Beiträge von Norius Carbo

    Carbo verließ also die Taberna Silva Nigra und überquerte das Forum. Dabei kam er an Fabulo vorbei und schnappte etwas von seiner aktuellen Geschichte auf. Anscheinend erzählte sein alter Freund den Leuten etwas von König Midas. Guter Mann, wenn nur nicht die Eselsohren und sein "goldener Daumen" gewesen wären. Mit Blick auf den Sitz der Stadtregierung konnte er bereits eine Gestalt ausmachen, die dort unterm Portikus offensichtlich auf jemanden wartete, das musste Carbos Mann sein. So ging er vollends zu ihm. "Salve, ich bin Norius Carbo, Magister Vici dieses Viertels. Ich hörte du benötigst meine Unterstützung?"



    Asinus, ein Händler


    Der Angesprochene wandte sich ihm zu und musterte ihn. Carbo nutzte die Gelegenheit, um seinerseits sein gegenüber einer optischen Überprüfung zu unterziehen. Er wirkte nicht arm, jedoch auch nicht wohlhabend. Asinus konnte zudem ein Allerweltsgesicht sein Eigen nennen, Carbo dachte sich, würde er ihm auf der Straße begegnen, er würde ihn nicht registrieren, so unauffällig wirkte er. Als Dieb war so eine Eigenschaft Gold wert, doch das wollte er Asinus natürlich nicht sofort unterstellen, wo er ihn überhaupt nicht kannte. Asinus musste mit Carbos Erscheinung (er trug heute eine dunkelgrüne Tunika mit Blattdekorationen, dazu hatte er mehrere Wachstafeln unterm Arm und einen Griffel hinterm Ohr) auch halbwegs zufrieden sein, denn er sprach: "Salve, Magister Vici, es freut mich, dass du Zeit finden konntes, um meinem Anliegen dein Ohr zu leihen, ich bin Asinus aus Massilia."
    Carbo pfiff. "Das ist nicht gerade um die Ecke. Was hat dich denn soweit nach Norden an die Grenze des Imperiums verschlagen, wobei ich dir helfen soll?" Asinus sah sich um. "Nicht hier, komm Magister! Und schon steuerte er mehr die Mitte des Forums an, weg von der Curia. Carbo hob fragend eine Braue, als er ihm nachfolgte. Das musste ja was ganz besonderes sein. Asinus lotste Carbo auf ein freies Stück Platz, mitten auf dem Forum. Da Mittagszeit herrschte und die meisten Leute essen waren, war ihre Umgebung beinahe schon verwaist und sie konnten genau sehen, wer wie nah bei ihnen war und dementsprechend ihre Lautstärke beim Sprechen anpassen, ohne, dass irgendwelche Uneingeweihten etwas davon mitbekamen. Doch wozu das ganze?!

    Carbo hatte das Gefühl je eher sich seine Amtszeit mit riesen Schritten dem Ende näherte (und das tat sie ja immerhin), so schrumpfte der Berg an Aufgaben und Problemen nicht, nein, er wuchs eher noch. Die Aufträge und Missionen der höheren Magistrate wollten erledigt werden, die Renovierung der Larenschreine mussten geplant und beaufsichtigt werden, die Laren selbst verlangten natürlich von ihm ihre regelmäßigen Opfer, zahlreiche Anliegen von Vicani, die mit ihren Problemen zu ihm kamen, seine Probleme mit dem so gut wie aufgebrauchten Budget trotz noch anfallender Kosten und nicht zu vergessen der Theaterspielplan des örtlichen Theaters, der seine Aufmerksamkeit verlangte. Und das waren nur die wichtigsten Dinge!
    Zeitweise fühlte es sich ähnlich an wie damals, als er am Ende seiner Scriba-Laufbahn fast ebenso viel (wenn nicht sogar mehr) um die Ohren gehabt hatte. Doch trotz seines unveränderten Personenstatus als Peregrinus war seine Wichtigkeit (temporär) für die Gesellschaft und seine Bekanntheit durchaus gestiegen, weshalb Carbo die zusätzlichen Strapatzen dieses Amtes gerne annahm. Konnte er doch inzwischen einen ähnlichen Bekanntheitsgrad in Mogontiacum aufweisen wie der Geschichtenerzähler Fabulo vom Forum und das mochte durchaus schon etwas heißen.


    Doch diese Sisyphusarbeit als Magister Vici zehrte mit der Zeit an Carbos Konstitution und er hatte ganz leichte Augenringe bekommen und war öfters müde. So auch heute. Trotz dass gerade einmal Mittag war, fühlte sich der Junge bereits jetzt schon abgekämpft und rastreif. Die letzte Nacht hatte er sich größenteils mit Berichten und Finanzunterlagen zu seinem Laren-Projekt und der Recherche für sein Buch über die Magistrate der Stadt um die Ohren geschlagen. Und dann waren am Morgen von seinem Scriba Titus so "gute" Nachrichten an ihn herangetragen worden wie, dass der Schrein mit den Germanenrunen komplett ersetzt werden müsste, anstatt bloß einmal komplett zu reinigen und dafür war einfach kein Geld mehr übrig. Carbo musste auch so schon Extragelder auftreiben, wenn er sein privates Amtszeitsziel erreichen und eine eigene Aedicula der Stadt stiften wollte. Da hatte ihm das gerade noch gefehlt. Über all diese Finanzangelegenheiten hatte er fast den von Titus ausgemachten Termin mit einem gewissen Asinus (von Beruf Händler) vergessen, der auf den Stufen der Curia Mogontiaci auf ihn wartete. Eigentlich hatte Carbo schon in der Taberna Silva Nigra gestanden, um sich für sein Mittagessen nach einem freien Platz umzusehen (hmm was war ihm nach einem herzhaften Gersten-Bohnen-Eintopf mit Ziegenkäse und Kräutern!), als es ihm urplötzlich wieder eingefallen war beim Anblick eines ihm bekannten Händlers. Grummelnd und ärgerlich war er also wieder von dannen gezogen, um sich mit diesem Asinus zu treffen.

    "...ist es mir hiermit eine große Freude diesen Schrein der Öffentlichkeit zu übergeben", endete Carbo nach der Weihe und tosender Applaus brandete auf, während er grinsend und stolz auf den fertigen Larenschein, auf dem in der Malerei sein Wappen prangte, das er für sich verwendete, seit er dieses Amt inne hatte; ein doppelfischschwänziger Wassergott als Symbol für Danuvius, dem großen norischen Flussgott seiner Heimat. Mittlerweile war dieses Wappen als Zeichen Carbos bekannt bei einigen Leuten, da es auf inzwischen drei neu gebauten und fertiggestellten Larenschreinen erstrahlte, inklusive dem gerade eingeweihten Bau (auch Carbos amtliche Verkündungen nicht zu vergessen, wo er es ebenfalls verwendete).


    Es hatte sich gerade der Applaus wieder gelegt und Carbo wollte sich abwenden, um sich dem Tagesgeschäft zu widmen, als da Titus in der Menge auftauchte und sich zu ihm durchboxte. Er zog Carbo am Ärmel und dieser drehte sich zu ihm um. "Es ist aussichtslos, die Schmierereien lassen sich nicht restlos entfernen, ohne, dass die Grundsubstanz des Schreins irreparablen Schaden nimmt." raunte er ihm zu. Mittlerweile hatte er sich in seinem Botendasein abgefunden und motzte nicht mehr ganz so häufig darüber. Carbo brummte. "Und wenn man es einfach kitten und übermalen würde?"
    "Alles schon versucht, doch die abgeschlagenen Teile haben zu große Löcher im Bau hinterlassen. Man könnte sie natürlich anstückeln, doch wie lange würde das halten?" Ein Seuftzer entfuhr dem Magister Vici, während er sich umdrehte und überlegte. "Geld für noch einen Neubau ist einfach nicht mehr drinn im Budget", sprach er mehr zu sich selbst als zu Titus. Was sollte er also tun? Das war vielleicht die Gelegenheit, um sein Vorhaben anzufangen, eine eigene Aedicula der Stadt zu spenden. Doch an jenem abgelegenen Standort, wo bereits jetzt schon einer stand? Offenbar musste er sich entscheiden; entweder Extrageld organisieren und diesen Schrein ersetzen, dafür aber auf den Bau einer eigenen Aedicula verzichten , oder ihn bloß die geplante Reinigung im Rahmen des Budgets zukommen zu lassen und das noch zu beschaffende Extrageld für eine eigene Aedicula verwenden?
    Nun gut, kam dieser Punkt also auf seine gut gefüllte Liste an offenen Posten. "Wie stehen die Arbeiten bei den übrigen Schreinen?" fragte er deshalb. "Die Grundreinigungen konnten alle abgeschlossen werden, es fehlt nur noch der mit den germanischen Runen. Bei den Neubauten muss nur noch einer in Angriff genommen werden, dann ist auch dies vollendet." meinte Titus mit kurzem Kontrollblick auf seine Tabulae. Wenigstens das waren gute Nachrichten. "Gut, gibt es sonst noch etwas?" Titus prüfte kurz seine Notizen. "Ein Händler namens Asinus benötigt später deine Hilfe, Magister Vici, ich habe ihm gesagt, er soll zur Mittagsstunde am Eingang der Curia Mogontiaci auf dich warten, ansonsten jedoch nichts im Moment."
    "Ich kümmere mich darum, danke, das wäre alles für heute, du kannst nachhause gehen." Sein Scriba nickte und wandte sich zum Gehen. Carbo, indessen, wandte sich wieder zum soeben eingeweihten Schrein um, wo bereits ein zwei Vicani mit dem einen, oder anderen Anliegen auf ihn zukamen.

    Fleißig wie immer wuselte es in letzter Zeit in Mogoniacum unter der Ägide von Magister Vici Carbo. Alle von ihm und Titus aufgenommenen Daten waren sorgfältig ausgewertet und verarbeitet worden und Carbo hatte daraus einen Ablaufplan erstellt, den er und einige andere von ihm zusammengestellten Bauteams abarbeiten mussten, gemäß des ebenfalls von ihm aufgestellten Zeitplans.
    So kam es, dass sich, nicht lange nach seinem kleinen Rundgang, die ersten zwei Gruppen bereits ans Werk machten, um den ersten Schrein bei der Castra Legionis II Germanicae komplett abzureißen und den zweiten bei der Porta Confluentes der angedachten Grundreinigung zu unterziehen. Carbo indess kontrollierte laufend beide Baustellen neben seinen zahlreichen anderen Pflichten als Magister Vici und er war für die Bautruppleiter laufend erreichbar in Form von Titus, der die "dankbare" Aufgabe erhalten hatte als Laufbursche zu fungieren. Der zweite Schrein war weit weniger Arbeit als der erste. Er wurde gründlich geschrubt und vom auf ihm lastenden Zahn der Zeit befreit, ehe er auch schon wieder in neuem Glanz erstrahlte und glänzte und das Team zum nächsten Schrein weiter konnte. Das war der, der mit den germanischen Runen beschmiert und bemeisselt worden war, ein sicherlich noch hartnäckiger Zeitgenosse, an dem die Arbeiter wohl ein Weilchen länger zu nagen hätten.


    Der andere Bautrupp indes hatte den ersten Schrein komplett abgetragen. Carbo war dabei anwesend gewesen und hatte die noch brauchbaren Teile nummeriert und katalogisiert, damit sie später im Neubau wiederverwendet werden konnten. Nachdem das Abbauen erledigt war, zog der Trupp zum nächsten Schrein weiter, ein absichtlich ausgewählter, der bloß gereinigt werden musste, da Carbo es vermeiden wollte, dass alle maroden Schreine gleichzeitig abgebaut wurden und es darüber vielleicht Verärgerungen in der Bevölkerung geben könnte. So hatte er vor immer nur einen Schrein auf einmal abzubauen. Zum Glück waren es nur ein paar, bei denen das wirklich nötig war. Die weiteren Arbeiten bei diesem speziellen Schrein übernahm dann eine eigene Spezialgruppe, die aus zwei Steinmetzen und einem Bildhauer bestand, die unter Verwendung der aufgehobenen Spolien den neuen Larenschrein aus diversen Gesteinen und Marmoren herauszuzimmern hatten. Auch ein Maler war schon gefunden und damit beauftragt worden sich um die neue Malerei des Geisterheiligtums zu kümmern. So nahm der Schrein nach und nach seine neue Form an Ort und Stelle an, während die beiden anderen Trupps weiterhin durch die Stadt zogen, um die zu reinigenden Schreine zu reinigen, ehe der erste vollkommen fertig und bereit zur Einweihung wäre und der nächste baufällige Kandidat bereit zur Erneuerung wäre und dann immer so weiter, alles zusammengehalten durch Carbos dichte Strukturplanung und zeitliche und ressourcentechnische Organisation.

    "Ich würde sagen Grundreinigung und ein paar kleinere sonstige Ausbesserungen, vor allem hier oben bei den teils abgeschlagenen Verzierungen." meinte Carbo und deutete auf die besagten Stellen. Titus notierte auch diese letzten Details, anschließend ließ er sich auf die Schreinstufe fallen und seufzte tief. "Das war der letzte, endlich sind wir fertig mit diesem Gewaltmarsch." Carbo sah ihn mit einem mitleidigen Lächeln schief von der Seite her an. "Was ist los? War dieser kleine Stadtspaziergang etwa schon zu viel für dich?" Titus prustete. "Stadtspaziergang?! Du meinst wohl Gewaltmarsch mit Akkordschreibarbeit!" echauffierte sich der Kerl. Carbo konnte ihn einfach nicht ernst nehmen. Amüsiert den Kopf schüttelnd nahm er sich Titus' Aufzeichnungen und ging noch einmal die Liste der Reihe nach durch.
    "Das war bisher bloß die Bestandsaufnahme, das Vorspiel, wenn du so willst. Die harte Arbeit und der witzige Teil beginnen JETZT erst." Wieder seufzte Titus."Vorspiel! Ooooh! Was würd ich jetzt nicht alles für ein dralles Weib geben mit Brüsten wie..." Carbo schlug ihn mit der Tabula auf den Hinterkopf, "Reiß dich zusammen Mann!" wies er ihn zurecht. Das warf kein gutes Licht auf ihn als Amtsträger, sollten die Leute rund um sie mitbekommen wie und worüber der Gehilfe des Magister Vici in aller Öffentlichkeit sprach. "Du warst mir auf jeden Fall eine große Hilfe, Titus, danke! Du kannst dich zurückziehen, ich komme für heute von hier aus alleine in dieser Angelegenheit weiter." So verabschiedete sich sein Gehilfe und trollte sich in die nächste Taverne. Oder Lupanar, so genau wollte das carbo im Grunde auch gar nicht wissen.


    Für ihn zählte jetzt, dass er die heute angefertigten Unterlagen zuhause an seinem Schreibtisch noch einmal gründlich studieren wollte. Anschließend würde er sich um die praktische Umsetzung der Renovierungsarbeiten der einzelnen Larenschreine machen.

    Am ersten Tag des Festes war Carbo schon früh auf den Beinen. Man sah ihn in der ganzen Stadt herumhuschen, stets darauf bedacht zu kontrollieren, ob alles vorhanden war und der Rest seine Richtigkeit hatte. Bisher war alles gut gegangen. Seine Helfer hatten an den Kreuzungen die Bänke aufgestellt, für die Logistik der Nahrungsverteilung auf den öffentlichen Festtafeln war auch gesorgt und die Musiker ebenfalls vollzählig anwesend. Innerlich seufzte Carbo immer noch, was für einen Berg an Geld alleine dieses eine Fest von seinem Budget fressen würde, doch zum Glück waren die Compitalien schon zuvor in seinen Finanzrahmen einkalkuliert gewesen, ehe er das Fest vollkommen vergessen hatte....nunja also zumindest fast ganz einkalkuliert. Denn die aufzuführenden Gladiatorenspiele hatte Carbo ja in seiner Rechnung vergessen gehabt, dafür hatten nun dann gleich drei Theatervorführungen glauben müssen, doch jetzt am Tag des Geschehens war alles nötige geregelt.
    Am Vormittag waren die Tafeln an den Larenschreinen schon gut besucht, die Bewohner Mogontiacums frönten dem Leben und schlemmerten unter Gerufe und Gelache. Begleitet von den beiden Musikern, die an jeder großen Kreuzung standen und ihre Instrumente zupften zur lautmalerischen Unterhaltung der Gäste. Carbo selbst kümmerte sich um die reibungslosen Abläufe des Festes, doch auch so fand er immer wieder die Zeit, um sich zu dem einen, oder anderen Tisch hinzuzusetzen. Er plauderte mit den Einwohnern und guten Bekannten von ihm und natürlich nahmen ihn einige Leute sogar heute in seiner Funktion als Magister Vici in Beschlag, in dem sie ihm ihre Probleme vortrugen. Ein paar konnte Carbo gleich vor Ort abhandeln, die komplizierteren Fälle jedoch ließ er sich von seinem Schreiber Titus notieren, damit er sich später darum kümmern könnte. So verging der erste Tag der Compitalien und es wurde Abend und wieder Tag.


    Dieser bildete den Höhepunkt des Festes, denn heute fanden die Gladiatorenkämpfe statt! Das Volk strömte schon frühmorgens herbei und es herrschte noch ausgelassenere Stimmung, als am Vortag. Endlich einmal wieder Gladiatorenspiele! Doch auch Carbo war höchst nervös und euphorisch, denn als amtierender Magister Vici, der die Compitalien für Mogontiacum austrug, besaß er für die Dauer des Festes das Privileg eine römische Toga anlegen zu dürfen. Er, der kleine Peregrinus aus Noricum dürfte für drei Tage eine Toga tragen! Und noch besser, nicht irgendeine, sondern eine purpurverbrämte Toga praetexta! Das Amtszeichen der höheren römischen Magistrate und einiger Priester. Er freute sich schon ungemein auf dieses Ereignis, doch hatte Carbo eine Entscheidung getroffen. Er wollte, dass das ein ganz besonderer Augenblick für ihn bleiben würde, weshalb er die Toga praetexta nur heute am zweiten Tag, während der Spiele, tragen wollte. Als die Ränge zum größten Teil gefüllt waren und auch Carbo in seiner staatstragenden Aufmachung auf dem ihm zugedachten Platz war, eröffnete er die Spiele und das erste Paar Gladiatoren trat in die Arena. Ein Murmillo gegen einen Retiarius. Der Kampf dauerte seine Zeit, denn der Retiarius war geschickt. Er nutzte seine höhere Bewegungsfreiheit aus, um den mehr gepanzerten Murmillo ständig zu umtänzeln und mit dem Dreizack wo es nur ging diesem Stöße zu versetzen, gleichzeitig dabei stets jedoch darauf bedacht selbst außer Reichweite seines Gladius zu bleiben. Meist konnte der Murmillo die Dreizackangriffe mit seinem Scutum abwehren, doch wurde er schon bald davon müde und seine Deckung begann löchrig zu werden, ein Umstand, der ihm auf Dauer den Sieg kostete und der Retiarius gewann.
    Carbo jubelte ihm genau wie alle anderen zu, natürlich hatte auch er auf den Dreizackkämpfer gesetzt. Nach dem ersten Gladiatorenpaar folgte ein Thraker gegen einen Secutor, eine spannende Mischung, da beide besser ausgerüstet waren (in etwa auf dem gleichen Level) als die anderen Kontrahenten zuvor. Diesen Kampf gewann der Secutor und so ging es immer weiter, bis sich irgendwann auch Tag 2 der Compitalien seinem Ende näherte und nach einem nochmaligen ausgedehnten Mahl an den Kreuzungen sich die Leute gesättigt und glücklich nachhause begaben, um Kraft für den dritten und letzten Tag anzusparen.


    Der letzte Festtag gestaltete sich ähnlich wie der erste und so fanden die Compitalien schließlich ihr Ende. Carbo ging am letzten Abend grinsend nachhause mit einem bisher nur selten empfundenen Hochgefühl. Diese Aufgabe hatte er gemeistert.

    Die nächsten Schreine inspizierten sie (zurück auf der Hauptstraße und langsam in Richtung der südwestlichen bzw. rechten Stadthälfte wandernd) in eisigem Schweigen. Carbo war pikiert über Titus' Respektlosigkeit ihm und der Stadt Mogontiacum gegenüber und Titus war das alles hier sowieso egal...außerdem mochte er Carbos engagierte Art nicht. Aber Geld war nun mal Geld, für etwas (oder jemanden) anderes hätte er sowieso keinen Finger krumm gemacht.


    In dieser Stadthälfte gab es schätzungsweise um die elf Larenschreine an den elf großen Kreuzungen. Die ersten drei waren halbwegs in Ordnung, dem nächsten musste doch später noch etwas mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden, als den anderen bisherigen und der jetzige war eine völlige Katastrophe. "Vermutlich noch ein Fall für einen Neubau" murmelte Carbo, während er dich den Schrein so besah und Titus pflichtgemäß ein "Neubau" neben dem Eintrag des besagten Schreins hinkritzelte.


    Nicht mehr viel und sie hätten auch diese Stadthälfte fertig. Dann würden nur noch die Larenschreine entlang der großen Hauptverkehrsstraßen in der Mitte Mogontiacums von Süd nach Nord fehlen und schon wäre die Inspektion vollständig und es könnten erste handfeste Maßnahmen unternommen werden.

    Es heißt, der Magister Vici hatte während der von ihm ausgetragenen Spiele im Zuge der Compitalien das Recht die Toga praetexta zu tragen.


    Da Carbo jedoch kein Römer ist und dieses Fest zudem im IR bisher auch nicht geregelt ist wollte ich hier fragen, darf er das?



    EDIT: Achja noch was, macht es wirklich noch Sinn den Theaterspielplan von 2006(!) im Panem et Circensis-Unterforum Mogontiacums anzupinnen?
    Beim zweiten hier angepinnten Thread ("Aufbau" von Valentin Duccius Germanicus) ist zudem der Bildlink kaputt und das Bild selbst nicht mehr sichtbar. Ich habe den neuen Link des gleichen Bildes von der gleichen Website hier:


    Bildlink: http://www.antikefan.de/staett…er/mainz_t077_reko_kl.jpg


    Kann man den bitte austauschen, damit das Bild wieder sichtbar ist und auch der Quellenlink wieder stimmt?

    An alle Einwohner Mogontiacums und hier stationierte Angehörige der Armee!


    Ihr seid wieder einmal herzlich von mir eingeladen euch an einem Thread von mir zu beteiligen. :)


    Und zwar an den Festivitäten der Ludi Compitales die ihr hier vorfindet.


    Ich weiß nicht, ob es dieses Fest hier im IR überhaupt gibt, aber da ich davon in der Wikipedia gelesen habe und wir RL zufällig jetzt sogar die richtige Zeit haben, wo die Compitalien stattgefunden hätten, dachte ich, ich mache diesen Spielanreiz einfach mal für euch auf. ;)

    Das Neujahr hielt eine ganz besondere Aufgabe für Carbo bereit, die Ludi Compitales standen an! Die Compitalien waren ein dreitägiges Fest nach den Saturnalien, zu Ehren der Schutzgeister der Wegkreuzungen. Und da der Kult der Lares Compitales in den Aufgabenbereich des Magister Vicis fiel, wurde von diesem natürlich auch dann die Organisation und Austragung der Compitalien in seinem Vicus erwartet. Insbesondere, dass er für Spiele sorgte. Carbo war nur durch Zufall daran erinnert worden, als er Mitte December mit einem Einwohner seines Bezirks gesprochen hatte. Also zum Glück noch rechtzeitig, um alles nötige organisieren zu können.


    Carbo selbst hatte noch nie an den Compitalien in Mogontiacum teilgenommen, doch von 1-2 Besuchen dieses Festes zuhause früher in Noricum wusste er zumindest ungefähr, was er alles tun musste. Er wusste, dass die Familien zuerst bei ihnen zuhause zusammenkommen würden, um gemeinsam zu speisen und zu trinken und in der Nacht vor und nach den Ludi Compitales für jedes freie Familienmitglied je eine Wollpuppe und für jeden Sklaven ein Wollknäuel in die häusliche Kultnische gehängt. Das war der private Teil, der Carbo nichts anging. Er war Kraft seines Amtes jedoch für den öffentlichen Teil zuständig. Bänke und Tische mussten her, um an jeder größeren Wegkreuzung beim dortigen Larenschrein aufgestellt zu werden. Auch Wein, Essen und je zwei Musiker zur musischen Untermalung des Festschmauses an jeder Kreuzung (letzteres eine Idee Carbos) wollten organisiert werden. Und natürlich die Spiele. Gladiatorenspiele waren in Carbos ohnehin schon mehr als knapp bemessenen Budget einfach nicht drinnen, weshalb er umdisponieren musste. Wenn die Leute Spiele wollten, mussten sie eben dafür auf 1-3 Wochen Theater (während seiner Amtszeit gab es ja jede Woche je eine Vorstellung eines immer anderen Stücks) verzichten. So plante er also das Geld, das eigentlich für insgesamt drei Vorführungen im Theater geplant war, herzunehmen, um damit einmal Gladiatorenspiele am zweiten Tag der Compitalien zu finanzieren. Ein Kompromiss, den er schon Tage vor Beginn des Festes überall im Vicus Apollinensis öffentlich nachlesbar anschlagen hatte lassen.


    Die Bänke und Tische waren kein Problem, da hierfür die Curia welche besaß, die jedes Jahr immer aufgestellt wurden. Was das Essen und den Wein anging, so hatte Carbo schon Tage zuvor damit begonnen Vorräte anzukaufen und entsprechende Aufträge an die entsprechenden Betriebe, wie Bäcker, Garküchen und Schlachter, etc. zu verteilen, damit genug Essen für alle da war während dieser drei besonderen Tage.

    1. Kommos (649-696)


    "Vertraue, woll es, denk es,
    Ich bitte, König!
    "


    "Wie, willst du, dass ich weiche dir?"


    "Den, der nie vormals törig war,
    Und nun im Eide groß,
    Ehr ihn!
    "


    "Weißt du, was du verlangst?"


    "Ich weiß es."


    "Sag, was du meinst!"


    "Du sollst den heilig Lieben
    Niemals in Schuld
    Mit ungewissem Wort
    Ehrlos vertreiben.
    "


    "Wenn du dieses suchest, suchst
    Du mein Verderben oder Landesflucht.
    "


    "Das nicht! bei aller Götter
    Vorläufer Helios!
    Denn gottlos, freundlos
    Im äußersten will ich untergehn,
    Wenn solchen Gedanken ich habe.
    Mir Unglücklichen aber ermattet
    Vom welkenden Lande die Seele,
    Wenn die auch kommen, zu Übeln die Übel,
    Zu den alten die euern.
    "


    "So mag er gehn, muß ich durchaus gleich sterben,
    Ehrlos verbannt vom Lande mit Gewalt.
    Von dir, von diesem nicht erbarmet mich
    Der Jammermund. Der sei durchaus mir Abscheu!
    "


    "Feig bist du, wenn du traurig weichst, und wenn du
    Schwer über deinen Mut springst. Solche Seelen,
    Unwillig tragen sie mit Recht sich selbst.
    "


    "Lässt du mich nicht und gehst hinaus?"


    "Ich gehe,
    Von dir misskannt, doch gleichgesinnt mit diesen.
    "


    Kreon geht ab.


    "Weib! willst du diesen
    Ins Haus hinein nicht bringen?
    "


    "Weiß ich erst, was es ist."


    "Ein Schein ist unbekannt in die Worte
    Gekommen, aber es sticht
    Auch Ungerechtes.
    "


    "Von ihnen beiden?"


    "Gewiss."


    "Und welches war das Wort?"


    "Da mir genug, genug das Land schon müd ist,
    So dürft es wohl so bleiben, wie es steht.
    "


    "Sieh, wo du hinkommst mit der guten Meinung,
    Wenn du das Meine lässest und das Herz umkehrst.
    "


    "Ich hab es gesagt, oh König!
    Nicht einmal nur, du weißt es aber,
    Gedankenlos, ausschweifend
    Im Weisen, erschien' ich,
    Wenn ich von dir mich trennte.
    Du! der mein Land, das liebe,
    In Mühn umirrend,
    Recht hat geführt mit günstigem Winde,
    Auch jetzt noch fahre glücklich, wenn du kannst.
    "


    Sim-Off:

    Schauspieler in dieser Szene: König Ödipus, Kreon, Iokaste, Chor


    Sim-Off:

    Zum besseren Verständnis: Der Kommos ist ein wechselseitiger Klagegesang in der griechischen Tragödie, indem abwechselnd ein Schauspieler und dann wieder der Chor singen. Der Kommos tritt für gewöhnlich innerhalb eines Epeisodions auf, weshalb ich das bei diesem Stück so aufgeteilt habe, dass ihr nicht ein einziges fettes Epeisodion + Kommos darin erhaltet, sondern das 2. Epeisodion in drei Teile zergliedert wird; 1. Teil, Kommos, 2. Teil.

    Carbo verfolgte gespannt die Handlung. Die Zwischenlieder des Chors interessierten ihn weniger, dafür boten die Schauspieler im Prologos und dem 1. Epeisodion eine umso bessere Darbietung. Auch wenn er die Handlung schon kannte, bekam er eine Gänsehaut, als Teiresias der Seher Ödipus als Mörder des Laios anprangerte! Die Darsteller waren einfach zu gut!
    Ein wahrer Glücksgriff, den Carbo mit ihnen da gemacht hatte. Sicher, durch die übergroßen Masken die sie tragen mussten, waren sie in ihrem Spiel eingeschränkter, als sie es ohne gewohnt waren, doch trotzdem verstanden sie es die dargebotenen Handlungen und Gefühle auf der Bühne perfekt über ihre Gestik und der Variation ihrer Stimme zu transportieren. Ein Vorteil, den die Schauspieler durch ihre Masken gewannen war, dass diese ihre Stimme verstärkte beim Sprechen und sie so besser als sonst zu hören waren, selbst oben noch in den letzten Reihen. Jetzt, nachdem Carbo wieder einmal eines der Lieder des Chors überstanden hat, begann sogleich das 2. Epeisodion. Voller Vorfreude setzte er sich ein wenig auf, um besser sehen zu können und blickte hinunter auf den Ort des Geschehens.


    2. Epeisodion (512-862) (1. Teil)


    Kreon tritt wieder aus dem Palast hervor und eilt ganz an den Rand der Skené und ruft dem vor ihm stehenden Chor unter Klagen zu, dass er soeben erst gehört habe, was Ödipus von ihm denkt. Er ertrage es nicht, so Kreon, dass durch den König alle Welt jetzt glauben sollte, dass er ein Mörder sei, der dem König nach dem Leben trachte, er wolle so nicht länger leben, denn dieses Gerede über ihn wäre nicht harmlos, sondern äußerst schadhaft für Kreons Ruf.
    Da tritt der Chorführer mit seiner Greisenmaske einen Schritt hervor und ruft zu Kreon aus der Orchestra hinauf: "Nun kam dieser Vorwurf, doch vielleicht mehr vom Zorn erzwungen als aus klarem Kopfe."
    "Das Wort jedoch, es trat ans Licht, dass meinem Rate folgend der Seher seine Lügensprüche sprach?"
    "Gesagt zwar wurde das, doch weiß ich nicht, in welchem Sinn."
    "Und geraden Auges und geraden Sinns wurde dieser Vorwurf gegen mich erhoben?"
    "Ich weiß es nicht. Was die Mächtigen tun, ich seh es nicht. Doch eben kommt er selber aus dem Hause dort."


    Ödipus kommt nun ebenfalls aus dem Palast wieder hervor und sieht sogleich seinen Schwager da stehen. Er ruft ihn an, wie Kreon -immerhin als verschworener Mordsbruder gegen ihn- es wagen könne einfach so vor seinem Palast zu erscheinen und welche Schwäche er denn an ihm, Ödipus, entdeckt haben mochte, dass er sich überhaupt zu so einer schändlichen Tat entschloss? Ob er nicht auf die Idee gekommen war, dass der König schon längst bescheid wusste, doch einfach nur noch nichts dagegen unternommen hatte und wie er sich überhaupt Erfolgschancen ausrechne, so ganz ohne Unterstützung aus dem Volk, oder von Freunden? Kreon ruft nun seinerseits Ödipus an und die beiden giften sich eine Weile gegenseitig an, bis Kreon dann von seinem König wissen will, welches Leid dieser denn schon durch ihn erlitten hätte?
    So antwortet dieser ihm: "Drangst du doch nicht in mich, ich solle nach dem ehrenwerten Seher jemanden entsenden?"
    "Und steh noch jetzt zu diesem Rat."
    Hernach will Ödipus von seinem Schwager wissen, wie lange es eigentlich schon her sei, dass Laios, der alte König, tot sei? Schon sehr lange, so die Antwort Kreons. Und weiter fragt Ödipus, ob Teiresias auch damals schon als Seher gewirkt habe? Kreons Antwort lautet auch hier, dass dies durchaus der Wahrheit entspräche und der Seher schon damals hoch geachtet gewesen sei. Ob er wohl dann Ödipus schon damals einmal erwähnt habe?
    Doch das muss Kreon verneinen. Das Verhör des Königs geht weiter. So will er als nächstes wissen, ob man nicht schon damals nach dem Verschwundenen gesucht hätte? Ja, doch die Suche sei ergebnislos geblieben. Mit der nächsten Frage meint der König nun, Kreon endlich in die Enge zu treiben. Er fragt ihn, wieso der Seher das denn schon nicht damals ausgesprochen habe? Darauf weiß Kreon keine Antwort, weshalb er es für besser hält darüber zu schweigen. Doch dann ist er am Zuge, jetzt wolle er seinerseits Ödipus ins Kreuzverhör nehmen.
    Darauf der König: "Frag zu! Gewiss nicht wird man mich als Mörder fangen."
    Kreon beginnt seine Fragen damit, ob Ödipus denn nicht seine, Kreons Schwester, Iokaste, zur Frau hätte und mit ihr zu gleichen Teilen über dieses Land herrschen würde? Natürlich sei das so, so der König. Er würde alles für sein geliebtes Eheweib tun. Kreon führt weiter aus, wenn dem so sei, so wäre er selbst den beiden doch als dritter gleichgestellt? Ödipus bejaht das und gibt zu bedenken, dass gerade deshalb Kreons Verrat an ihm so schändlich sei.
    Doch der Schwager erwidert darauf, dass, wenn dem wirklich so sei, es doch keinen Grund für ihn gebe, Ödipus töten zu wollen, denn wozu? Kreon will kein Herrscher sein, oder herrschaftlich handeln müssen. Denn jetzt bekommt er alles neidlos, was er will und ist mit jedem gut Freund. Als König wäre er gezwungen zu regieren, wieso sich so etwas auflasten, wo er jetzt schon genügend kummerlose Macht und einen hohen Rang besitzt?
    Zum Beweis, dass er recht gesprochen habe, solle Ödipus zum Orakel eilen und selbst nachforschen, ob Kreon ihn denn nicht wahrheitsgetreu die Worte der Pytho weitergetragen habe? Solle er wirklich entdecken, dass er gelogen habe zusammen mit dem Seher, so könne Ödipus ihn ruhig fangen und töten, dann auch mit Kreons Segen! Doch ohne Beweise solle er ihn zu keiner Zeit anklagen. Auch meint er, dass nur die Zeit einen Mann als gerecht erweisen würde, einen schlechten Menschen jedoch erkenne man auch schon bloß an einem Tag.


    Der Chorführer ist anscheinend Kreons Meinung, denn er spricht da: "Gut sprach er für jeden, der sich in Acht nimmt vor dem Fall,. Herr! Wer schnell denkt, strauchelt leicht."
    "Wenn einer einen Anschlag plant im Dunkeln, schnell vorgeht, so muss schnell auch ich entgegenplanen. Wart ich aber in aller Ruhe zu, so wird sein Tun von Erfolg gekrönt, meines aber zuschanden sein."
    "Was also wünschst du? Aus dem Lande mich zu werfen?"
    "Nein, Nein! Sterben sollst du, nicht verbannt sein nur; DAS will ich!"
    "Erst, wenn du zeigst, was es mit dem Neide auf sich hat."
    "Du sprichst wie einer, der nicht weichen, noch gehorchen will."
    "Ja, denn ich sehe, du bist nicht bei Sinnen."


    Ödipus meint daraufhin, für seinen Teil wäre er es schon, was Kreon wiederum verneint. Er sei schlecht. Die beiden sind drauf und dran in einen Streit darüber auszubrechen, ob Ödipus schlecht sei und man ihm deshalb nicht mehr gehorchen müsse, als sie da der Chorführer unterbricht und ruft: "Hört auf, ihr Herren! Zur rechten Zeit für euch seh ich dort Iokaste aus den Häusern kommen, mit der den jetzt entstandnen Zwist ihr gütlich regeln sollt."
    Und wirklich, die Königin Iokaste, Gemahlin des Ödipus und Schwester des Kreon, tritt anmutsvoll aus dem Palast. Der sie verkörpernde (männliche) Schauspieler ist eher klein und sehr zierlich und trägt neben Frauengewändern eine Frauenmaske mit ganz besonders feingliedrigen Zügen. Iokaste ruft die beiden Streithähne an, wie sie sich hier vor dem Palast eigentlich so sehr über persönliche Belange streiten könnten, wo doch gleichzeitig das ganze Land so sehr leidet und krank ist? Einer strengen Mutter gleich schickt sie Ödipus zurück in den Palast und Kreon solle auf der Stelle nachhause gehen. Kreon will seiner Schwester klar machen, was Ödipus ihm antun will. Ja, mit Recht! so Ödipus, denn immerhin hätte er ja Teiresias und Kreon beim Aushecken dieser finsteren Verschwörung entdeckt.
    "Nicht glücklich will ich sein, sondern elendig zugrunde gehen, wenn ich dir irgendwas von dem, was du zur Last mir legst, getan."
    "Oh bei den Göttern, glaube dieses Ödipus, vor allem aus Scheu vor diesem Göttereid, dann auch vor mir und diesen hier, die bei dir stehn!"



    Sim-Off:

    Schauspieler in dieser Szene: König Ödipus, Kreon, Iokaste, Chorführer

    Und weiter ging der Spaziergang von Carbo und Titus zur Überprüfung der Larenschreine. Der nächste war noch gut in Schuss, weshalb bei ihm wohl nichts gemacht werden musste und auch der übernächste sah so aus, als ob er noch ein paar Jährchen stehen würde. Anders jedoch der nächste, schon sehr weit im Norden, ja fast schon beim Stadttor gelegen. Der Schrein befand sich auf einem ganz kleinen, durch die hohen Mietshäuser rundum sehr beengt wirkenden, halbdunklen Plätzchen, an dem sich mehrere Gassen und eine Straße kreuzten. Nicht gerade einer der Hauptverkehrswege Mogontiacums, doch vor ein bis zwei Nebengassen war Carbo aus einer spontanen Laune heraus einfach von der großen Straße ins Gewirr des Stadtinneren abgebogen, nachdem sie sich zuvor die ganze Zeit ziehmlich exakt entlang der westlich-nordwestlichen Stadtmauer auf dem dortigen Hauptweg aufgehalten hatten. Doch jetzt, nachdem Carbo den Schrein jenes Platzes vor sich sah, war er froh, einmal auch auf einem der weniger wichtigen Plätze vorbeigeschaut zu haben, denn germanische Runen waren überall auf das Bauwerk geschmiert, gemalt, ja manche sogar eingemeißelt worden!
    Selbst der immer an allem etwas desinteressierte Titus pfiff beim Anblick dieses "Kunstwerks" und meinte: "Wow, entweder hat da jemand diesen Larenschrein mutwillig schänden wollen, oder wir haben einige äußerst engagierte Germanen in unserer schönen Stadt..." Carbo sah das weniger witzig. "Oder aber diese Schriftzeichen drücken eine Botschaft aus, die die Verfasser -ich tippe im Lichte dessen, dass es germanische Runen sind auf Germanen- die an die Römer, also an dich und die anderen hier, adressiert ist, wenn ich auch nicht sagen könnte, was da steht. Ähnliche Vorfälle kenne ich nämlich aus meiner Heimat Noricum, dort gab es einmal in Iuvavum eine Serie von Beschmierungen in norischer Sprache, initiiert durch einen halbstarken Häuptlingssohn und seiner Bande, die dachten, sie könnten eine Revolute gegen die Römer anzetteln. Es begann mit Geschmiere und römerfeindlichen Parolen, doch schnell artete es in echtem Terror aus. Römische Ortsansässige wurden auf offener Straße belästigt und bestohlen, oder verletzt und später dann gingen sie sogar soweit den einen oder anderen Soldaten während seines Wachdienstes anzugreifen und öffentliche Schmähreden gegen den Statthalter der Provinz zu führen und die Römer allgemein wo es nur ging zu beleidigen und..."
    "Ok ok, schon kapiert. Es war alles ganz ganz furchtbar damals und du fürchtest nun die gleiche Geschichte auch hier in Mogontiacum, stimmts?" unterbrach ihn da Titus, dem die zum immer längeren Monolog ausgearteten Einschätzung der Lage langweilig geworden war. Was interessierte es ihn auch? Dann war eben der Schrein beschmiert worden, du meine Güte, worüber sich der Magister Vici so alles aufregen konnte...


    Carbo schluckte eine bissige Antwort ob seiner Unterbrechung hinunter und meinte nur: "Nun, so etwas in der Art, ja."
    "Und wenn es so wäre, mich geht das dann sowieso nichts mehr an. Nach deiner Amtszeit, wenn du mich nicht mehr brauchst werde ich weg sein und dann heißt es "Salve Hellas"! Und wenn Mogontiacum abbrennen sollte, ich würds dann sowieso nicht mehr merken, also mir egal, wenn Germanen oder jugendliche Räuberbanden hier randalieren sollten." Carbo horchte auf. "Griechenland? Was willst du denn dort, so weit von Germanien weg?" fragte er überrascht. Titus meinte daraufhin nur, dass er jung sei und die Welt sehen wollte, außerdem würde er das warme Klima des Südens dem Frost des germanischen Nordens bevorzugen und vielleicht auch in Athen studieren, das wolle er sich später dann einmal genauer überlegen, wenn es soweit war darüber eine Entscheidung zu fällen, nur weg von diesem Kuhkaff an der Grenze.
    Carbo stimmte insbesondere Titus' letzter Behauptung von Mogontiacums Zivilisationsgrad nicht zu, doch beließ er es bei einem einfachen: "Na gut, wenn wir uns jetzt wieder auf unsere Arbeit konzentrieren könnten?" und ging mit seinem Scriba in Richtung nächster Schrein.

    "Oh, Danke, gerne!" freute sich Carbo über die Erfrischung, während er sich nach der Begrüßung setzte. "Vielen Dank, o Servilius Saxula! Ich gebe zu es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass so viele Leute einen vertrauen und mich gewählt haben, wenn ich auch noch sehr, sehr nervös bin zeitweise. Ich hoffe ich werde keine Enttäuschung sein." lächelte er zaghaft.


    Sim-Off:

    Sry, hab ich doch glatt meinen eigenen Thread vergessen... -.^ :D

    Ganz so, wie er es sich damals während seines Rundgangs zur Inspektion der Larenschreine vorgenommen hatte, wollte Carbo den heutigen Tag für ein paar erste kleine Recherchen im städtischen Archiv nutzen.
    Als verdienter ehemaliger Mitarbeiter der Curia und quasi "Wiederbegründer des Archivs" besaß er noch immer einen Schlüssel zu diesem Raum im ersten Stock des Stadtverwaltungsgebäudes. Auch freuten sich alle in der vorgelagerten Schreibstube, als da plötzlich Carbo wieder mitten unter seinen alten Scribakameraden stand. "Carbo! Du hast dich ja schon eine Ewigkeit nicht mehr sehen lassen!", oder "Seht nur wer da ist! Unser Freund Carbo!" erschollen die Rufe hier und dort. Carbo freute sich ebenfalls seine Kollegen wiederzusehen und so plauschte er kurz mit ihnen, ehe er weiter ins Archiv hinauf ging.


    Ihm gefiel diese ruhige und etwas kühle Umgebung, hier würde er gut arbeiten können. Doch Halt, "Arbeit" war schon Mal das richtige Stichwort. Denn natürlich würde er gleich hier seine Studien betreiben wollen und dafür musste ein Schreibtisch her. So lief er noch einmal wieder hinunter in die Schreibstube und sagte: "Ich würde gerne in den nächsten Tagen und Wochen einige Recherchearbeiten im Archiv tätigen wollen, wann immer es mein enger Zeitplan ermöglicht. Kann mir jemand dafür bitte einen Schreibtisch hinaufstellen?" Gerne waren da seine alten Kollegen bereit ihm zu helfen! Rasch war aus dem Lager ein bisher unbenutzter Tisch hervorgeholt und die Stufen hinaufgeschafft worden, sodass Carbo schon wenig später an seinem brandneuen Zweitarbeitsplatz oben im Archiv Platz nehmen konnte. Der Tisch stand direkt an der Wand, hinter jenem Regal, das er selbst als Stadtschreiber gezimmert hatte. Vor sich hatte er ein Fenster mit Blick auf das Forum vor sich und am Tisch selbst stand eine Öllampe und Schreibmaterial. An diesem Ort wollte sich Carbo in die Vergangenheit des Amtes des Magister Vici von Mogontiacum fuxen.


    Sim-Off:

    Ziel dieser Story ist es, dass Carbo gegen Ende seiner Amtszeit als Magister Vici ein simOn-Buch fertig haben sollte, das die Amtszeiten aller bisherigen Magister Vici aufzählt und kurz zusammenfasst (Mit Option auf Ausweitung auf alle bisherigen mogontiacischen Amtsträger, aber fangen wir einmal klein an). Den Text des Buches würde ich dann gerne tatsächlich hier im Forum posten, damit auch jeder von euch darin die Amtszeiten früherer Amtsträger nachlesen kann, ohne dafür stundenlang tausende von Benutzerbeiträgen einzelner Spieler durcharbeiten zu müssen, mir fehle nur noch ein geeigneter Postingort dafür. :D


    Es ist auch klar, dass ich mich in dieser Recherchestory und später im Buch ausschließlich auf wirkliche Spieler-IDs konzentrieren und alle anderen NSC-Characktere ignorieren werde, denn das würde den Rahmen sprengen und zudem sollten "in der Realität" ja ohnehin weit mehr Magistri Vici jedes Jahr tätig sein, als tatsächlich in diesem RPG.

    Carbo glühte immer noch förmlich vor Stolz, da ER jetzt neuer Magister Vici seines Stadtbezirks war. Dass das Ygrid jedoch mehr oder weniger egal war bekam er nicht einmal mit in seinem Freudentaumel. Viel zu sehr war er damit beschäftigt in Gedanken all seine zukünftigen Vorhaben durchzugehen und auseinander zu sortieren. Was sollte er wann machen? Welcher Starttermin wäre für was am besten? Was sollte Priorität haben? Was konnte hintangestellt werden? Fragen über Fragen.
    Er wollte seinen Sponsor auf jeden Fall nicht enttäuschen und noch wichtiger; auch sich selbst nicht. Carbo wollte sein Amt von Anfang an richtig anpacken. Irgendwie würde das alles bestimmt schon gehen. Wahrscheinlich würde er wohl mit einem kleinen Inspektionsrundgang durch den Vicus beginnen, um einmal alle Larenschreine in Augenschein zu nehmen. Anschließend würde er sich um die Organisation des ersten Theaterstücks kümmern. Das war ein Plan. Jetzt zu seinen privaten Planungen. Er musste umziehen und hatte dafür schon eine passende Mietswohnung gefunden. Ok. Er hatte dies Ygrid mitgeteilt und sie war im Bilde. Ok. Der Umzug selbst würde gerade Mal eine halbe Stunde dauern bei dem wenigen was er besaß und dem Nichts, das Ygrid ihr Eigen nannte. Ebenfalls ok. Blieb dann also nur noch sein Versprechen an sie, ihr Latein beizubringen und sie zu den Thermen zu führen. Eigentlich hatte er sie ja dorthin heute schon bringen wollen, während er am Forum gewesen war, doch war es sich hint' und vorne einfach nicht mehr ausgegangen. Und zudem Ygrid...moment einmal, hatte sie nicht soeben etwas gefragt?
    Carbo schreckte aus seinen Gedanken hoch. "Hä? Was?"


    Sim-Off:

    Der Kerl hat gerade mal vier Sätze gesprochen...und das ist bei dir "plappern wie ein Wasserfall"?! :P :D

    1. Stasimon (463-511)


    Das erste Epeisodion ist vorbei und der Chor beginnt wieder zu singen:


    Wer ist's, von welchem prophezeiend
    Gesprochen hat der delphische Fels,
    Als hab Unsäglichstes
    Vollendet er mit blutigen Händen?
    Es kommet die Stunde, da kräftiger er
    Denn sturmgleich wandelnde Rosse muss
    Zu der Flucht die Füße bewegen.
    Denn gewaffnet auf ihn stürzt
    Mit Feuer und Wetterstrahl
    Zeus' Sohn, und gewaltig kommen zugleich
    Die unerbittlichen Moiren.


    Geglänzt hat nämlich vom
    Schneeweißen, eben erschienen
    Ist von Parnassos die Sage,
    Der verborgene Mann sei überall zu erforschen.
    Denn er irret unter wildem Wald
    In Höhlen und Felsen, dem Stier gleich,
    Der Unglückliche mit Unglücksfüßen, verwaist,
    Die Prophezeiungen flieht er,
    Die, aus der Mitte der Erd,
    Allzeit lebendig fliegen umher.


    Gewaltiges regt, Gewaltiges auf
    Der weise Vogeldeuter;
    Das weder klar ist noch sich leugnet,
    Und was ich sagen soll, ich weiß nicht,
    Flieg aber in Hoffnungen auf,
    Nicht hieher schauend noch rückwärts.
    Denn was ein Streit ist zwischen
    Den Labdakiden und Polybos' Sohn,
    Nicht vormals hab ich's
    Gewusst, noch weiß ich jetzt auch,
    In welcher Prüfung
    Ich begegne
    Der fremden Sage von Ödipus,
    Den Labdakiden ein Helfer
    Im verborgenen Tode.


    Zeus aber und Apollon
    Sind weis und kennen die Sterblichen.
    Daß aber unter Männern
    Ein Seher mehr ist geachtet denn ich,
    Ist nicht ein wahres Urteil.
    Mit Weisheit die Weisheit
    Erwidre der Mann.
    Nicht möcht ist aber jemals, eh ich säh
    Ein gerades Wort, mich unter
    Den Tadelnden zeigen. Denn offenbar
    Kam über ihn die geflügelte Jungfrau
    Vormals, und weise erschien sie,
    In der Prüfung aber freundlich der Stadt. Darum
    Nach meinem Sinn niemals
    Wird er es büßen, das Schlimme.


    Das Lied des Chors verstummt und das erste Stasimon ist zu Ende.


    Sim-Off:

    Schauspieler in dieser Szene: Chor

    1. Epeisodion (216-462)


    Ödipus verlässt den Palast und wendet sich an den Chor. Er apelliert an ihn, dass er, Ödipus alleine nicht weit kommen würde bei der Forschung nach dem Übeltäter, weshalb er auf die Hilfe seines Volkes baut. Er gebietet jedem, der etwas genaueres zum Mörder des Laios, Sohn des Labdakos, weiß, hervorzutreten und zu sprechen. Der, oder diejenige sollten nur keine Angst davor haben, selbst wenn sie sich selbst beschuldigen sollten, da König Ödipus sie bloß des Landes verbannen würde nach einer Selbstanzeige, körperlich unversehrt. Und wenn aber jemand anderen kennt, der die Tat verübte, so darf er keinesfalls schweigen, denn Belohnung winkt demjenigen und des Königs Dank noch dazu. Sollte aber einer einen Freund, oder Kumpanen decken, der der Täter war, dann soll dieser eine verflucht sein. Niemand soll ihn aufnehmen, oder mit ihm sprechen und auch von den Opfern und Gebeten an die Götter soll er ausgeschlossen sein und kein geweihtes Wasser darf er mehr erhalten. Ödipus macht sich für das Opfer, König Laios, stark und will sein Waffenbruder sein und will dem Mörder das gleiche Schicksal eines Verfluchten und Verbannten herabbeschwören, wie zuvor auch schon einem, der den Mörder decken sollte. Dann jedoch tritt Ödipus einen Schritt vor und erhebt die rechte Hand zum Tadel an den Chor, denn sie, das Volk von Theben war auch in seinen Augen mitschuldig an der Misere. An ihnen wäre es gelegen nachzuforschen und trotzdem hatten sie dies versäumt. Doch jetzt, da er, Ödipus, ihr König wäre und Bett und Frau des Toten hat (die von Laios, wie auch Ödipus die Leibesfrucht austrug), so will Ödipus für Laios fechten, als ob dieser sein eigen Vater wäre, bis der Mörder gefunden und gefasst wäre. Diejenigen, die sich diesem Wunsch des Königs verweigern und bei der Suche nicht mithelfen wollen wünscht Ödipus das Verderben und dass deren Frauen unfruchtbar werden, während die anderen hingegen, die ihm helfen wollen, mit dem Segen aller Götter frohgemut ans Werk gehen sollen.


    Nach diesem langen Monolog des Ödipus lässt sich der Chorführer natürlich nicht beirren und tritt nun seinerseits vor, um sich selbst und das Volk von Theben zu verteidigen, nachdem Ödipus ja auch diesem Verfehlungen an der Sache vorgeworfen hatte. So spricht er, dass er zumindest nicht der Mörder sei und auch nicht sagen könnte, wer es sonst noch gewesen sein könnte. Nur Phoibos Apollon alleine könnte dies wissen, wer der Täter sei. Ödipus entgegnet, dass der Gott ihnen mit seinen seherischen Kräften wohl kaum helfen würde, woraufhin der Chorführer entgegnet: "Ich weiß, Phoibos, dem Herrn, an Seherkraft fast ebenbürtig ist der Herr Teiresias. Von dem könnts einer, der dies untersucht, am deutlichsten erfahren." Doch auch dies hat der König schon bedacht, denn Ödipus reißt die Arme auseinander und ruft: "Ha! Auch dies versäumt ich nicht, denn dies ist schon ins Werk gesetzt. So sandte ich, wie Kreon riet, zwei Boten nach ihm aus. Dass er nicht längst schon hier ist wundert mich."
    Daraufhin sprechen sie noch kurz über den Fall, ehe auch endlich schon der alte, blinde Seher Teiresias erscheint. Er wird von einem Knaben geführt und von den beiden Boten des Ödipus begleitet. Ödipus läuft gleich zu ihm und beschwört ihn in einem erneuten längeren Monolog darin, rasch seine Seherskunst zum Wohle der Stadt und ihrer aller einzusetzen und den Namen des Mörders des Laios zu nennen. Teiresias jedoch will nicht so recht mit der Sprache herausrücken, was Ödipus gar nicht gefällt. Teiresias sagt dem König mehrmals, dass er nicht sprechen wolle, zu seinem eigenen und auch zu Ödipus' Wohl. Ödipus zettert weiter und will unbedingt, dass der Alte endlich mit der Sprache herausrückt, ja er geht sogar soweit Teiresias selbst als Komplizen dieser Tat zu betiteln, was den Seher gar nicht gefällt und ihn sogar dazu bringt, doch noch allen zu verkünden, was die Götterkraft ihn sehen ließ: "Wirklich? Ich fordere dich auf, bei dem Gebot, das vorhin du verkündet hast, zu bleiben und von dem heutigen Tage an die Leute hier nicht wieder anzureden, auch nicht mich; denn dieses Land heilloser Besudler bist DU!"


    Ödipus kann gar nicht glauben, was sich der Alte da anmaßt! Doch Teiresias wiederholt seine Anschuldigung. Er selbst, Ödipus, sei der Mörder des Laios! Ja, der König stecke sogar noch tiefer im Übel, als er ahne. Doch Ödipus stellt sich taub für des Sehers Anschuldigungen und verschmäht und verhöhnt den Seher, ja droht ihm sogar. Er geht sogar soweit, dass er auch Kreon der Komplizenschaft bezichtigt, auch wenn Teiresias gleich einwirft, dass der König von seinem Schwager nichts zu befürchten hätte, sondern nur Ödipus von sich selbst. Doch Ödipus rückt nicht ab von seiner neuesten Idee. Kreon und Teiresias hätten sich verschworen, um Ödipus den Thron zu rauben, damit an dessen Stelle dann, der Schwager König der Thebaner werden könne! Wo hätte sich Teiresias denn schon bewährt? Gewiss hätte er nicht einmal die Sehersgabe und sei blind und taub für die Ratschlüsse der Götter, so Ödipus an den Seher. Denn, wieso hatte er, Teiresias, damals mit seiner Göttergabe nicht die finstre Sphinx besiegt mit ihrem Rätsel, um die Stadt zu retten? Wieso hatte da er, der nichtsahnende Ödipus extra des Weges kommen müssen, um dies Leid hinwegzunehmen? Das schon wäre der Beweis, dass Teiresias ein Scharlatan, aber niemals Seher ist! Wäre er nicht schon blind und alt, so der König, er würde ihn schlimmste Qualen jetzt und sofort angedeihen lassen.
    Dem Chorführer fällt auf, dass nun beide im Zorn sprechen, doch wird er einfach ignoriert und Teiresias setzt dazu an, sich zu verteidigen. Er selbst sei nämlich alleinig der Diener des sehenden Gottes Apollon und könne daher niemals ein Gefolgsmann des Kreon sein. Außerdem habe Ödipus seine Blindheit verhöhnt, wo er doch gleichzeitig selbst nicht sieht, wie tief er im Übel stecke und auch nicht, wo er gerade wohne und mit wem er hause. Er sei ein Feind der seinen, für den es einst nur treffend war, aus diesem Land gejagt worden zu sein durch der Mutter und des Vaters Fluch. Bald schon würde Ödipus bestimmt selbst erkennen, in welch verderblichen Ehehafen er da eingefahren sei bei der Besteigung dieses Thrones und der Annahme dieses, seines Eheweibes. Deshalb solle er nicht Kreon und ihn beschmutzen, wo doch er selbst der Schlimmste aller Sterblichen sei!


    Ödipus hat genug. Weg mit Teiresias! Dieser hingegen erwidert, er wäre ja gar nicht erst gekommen, hätte Ödipus ihn nicht rufen lassen. Ödipus bereut es, den Alten geholt zu haben, wo er seiner Meinung nach ja nichts als Schwachsinn von sich gebe. Daraufhin der Seher: "So bin ich von Geburt, so wie dir scheint, ein Narr, in den Augen deiner Eltern aber ein kluger Mann." Das rüttelt Ödipus noch einmal auf. "Wie, welchen Eltern? Bleib! Wer hat mich gezeugt?" Der Seher sagt, dass dieser Tag Ödipus zeugen würde...und auch vernichten!
    Ödipus glaubt es nicht. Er sei immerhin bis jetzt sehr erfolgreich gewesen in allem, was er angefangen hatte. Doch Teiresias sagt ihm gerade dieser Erfolg hätte ihn vernichtet. Doch diese Worte prallen an dem König einfach ab und Ödipus bleibt bei seiner Hybris als strahlender Retter dieser Stadt, der er ja sei.
    Nun hat auch der Seher genug: "So geh ich denn und du, Knabe, bring mich fort!"
    "Ja, bring er dich fort, denn hier bist du im Weg und lästig! Pack dich und du kannst nicht weiter quälen!"
    "Ich gehe fort, doch werf ich ins Antlitz dir das Wort, um dessenwillen ich herkam, denn dein Arm erreicht mich nicht. Ich sage dir: den du mit Heroldsrufen und Flüchen suchest, jener Laiosmörder, der Mann ist hier am Ort. Ein Fremder, meint man, zugezogen, doch dann wird als gebürtiger Thebaner er sich entpuppen! Von einem Sehenden zum Blinden, Jetzt reich, doch dann als Bettler, wird er am Stabe sich ins Elend tasten. Es wird bekannt, dass er mit seinen Kindern haust, als ihr Bruder und zugleich als Vater, und von der er abstammt, des Weibes Sohn und Gatte, und des Vaters Genoss' im Eh'bett und zugleich sein Mörder. Nun, König, geh' hinein und denke diesem nach, und lüg' ich dir zuletzt, dann höhne mich!"


    Der Seher und sein Knabe gehen zur Stadt. Ödipus kehrt in den Palast zurück.



    Sim-Off:

    Schauspieler in dieser Szene: König Ödipus, Chorführer, Teiresias

    Carbo merkte schon, wie lange es tatsächlich her war, seit er zuletzt ein richtiges Theaterstück gesehen hatte, denn es begeisterte ihn bis in die Haarspitzen, König Ödipus, Kreon und den anderen bei ihrem Spiel zuzusehen. Er hatte das Theater zuvor extra immer während der Proben gemieden, da er sich diesen besonderen Moment nicht verderben wollte, wenn er endlich wieder in die Welt der griechischen Tragödie und der Komödie abtauchen konnte. Er liebte solche Theaterstücke einfach. Ja...vielleicht, so ein ganz versteckter, eigennütziger Teil seines Geistes denkend, hatte er die kommende Theaterreihe nicht für die Bevölkerung Mogontiacums, sondern aus purem Eigennutz für sich selbst auf die Beine gestellt, damit er auch fern der Heimat Noricum hier in Germanien an einem Ort regelmäßig Schauspiele ansehen konnte, wo (seiner bisherigen Erfahrung nach) normalerweise keine stattfinden und er dies wie gesagt nur zu seiner puren Unterhaltung organisiert hatte.


    Naja, wie gesagt, so dachte nur ein kleiner schlechter Teil Carbos, jenen Taugenichts von Teilstück des Verstandes, den wohl jeder Mensch in sich trägt, denn der übergroße Rest seines Ichs hatte das mogontiacische Theater natürlich in erster Linie für die hier lebenden Menschen reaktiviert, damit sie in einem vergnügten Leben schwelgen konnten, wie die verwöhnten Schnösel aus Rom mit ihrer permanenten Zerstreuung durch Wagenrennen und Gladiatorenkämpfe.


    Gespannt verfolgte der frisch gebackene Magister Vici den Prologos der Tragödie. Heute war noch ein ganz besonderer Tag zusätzlich für Carbo, denn natürlich kannte er den Text des Stücks und es zählte zu einem seiner Lieblingswerke des Sophokles, doch hatte er es nie zuvor auf einer Bühne gesehen. Bis heute. Der Prologos fand mit dem Abgang der drei Schauspieler sein Ende und die Parodos, das erste Chorlied beim Auftritt desselben fand nun seinen Anfang.



    Parodos (151-215)


    Der fünfzehnköpfige Chor thebanischer Greise zieht in die Orchestra ein. Er repräsentiert die Stadt, die ihre Not beklagt und die Götter um Errettung anfleht.


    Der Chor beginnt zu singen:


    O du von Zeus hold redendes Wort, was bist du für eins wohl
    Von der goldereichen Pytho
    Zu der glänzenden gekommen, zu Thebe?
    Weit bin ich gespannt im furchtsamen Sinne,
    Von Ängsten taumelnd.
    Klagender, delischer Päan,
    Ringsum dich fürchtend,
    Wirst du ein neues oder wiederkehrend
    Nach rollenden Stunden mir vollenden ein Verhängnis?
    Sag's mir, der goldenen Kind,
    Der Hoffnung, du, unsterbliche Sage!


    Zuerst dich nennend, komm ich,
    Zeus' Tochter, unsterbliche Athene,
    Und den Erdumfassenden und
    Die Schwester Artemis, die
    Den kreisenden, der Agora Thron,
    Den rühmlichen besitzet,
    Und den Phöbos fernhin treffend. Jo! Jo!
    Ihr drei Todwehrenden! Erscheinet mir!
    Wenn vormals auch, in vergangener Irre,
    Die hergestürzt war über die Stadt,
    Vertrieben ihr die Flamme des Übels,
    So kommet auch jetzt, ihr Götter!


    Unzählig nämlich trag ich Übel,
    Und krank ist mir das ganze Volk.
    Nicht einem blieb der Sorge Speer,
    Von welchem einer beschützt wird. Noch erwachsen
    Die Sprossen des rühmlichen Lands,
    Noch halten für die Geburt
    Die kläglichen Mühen aus
    Die Weiber. Einen aber über
    Den andern kannst du sehn,
    Wie wohlgeflügelte Vögel,
    Und stärker denn unaufhaltsames Feuer,
    Sich erheben zum Ufer des abendlichen
    Gottes, wodurch zahllos die Stadt
    Vergeht. Die armen aber, die Kinder,
    Am Felde tödlich liegen
    Sie unbetrauert. Aber drin die grauen
    Fraun und die Mütter
    Das Ufer des Altars, anderswoher
    Andre die grausamen Mühn
    Abbüßend umseufzen,
    Und der Päan glänzt und die seufzende Stimme
    Mitwohnend.


    Darum, o goldene
    Tochter Zeus', gutblickende, sende
    Stärke. Und den Ares, den reißenden, der
    Jetzt, ohne den ehernen Schild,
    Mir brennend, der verrufne, begegnet,
    Das rückgängige Wesen treibe zurück
    Vom Vaterlande, ohne Feuer, entweder ins große
    Bett Amphitrites oder
    In den unwirtlichen Hafen,
    In die thrazische Welle.
    Am Ende nämlich, wenn die Nacht gehet,
    Herein ein solcher Tag kommt.
    Ihn dann, o du, der richtet von zündenden Wetterstrahlen
    Die Kräfte, Jupiter! Vater! unter deinem
    Verderb ihn, unter dem Blitz!
    Lycischer König, die deinen auch, vom heiligfalschen
    Bogen möcht ich die Pfeile,
    Die ungebundensten, austeilen,
    Wie Gesellen, zugeordnet!
    Und den zündenden, ihn, der Artemis Schein,
    Womit sie springt durch lycische Berge!
    Auch ihn nenn ich, benannt nach diesem Lande,
    Den berauschten Bacchus, den Euier,
    Mit Mänaden vereinsamt; dieser komme,
    Mit der glänzend scheinenden Fackel brennend,
    Auf ihn, der ehrlos ist vor Göttern, den Gott!


    Das Lied des Chors verstummt und die Parodos ist zu Ende.


    Sim-Off:

    Schauspieler in dieser Szene: Chor