.
    "Besten Dank, mein Kaiser! Ich hoffe, dass die neu gewonnenen Erkenntnisse in Alexandria deiner und der Gesundheit deiner Familie nutzbringend sein werden. Dann warte ich die Zustimmung der Cohortes Praetoriae ab, bevor ich meinem Vater antworte und meinen Besuch ankündige. Sei versichert, dass ich auf dem schnellsten Wege nach Rom zurückkehren werde, sobald die Lehrvorlesungen beendet sind."


    Sie neigte den Kopf und überließ den Kaiser seinen Amtsgeschäften.



    Sim-Off:

    Ich gehe von einer Zustimmung der Praetorianer aus

    Nach der allmorgendlichen Visite näherte sich die Medica personalis dem Kaiser. Sie wartete bis er seine Gespräche beendet hatte, dann wandte sie sich direkt an ihn.
    "Verzeih, mein Kaiser, ich hätte eine Frage oder vielmehr eine Bitte. Mein Vater schrieb mir. Wie du sicher noch weißt, ist er Archiatros am Museion von Alexandria. Dort ist zur Zeit ein gelehrter Mann als Dozent: Herophilus von Samothrake. Er ist bekannt als herausragender Anatom, Chirurg und Lehrmeister. Jetzt wollte ich fragen, ob du dir vorstellen kannst, mich für einige wenige Wochen zu entbehren, damit ich mich weiterbilden kann. Ich würde dir in der Zwischenzeit einen geschätzten Kollengen, den Empiriker Decimus Metilius Dalmaticus, als Vertretung empfehlen. Er hat bereits zugestimmt, wenn deine Sicherheitsfachleute es zulassen, sich während meiner Abwesenheit um dein Wohl und das deiner Familie zu kümmern."


    Gespannt und ein wenig besorgt wartete die Medica auf die Antwort des Kaisers.

    Die Medica ließ den Brief sinken. Eine tiefe Sehnsucht ergriff sie. Schon seit vielen Jahren hatte sie ihren Vater nicht mehr persönlich gesehen. Sie hatten regen Briefverkehr gehabt und auch über Bekannte, die zwischen Alexandria und Kos reisten, mündliche Botschaften und Neuigkeiten ausgetauscht, doch quälte sie die Sehnsucht danach, ihren Vater noch einmal zu besuchen. Er musste ein alter Mann sein inzwischen. Dazu die Gelegenheit einen der besten Anatomen, Chirurgen und Lehrmeister der Medizin, Herophilos von Samothrake, kennenzulernen und seinen Vorlesungen zu lauschen. Was für eine einmalige Chance!


    Chrysogona grübelte eine Weile. Sollte sie den Versuch wagen und den Kaiser darum bitten für einige Lehrvorlesungen nach Alexandria reisen zu dürfen? Sie beschloss einen Kollegen, den sie in ihrem Dienst am Asklepiustempel kennengelernt hatte, um die Vertretung zu bitten, bevor sie beim Kaiser vorstellig würde. Schon gleich wollte sie dies in Angriff nehmen. Wenn sie den Kaiser in besten Händen wusste, konnte sie auch eine Reise nach Alexandria planen.