Beiträge von Manius Matinius Fuscus

    Sim-Off:

    Nachdem ich wieder da bin, schliesse ich das hier mal ab. Neues Programm folgt alsbald möglich.


    Zweite Scene


    Der Knecht. Trygäos, anfangs hinter der Scene, dann sichtbar.


    Trygäos
    (hinter der Scene)

    Hoho! Hoho!


    Der Knecht
    Seid still! Ich höre, dinkt mich, seine Stimme da.


    Trygäos
    (wie oben)

    Was willst du noch an unserm Volke thun, o Zeus?
    Du raubst den Städten ihren Kern und merkst es nicht?


    Der Knecht
    Das ist das Unglück, eben das, wovon ich sprach:
    Da hörtet ihr ein Pröbchen seiner Raserei!
    Was er im Anfang, als die Raserei begann,
    Gesprochen, hört noch. Also sprach er da zu sich:
    "O könnt' ich doch gerades Wegs zu Zeus hinauf!"
    Er baute dann sich dünne Leiterchen zurecht,
    Und klomm an diesen himmelan mit Hand und Fuß,
    Bis er herunterpurzelnd sich den Kopf zerfiel.
    Nun gestern, da verläuft er sich, Zeus weiß wohin,
    Und bringt ein großes Aetnaroß von Käfer heim,
    Und zwingt mich dieses Ungethüms Stallknecht zu sein,
    Indeß er selbst es, wie ein Füllen, streichelnd rief:
    "Du mein erhabnes Flügelthier, mein Pegasos,
    Komm, fliege mit mir grades Wegs zu Zeus hinauf!" -
    Muß doch hinein hier gucken, was der Alte macht!
    (er geht an die innere Hofthüre und sieht hinein.)
    Ach, ach, ich Armer! Kommt, o Nachbarn, kommt heran!
    Mein Herr, o schaut ,da steigt eben hoch zu Roß
    Auf seinem Käfer schwebend in die Luft empor!
    (Trygäos erscheint, auf einem übergroßen Käfer in die Höhe schwebend.)


    Trygäos
    Nur sacht, nur sacht, mein Käger, gemach!
    Nciht stürme mir allzutrozig dahin,
    Gleich anfangs stolz im Gefühle der Kraft,
    Eh Schweiß vordringt und die Sennkraft dir
    Der Gelenke sich löst in der Fittige Schwung!
    Nicht schnaube so toll, ich beschwöre dich, Wurm!
    Denn thust du mir dies, dann bleibe mir hier
    Nur lieber dahiem in meinem Gehöft!


    Der Knecht
    O Gebieter und Herr, wie bist du verrückt!


    Trygäos
    Still doch! Still doch!


    Der Knecht
    Wo steuerst du blindlings hin in die Luft?


    Trygäos
    Hoch flieg' ich empor, den Hellenen zu Heil:
    So verwegen, so neu ist, was ich ersann.


    Der Knecht
    Was fliegst du? Warum so vergeblich getollt?


    Trygäos
    Sprich Günstiges nur! Und muxe mir ja
    Kein faules Geschwäz: nein, jauchze mir zu!
    Und den Bürgern gebeut, recht stille zu sein,
    Und die Gänge des Koths und die Haufen des Dungs
    Ganz neu mit Ziegeln umher zu verbau'n,
    Und ein Schloß an die Steiße zu legen.


    Der Knecht
    Unmöglich kann ich schweigen, bis du mir erklärst,
    Wohin zu fliegen du gedenkst.


    Trygäos
    Wohin? Zu Zeus
    Hinauf in Himmelshöhen.


    Der Knecht
    Und was willst du da?


    Trygäos
    Ich will den Gott befragen um's Hellenenvolk
    Gesamt und sonders, was er ihm zu thun gedenkt.


    Der Knecht
    Und, steht er dir nich Rede - ?


    Trygäos
    Dann verklag' ich ihn,
    Daß er dem Medervolke Hellas' Volk verrieth.


    Der Knecht
    Bei Gott, so lang Ich lebe, thust du solches nicht!


    Trygäos
    Es ist einmal nicht anders.
    (er steigt höher)


    Der Knecht
    (ruft in das Haus hinein)
    Holla! Hollahoh!
    Ihr Kinder, euer Vater geht davon und läßt
    Euch hier als Waisen, fliegt geheim zum Himmel auf!
    Ihr Armen, fleht den Vater um Erbarmen an!
    (die beiden Töchterchen des Trygäos treten aus dem Hause.)

    Das ihn diese Krankheit so plötzlich niedergerungen hatte und dann nicht hatte weichen wollen, war schon sehr ärgerlich gewesen. Nun aber war er wieder da und bereit seine Aufgaben anzunehmen. Auch wenn er sich den Kopf über die Worte des Medicus zermarterte.
    Mehr Ruhe, mehr ins ländliche, als wenn Mogontiacum nicht im Vergleich zu Rom bereits ländlicher wäre und weniger Stress.
    Ja prima! Er wollte aber Duumvir bleiben. Was also sollte das werden, grummelte er immer wieder vor sich her. Nun gut, er würde mit dem Legaten sprechen.

    Sim-Off:

    Tschuldigung. Rom dauerte länger.


    Die Truppe betrat die Bühne und stellte sich da auf, wo man sie brauchte. Dann, nach kurzen einleitenden Worten, begann das Stück. Dieses Mal stand eine Komödie auf dem Programm.




    Erster Act
    Erste Scene


    Der Vorhof eine Gehöftes; auf der einen Seite ein Schweintall, worin ein großer Käfter gefüttert wird; zwei Knechte, ämsig beschäftigt, der eine an einem Backtrog, in welchem er Mistkuchen knetet, der andere am Schweinstall, den Käfer darin fütternd.


    Der erste Knecht
    (bei dem Stalle)
    Schnell, reiche schnell dem Käger einen Kuchen her!


    Der zweite Knecht
    (bei dem Backtroge)
    Da! Gib's dem Unhold, den der Henker holen mag,
    Und labe seinen Gaumen nie ein süßerer!


    Der erste Knecht
    Noch einen andern reiche her - aus Eselsmist!


    Der zweite Knecht
    Da sieh noch einen! Wo gerieth der andre hin?
    Den fraß er nicht?


    Der erste Knecht
    Bewahre, nein, er riß ihn weg,
    Und wälzt' ihn umher mit den Füßen, und verschlang ihn ganz.1)
    Drum knete hurtig ihrer viel' und dick noch.


    Der zweite Knecht
    (gegen die Zuschauer)
    Helft, helft, ihr Kothaufsammler, wollt ihr anders nicht
    Mich im Gestank gleichgültig hier ersticken seh'n!


    Der erste Knecht
    Noch einen, einen von verliebten Knaben noch!
    Denn ihn verlangt nach zartgeriebnen Brocken.


    Der zweite Knecht
    Hier!
    (zu den Zuschauern)
    Von Einer Schuld, ihr Männer, denk' ich frei zu sein;
    Denn daß ich knetend naschte, sagt wohl Kein's mir nach.2)


    Der erste Knecht
    He, reiche mehr her; einen noch und einen noch!
    Und knete neue!


    Der zweite Knecht
    Bei'm Apoll, nicht einen mehr!
    Nicht länger halt' ich dieses Seegrundwasser aus;
    Ich nehm' es samt dem Troge selbst und bringe dir's.
    (er schafft den Backtrog nach dem Stalle hin.)


    Der erste Knecht
    Ei, trage du's zum Geier und dich selbst dazu!


    Der zweite Knecht
    (zu den Zuschauern)
    Ihr, wenn es euer Einer weiß, der sage mir's,
    Wo man sich Nasen ohne Löcher kaufen kann.
    Denn kein Geschäft auf Erden kann heilloser sein,
    Als dieses Futterkneten für den Käger da.
    Schwein oder Hund schlingt Alles, was am Wege liegt,
    Frischweg hinunter; dieses Thier voll Uebermuths
    Beberdet sich gar eckl, mag Nichts kosten, wenn
    Ich's nicht gerieben und gerührt den ganzen Tag,
    Wie einem Weib sein ausgeknetet Gerstenbrod.
    Nun will ich nachseh'n, ob er ausgefressen hat,
    (er geht nach dem Stalle)
    Und hier die Thür halb öffnen; sonst bemerkt er mich.
    (er sieht hinein und spricht zum dem Käfer: )
    Nur munter, schling' hinunter, höre nimmer auf,
    Bis unverseh'ns am Ende dir der Bauch zerplazt!
    Wie der sich vorbückt, einem Ringer gleich, und frißt,
    Und seine Kiefern gierig hin und wieder schiebt,
    Und noch dazu den Rüssel und die Tazen vorn
    So wild herumwirft, Seilern gleich, die angestrengt
    Die dicken Taue für ein Schiff zusammendreh'n!
    Ein garstig Wesen, stinkend, voll Gefräßigkeit!
    Und welchem Gott wohl dieses Plagevieh gehört?
    Ich weiß es nicht; der Aphrodite sicher nicht,
    Auch nicht den Chariten.


    Der erste Knecht
    Wenn denn sonst?


    Der zweite Knecht
    Ich glaube fest
    Die Grauen ward vom Niederdonnerer Zeus gesandt.3)


    Der erste Knecht
    Da meint vielleicht jezt Einer dort im Publikum,
    Ein Männchen, das sich weise dünkt: "Wo wills hinaus?
    Der Käfer da, was soll er?" Dann erwieder ihm
    Ein Mann vom Ionervolke, der ihm nahe sizt:
    "Ich glaube, daß auf Kleon hier gestichelt ist,
    Weil der den Abgang ohne Scham hinunterschlingt."4)
    Doch tränk' ich jezt den Käfer auch und geh' hinein.
    (ab.)


    Der zweite Knecht
    Ich will indeß die Sache noch den Kindelein,
    Zugleich den Männlein allen und den Männern dort,
    Zugleich den höchsten Männern dort zu wissen thun,
    Und jenen noch die Männer Uebermannenden.
    (er zeigt, während er diese Worte spricht, immer weiter die Stufen des Theaters hinauf.)
    Mein guter Herr hat eine Tollheit neuer Art,
    Nicht so wie Ihr, nein, unerhörter neuer Art:
    Den ganzen Tag lang hebt erhimmelan den Blick,
    Sperrt weit den Mund auf, hadert laut mit Vater Zeus
    Und ruft: "o Zeus, was denkst du endlich noch zu thun?
    Leg' ab den Besen, fege Hellas nicht hinaus!"

    Er klopfte an die Tür, als er aber keine Antwort erhielt, betrat er das Officium und hinterlegte ein kurzes Schreiben.


    Salve Noctifer,


    ich bin wieder in Germanien. Hast Du die Liste fertig? ICh erwarte Dich in meinem Officium damit.


    Vale
    Manius Matinius Fuscus

    Endlich war er wieder zu Hause. Ja, irgendwie war Germanien mehr zu seinem zu Hause geworden als alles andere in der letzten Zeit.
    Er hatte bereits erfahren, dass die Schauspieltruppe bereit war heute noch das Stück zu präsentieren und entsprechende Aushänge und Informationen verteilt worden waren.
    Er nahm die Tafel von der Tür weg und begab sich in sein Büro.
    Da stapelte sich einiges. Er seufzte leicht und hob die Augenbrauen. Na da wurde ja einiges noch zu tun.

    Zitat

    Original von Medicus Germanicus Avarus
    Salve Agrippa.... und Fuscus.


    Und im Zwiegespräch mit beiden.


    Ja das sind wir bereits, Moguntiacum ist nicht so eine rießig große Stadt, als das man so wichtige Künstler wie Fuscus nicht kennt.


    Er begrüßte seinen Bruder und natürlich auch den Senator, musste dann aber den Kopf schütteln.
    "Nicht ich bin der Künstler, das sind andere. Ich bin höchstens der Organisator, werter Senator."
    Er lächelte leicht.
    "Ich hoffe, ich sehe Dich demnächst mal wieder bei einer der Aufführungen in Mogontiacum? Durch den Romaufenthalt ist der Spielplan ein wneig durcheinander geraten, aber die Schauspieler sind bereits auf dem Heimweg, so dass er nur mit wenig Verspätung starten kann."
    Dann wandte er sich an seinen Bruder.
    "Und Dich sehe ich da hoffentlich auch bald mal wieder, großer Bruder."

    Er klopfte an die Casa Matinia und liess sich bei seinem Bruder ankündigen. Hier war er noch nie gewesen. Bisher nur in Tarraco. Er freute sich darauf seinen Bruder wieder sehen zu können.

    "Wir werden noch bis zum Wahlmontag bleiben, dann jedoch müssen wir zurück. Wir werden dann zwar leider etwas verspätet mit dem nächsten Stück in Germanien beginnen, aber das wird nicht so schlimm sein."
    Er lächelte zufrieden.
    "Ausserdem hoffe ich noch meinem Bruder einen Besuch abstatten zu können."

    Zitat

    Original von Lucius Aelius Quarto
    Quarto ging hinunter zur Bühne.
    “Manius Matinius Fuscus, ich dankte dir und deinen Schauspielern für diese ergreifende Darstellung. Apoll wird euer Spiel mit wohlwollen verfolgt haben, so wie auch das Publikum Roms es getan hat. Ich danke euch sehr!“


    "Ich danke Dir für die einmalige Möglichkeit, die Du der Truppe geboten hast."
    Er deutete mit einer ausschweifenden Armbewegung auf eben jene.
    "Sie sind sehr glücklich drum."

    CHORFÜHRERIN:
    Auf, teuere Schar! Auf, Mägde vom Haus!
    Wie geben wir kund
    Für Orestes unsres Gebets Wunsch?
    Du heiliger Herd, du der Gruft heiliger
    Erdhügel, der jetzt du des Meerfeldherrn,
    Des gewaltigen, Königsleichnam birgst,
    Nun hör uns, nun sei hilfreich!
    In den Kampf des Betrugs geht Peitho jetzt,
    Und der Gruft Hermes, mit hinein tret er,
    Und der Nacht Hermes, er begleite dich treu
    Zum vertilgenden Kampfe des Schwertes!


    Kilissa, die Amme, kommt


    CHOR:
    Der fremde Mann hat, scheint es, Böses mitgebracht;
    Denn weinend seh ich dort Orestes' Amme nahn.
    Wohin, Kilissa, gehst du aus des Hauses Tor?
    Und mit dir kommt ja unbezahlte Traurigkeit!


    KILISSA:
    Aigisthos, sagt die Herrin, soll ich ungesäumt
    Den Fremden herbescheiden, daß er deutlicher,
    Der Mann von Männern, ihre Neuigkeiten mag
    Mit eignen Ohren hören. Vor dem Gesinde zwar
    Verbirgt in finstern Augen sie geflissentlich
    Ihr Lachen; denn nun ist geschehn das Freudigste
    Für sie, fürs Haus steht's aber ganz und gar betrübt
    Seit dieser Nachricht von den fremden Wanderern!
    Und freilich, er wird herzlich sich darüber freun,
    Wenn er die Zeitung höret! O ich arme Frau!
    Ist doch von alten Zeiten her schon vielerlei
    Unsäglich Unglück hier in Atreus' altem Haus
    Bis heut geschehn, das mir das Herz im Leib zerreißt;
    Doch solchen Kummer hab ich niemals noch erlebt!
    All andres Leid trug ich geduldig bis ans End;
    Daß aber mein Orestes, meiner Seelen Lust,
    Den aus der Mutter Schoß ich nahm und auferzog
    Mit aller Unruh nächtens, wenn das Kindchen schrie,
    Und all den vielen Plagen, die ich vergebens nun
    Ertrug - denn Kinder ohne Nachgedanken muß
    Wie's liebe Vieh man ziehn, nicht wahr? mit viel Verstand;
    Da kann es denn nicht sprechen, solch ein Windelkind,
    Ob's Hunger, ob es Durst hat oder pinkeln will,
    Der kleine Magen macht, was je nach seiner Not;
    Das muß voraus man merken, und, glaub mir, man irrt
    Sich auch und wäscht dem Kinde dann die Windeln rein,
    Versieht zugleich der Wäscherin und Amme Dienst;
    Und ich versah die beiderlei Geschäfte selbst
    Und nahm Orestes, für den Vater aufzuziehn -,
    Nun muß ich Arme hören, daß er gestorben ist,
    Muß nun zum Herrn gehn, der geschändet unser Haus
    Und meine Zeitung frohen Sinnes hören wird!


    CHOR:
    In welcher Weise will sie, daß er kommen soll?


    KILISSA:
    Wie welcher? Sag noch einmal, daß ich's recht versteh!


    CHOR:
    Ob seine Wache mit ihm oder er allein?


    KILISSA:
    Umringt von Lanzenknechten will sie, daß er kommt.


    CHOR:
    Das aber sag dem Herren, den du ja hassest, nicht;
    Allein erscheinen mög er, hören ohne Furcht.
    Das geh und meld ihm ungesäumt und freue dich;
    Bei mancher Botschaft nützet ein verheimlicht Wort!


    KILISSA:
    Bist gar du froh noch über solche Neuigkeit?


    CHOR:
    Abwenden wird Zeus' Willen einst noch allen Gram!


    KILISSA:
    Wie das? Orestes, unsres Hauses Hoffnung, starb!


    CHOR:
    Nicht doch; ein schlechter Seher schon erkennte das!


    KILISSA:
    Was sagst du? Weißt du andres, als berichtet ward?


    CHOR:
    Geh hin und melde! Mach es, wie ich's dir gesagt;
    In Gottes Hand liegt, was geschehen muß und wird!


    KILISSA:
    Ich geh und führ es ganz nach deinem Willen aus;
    O daß es glücklich ende durch der Götter Rat!


    Kilissa ab


    Erste Strophe


    CHOR:
    Höre jetzt mein Gebet, du der hochselgen Götter Vater, Zeus!
    Laß erlosen mich ein Los, unverrückt
    Das Weise treu forschenden Sinns zu schaun!
    Sprach ich all mein Gebet
    Dir doch gerecht, Zeus, du nimm's in Obhut!
    Zeus! Zeus!
    Doch Gewalt über die Todfeinde gewähr dem im Palast, den du doch großzogst!
    Doppelte Buße laß
    Und dreifältige dir gefallen!


    Erste Gegenstrophe


    Denk es wohl, unsres vielteuren Herrn Waise ward ins Leidenjoch
    Eingeschirrt; gib ein Maß seinem Lauf!
    Wer hielte leicht, läuft er in diesem Feld,
    Richtig Maß, sichres Ziel,
    Wenn er des Unheils Bahn dahinstürmt?


    (Zeus! Zeus!
    Doch Gewalt über die Todfeinde gewähr dem im Palast, den du doch großzogst!
    Doppelte Buße laß
    Und dreifältige dir gefallen!)


    Zweite Strophe


    Götter ihr, die ihr der vielreichen Schatzkammer wachet im Palast,
    Götter, hört mich gnädig an!
    Auf denn! Einst verübter Freveltat
    Blutschuld sühnet durch ein neu Gericht;
    Der greise Mord zeuge weiter nicht im Haus!


    Diesen, der mordet mit Recht,
    Herr, du in tiefkündender Kluft,
    Lasse zum Heil du ihn des Vaters Haus sehn!
    Lasse du frei ihn und hell
    Mit seinem teueren Aug durch der grausigen Frevel Nacht schaun!


    Zweite Gegenstrophe


    Allgerecht helfen mag Maias Sohn, rasch in rascher Förderung
    Kühne Tat gern endigen!
    Unausforschlich forscht er fernstes Ziel,
    Gießt Nacht, gießet Dunkel vor das Aug,
    Am hellen Tag heller nicht noch kenntlicher!
    (Diesen, der mordet mit Recht,
    Herr, du in tiefkündender Kluft,
    Lasse zum Heil du ihn des Vaters Haus sehn!
    Lasse du frei ihn und hell
    Mit seinem teueren Aug durch der grausigen Frevel Nacht schaun!)


    Dritte Strophe


    Vieler Sang, sühnender,
    Soll dem teuren Hause dann,
    Weiblich fromm gesungener
    Zur Zither, alle Schuld zu bannen,
    Tönen durch die Stadt. - Geschäh's!
    Mein, ja mein blüht dann allen Glücks Gewinn,
    Und Ata weicht den Teuren fern!


    Sohn! Sohn!
    Dann im Mut stark, wenn du hintrittst und es ausführst und dazu nennst Vaters Namen
    Und sie "Kind!" dich ruft,
    So doch ende das Graunverhängnis!


    Dritte Gegenstrophe


    Dann hinwegblickend, Sohn,
    Dann wie Perseus, unerschreckt,
    Mußt den Deinen, die das Grab deckt,
    Du den Deinen hienieden erfüllen
    Der Liebe grambittern Haß!
    Führe so drinnen aus dein blutig Amt,
    Den Mord der Mordesschuldigen!


    (Sohn! Sohn!
    Dann im Mut stark, wenn du hintrittst und es ausführst und dazu nennst Vaters Namen
    Und sie "Kind!" dich ruft,
    So doch ende das Graunverhängnis!)


    Aigisthos tritt ohne Gefolge auf


    AIGISTHOS:
    Nicht ungerufen komm ich; Boten sandte man;
    Denn fremde Männer, hör ich, kamen, brachten uns
    Viel Neuigkeiten, aber nicht erfreuliche,
    Den Tod Orestens. Würde das im Hause kund,
    Entsetzentriefend Grausen weckt' es leicht im Haus,
    Das noch an alten Wunden krankt und altem Schmerz.
    Soll ich es wahr, lebendig nennen? Oder ist's
    Ein weiberhaftes, furchtgebornes Truggeschwätz,
    Das durch die Luft hin eitel fliegt und eitel stirbt?
    Weißt du vielleicht mir irgend drüber Sicheres?


    CHOR:
    Wir hörten's freilich; aber drinnen frage selbst
    Die fremden Männer; wenig Wert hat Botenwort,
    Da du selbst von ihnen selber alles hören kannst.


    AIGISTHOS:
    Selbst sehn und fragen will ich denn den fremden Mann,
    Ob er bei seinem Tod gewesen oder nur
    Aus dunklen Reden so erfuhr und weiterspricht;
    Denn meines Geistes scharfen Blick betrügt man nicht.


    Ab in den Palast


    CHORFÜHRERIN:
    Zeus, Zeus, was sag, was nenn ich zuerst
    Im heißen Gebet, im brünstigen Wunsch?
    Wie sprech ich es aus,
    Daß es gleichkommt unserer Treue?
    Jetzt muß es geschehn, daß des mordenden Schwerts
    Kühnwagende, blutig begonnene Tat
    Entweder hinweg von der Erde vertilgt
    Das teure Geschlecht Agamemnons -
    Oder er selbst schürt Lustfeuer uns bald
    An dem Freiheitsfest und gewinnet der Stadt
    Herrschaft, sein väterlich Erbteil!
    Schon tritt er allein zwei Feinden zugleich
    Entgegen zum Kampf, der göttliche Held
    Orestes; geschäh es zum Siege!


    AIGISTHOS hinter der Szene:
    Ach! Weh mir, wehe!


    CHOR:
    Horch doch! weh, o horch!
    Weh! was ist?
    Was geschieht im Palast?


    Laßt uns hinweggehn, denn das Werk wird nun vollbracht,
    Auf daß wir schuldlos scheinen mögen dieser Tat;
    Denn bald erreicht ist dieses Kampfes Ziel und Schluß.


    Der Chor setzt sich auf die Stufen des Grabes


    KNECHT aus dem Palast stürzend:
    O weh des Mordes! Totgeschlagen ist der Herr!
    O weh noch einmal! Und zum dritten Male weh!
    Aigisthos ist nicht mehr! O öffnet, öffnet doch!


    Pocht an die Tür des Frauenhauses


    So schnell wie möglich! Schließet, brecht die Riegel auf
    Im Weiberhause; ja es braucht da große Kraft,
    Nicht ihm zu helfen, der ist tot. Was ist es mehr!
    Ho! hoiho!


    Wiederholtes Pochen


    Zu Tauben schrei ich, und zu eitel Schlafenden
    Umsonst. Wo ist Klytaimestra? Auf! Was säumt sie noch?
    Nun scheint's, daß um ein kleines von des Henkers Schwert
    Ihr eigner Nacken im Gericht hinsinken wird!


    KLYTAIMESTRA tritt heraus:
    Was ist geschehn, sprich? Welch Geschrei tobst du ins Haus?


    KNECHT:
    Die Toten, sag ich, morden die Lebendigen!


    KLYTAIMESTRA:
    Weh mir! Im Rätsel auch versteh dein Wort ich wohl!
    List fänget uns jetzt, gleich wie wir einst mordeten!
    Mein altes Mordbeil gib mir eilig jetzt hervor;


    Knecht ab


    Laß sehen, ob wir siegen werden, ob besiegt!
    Dahin gekommen ist es nun in meinem Leid!


    Orestes und Pylades treten aus dem Palast


    ORESTES:
    Ich suche dich auch! Er erhielt sein volles Teil!


    KLYTAIMESTRA:
    Weh mir! Erschlagen du, Aigisthos' teure Kraft?


    ORESTES:
    Du liebst den Mann? So liege denn in einem Grab
    Mit ihm; verrat du doch den Toten nimmermehr!


    KLYTAIMESTRA:
    Halt ein, o Sohn! Nein, scheue diese Brust, o Kind,
    Die Mutterbrust, an welcher du einschlummernd oft
    Mit deinen Lippen sogst die süße Muttermilch!


    ORESTES:
    Was tu ich, Pylades? Scheu ich meiner Mutter Blut?


    PYLADES:
    Wo bleiben dann die andren Gottverheißungen
    Des Pythotempels, wo der eignen Eide Band?
    Hab alle lieber als die Götter dir zu Feind!


    ORESTES:
    's ist wahr, du siegest und gemahnst ans Rechte mich!
    So folg mir, töten will ich neben jenem dich.
    Im Leben war vor meinem Vater der dir wert,
    Du sollst im Tod auch bei ihm schlafen; denn du liebst
    Den Menschen; den du lieben mußtest, hassest du!


    KLYTAIMESTRA:
    Ich zog dich groß, Kind, altern mit dir will ich auch!


    ORESTES:
    Du mit mir wohnen, meines Vaters Mörderin?


    KLYTAIMESTRA:
    Es ist die Moira, liebes Kind, all dessen schuld!


    ORESTES:
    So hat die Moira auch verschuldet diesen Mord!


    KLYTAIMESTRA:
    O Sohn, und scheust du deiner Mutter Flüche nicht?


    ORESTES:
    Die du mich gebarst, verstoßen hast du mich ins Weh!


    KLYTAIMESTRA:
    Dich nicht verstoßen hab ich in des Freundes Haus!


    ORESTES:
    Zwiefach verkauft ward ich, des freien Vaters Sohn!


    KLYTAIMESTRA:
    Wo ist der Kaufpreis, den ich je für dich empfing?


    ORESTES:
    Die Scham verbeut mir, auszusprechen deinen Schimpf.


    KLYTAIMESTRA:
    O nein! Doch sag auch, was getan dein Vater hat!


    ORESTES:
    Wenn du daheim bliebst, richte nicht mit dem, der kämpft!


    KLYTAIMESTRA:
    Vom Gatten fern sein, Kind, es schmerzt die Gattin sehr!


    ORESTES:
    Des Mannes Mühsal nährt die still Heimsitzende!


    KLYTAIMESTRA:
    So willst du mich umbringen, deine Mutter, Sohn?


    ORESTES:
    Mitnichten ich; nein, du ermordest selbst dich selbst!


    KLYTAIMESTRA:
    Du! vor der Mutter grimmen Hunden hüte dich!


    ORESTES:
    Die meines Vaters, laß ich dich, wie meid ich die?


    KLYTAIMESTRA:
    So wein ich lebend an dem Grabe denn umsonst?


    ORESTES:
    Des Vaters Schicksal stürmet auf dich diesen Tod!


    KLYTAIMESTRA:
    Weh, diesen Drachen, den ich geboren und genährt!


    ORESTES:
    Ein rechter Seher war dir deines Traumes Angst!
    Du erschlugst, den du nicht mußtest; gleiches leide jetzt!


    Beide ab. Der Chor nähert sich ängstlich


    CHORFÜHRERIN:
    Laßt uns beweinen beider doppelt Mißgeschick;
    Und weil Orestes traurig jetzt zum Gipfel führt
    Die viele Blutschuld, lasset beten uns zugleich,
    Daß dieses Hauses Auge nicht ganz brechen mag!


    Erste Strophe


    CHOR:
    Des Bluts Rächerin den Priamiden kam,
    Die strafwilde Poina;
    Das Blut rächend, kam in Agamemnons Haus
    Ein Löwenpaar, ein Arespaar;
    Blutig errang sein Ziel
    Der gottgesandte Flüchtige,
    Der auf des Gottes Rat hierher wanderte.


    Jauchzet, o jauchzet laut, daß das erlauchte Haus
    Rein der Beschimpfung ward, daß von der reichen Habe nicht
    Geudet und schwelgt das Frevlerpaar,
    Ein fluchwürdger Hohn!


    Erste Gegenstrophe


    Längst Vorsorgerin heimlichen Kampfes kam
    Die listsinnge Poina;
    Und Hand angelegt hat in dem Kampf des Zeus
    Wahrhaftes Kind: Gerechtigkeit
    Rufen wir Menschen sie
    Und nennen recht ihren Namen,
    Die mit Verderbens Wut den Feind niederstürmt!


    (Jauchzet, o jauchzet laut, daß das erlauchte Haus
    Rein der Beschimpfung ward, daß von der reichen Habe nicht
    Geudet und schwelgt das Frevlerpaar,
    Ein fluchwürdger Hohn!)


    Zweite Strophe


    Also hat der parnassische Loxias,
    Welcher die tiefe Kluft inne der Erden hat,
    Mit truglosem Trug sich jetzt genaht,
    Der spätstrafende!
    Die Gottheit überwindet! Wohl gebührt's,
    Fromm zu scheun der Himmlichen Gericht;
    Wieder erscheinet Licht!
    Seines gewaltgen Jochs seh ich das Haus befreit!
    Wiederersteh, du Haus, das du so lange Zeit
    Im Staub gestürzt darniederlagst!


    Zweite Gegenstrophe


    Und einzieht die Allenderin bald, die Zeit,
    In des Palastes Tor, wenn von dem heilgen Herd
    Gescheucht jegliche Schuld
    Durch reinigende Sühne des Verderbens ist.
    Das Glück, liebe Ruh im Antlitz,
    Uns Zitternden froh zu schaun,
    Die ins Haus sich eingenistet, hat's gestürzt!


    Wieder erscheinet Licht!
    (Seines gewaltgen Jochs seh ich das Haus befreit!
    Wiederersteh, du Haus, das du so lange Zeit
    Im Staub gestürzt darniederlagst!)


    Aus der königlichen Pforte tritt Orestes mit bluttriefenden Händen; Pylades, Gefolge; auf einer Bahre werden die Leichen von Aigisthos und Klytaimestra herausgetragen


    ORESTES:
    Da seht ihr dieses Landes Doppeltyrannei,
    Die Vatermörder, die Zerstörer meines Stamms!
    In stolzer Hoheit saßen sonst sie auf dem Thron,
    Und jetzt vereint sie Liebe noch, wie dort ihr Los
    Es zeigt, und treu bleibt altem Schwure noch ihr Bund.
    Vereint den Vater umzubringen schwuren sie,
    Vereint zu sterben; nun geschah's nach ihrem Schwur.
    Ihr aber alle, dieser Leiden Zeugen, seht
    Dies Truggewirk an, meines armen Vaters Garn,
    Die Fessel seiner Hände, seiner Füße Zwang!
    Spannt ihr es weit aus, zeigt im Kreise ringsumher
    Des Helden Fangnetz, daß es sehn der Vater mag -
    Nicht meiner, sondern Helios, der alles dies,
    Der meiner Mutter gottverfluchte Taten schaut',
    Auf daß er einst mir im Gericht kann Zeuge sein,
    Wie ganz gerecht ich diesem Morde nachgejagt
    Der Mutter; denn Aigisthos' Tod ist tadelfrei;
    Er fand, des heilgen Rechts Verletzer, sein Gericht.
    Doch wenn ein Weib so argen Haß sann ihrem Mann,
    Von dem sie Kinder doch im eignen Schoße trug,
    Einst teure Last, jetzt offenkundig ärgsten Feind -
    Was meinst du? Giftaal, Viper wurde sie erzeugt,
    Daß, wen sie anrührt, ungebissen der verfault
    Ob ihrer Frechheit, ihres Sinns Ruchlosigkeit.


    Deutet auf das Netz


    Wie nenn ich das gar, daß der Name treffend sei?
    Fangzeug des Wildes, fußumschlingend Leichentuch,
    Des Beckens Mordgezelte, nenn's ein Jägernetz,
    Heimtückisch Stellgarn, fußverfangend Fluchgewirk!
    Ein Straßenräuber finde sich desgleichen aus,
    Der seinen Gastfreund tückisch fängt, in Raub und Mord
    Sein Leben hinbringt; viele dann mit solcher List
    Zu morden, das sei seines Lebens rechte Lust!
    Mir aber werde solche Hausgenossin nie,
    Ehr wollt mich, Götter, sterben lassen kinderlos!


    CHOR:
    Weh, weh! Weh, weh der entsetzlichen Tat!
    Wie gräßlichen Todes du umkamst!
    Weh, weh! Weh, weh!
    Weh blüht auch dem, der zurückbleibt!


    ORESTES:
    Hat er's vollendet oder nicht? Dort das Gewand
    Gibt mir ein Zeugnis, daß es trank Aigisthos' Blut;
    Des Mordes Färbung aber eint sich mit der Zeit,
    Hinwegzutilgen all des Purpurs Farbenpracht!
    Nun preis ich mich, nun jammr ich laut auf, hierzustehn
    Und anzureden meines Vaters Mordgespinst;
    Es quält mich meine Tat, mein Leid, all mein Geschlecht,
    Mit dieses Sieges reicher Schuld verflucht zu sein!


    CHOR:
    Kein Sterblicher ist's, der das Leben in Ruh
    Hinbringt und jeglicher Schuld frei!
    O Sohn, Trübsal
    Kommt bald dem, anderen später!


    ORESTES:
    Ein andrer sieht's einst, wo das Ziel - ich weiß es nicht;
    Gleichwie mit Rossen aus der fliegenden Wagen Bahn
    Ras ich hinaus; fort reißt mich zügellos der Geist,
    Unwiderstehlich. Meines Herzens Entsetzen will
    Sein Lied beginnen, seinen Tanz zum Schall der Wut! -
    Solang Bewußtsein mir noch bleibt, hört, Freunde, mich!
    Die eigne Mutter schlug ich tot mit Fug und Recht,
    Die Gottverhaßte, mir um Vatermord verflucht;
    Und meiner Kühnheit Liebestrank, ihn mischte mir
    Der Pythoseher Loxias durch seinen Spruch:
    Daß, wenn ich's täte, sonder Schuld ich sollte sein,
    Wenn ich es ließe - meine Strafe nenn ich nicht;
    Mit keinem Pfeil reicht keiner ab ein solches Leid!
    Und jetzt, ihr seht mich, wie ich will, fromm angetan
    Mit diesem Ölzweig, diesem Kranze, bittend ziehn
    Zum Heiligtum der Mitten, Loxias' Gefild,
    Zum Licht der Flamme, die die ewge wird genannt,
    Verwandter Blutschuld zu entfliehn; denn Loxias
    Gebot mir, keinem andren Herde mich zu nahn.
    Ich aber sag euch, die Argiver allzumal
    Bezeugen einst mir, welches Leid mir ward erfüllt;
    Doch ich, der Heimat flüchtig, irr in fremdem Land;
    Leb ich und sterb ich, diesen Ruhm laß ich zurück.


    CHORFÜHRERIN:
    Du tatst es schön so; drum zu bösem Worte nicht
    Schließ deinen Mund auf noch ein schlimmes Zeichen sprich;
    Du gabst der Freiheit unsre ganze Stadt zurück,
    Da beide Drachen mächtig du zu Boden schlugst!


    ORESTES:
    Ach!
    Getreue Frauen, seht sie dort, Gorgonen gleich,
    Die faltig Schwarzverhüllten, Haardurchflochtenen
    Mit dichten Schlangen; bleiben nicht mehr kann ich hier!


    CHOR:
    Was für ein Wahnbild, du des Vaters liebstes Kind,
    Scheucht dich empor? Bleib, fürchte nichts, Siegreicher du!


    ORESTES:
    Nicht ist's ein Wahnbild, was mich dräuend dort entsetzt,
    Nein, meiner Mutter wutempörte Hunde sind's!


    CHOR:
    's ist frisches Blut dir, Kind, an deinen Händen noch,
    Daraus Verwirrung deinen Geist dir überfällt.


    ORESTES:
    O Fürst Apollon! Wuchernd mehrt sich ihre Schar!
    Aus ihren Augen triefen sie grausenhaftes Blut!


    CHOR:
    Es gibt Entsühnung! Wenn du Loxias berührst,
    So wird er huldreich dieser Qualen dich befrein!


    ORESTES:
    Ihr freilich seht sie nicht; ich aber sehe sie!
    Mich jagt's von hinnen! Bleiben nicht mehr kann ich hier! -


    Stürzt hinaus


    CHOR:
    All Glück geleit dich; gnädig möge schaun auf dich
    Ein Gott und dich bewahren vor Gefahr und Tod!


    So ward dem Geschlecht denn der Könige nun
    Dreimaliger Sturm,
    In das Haus hintobend, geendet!
    Zum ersten begann kindfressendes Greul
    Die entsetzliche Schuld;
    Zum zweiten des Herrn unköniglich Los;
    Denn im Becken erwürgt kam um der Achair
    Kriegsherrlicher Fürst;
    Zum dritten erschien - nenn Heiland ich,
    Nenn Mörder ich ihn?
    Wo endet es je? Wo findet noch Ruh
    Die besänftigte Macht des Verderbens?



    Sim-Off:

    Ihr seid erlöst ;)

    Erste Strophe


    CHOR:
    Erde wohl nähret manch riesengrausig Ungeheur,
    Tief in Meeres dunklem Grund wimmelt wohl
    Manch Knäul menschengierger Scheusale,
    Und durch die Abenddämmrung hin
    Schweift des Meteores Schein,
    Schweift das Geflügel der Lüfte, das Wild in der Waldung
    Und der Windsbraut Wolkenjagd!


    Erste Gegenstrophe


    Aber wer nennt des Manns freche Stirn mit Namen je,
    Wer die scheulose Wut je des Weibs,
    Dies allfrechste, lüstre Lustbuhlen,
    Den Menschen alles Jammers Kost!
    Solcher Ehe, solches Paars
    Weibergeherrschtes, verworfenes Lieben erreicht nichts
    Ungeheures, Menschliches!


    Zweite Strophe


    Hört ihr, so ihr nicht mit Flattersinn
    Eitlen Spiels forschet,
    Was einst Thestias, was die Kindesmörderin arg ersann,
    Jenen Brand geheimen Mordes!
    Sie hat verbrannt ihres Sohnes
    Lebensfackel, die mit ihm war,
    Seit ihr Schoß ihn geboren,
    Mit ihm währte sein Lebelang,
    Bis sein Ende gekommen.


    Zweite Gegenstrophe


    Ihr gleich sei in aller Mund verhaßt
    Skylla bluttriefend;
    Sie hat Feindes halb einen, der ihr teuer war, umgebracht!
    Mit goldgeflochtnem Kreterhalsband,
    Mit Minos' Brautgabe bestochen,
    Schnitt das Haar der Unsterblichkeit
    Sie dem schlafenden Nisos,
    Die Schamlose, dem Vater ab;
    Doch einholte sie Hermes.


    Dritte Strophe


    Gedacht ich so unerweichbar grauser Wut,
    So ist es unzeitig, noch der schnöden Eh, noch dem Greul in diesem Haus,
    Den weiberarglistgen Ränken wider ihn,
    Den Mann im Kriegswaffenschmuck,
    Den Mann, des Ruhm aller Feinde Schrecken war -
    Ehrfurcht noch da diesem ausgebrannten Herd,
    Dem ohnmachtfeigen Weib zu hegen!


    Dritte Gegenstrophe


    Vor allen Untaten ragt die lemnische;
    Als ganz verrucht wird in aller Sage sie nachgeklagt; doch dieses Greul,
    Wohl wird's mit Recht dem von Lemnos gleich genannt!
    Durch gottverabscheute Schuld
    Versinkt, entweiht seiner Ehren, dies Geschlecht;
    Denn keiner ehrt fürder, was der Gott verwarf.
    Ist eins hier, was ich nicht gerecht zeih?


    Vierte Strophe


    Das auf die Brust gesetzte Schwert,
    Hinein bohrt's tief bitterscharfen Mord unter Dikes Hand; denn Todsünde tritt
    Nimmer niemand in den Staub; die alle Furcht
    Vor Zeus hinwegwerfen, sind des Todes!


    Vierte Gegenstrophe


    Auf festem Grund steht Dikes Macht;
    Ihr Richtschwert wetzt Aisa schon, die Schwertfegerin; es bringt den Sohn heim ins Haus,
    Alten Hauses ältre Schuld zu züchtigen,
    Die wache, listkundge Nachterinnys! -


    Orestes und Pylades mit einigen Begleitern, alle als Wanderer gekleidet


    ORESTES an die Tür der Gastwohnung pochend:


    He, Bursch! Du hörst, man pocht hier an der Außentür!
    Ist keiner da? Bursch! heda, Hausbursch! öffne doch!
    Zum dritten Male ruf ich dich, mir aufzutun,
    Wenn bei Aigisthos' Zeiten ihr noch gastlich seid!


    BURSCHE:
    Ja doch, ich höre! Freund, wer bist du und woher?


    ORESTES:
    Der hohen Herrschaft deines Hauses hier bestell,
    Zu ihnen käm ich, brächte Neuigkeiten mit.
    Mach schnell; es fährt in ihrem dunklen Wagen schon
    Die Nacht herauf; Zeit wird es, daß ein Wandersmann
    In seinem Gasthaus Anker wirft, sich auszuruhn.
    Es komme jemand, der Gewalt hier hat, die Frau
    Etwa des Hauses, doch der Mann ist schicklicher;
    Denn wenn Verlegenheit das Wort nimmt, Freund, so tappt
    Die Red im Dunkeln, aber dreister spricht der Mann
    Zum Mann, und Zeugnis sagt er deutlich und genau.


    Bursche ab. Klytaimestra tritt mit Elektra und einigem Gesinde auf


    KLYTAIMESTRA:
    Fremdlinge, sagt, was ihr bedürft; euch steht bereit,
    Was irgend unsrem Fürstenhause ziemen wird,
    Ein warmes Bad und, aller Müdigkeit Entgelt,
    Ein weiches Lager, biedrer Wirte Gegenwart;
    Und wäre weitres euch mit mehr Bedacht zu tun,
    So ist's der Männer Sache; wir berichten's gleich.


    ORESTES:
    Fremd kam ich her, aus Phokis bin ich, ein Daulier;
    Als ich, mein eigen Bündel auf den Schultern, her
    Gen Argos wandre, wo ich übernachten wollt,
    Traf unbekannt mich Unbekannten einer an
    Und sprach, nachdem er meinen Weg von mir gehört
    - Der Phoker Strophios war es, hört ich im Gespräch -:
    "Wenn du denn sonst auch, Freund, gen Argos gehen mußt,
    So sage doch den Eltern, die du leicht erfragst,
    Orestes sei gestorben, und vergiß es nicht;
    Ob dann die Seinen ihn zurückgebracht zu sehn,
    Ob ihn im Ausland und für alle Zeiten fern
    Begraben wünschen, solchen Wunsch sag mir zurück;
    Denn einer erzgetriebnen Urne Raum verschließt
    Des vielbeweinten, teuren Mannes Asche jetzt."
    Was ich gehört hab, sag ich nach; ob ich es nun
    Den Rechten, die es hören müssen, sage, nicht
    Weiß ich's, erfahren aber muß sein Vater es.


    ELEKTRA:
    Weh mir! Von Grund aus werden jetzt wir hingestürzt!
    Du, dieses Hauses unbezwinglich grauser Fluch,
    Wie vieles Nah und Fernes, das uns glücklich stand,
    Zerstörst du fernher zielgewiß mit deinem Pfeil!
    All meiner Lieben machst du mich ganz Arme arm;
    Nun auch Orestes, welcher wohlberaten war,
    Daß fern den Fuß er aus des Verderbens Sumpf gelenkt,
    Er, unsre Hoffnung, er, dem schönen Taumelrausch
    Ein letzter Arzt, sie nennet jetzt ihn - nah und da!


    ORESTES:
    O wär ich doch Gastfreunden, die so reich und hoch,
    Durch gute Botschaft, die ich brächte, heut bekannt
    Geworden und als Freund begrüßt. Was Liebres kann,
    Als solch ein Gastfreund, einem in der Fremde sein?
    Doch mir im Geist erschien es als Gottlosigkeit,
    Den Angehörgen solchen Bericht nicht kundzutun,
    Da ich's versprochen und als Freund hier ward begrüßt.


    KLYTAIMESTRA:
    Nicht minder soll dir werden, was dein würdig ist,
    Noch wirst du weniger gelten drum als Hauses Freund;
    Dasselbe hätt ein andrer doch uns hinterbracht.
    Doch ist es Zeit jetzt, daß den Fremden, die den Tag
    Hindurch gewandert, was bequem ist, werd geschafft;


    Zu einem der Diener


    Ihn selber führ zum gastlich offnen Männersaal,
    Und wenn du zurückkommst, seine Reisegefährten auch,
    Damit sie dort sich finden, was für sie bequem.
    Dein ist der Auftrag, und du haftest mir dafür.
    Wir aber werden dies dem Herrn des Hauses treu
    Mitteilen und mit unsern Freunden insgesamt
    Wohl überlegen, was in diesem Fall zu tun.


    Alle ab

    ORESTES:
    Mein Vater, der du nicht königlichen Todes starbst,
    Du gib die Herrschaft deines Hauses mir zurück!


    ELEKTRA:
    Auch ich, o Vater, bete dies Gebet zu dir;
    Du hilf mir, wenn ich Aigisthos' Los mit enden helf!


    ORESTES:
    Es würden dann Festmahle von den Menschen dir
    Geweiht; wenn aber nicht, so bleibst beim Totenfest
    Von deines Landes Opferbrand du ungeehrt!


    ELEKTRA:
    Und Spenden will ich dir von meinem Erbe dann
    Bei meiner Hochzeit bringen aus dem Vaterhaus,
    Will fromm vor allem andern schmücken dir das Grab!


    ORESTES:
    O Gaia, send mir meinen Vater, den Kampf zu schaun!


    ELEKTRA:
    O Persephassa, du gewähr uns frohen Sieg!


    ORESTES:
    Gedenk des Bades, Vater, drin du umgebracht.


    ELEKTRA:
    Gedenk des Garnes, drin du eingefangen wardst!


    ORESTES:
    In eisenlose Banden, Vater, schlug man dich!


    ELEKTRA:
    Schmachvoll in listig umgeschlungnem Prunkgewirk!


    ORESTES:
    Wirst du nicht wach, o Vater, über solche Schmach?


    ELEKTRA:
    Hebst nicht empor, mein Vater, dein geliebtes Haupt?


    ORESTES:
    So send den Deinen Dike zur Mitkämpferin,
    Laß zur Vergeltung jene büßen gleiches Leid,
    Wenn du, der einst Bezwungne, wieder siegen willst!


    ELEKTRA:
    Vernimm, o Vater, diesen meinen letzten Ruf!
    Sieh deine Küchlein sitzen hier an deinem Grab!
    Erbarme deines Mädchens, deines Sohnes dich;
    Der Pelopiden edlen Stamm, vertilg ihn nicht!
    Dann bist du nicht tot, ob du auch gestorben seist;
    Den toten Vätern sind die Kinder rettender
    Nachruhm; dem Kork gleich führen sie, des Fadens Zug
    Aus tiefem Meergrund treu bewahrend, Garn und Netz.
    Hör mich, um dich ja sag ich laut all meinen Gram,
    Du rettest dich ja, wenn du ehrest dies Gebet! -


    Sie steht auf


    Und nun - denn reichlich spann ich meine Rede fort,
    Das Grab zu ehren, das beweint sonst keiner hat -
    Das andre magst du, da du im Geist gerüstet bist,
    Zur Tat vollenden, magst versuchen deinen Gott!


    ORESTES:
    Ich will's! Doch abwärts liegt es nicht zu fragen noch,
    Weshalb die Spenden sie gesandt, um welches Wort
    Sie spät geehrt hat dieses unsühnbare Weh;
    Dem Toten, der das nimmer achtet, sendet sie
    Den feigen Grabgruß; nicht zu deuten weiß ich dies
    Geschenk, das weit bleibt hinter ihrer Freveltat.
    Denn wer die Blutschuld auszusühnen alles auch
    Hingösse, nutzlos ist die Müh; so ist's und gilt's.
    Darum erzähl's auf meinen Wunsch, wenn du es weißt.


    CHORFÜHRERIN:
    Ich weiß es, Kind, stand selbst dabei; von einem Traum,
    Von nachtgestörten Grauenbildern aufgeschreckt,
    Hat diese Spenden her das arge Weib gesandt.


    ORESTES:
    Erfuhrt den Traum ihr, daß ihr ihn erzählen könnt?


    CHOR:
    Sie sagt, ihr war's, als ob einen Drachen sie gebar.


    ORESTES:
    Wie hat gewendet und geendet sich das Wort?


    CHOR:
    Er wand sich einem Kind in seinen Windeln gleich.


    ORESTES:
    Nach welcher Nahrung langte die junge Drachenbrut?


    CHOR:
    Sie reichte selbst ihm ihre Brust, so träumte sie.


    ORESTES:
    Ließ jenes Untier unverwundet ihre Brust?


    CHOR:
    Nein, mit der Milch aussog es dickgeronnen Blut.


    ORESTES:
    Nicht eitel Ding ist wahrlich eines Menschen Traum.


    CHOR:
    Sie aber schrie hell vor Entsetzen auf im Schlaf;
    Viel Fackelschein, erloschen mit der tiefen Nacht,
    Erhellte schnell die Hallen für die Königin;
    Dann sandte diese Trauerspenden sie zum Grab,
    Wie sie gedachte, besten Schutz vor ihrer Angst.


    ORESTES:
    Ich aber fleh dich, Erde, Vaters Gruft, dich an,
    Ausgangentsprechend werde mir dies Traumgesicht;
    Ich deut es wahrlich, daß es wohl eintreffen muß:
    Denn wenn demselben Schoße jener Drach entsprang,
    Aus dem ich selbst, in gleiche Windeln lag gehüllt,
    Dieselbe Brust scharfleckend, die mich stillte, sog,
    Der lieben Milch einmischte frischgeronnen Blut,
    Sie selbst entsetzt vor solchem Weh aufjammerte,
    Da muß sie furchtbar, wie sie die grause Brut gebar,
    So auch den Tod erleiden; drachenwild empört
    Will ich sie morden, wie der Traum ihr kundgetan.
    Zum Wunderzeugen wähl ich dich für diesen Traum!


    CHOR:
    Also gescheh's! Doch weiter sag uns Freunden nun,
    Wen willst du mit dir tätig, wen du müßig sehn?


    ORESTES:
    Ich sag es kurz euch: du, Elektra, gehst hinein,
    Doch mußt du sehr verbergen diesen meinen Plan,
    Daß, wie sie mit List umbrachten den erhabnen Mann,
    Mit gleicher List sie durch dasselbe Todesnetz
    Gefangen sterben, wie's der Seher Loxias
    Gebot, der stets noch ohne Trug erfundene.
    Gleich einem Fremdling und in vollem Reisezeug
    Komm ich und Pylades an des hohen Hauses Tor
    Als alter Gastfreund und des Hauses Waffenfreund;
    Wir beide sprechen des Parnassos Sprache dann,
    Der Phoker Mundart fremde Laute täuschend nach;
    Doch wird der Torwart freundlich uns wohl eben nicht
    Empfangen, weil das ganze Haus in Freveln rast;
    So werden wir da warten, bis wir einen sehn,
    Der dort vorbeigegangen kommt, und fragen ihn:
    Was läßt Aigisthos vor der Tür den Flehenden
    Ausschließen, da, anwesend selbst, er doch es weiß?
    Wenn ich dann des Schloßtors Schwellen überschritten hab
    Und jenen find auf meines Vaters teurem Thron,
    Er dann herabsteigt, nah sich vor mein Angesicht
    Hinstellt und spricht und, glaub mir, mich mit dem Blick verhöhnt -
    Noch eh er fragt: "Von wannen, Fremdling, kommst du?" tot
    Streck ich ihn nieder mit des Schwertes heißem Schlag.
    So wird Erinnys, nie des Mordes noch verarmt,
    Zum dritten Trunk dann trinken ungemischtes Blut!
    Du aber, Schwester, wach im Hause mußt du sein,
    Daß alles das mir gut zusammentreffen mag;
    Auch euch ermahn und bitt ich, wahret euren Mund,
    Schweigt, wo es not ist, sprechet, was sich ziemt und frommt!
    Das andre laß ich diesem Gott befohlen sein,
    Der diesen Blutkampf meines Schwertes mir gebeut.


    Orestes, Pylades und Elektra ab









    Ja, sie spielten gut, das musste, das konnte auch er behaupten und die Zuschauer schienen gefesselt.

    Erste Strophe


    ORESTES:
    Vater, du armer Vater, was bringen dir, sagen dir kann ich,
    Das tief reichte zu dir hinab, wo du in Grabes Nacht ruhst?
    Gleich wechseln sich Licht und Nacht; also erschall zugleich
    Freude, Klage dir feierlich, Hort du in Atreus' Haus sonst!


    Zweite Strophe


    CHOR:
    O Kind, bewältigt
    Wird des Toten Gedanke nicht durch den blendenden Zahn der Glut;
    Spät einst zeigt er des Zorns Macht!
    Und bejammert wird der Tote,
    Und erkannt wird, der ihn totschlug;
    Des Erzeugers Todesfluch will,
    Der gerechte Zorn des Toten,
    Sein Recht will er, empört verlangt er's!


    Erste Gegenstrophe


    ELEKTRA:
    Höre du, Vater, nun meinen Gram, meinen, den tränenreichen!
    Die zwei Kinder an deinem Grab jammern den Klagegesang dir!
    Schutzflehende müssen wir, landesverjagt, wir hier stehn!
    Ist denn recht das? Und ist's nicht schlecht? Oder erliegt die Schuld nie?


    CHORFÜHRERIN:
    Doch ein Gott kann einst dafür, wenn er will,
    Euch froheres Lied noch zu singen verleihn,
    Statt des Klagegesangs, den am Grab ihr weint,
    In der Königsburg, in der Väter Palast,
    Ein neues, ein freudiges Festlied!


    Dritte Strophe


    ORESTES:
    Wärst du vor Ilion
    Unter lykischen Speeren,
    Mein Vater, sterbend hingesunken,
    Du hättest Ruhm deinem Haus gelassen,
    Den Lebenspfad schön und gut vorgebahnt deinen Kindern;
    Ein gehügeltes Grab ragte drüben am Seegestad dir,
    Ehrte daheim die Deinen!


    Zweite Gegenstrophe


    CHOR:
    Der Freund bei Freunden
    Lägest du, die im Heldenkampf fielen, unter der Erde noch
    Ihr machtheiliger Führer,
    Ein Gefährte du im Hades
    Der gewaltgen Totenfürsten;
    Denn hienieden warst du König,
    In der Hand das höchste Los dir,
    Der Macht menschengebietend Zepter!


    Dritte Gegenstrophe


    ELEKTRA:
    Nein, vor den Ilischen
    Mauern mußtest du, Vater, nicht
    Vom Speer gleich andrem Volk erschlagen,
    Begraben nicht bei Skamanders Flut sein;
    Nein, mußtest ehr die daheim, welche dich so erschlugen,
    Von dem Tode gemäht, selber fern, in der Ferne hören,
    Alle das Leid nicht leiden!


    CHORFÜHRERIN:
    Was du sagst, Kind, kostbarer denn Gold,
    Glückseliger ist's als seligstes Glück,
    Hyperboräisches Glück; denn du klagest!
    Doch der doppelten Geißel entsetzend Getös,
    Schon nahet es sich;
    Denn die Toten, sie sind ja zum Beistand nah,
    Und der Lebenden Hände, sie sind nicht rein
    Von verruchtester Schuld
    Und der doppelten Schuld an den Kindern!


    Vierte Strophe


    ELEKTRA:
    Dringt mir das Wort doch ins Ohr
    Scharf wie ein schneidender Pfeil!
    Zeus! Zeus! der du empor ein spätstrafend Gericht des Schicksals
    Der allfrevelnden, frechen Hand schickst,
    Gleiches erfülle du unsern Eltern!


    Fünfte Strophe


    CHOR:
    Ein Festlied singen möcht ich einst, hell aufjubeln zum Schein der Fackeln
    Über das Blut des Mannes,
    Über das Blut des Weibes! Bergen wozu, wie die Hoffnung
    Hoch fliegt! Treibt doch scharfwehender Zorn in schneller Fahrt,
    In vorauseilender Hast
    Gramempörter Haß mich fort!


    Vierte Gegenstrophe


    ORESTES:
    Trifft der gewaltige Gott
    Einst sie mit flammender Hand,
    Weh, weh, zerschmettert er sie, dann geschieht dem Lande das Seine;
    Und Recht fleh ich für freches Unrecht!
    Höret, ihr Unteren, mich zur Rache!


    CHORFÜHRERIN:
    Und es ist ein Gesetz, daß sterbend der Strom
    Des vergossenen Bluts Blut wieder verlangt,
    Und es fordert, es schreit die Erinnys Tod
    Für jeden, der je umkam, Unheil,
    Das heraufführt anderes Unheil!


    Sechste Strophe


    ELEKTRA:
    Wo weilt nun ihr, der Nacht Gewalten, wo?
    Schauet doch ihr, der Erschlagnen allmächtige Flüche!
    Ihr sehet uns, letztes Reis des Atreusstammes,
    Ohn Rat und Schutz, ehrentblößt
    Und heimatlos! Zeus, wohin uns wenden?


    Fünfte Gegenstrophe


    CHOR:
    Emporkocht wieder mir des Herzens Blut, hör ich dich also jammern!
    Jegliche Hoffnung flieht!
    Es nachtet in meinem Busen, hör ich auf deine Klage!
    Doch dann wieder scheucht sichrer Mut kühnen Blicks
    Hinweg jeglichen Gram,
    Daß ich es freundlich tagen seh!


    Sechste Gegenstrophe


    ORESTES:
    Welch Wort denn trifft's? Verzeihlich sei zumal,
    Was wir geduldet von der, die geboren uns!
    Doch nimmermehr lischt sich auch das andre fort -
    Nein, gleich dem blutdürstgen Wolf,
    Nie satt noch müd sei der Mutter mein Haß!


    Siebente Strophe


    ELEKTRA:
    Mit wildem Totschlag traf sie ihn, der kissischen
    Blutlechzenden Waffendirne gleich;
    Weitausgeschwungen im wilden Wechsel jagte sich
    Hinabgeschmettert ihres Armes hastger Schlag
    Hoch nieder, jäh herab!
    Im Echo widerhallte
    Mein jammerschlaggetroffen, mein unselig Haupt!


    Achte Strophe


    Weh dir, ruchloses Weib! Weh dir, Mutter!
    Wie der Feind den Feind verscharrt,
    Den König so, ungeehrt,
    So sonder Wehklage hast
    Du tränenlos deinen Herrn begraben!


    Neunte Strophe


    ORESTES:
    O nenne das Schmach und Schande. Weh mir!
    Doch büßen soll meines Vaters Schmach sie!
    Auf Gottes Kraft bau ich fest!
    Auf meine Hand trau ich fest!
    Erschlag ich sie, sterben will ich gern dann!


    Neunte Gegenstrophe


    ELEKTRA:
    Dann ward sein Leichnam, o denk, verstümmelt,
    Begraben schmachvoll wie erschlagen!
    Und schnöde List sann sie dir,
    Ersann für dein Leben Tod!


    Siebente Gegenstrophe


    Des Vaters furchtbar schmacherfüllt Geschick weißest du,
    Weißt deines Vaters schnöden Tod!
    Mich selber schob man weg,
    Unwürdig, schmachvoll, ehrentblößt;
    Hinausgestoßen vom Palast wie ein reudger Hund,
    Vergaß ich das Lachen, brach ich in bittre Tränen aus,
    Froh, wenn ich verhehlte meines Grames nassen Blick!
    Was du vernommen, Bruder, schreib es dir ins Herz,


    Achte Gegenstrophe


    Durchs Ohr bohre tief sich dieses Wort dir
    Ein in des Herzens stillen Grund!
    Das alles war wahrlich so!
    Das andre frag deinen Zorn!
    Du mußt mit furchtloser Kraft genaht sein!


    Zehnte Strophe


    ORESTES:
    Ich rufe dich, Vater, sei den Deinen nah!


    ELEKTRA:
    Mit ruf ich dich, Vater, bitterweinend dich!


    CHOR:
    Wir allzumal stimmen lauten Rufes ein!
    Erhör uns, steig ans Licht empor,
    Wider die Feinde hilf du!


    Zehnte Gegenstrophe


    ORESTES:
    So kämpfe Macht gegen Macht, Recht gegen Recht!


    ELEKTRA:
    O Götter, jetzt endet unser Recht gerecht!


    CHOR:
    Mich überströmt Zittern, hör ich euer Flehn!
    Das Gottverhängte harret längst;
    Flehet ihr drum, heraufsteigt's!


    Elfte Strophe


    O des verwandten Wehs!
    O des verhängten Mordes schneidender blutger Mißlaut!
    Weh, weh! Gräßliche Blutverwandtschaft!
    Weh, weh! nimmergestillter Jammer!


    Elfte Gegenstrophe


    Rettung erscheint dem Haus
    Nicht von Entfernten, nicht von Fremden, von ihnen selbst nur,
    In bluttriefenden Haders Fortgang;
    Und das sing ich den Göttern drunten!


    CHORFÜHRERIN:
    Ihr drunten, vernehmt, ihr Selgen der Nacht,
    Hört dieses Gebet! Beistand und Kraft
    Schickt gnädig zum Siege den Kindern!


    Orestes und Elektra setzen sich auf die Stufen des Grabes

    Den zuschauern schien es zu gefallen. Fuscus kaute nervös auf der Lippe herum, schliesslich war Rom doch was anderes als Mogontiacum. Aber bisher hatte es zumindest keine Buhrufe gegeben, was ihn beruhigte.




    ORESTES:
    Du bete zu den Göttern enderflehnd Gebet,
    Daß auch das andre dir beschieden möge sein!


    ELEKTRA:
    Was wär's, das jetzt schon mir gewährt der Götter Gunst?


    ORESTES:
    Dein Auge sieht nun, drum du lange betetest!


    ELEKTRA:
    Und wen der Menschen weißt du, daß ich gerufen hab?


    ORESTES:
    Ich weiß, Orestes hast du oft und heiß ersehnt!


    ELEKTRA:
    Und wo und wie denn wär erfüllt jetzt mein Gebet?


    ORESTES:
    Ich bin es, such dir keinen, der dir teurer ist!


    ELEKTRA:
    Du betrügst mich, Fremdling, du umgarnest mich mit List.


    ORESTES:
    So schling und strick ich selber um mich selbst Betrug!


    ELEKTRA:
    Und lachen willst du über mich und meinen Gram!


    ORESTES:
    Auch über mich und meinen Gram, wenn über dich!


    ELEKTRA:
    Zu dir, Orestes, hätt ich alles dies gesagt?


    ORESTES:
    Da du mich selbst siehst, jetzt erkennest du mich nicht;
    Und da du diese Locke sahst des Trauerhaars,
    Die Locke deines Bruders, deinem Haupte gleich,
    Und deinen Fuß einfügend maßest meine Spur,
    Da flogst du hoch auf, und du meintest mich zu sehn!
    Sieh, diese Locke lag an diesem Schnitt des Haars,
    Sieh dies Gewand an, deiner eignen Hände Werk,
    Des Weberschiffleins Marken hier, der Tiere Bild -
    Sei ruhig, gib die Vorsicht nicht der Freude preis;
    Uns beiden, weiß ich, sind die Liebsten bitterfeind!


    ELEKTRA:
    O letzte, liebste Sorge für des Vaters Haus!
    Beweinte Sehnsucht nach der Rettung letztem Reis!
    Kraft deines Armes nimm zurück dein Vaterhaus!
    O süßes Auge! Dein gehört vierfacher Teil
    In meinem Herzen; sieh doch, nennen muß ich dich
    Nun meinen Vater; meiner Mutter Liebe kommt -
    Denn ganz gerecht haß ich sie selbst -, dir kommt sie zu,
    Dir auch der Schwester Liebe, der Geopferten;
    Und dann mein Bruder bist du, der mich wiederehrt!
    Nun möge Kraft mir, möge mir Gerechtigkeit
    Beistehn und Zeus zum dritten, der allergrößeste!


    ORESTES:
    Zeus, Zeus, auf mein Beginnen schaue du herab!
    Sieh meines Vaters, sieh des Adlers arm Geschlecht,
    Der selbst den Schlingen, dem Umzüngeln unterlag
    Der argen Schlange; aber die verwaiste Brut
    Quält nüchtrer Hunger; ihnen fehlt es noch an Kraft,
    Des Vaters Beute heimzutragen in das Nest;
    So tief bekümmert, so verwaiset siehst du uns,
    Mich und Elektra, uns Geschwister vaterlos,
    In gleicher Flucht verstoßen unsrem Vaterhaus!
    Und hast du dann des Vaters Kinder, der dich fromm,
    Der dich mit Opfern ehrte, einst hinweggetilgt,
    Wer reicht dir dann noch gleicher Hände vollen Dank?
    Nicht bleibt dir, wenn das Geschlecht des Adlers du vertilgst,
    Zu senden glaubhaft Zeichen an die Sterblichen,
    Noch opfert dieser Königsstamm, so ganz verdorrt,
    Auf deinem Altar dir am Feststieropfertag!
    Sei unser Hort! Vom Boden richt ein hoch Geschlecht
    Empor, das jetzt gar tief dahingesunken scheint!


    CHOR:
    O Kinder, o Erretter eurem Vaterherd,
    Seid still, daß niemand sonst es, o ihr Lieben, hört
    Und vielgeschwätzig alles dies euch nacherzählt
    Bei meiner Herrschaft, die ich hier hinsterben noch
    In der Flammen pechgetränktem Qualm einst möchte sehn!


    ORESTES:
    Nicht mich verraten wird der allgewaltge Spruch
    Des Loxias, der dieses Wagnis mir gebeut,
    Der laut mich aufrief, Qualen, sturmgegeißelte,
    In meinem heißdurchglühten Herzen mir verhieß,
    Wenn ich meines Vaters Mörder nicht verfolgete,
    Zur Rache sie zu morden mit demselben Mord;
    Zerstört von seinen Strafen, nicht an Hab und Gut,
    Nein, an der lieben Seele, sprach er, würd ich dann
    Drum leiden vieles, unerträglich bittres Leid;
    Denn als der Hassenden Sühne hat er allem Volk
    Mißwachs verheißen, schwere Krankheit aber mir,
    Aussatz, der tief ins Fleisch sich frißt mit grimmem Zahn,
    Der mir hinwegnagt meiner Sehnen alte Kraft,
    Mit greisem Haare meiner Locken Schmuck vertauscht!
    Und andre Qualen nannte der Erinnyen,
    Aus meines Vaters ungerächtem Blut erzeugt,
    Der Gott, der hellsieht, dessen Aug die Nacht durchschaut;
    Denn auch der nächtig dunkle Pfeil der Unteren,
    Die umgebracht sind durch der Verwandten Missetat,
    Wahnsinn, Entsetzen, nächtger Träume hohle Furcht,
    Treibt mich, verstört mich und verfolgt aus aller Stadt
    Mit eherner Geißel meinen gottverfluchten Leib!
    Wer so gebrandmarkt, nimmer an der Becher Lust
    Sei dem ein Anteil, noch an heilger Spende Guß;
    Man scheuch ihn von den Altären, den lebendgen Zorn
    Des Vaters, niemand gönn ihm gastlich Tisch und Bad;
    Verarmet, ehrlos, ohne Freund, so sterb ich einst
    Elend im Siechtum, ausgedörrt bis in den Tod!
    Solch einem Ausspruch muß man glauben und vertraun;
    Und traut ich minder, dennoch muß die Tat geschehn;
    Vielfacher Antrieb strömt vereint auf mich herein,
    Des Gottes Auftrag, meines Vaters große Schmach,
    Des eignen Lebens Dürftigkeit, das alles läßt
    Mich meine Bürger, aller Zeit berühmteste,
    Die Überwinder Ilions in Heldenkraft,
    Nicht länger untertänig zween Weibern sehn;
    Denn weibisch ist sein Mut; wenn nicht, bald sehen wir's!


    CHORFÜHRERIN:
    Ihr gewaltigen Moiren, mit Zeus' Beistand
    Werd so es vollbracht,
    Wie das Recht mitwandelnd den Pfad zeigt!
    "Für feindliches Wort sei feindliches Wort!"
    Also ruft Dike, die lautere, laut,
    Wenn die Buße des Hasses sie eintreibt!
    "Für blutigen Mord sei blutiger Mord!
    Wer tat, muß leiden!" So heißt das Gesetz
    In den heiligen Sprüchen der Väter!

    ELEKTRA:
    Ihr teuren Wärterinnen, vielgetreue Fraun,
    Mit mir gekommen seid ihr, dieses heilgen Zugs
    Geleiterinnen; drum so sagt mir euren Rat:
    Wenn auf das Grab ich gieße diesen Trauerguß,
    Wie soll ich freundlich sprechen? Wie zum Vater flehn?
    Sag ich, von seiner lieben Gattin sei ich ihm,
    Dem lieben Mann, von meiner Mutter ich gesandt?
    Dazu gebricht's an Mut mir; und nicht weiß ich, wie
    Ich beten könnte, wenn ich auf des Vaters Grab
    Dies spende. Oder sag ich nach dem heilgen Brauch:
    Vergelten mög er denen, die ihm diesen Kranz
    Gesandt, vergelten auch der Bösen bös Geschenk?
    Soll schweigend, schmachvoll, so wie einst mein Vater fiel,
    Ich gießen dieser Spende grabgetrunknen Guß,
    Die Schale dann, als wär sie unrein, gottverflucht,
    Wegschleudern abgewandten Blicks und wieder gehn?
    So wollt mir raten, Teure, was ich möge tun;
    Ist uns gemeinsam doch der Haß in jenem Haus!
    Nicht bergt's in eurem Herzen, irgendwie besorgt;
    Denn sein Verhängnis harrt des Freien ebenso
    Wie des von fremden Siegers Hand geknechteten.
    So sprich, wenn du mir Beßres weißt, als ich gesagt!


    CHORFÜHRERIN:
    Gleich einem Altar ehrend dir des Vaters Grab,
    Sag ich, du willst es, was ich im tiefsten Herzen denk.


    ELEKTRA:
    So sag mir, wie wohl ehrtest du des Vaters Gruft?


    CHOR:
    Zur Spende segne, die ihm treu gesinnet sind.


    ELEKTRA:
    Wen aber von den Seinen darf ich nennen so?


    CHOR:
    Zuerst dich selbst und jeden, der Aigisthos haßt.


    ELEKTRA:
    Für mich und dich denn sag den Segen ich zuerst?


    CHOR:
    Vergiß Orest nicht, weilt er auch im fremden Land.


    ELEKTRA:
    Vor allem; du gemahnst mich an das Teuerste!


    CHOR:
    Und dann den Tätern, wann du an den Mord gedenkst -


    ELEKTRA:
    Was dann? Belehr mich, sag es mir, ich weiß es nicht!


    CHOR:
    Sag, ihnen kommen werd ein Gott einst oder Mensch -


    ELEKTRA:
    Meinst du, der sie richten oder der ihn rächen wird?


    CHOR:
    Du sprichst es einfach: der den Mord mit Mord vergilt!


    ELEKTRA:
    Doch ist es fromm auch, von den Göttern das zu flehn?


    CHOR:
    Warum denn nicht soll büßen seine Schuld der Feind?


    ELEKTRA:
    Du höchster Herold hier im Licht, im Hades dort,
    O Grabeshermes, hör mich und erwecke mir
    Des Schattenreichs Gottheiten, daß sie hören mein
    Gebet, die Hüter über meines Vaters Blick,
    Und auch die Erde, die gebieret alles Ding,
    Und was sie aufzog, wieder dessen Keim empfängt;
    Ich gieße diese Spenden für die Toten aus
    Und rufe dich, mein Vater, mein erbarme dich
    Und deines Sohns Orestes. Herrschten wir im Haus!
    Denn sieh, verstoßen leben wir und wie verkauft
    Von unsrer Mutter; den Aigisthos hat sie sich
    Zum Mann erlesen, der dich mit erschlagen hat;
    Und einer Magd gleich hält sie mich; Orestes ist
    Verjagt aus seinem Erbe, während sie in Prunk
    Und eitler Wollust deines Schweißes Frucht vertun!
    Daß heim Orestes gottgeleitet kehren mag,
    Drum fleh ich dich an, Vater, du erhöre mich!
    Mir aber gib du, daß ich tugendhafter sei
    Denn meine Mutter, reinen Wandels, reiner Hand!
    Für uns gebetet hab ich dies; den Feinden nun
    Erscheint, ich weiß es, einer, der dich, Vater, rächt,
    Auf daß die Mörder wieder morde ihr Gericht;
    Und sei mir laut bezeuget, wie für bösen Fluch
    Ich ihnen wiederfluche diesen bösen Fluch!
    Du aber send uns alles Heil empor, mit dir
    Die Götter und die Erd und Dike Siegerin!
    Für diese Bitte spend ich diesen heilgen Guß;
    Ihr aber flechtet eurer Klage Totenkranz
    Und weihet meinem Vater frommen Grabesgruß!


    CHOR:
    Weinet die Träne, die rieselnde, sterbende,
    Ihm, der starb, unsrem Herrn,
    Zu dieser Spende Born,
    Der Bösen nichtiger, schnöder Beschwichtigung
    Wider der Edlen Zorn!
    Höre du, mich höre du,
    O Herr und Fürst, in deiner grabstillen Ruh!


    Wehe ruf ich jammernd aus!
    Wehe, welcher Speeresheld
    Wird Befreier diesem Haus?
    Der Skythe, dem in des Kampfes wilder Hast
    Schwirrenden Pfeiles Flug
    Vom rückschnellenden Bogen blinkt,
    Der griffgefaßt sein nacktes Schwert blutig schwingt?


    ELEKTRA:
    Mein Vater hat nun seinen erdgetrunknen Guß -
    Doch sieh! Zu diesem neuen Wunder ratet mir!


    CHORFÜHRERIN:
    O sprich! Es fliegt mein Herz im Busen mir vor Angst!


    ELEKTRA:
    Hier seh ich eine Locke auf das Grab geweiht!


    CHOR:
    Von welchem Manne, welchem hochgeschürzten Weib?


    ELEKTRA:
    Deutbar zu jedem ist sie, wenn du deuten willst!


    CHOR:
    So laß mich Ältre lernen von der Jüngeren.


    ELEKTRA:
    Ich wüßte niemand außer mir, der's weihete!


    CHOR:
    's ist feind, für wen sich sonst die Trauerlocke ziemt!


    ELEKTRA:
    Und dennoch wahrlich ist so ganz sie wieder gleich -


    CHOR:
    Sag, wessen Haaren? Hören möcht ich das von dir!


    ELEKTRA:
    Ganz meinen eignen ähnlich ist sie anzusehn!


    CHOR:
    Wär's von Orestes selber heimlich ein Geschenk?


    ELEKTRA:
    Mit dessen Locken scheint sie in der Tat mir gleich!


    CHOR:
    Wie hätte der hierherzukommen sich gewagt?


    ELEKTRA:
    Gesandt dem Vater hat er seiner Locke Gruß! -


    CHOR:
    Was du gesagt, nicht minder wein ich bitter drum,
    Wenn dieses Land doch nimmermehr sein Fuß betritt!


    ELEKTRA:
    Auch mir ins Herz gießt brandend sich der Galle Flut;
    Es schmerzt, als hätte mich ein schneller Pfeil durchbohrt;
    Aus meinen Wimpern stürzt mir trocken, ungewehrt
    Unsäglicher Tränen bittre Brandung wild hervor,
    Da ich diese Locke sehe! Denn wie hofft ich wohl,
    Daß einer unsrer Bürger sonst ihr Herr sich nennt?
    Und nimmermehr gab dieses Haar die Mörderin,
    Nein, meine Mutter nimmer, die stiefmütterlich
    Und gottvergessen ihren Kindern ist gesinnt;
    Und wieder, daß ich freudig soll gestehn, es sei
    Mir dies ein Kleinod von dem Liebsten auf der Welt,
    Sei von Orestes - nein, mich täuscht der eigne Wunsch!
    Ach! -
    Daß freundlich sie mir sprechen könnte, botengleich,
    Damit der Zweifel nicht mich jagte her und hin!
    Und doch, gewiß, ich hätte dies Haar angespien,
    Wär's abgeschnitten je von eines Feindes Haupt;
    Wenn's mir verwandt ist, durft es mit mir trauern auch
    Des Vaters Totenfeier und den Grabesgruß! -
    Zu den Göttern laßt uns rufen, den Allwissenden,
    In welchen Kreiselstürmen gleich den Schiffern wir
    Verirrt sind. Dennoch, wenn uns Rettung werden soll,
    Da wächst von kleinem Samen auch ein großer Stamm! -


    Sie steigt die Stufen zum Grab hinab


    Und da, die Tritte, sieh, ein zweites Zeichen ist's
    Von gleichen Füßen, ähnlich ganz den meinigen;
    Ja, sieh, von zween eingezeichnet ist die Spur,
    Hier von ihm selber, da von dem, der mit ihm kam;
    Der Sohlen Abdruck und der Fersen, meß ich sie,
    Zusammentreffen sie genau mit meinem Fuß! -
    Angst übermannt mich; aller Sinn ist mir verrückt!


    Orestes tritt ihr entgegen.

    Erste Strophe


    CHOR:
    Entsandt dem Hause kam ich her,
    Geleit der Spende mit der Hände wildem Schlag!
    Die Wange blutet heiß in tiefen Rissen,
    Wiedergerissenen Nägelfurchen mir!
    Und rastlos, weh, an Wehklage weid ich meinen Sinn!
    Zu Fetzen reißt mein Kleid entzwei,
    Zu linnezerrißnen in meinem Gram!
    Mein schwarz Brusttuch, mein weitfaltiges Kleid
    Zerfetzt der ungewehrte Schmerz!


    Erste Gegenstrophe


    Denn furchtberedt, gesträubten Haars,
    Des Hauses Träumedeuter, aufgeschreckt im Schlaf
    Zu neuem Graun, hat mitternächtgen Angstschrei,
    Mordesgeschrei an dem Herde geschrien,
    Zu uns ins Fraungemach taumelwild sich hineingestürzt.
    Des Traumes Deuter sprachen dann
    Und riefen zu Zeugen die Götter an:
    Sehr voll Ingrimm sei'n, sehr zornig die Toten,
    Ihren Mördern wildempört!


    Zweite Strophe


    Und diese Liebe liebelos, die sühnen soll die Schuld,
    Io, Erde, Erde!
    Spendet, sendet her das gottvergeßne Weib!
    Mich bangt's, auszustoßen dieses Wort!
    Denn welche Sühne gibt es für vergossen Blut?
    Io, du allbeweinter Herd!
    Io, du untergrabnes Haus!
    Ja, graungemieden, sonnenlos umhüllt tiefes Dunkel das Haus,
    Drin erschlagen der Herr ward!


    Zweite Gegenstrophe


    Ehrfurcht, versagt, verargt, gefährdet nimmer sonst,
    Dem Volk eingewohnt sonst
    Tief in Ohr und Herzen - jetzt empört sie sich!
    Voll Angst weiß ich eine! - Glücklich sein,
    Das gilt als Gott den Menschen und gilt mehr als Gott!
    Ein letzter Schlag versieht das Recht
    Urplötzlich dem am Tage noch,
    Dem stürzt er lauernd im streitgen Licht der Dämmrung heimtückisch hervor,
    Nacht fängt andre, die nie tagt!


    Dritte Strophe


    Das Blut, von seiner Amme, Erde, aufgefahn,
    Gerann zum Racheblutmahl, nie verfließt es mehr;
    Voll Tücke verschiebt Ata sie noch, daß, wer es tat,
    Seh seines Jammers Blütenpracht!


    Dritte Gegenstrophe


    Wer frech sich fremdes Brautgemach erbrach, gesühnt
    Wird nimmer der; und strömte aller Ströme Flut
    Allseits her, bluttriefenden Mord
    Hinwegzuspülen, doch umsonst strömten sie!


    Epode


    Doch ich - denn mir wiesen hier Magd zu sein
    Die Götter zu; fortgeschleppt vom Herd meiner Heimat
    Ward ich früh ins Los der Knechtschaft -,
    Ich muß, was recht, muß, was schlecht meine Herrschaft hat getan,
    Ich muß, da mich Gewalt zwingt, es preisen,
    Muß meines Herzens Haß vergessen! -
    Ins Gewand verhüllt, umsonst bewein ich
    Meines Königs Los, verstein ich
    Im verhaltnen Herzensgram!



    Die Schauspieler hatten sich langsam warm gespielt und die anfängliche Nervosität darüber, vor römischem Publikum aufzutreten war vergessen. Fuscus stand weit im Hintergrund, nicht zu sehen von den Rängen aus und beobachtete das Spiel zufrieden.