Corvus wusste ganz genau, worüber der Kaiser da sprach.
Die XXII. Legion hatte sich damals, vor rund 2 ½ Jahren, dem Aufstand des Usurpators Appius Porcius Laeca angeschlossen. Sie war gemeinsam mit der Legio XXXII Adiutrix in Italia gelandet und auf Rom zu marschiert. Zuvor hatte ein verräterischer Tribun, sein Name war Agnus Pilerius Valus gewesen, den damaligen Kommandeur ermorden lassen und die Befehlsgewalt an sich gerissen. Die vereinte Armee der Aufständischen war dann schließlich in Campania von einem kaisertreuen Heer gestellt und geschlagen worden.
Pilerius Valus hatte man bereits vor der Schlacht ergriffen. Es war ein gezielter Hinterhalt gewesen, ermöglicht durch die Informationen einiger mutiger Informanten und durchgeführt – ja, durchgeführt von ihm selbst. Corvus erinnerte sich noch gut an die Falle bei der Brücke und an den blutigen Kampf, Mann gegen Mann. Er konnte sich an die Gesichter der Männer erinnern, die er damals getötet hatte, Männer der XXII., deren Kommandeur er nun werden würde. Welch eine Ironie!
Pilerius Valus starb schließlich, halb wahnsinnig, im Kerker der Prätorianer. Laeca floh nach Parthia, wo er von König Oroes wenig freundlich empfangen wurde und seinen Kopf verlor. Ulpius Iulianus zeigte sich nach seinem Sieg milde – gar zu nachsichtig, wie einige damals meinten – denn er bestrafte nur einige wenige Stabsoffiziere, verschonte aber die einfachen Soldaten und fast alle Truppenoffiziere. Den aufständischen Legionen erlaubte er, in ihre alten Stammlager zurückzukehren. Aber an der XXII. Legion haftete seit dem natürlich die Schande des Verrats. Ihre Ehre war ramponiert und es war nur zu verständlich, dass der Kaiser sich bei seinem Feldzug nicht auf ihre Treue verlassen wollt, denn die hatte sich als höchst brüchig erwiesen.
Kurz gesagt, er würde eine unzuverlässige Legion mit angeschlagener Moral übernehmen und musste außerdem für längere Zeit auf die Hälfte der normalerweise in Ägypten stationierten römischen Streitkräfte verzichten.
Doch er wollte auf keinen Fall Zweifel an seiner Tatkraft aufkommen lassen und darum sagte er: “Die XXII., ich verstehe. Ich bin über ihre besondere Situation im Bilde. Sei unbesorgt, Imperator, sie wird unter meinem Kommando treu zu Rom und treu zu dir stehen. Sollten sich noch immer Spuren von Aufsässigkeit im Truppenkörper befinden, werde ich nicht zögern, sie mit harter Hand zu beseitigen.“