Carbo verließ nach seiner kleinen Ansprache die Bühne und lief danach die Stufen der Zuschauerränge hinauf und setzte sich auf einen noch freien Platz, um ebenfalls das Stück zu verfolgen, als da auch schon der Prologos, der erste Teil des Stücks begann.
Prologos (1-50)
Eine Palastfassade ist als Bühnenbild angedeutet und davor kommen Jünglinge, Kinder und Priester zusammen und legen Öl- und Lorbeerzweige auf die Altäre und setzen sich auf die Stufen, als da König Ödipus aus dem Palast tritt.
Er ruft: "Oh Kinder! Kadmos', des alten, neuer Stamm! Was sitzt ihr flehend mir auf diesen Stufen da, mit des Schutzsuchenden Zweigen reich geschmückt, indes die Stadt von Weihrauch überquillt, zugleich von Bittgesängen und von Schmerzgestöhn?"
König Ödipus spricht damit einen Priester an, der als Sprecher der Schar fungieren soll und will von ihm ihr Begehr hören, als dieser ihm antwortet:
"Nun, Herrscher meines Landes Ödipus! Du siehst, wie wir, verschiednen Alters, an deinen Altären sitzen! Das andre Volk, mit Kränzen reich geschmückt, hockt an den Märkten und der Pallas beiden Tempeln und des weissagenden Asche des Ismenos." Der Priester führt weiter aus, dass die Stadt in Aufruhr ist und das Vieh stirbt und Frauen unfruchtbar sind und die Pest sich in der Stadt ausbreitet. Der Priester führt aus, dass sie König Ödipus nicht achten würden, doch da er sie immerhin damals bei seiner Ankunft als Jüngling sie alle vor der grausamen Sphinx gerettet hatte, so soll er die Stadt erneut erretten, egal ob mit der Hilfe eines Gottes, oder ohne. Er soll ihr Flehen erhören und die Stadt wieder aufrichten.
König Ödipus entgegnet, dass er als König schon längst über dieses Problem nachdenkt. So hat er ja schon deshalb Kreon, Menoikeus' Sohn und Ödipus' Schwager, ausgesandt, um beim Orakel des Phoibos Apollon erkunden zu lassen, wie der Stadt zu helfen sei. Zudem gibt der König bekannt, dass er in Sorge um Kreon sei, da er schon ungewöhnlich lange fort ist. Das ist das Stichwort für den Priester, um zu rufen: "Nun, zur rechten Zeit sprachst du von ihm. Gerade geben mir die Zeichen, Kreon schreite dort heran."
"Oh Herr Apollon! Käm er doch mit einem rettenden Geschick, strahlend wie sein Auge!"
"Gut gelaunt ist er, wie's scheint; denn sonst käm er nicht, das Haupt so reich bekränzt mit früchtereichem Lorbeer."
Ödipus ruft daraufhin den jetzt auftretenden Kreon, sein Schwager und Menoikeus' Sohn, an und will von ihm wissen, welchen Spruch des Gottes Apollon er ihnen bringe. Kreon, ein Schauspieler in der Maske eines jungen Mannes, antwortet ihnen nicht sofort direkt darauf, doch als Ödipus ihn weiter drängt, so spricht sein Schwager: "So will ich sagen, was ich von dem Gott gehört: Es befiehlt uns Phoibos klar, des Landes Schandfleck, auf diesem Erdenstück genährt, hinauszujagen, nicht bis unheilbar er wird, ihn fortzunähren."
Natürlich will Ödipus sofort wissen, wie das zu bewerkstelligen sei und Kreon antwortet ihm, dass dies durch Ächtung, oder Sühne, die Tod mit Tod vertilgt, zu lösen sei. Als der König daraufhin wissen will, wer dieser Mann sei, der so viel Leid über diese Stadt bringe, verkündet Kreon, dass vor Ödipus einst Laios König ihrer Stadt gewesen war und dass er auf offener Landstraße ermordet wurde und es nun gilt diesen Mörder zu finden und zu bestrafen, um den Zorn der Götter zu besänftigen. Ödipus drängt auf Kreon weiter ein wo dieser Mörder zu finden sei, doch dieser weiß nur, dass König Laios einst mit einem kleinen Gefolge ausgezogen war, um das Orakel zu befragen, doch starb er unterwegs wie gesagt. Auch alle seine Begleiter wurden erschlagen, bis auf einen, der floh und von dieser Episode erzählte. Doch konnte niemand die Sache weiterverfolgen, so Kreon, da damals noch die schreckliche Sphinx die Stadt des Laios fest in ihren Fängen hielt, ehe Ödipus kam und sie in ihren Rätselspielen besiegte.
König Ödipus ist besorgt, dass der Mörder des Laios auch ihm nach dem Leben trachten könnte, weshalb der das Volk dazu aufruft von den Stufen aufzustehen und die Kränze mitzunehmen. Ein anderer soll Kadmos' Volk (also die Bevölkerung Thebens) hier versammeln, da Ödipus persönlich mithelfen will den Mörder zu fassen und seiner Stadt Theben damit endlich wieder Frieden bringen zu können.
Die Jünglinge, Kinder und Priester ziehen ab, Ödipus und Kreon gehen in den Palast.
Schauspieler in dieser Szene: König Ödipus, Priester, Kreon
Zum besseren Verständnis: Das antike griechische Theater setzte sich nach Sophokles einerseits aus einem 12-15 köpfigen Chor zusammen, der immer erst nach dem Prologos einzog und dann in der runden Orchestra vorn bei den Zuschauertribünen stand und singend, oder unisono sprechend die gezeigte Handlung kommentierte, oder in diese eingriff. Ansonsten agierten andererseits auch noch auf der hinter der Orchestra liegenden Skené (der eigentlichen Bühne mit dem Bühnenbild) nur 3 Schauspieler, die alle Rollen zu spielen hatten, z.B. durch Maskenwechsel.
Ich erwähne das nicht nur, damit auch ihr genau wisst, wie das abläuft und was genau zu sehen ist, sondern auch, weil ich nicht genau sagen kann, wer diese Priester, Jünglinge und Kinder genau sind, die in meiner Textausgabe da ganz zu Beginn der Szenenbeschreibung erwähnt werden, da sie natürlich nicht zu den 3 Schauspielern zählen können, aber auch nicht zum Chor, weil der erst später im nächsten Teil, dem sogenannten Parodos einzieht. Aber sie untermalen wunderschön die Eingangsbeschreibung wie ich finde, weshalb ich sie so auch übernommen habe (und im ersten Post der Einfachheit jetzt einmal "Statisten" getauft habe.