Beiträge von Sofian

    In der neugierigen Menschenmenge, die zu Beginn des Sklavenmarktes rund um den Stand des Tranquillius gebildet hatte, wurde nunmehr gedrängelt und gegafft. Es waren Blicke, die ich als äußerst unangenehm empfand und die derartig abschätzig erschienen, dass ich am liebsten zurück getreten wäre, um das Podest augenblicklich zu verlassen. Es verletzte meine Würde und mein Selbstwertgefühl und obendrein war dies alles hier sowieso nur ein Irrtum. Ich war als freier Mann nach Ostia gekommen und in meinen Gedanken war ich dies noch immer. Vorsichtig spähte ich zu den Schergen des Händler hinüber, welche allerdings auch weiterhin nicht den Eindruck machten, mich konsequenzlos gehen lassen zu wollen. Inzwischen hatte sich eine Frau nach vorne gedrängt und bot die gewünschten fünfhundert Sesterzen. Einen Moment lang lag meine Aufmerksamkeit bei ihr, doch es sollte noch weiter gehen. Auch ein Mädchen hatte sich durch die Menge geschoben, gefolgt von einem Muskelpaket von Mann. Auch sie bot nun und ich heftete meine Blicke auf den Boden vor mir, wobei ich noch immer dagegen ankämpfte laut zu rufen, dass man mich entführt und meine Schwester geschändet hatte.


    Unwillkürlich ballten sich meine Fäuste immer wieder und ich mühte mich sehr, das Geraune und Gerufe in der Menge einfach zu überhören. Fast zu spät realisierte ich, dass das kleine Stimmchen des Mädchens sich in Form einer Frage zu mir empor gehoben hatte. Meinte sie wirklich, es sei ein Spiel? Ich presste meine Lippen aufeinander und schnaubte ein verächtliches Lachen hervor, ehe ich meinen Kopf hob und sie direkt mit vor verletztem Stolz funkelnden Augen anblickte. Es war ein niedliches Kind, wahrscheinlich von edler Abstammung, von der ihre Kleidung und ihr Leibwächter kündete. Vor einigen Tagen hätte es mir bestimmt Freude gemacht, mich mit ihr zu unterhalten, denn kindlichen, forschenden Geist und unschuldige Naivität mochte ich ganz besonders gern, weil ich sie stets als drollig empfunden hatte. Aber nun? “Es ist ein interessantes Spiel, welches Verbrecher begünstigt,“ grollte ich vernehmlich hervor. “Ein Spiel, welches Aufseher braucht um sicher zu stellen, dass sie auch ja gewinnen!“ Meine Stimme war nun lauter geworden und ich hatte den Helfern des Händlers unter meinen Worten entgegen gesehen. Diese gaben sich nun ein Ruck, waren sich aber noch nicht schlüssig, ob sie auf mich zutreten sollten, um mich zum Schweigen zu bringen. Ihre Warnung stand noch immer recht rege in meinen Gedanken, also atmete ich tief durch, fasste mich wieder und sagte dann: “Mein Name ist Sofian.“ Wieder senkte ich meine Blicke, auch wenn es mir schwer fiel. Es würde eine andere Gelegenheit geben dieser misslichen Lage zu entkommen. Ich musste es nur abwarten.

    [...] Ich ließ es geschehen, dass man mich auf den Block führte, von dem aus man zu meinem Leidwesen auch noch einen recht guten Überblick hatte. Die Worte des Titus Tranquillus klangen nur dumpf an mein Ohr, denn ich achtete kaum auf sie. Ich bekam nur mit, wie er mich anpries, als Weitgereisten, gebildeten Künstler. Es erinnerte mich alles an eine Zukunft, die ich nun nicht mehr haben würde. Nun war alles anders. Meine finsteren Blicke hatten sich auf den Boden vor mir geheftet und ich merkte, wie es nun wieder ein Anhauch von Trotz war, der in mir aufsteigen wollte. Doch man hatte ich mich gewarnt, hier auf dem Podest eine Szene zu machen. Einhergegangen war dies mit so manch einer Drohung, die mich zu meinem Leidwesen sehr beeindruckt hatte. Dennoch würde ich niemals einfach aufgeben. Etwas verloren wischte ich mir nun eine der langen braunen Haarsträhnen aus der Stirn und wage es nun doch vorsichtig in die Menge zu spähen. Dann schluckte ich schwer und versuchte mit jedem Atemzug mich daran zu erinnern, was mit mir geschehen würde, wenn ich es wieder hinausschreien würde, dieses mir zugefügte Unrecht. Es drängte ich schier gegen meine Lippen. Nein, ich war ein freier Mann, dem Gewalt angetan worden war. Ich war kein Sklave! Ich war Künstler, Bildhauer, liebender Sohn und Bruder, den man einfach so beraubt hatte!

    In dem Moment, in welchem ich die Worte ausgesprochen hatte, zerbrach in mir etwas. Dabei wusste ich nicht, ob es mein Stolz war oder der letzte Rest von Hoffnung. Gelitten hatte beides über die Maßen. Dass ich nun etwas zum Trinken und zum Essen bekommen sollte, rauschte an mir ebenso vorbei, wie die Hände der Schergen des Händlers, ich mich nun wieder auf die Beine zerrten und mich zum Karren zurück brachten. Dort angekommen stürzte ich mich regelrecht auf den mir dargebotenen verdünnten Wein und gierig schlang ich das Brot und das Fleisch hinunter. Wahrscheinlich sollte ich dem Sklavenhändler nun dankbar für diesen Genuss und wahrscheinlich war ich es auch. Ich konnte es nicht sagen, denn meine Gefühlswelt lag in Scherben und ich wusste kaum noch, was ich überhaupt noch denken sollte. In dieser Nacht schlief ich schlecht, doch ich verhielt mich ruhig. Auch den Tag über sprach ich kein einziges Wort, sondern kämpfte leidlich gegen die Erschöpfung an, welche mich gefangen hielt. Als ein weiterer Sklavenhändler auftrat, ließ ich alles über mich ergehen, so als wäre mein Leib nur noch eine leblose Hülle. Es war entwürdigend was geschah, doch ich hatte für diesen Moment nicht mehr den Drang mich zu wehren, auch wenn ich genau wusste, dass ich tief im Inneren noch lange aufgegeben hatte. Schon am nächsten Tag lag Rom vor uns, doch was mich erwartete würde keine blühende Zukunft sein, in der es mir und meiner Familie gelingen würde, die Anerkennung zu finden, die wir verdienten. Ich hatte einen Gönner gewollt und keinen Herrn. Ich hatte die Freiheit gewollt und nicht die Gefangenschaft. Anerkennung hatte ich haben wollen und nicht die grausame Knechtschaft, der ich nun entgegen blicken musste. [...]

    Immer wieder hatte ich geschrien, gefordert, dass man mich über den Verbleib meiner Familie unterrichtet, doch war auf eine Mauer des Schweigens gestoßen und man hatte mich ignoriert, als wäre ich überhaupt ein Nichts, nicht da und nicht mehr wert als die Luft, die sich mit dem Fortschreiten es Tages immer mehr erwärmte. Ich begann zu schwitzen und Durst brandete immer weiter auf. Schließlich, ach gefühlten Ewigkeiten, war ich verstummt und hatte mit leerem, brütenden Blick hinter einer, dank Überforderung brütender Gedankenwelt einfach nur vor mich hin in die anbrechende Nacht gestarrt. Ich konnte mich meinem Schicksal nicht ergeben, es war zu grausam, zu surreal und für mich überhaupt nicht greifbar. Meine Schwester stand vor meinem inneren Auge. Weinend und übersät mit Blessuren, ihr Leib zerfurcht und mit abgerissenen Kleidern. Mein Vater! Meine Schwester! Noch immer machte ich mir weniger Sorgen um mich selbst, denn ich realisierte nicht, dass sich die Zukunft und das Glück gegen mich selbst gewendet hatten. Erst als man den Käfig öffnete und ich hinaus gezerrt wurde in das Dunkel, wurde ich gezwungen mich überhaupt zu regen.


    Erschöpft und kraftlos ließ ich es über mich ergehen, dass ich von zwei Schergen davon geschleift und vor dem Sklavenhändler in den Dreck gestoßen wurde. Was würde nun kommen? Die Peitsche? Die erhofften Erklärungen? Wieder keimten Worte in mir empor. Fragen und auch der erneute Widerstand, doch ich sprach es nicht aus. Meine Kehle war trocken und alles in mir schrie nach Wasser. Und mein Wille? Einen Moment lang erschien es, als ob er erstorben war. Meine Blicke hoben sich dem Fremden entgegen, der mir nun endlich Antworten gab. Doch es waren Antworten, die die Furcht in mir noch mehr anheizten und nicht mehr als die Betätigung meiner allerschlimmsten Befürchtungen. Es war skurril zu hören, dass von einem Marktwert die Rede war. Thierza hatte keinen Marktwert! Thierza war meine Schwester und es zerriss mir das Herz zu hören, was ihr möglicherweise noch bevor stand. Ihr und meinem alten, lieben Vater, zu Tode gekommen in einem Steinbruch. Hass wallte auf, als ich das höhnische Gelächter der Männer hörte und ich regte mich ein wenig auf dem Boden, sodass ich langsam aber sicher auf die Knie kam, während vor mir die Optionen meines eigenen Weiterkommens entblättert wurden. Sarkastisch, zynisch und überaus herrisch.


    In mein Innerstes schneidend war nun die Wahl, vor die ich gestellt wurde. Wie wollte ich in Rom ankommen? Heil oder gebrochen. Was spielte das noch für eine Rolle? Man hatte mich des Kostbarsten beraubt was ich hatte: Meiner beiden Liebsten und meiner Freiheit und so sehr es mich auch quälte, es erschien irreversibel. Ich war bereits gebrochen und der letzte Rest Verstand in mir erklärte vorsichtig, dass es besser sei sich nun zu fügen, auch wenn alles in mir dagegen anschrie. Sollten sie mit mir doch tun was immer sie wollten, Hauptsache meiner Familie erging es gut, doch dies war ein Opfer das nicht mehr erbracht werden konnte. Wir waren getrennt und es gab keinen Weg mehr. Ich ließ meinen Kopf hängen und schlug die Hände vor mein Gesicht, wobei ich ein Aufschluchzen nicht mehr unterdrücken konnte. In mir überschlugen sich die verzweifelsten Gedanken, doch wieder war es der Verstand, der sagte, dass es besser war nun in allem nachzugeben. Auch körperlich war ich nicht mehr in der Lage auch nur die geringste Gegenwehr zu leisten. Wollte ich noch mehr gequält werden? Dann nickte ich, ließ die Hände sinken, sah dem Händler wieder entgegen und sagte leise: “Ich möchte gesund ankommen.“

    Kummer, Sorge und Schmerz hatten sich mittlerweile tief in mein Herz gefressen, es in Stücke getrieben und aufgezehrt. Ich weinte leise vor mich hin, während ich mich an eines der Gitter des Käfigs klammerte, der auf einem Wagen in Richtung Rom rumpelte. Mein Kopf und mein Rücken schmerzten von Schlägen, die man mir beibrachte, weil ich gegen das Unrecht protestierte, welches man mir und meiner Familie angetan hatte. Es gärte in mir. Neben Wut und Gram trug auch die Verzweiflung mittlerweile meinen Namen. Sie hatten uns aufgelauert, nachdem wir die Schenke verlassen hatten und sie hatten uns keine Chance gelassen zu entfliehen. Meine Schwester hatte aufgeschrieen, mein Vater war entsetzt gewesen und ich, ich hatte sie einfach nicht verteidigen können, gegen die Schar von Angreifern. Niemals hätte ich gedacht, dass uns derartiges widerfahren konnte. Niemals hätte ich gedacht, dass ich eine geschlagene Nacht in einem finsteren Verschlag ausharren musste, gefesselt und dazu verdammt das Leid meiner Schwester, die da geschändet wurde, mit anzuhören. Alles rumorte in meinem Kopf und ich spürte, dass mir die Fähigkeit zum klaren Denken inzwischen abhanden gekommen war. Ganz so, als wollte etwas in mir nicht begreifen, was hier vor sich ging. Wo war nur mein Vater? Meine Schwester? Die Angst um sie bereitete mir beinahe körperliche Schmerzen. Kein Lebewohl, kein Abschiedgruß. Doch wieder einmal konnte ich nichts tun außer es zuzulassen, dass in mir die Gewissheit aufkeimte alles zu tun, um sie widerzufinden.


    Die anderen Elenden, die mit mir in diesem vergitterten Karren hockten, stierten ebenso leidvoll drein wie ich. Wahrscheinlich verfinsterte das Wort ‚Sklave‘ ihr Gemüt. Ich regte mich ein wenig, versuchte zu erspähen, wo einer der Wächter war, denn wieder war es ein gutes Stück Naivität, welche sich in Wellen mit der Gram ablöste und mir auf die Sinne schlug.
    “Wo ist meine Familie?“, fragte ich zunächst krächzend. Es schien Ewigkeiten her, seit ich das letzte Mal geschlafen hatte und genausolange schien es her, seit ich etwas getrunken hatte. Natürlich hatte auch ich geschrien und die Früchte für dieses Verhalten geerntet. Schläge, blaue Flecke und kein Wasser. “WO IST MEINE FAMILIE!?“, brüllte ich dann in einem Kraftakt, presste mich noch enger gegen das Gitter und fixierte einen der Schergen des Sklavenhändlers mit einem stieren, vielleicht auch irren Blick. Ich selbst war mir in diesem Moment egal, ja, ich begriff gar nicht, was ich da tat. Alles was ich wollte war, aus diesem Käfig heraus zu kommen, auf die Straße zu hasten und zurück nach Ostia zu fliehen.

    Eingentlich hatten wir viele Erfahrungen auf unseren Reisen gesammelt. Dabei waren sowohl schöne wie unschöne, doch in einer Taverne wie dieser waren noch nie gewesen. Alles wirkte über die Maßen anrüchig und gefährlich. Unauffällig beschaute ich mir die anderen Gäste, wähend Thierza sich an mich klammerte. Auch Vater war beunruhigt, doch immerhin war er der Meinung, dass wir hier ausharren sollten, bis die Gasse wieder begehbar und die Raufbolde verschwunden waren. Ich konnte mir gut und gerne vorstellen, was sie mit harmlosen Reisenden machten, sollten wir ihnen noch über den Weg laufen.
    “Wein!“, sagte der zweilichtige Wirt grinsend. Seine dunklen Zähne bleckten sich kurz, als er sich über den Tisch beugte und einem jeden von uns einen Becher hinstellte. “Wollt ihr würfeln“, fragte er dann mit einer sonoren, verschwörerischen Stimme.
    “Nein, vielen Dank,“ erklärte ich.
    “Wetten?“
    “Nein, wir wollen einfach nun den Wein trinken und uns unterhalten.“ Ich sprach die Worte so selbstbewusst und bestimmt aus, wie es mir möglich war. Offenbar zeigte es Wirkung. Der Wirt verzog verächtlich das Gesicht und zog sich dann zurück. Schließlich setzte er sich an einen Tisch mit einigen würfelnden Spießgesellen.
    Einen Moment saßen wir schweigend da und tranken von dem Wein. Er schmeckte schwer und man konnte innerlich deutlich spüren, welchen Weg er nahm. Nur Thierza trank nichts und schob den Becher von sich.
    “Können wir gehen?“, fragte sie leise. “Dieser Kerl starrt mich an!“ Mit einer Kopfbewegung deutete sie schräg hinter sich. Tatsächlich war es der gräuliche Glatzkopf, der träge zu uns hinüber stierte.
    “Ich werde sehen, ob die Gasse wieder frei ist,“ erklärte ich und erhob mich. Thierza fasste mich sofort bei der Hand. “Aber sei vorsichtig.“
    Ich nickte, entzog meiner Hand der ihren und machte mich auf den Weg. Beim Herausgehen wurde ich neuerlich beäugt, doch der Wirt sagte nichts, das meine Familie noch immer am Tisch saß. Ich ging ein paar Schritte, bis ich einen guten Einblick in die dunkle Gasse hatte. Finster lag sie da und es war vollkommen still. Ich wagte mich nun noch ein wenig weiter vor und lauschte angestrengt, doch es war nichts zu hören. Einige Minuten wartete ich ab und als sich nichts weiter tat, ging ich in die Taverne zurück.
    “Lasst uns gehen, die Gasse ist frei!“, sagte ich und suchte eine Münze aus meinem Geldbeutel, der versteck an meinem Gürtel befestigt war.
    Vater erhob sich und auch meine Schwester stand auf.
    “Den Göttern sei Dank!“
    Ich bedeutete dem Wirt, der uns wieder musterte, dass ich ihm die Münze auf den Tisch legen würde. Als er nickte, setzten wir uns in Bewegung. Schnell verließen wir das Lokal und begaben uns auf den Weg.
    “Der Hafen ist kein guter Ort,“ sagte Vater leise. “Wir hätten uns eine andere Herberge nehmen sollen.“
    “Wir sind gleich dort,“ erklärte ich und legte den Arm um meine Schwester. Liebevoll zog ich sie an mich und drückte sie. “Und morgen ist ein neuer Tag, voller Abenteuer. Wir werden Rom sehen!“
    Ich lächelte meiner Familie zu und setzte, genau wie sie, meine Schritte gen Herberge.

    Tatsächlich fanden wir noch eine Garküche, welche uns versogen konnte. Brot und ein wenig Fleisch wirkten Wunder. Ehrfürchtig bestaunten wir die Häuser von Ostia, während wir uns vorstellten, wie es wohl in ihrem Inneren aussehen würde. Allmählich dämmerte es aber mehr und mehr und wir beschlossen, zum Hafen zurück zu kehren. Erst jetzt fiel uns auf, wie sich die Menschen, die sich hier zu dieser Stunde aufhielten, doch von den Städtern unterschieden. Hier wirkten sie weniger mondän, sondern eher zwielichtig und rau. Finstere Gestalten waren es, die an uns vorbei gingen und uns beäugten. Immer dunkler wurde es in den Gassen und ich war froh, dass wir endlich das Viertel erreichten, in dem sich unsere Herberge befand. Dann rempelte mich jemand an. Ich war erschrocken und machte mich bereit- zu was auch immer- doch er lief nur an mir vorbei. Stimmen am Ende der Gasse waren laut geworden und schattenhaft erkannte man den ein oder anderen Schemen, der mal hierhin, mal dorthin huschte.
    Thierza klammerte sich an meinen Arm.
    “Das macht mir Angst,“ wisperte sie mir zu.
    Ich nickte schwach und legte meine Hand auf die ihre. Auch Vater wirkte alarmiert.
    “Was ist da vorne los?“, fragte er und kniff die Augen zusammen, in der Hoffnung auf diese Weise besser sehen zu können.
    Die Rufe wurden immer lauter, sie schwollen an, bis sie zu einem Geschrei wurden. Immer mehr Schatten gesellten sich zu den anderen und einzelne Stimmen wehten zu uns herüber.
    “Ich mach‘ dich fertig, du verdammter Dieb!“
    “Wirst schon sehen, was du davon hast!“
    “Wag es ja nicht! Ich drehe dir den Schlund zu, noch ehe du...“


    Thierza blieb stehen und zwang mich – da sie sich immernoch an mich klammerte – das Gleiche zu tun. “Ich gehe da nicht lang!“, sagte sie fest. Ich war ihrer Meinung.
    “Wie müssen aus dieser Gasse raus!“, sagte ich und zog meine Schwester an mich.
    Wir blickten uns um. Offenbar waren wir in die Streitereinen einige Matrosen geraten. Mein Vater zeigte auf eine weitere Gasse, welche offenbar, so wie man es erkennen konnte, in einer Sackgasse endete. “Dort ist eine Taverne!“
    Das Geschrei am Ende der Gasse war zu einem Brüllen geworden und man konnte das Geräsuch dumpfer Schläge hören, die wahrscheinlich Knochen brachen.
    “Gehen wir dort hinen,“ erklärte ich so bestimmt wie es mir möglich war. Ich hielt darauf zu und hielt dabei noch immer meiner widerstrebende Schwester bei mir. Vater folgte auf dem Fuße.


    Den Eingang der Taverne trennte nur ein zerschlissener Vorhang von der Außenwelt ab. Auch hier hörte man die Stimmen, die beim Näherkommen anschwollen. Alles in allem schien es kein großes Lokal zu sein. Hinter gemauerten Wänden verbarg sich ein Raum, in dem einige Männer in recht verbrauchter Kleidung saßen, zechten, lachten und die Welt vergaßen. Das alles erkannte ich, nachdem ich den Vorhang beiseite gezogen hatte.


    “Lass uns wieder gehen!“, flehte meine Schwester als ihr Blick auf einen feisten Mann mit Doppelkinn und ohne Haare auf den Kopf fiel, der einen Becher Wein hinunter sütrzte und mit der noch freien Hand einige Würfel auf den knorrigen Tisch knallte. Meine Blicke wanderten über den Anwesenden. Alles in allem ungeschlachtes Volk und eine Wand, in der in großen Lettern eingeritzt stand, dass ein gewisser Cossus den Größten hätte und als Erster die Früchte der Maleia genossen hatte. Tatsächlich sah ich nun auch eine Frau, die recht spärlich bekleidet war uns sich auf dem Schoß eines untersetzten Mannes mit Hakennase gleiten ließ.
    “Sie hat recht, Sofian, dies ist kein guter Ort,“ sagte Vater, doch er regte sich nicht. Noch nicht.
    “Wir kommen nicht durch die Gasse,“ gab ich zurück und fasste mir ein Herz. “Willst du ausgeraubt werden?“ Mit meiner Schwester im Arm ging ich tiefer in den Raum hinein, ehe ich angesprochen wurde.
    “Herein, herein! Nur herein! Im Rebstock gibt es den besten Wein, die besten Spiele und die besten… Weiber!“ Ein hartes, raues Lachen folgte. Es kam von einem hünenhaften Kerl mit langem, verworrenen Haar und schwarzen Zähnen. “Setzt euch, setzt euch!“ Sein Blick glitt über Thierza, dann über meinen Vater. Schließlich endete er wieder bei mir und ich stierte ihm fest entgegen. “Nur keine Scheu… Reisende?“
    Ich wusste nicht mehr, wie ich handeln sollte. Alles in mir schrie danach, diesen Ort zu verlassen, doch dann würden wir wieder in der Gasse stehen und wer konnte schon wissen, was uns inzwischen dort erwartete.
    “Soetwas in der Art,“ gab ich zurück.
    “Setzen!“ Eine große Pranke deutete auf einen Tisch, um den vier Hocker standen. “Ich bringe euch Wein...“
    Noch immer stand ich wie angewurzelt, doch war schließlich Zeki, mein Vater, der den ersten Schritt machte.
    “Nur einen Moment!“, raunte er mir warnend zu. “Sobald die Gasse wieder sicher ist, gehen wir wieder.“
    Ich folgte ihm, setzte mich wie er es tat und stierte einen Moment auf die Tischplatte, welche mit eingekerbten Phallussymbolen übersäht war. Thierza ließ sich zögerlich neben mir nieder und ich konnte nicht umhin festzustellen, dass wir beäugt wurden. Vom Wirt und von den Anwesenden.

    Es war ein günstiger Wind gewesen, der unser Schiff am letzten Tag über das Meer getragen hatte. Nicht stürmisch war es gewesen, sondern viel eher wie ein göttlicher Finger, der die Barke mehr und mehr dem Hafen von Ostia zugeschoben hatte. In meinem langen Haar hatte er gespielt, während ich mit Vater und Thierza an Deck gestanden hatte, um den fremden Gebäuden und der Landschaft entgegen zu blicken, die sich immer weiter aus dem Horizont heraus geschält hatte. Ich war froh, endlich anzukommen, um in diesem fernen Land ein neues Leben zu beginnen. Alexandria hatte uns Glück gebracht, jedoch keine Reichtümer, so wie wir es uns erhofft hatten. Nun erhofften wir uns umso mehr von der Hauptstadt des Imperiums, wo unsere Künste vielleicht – mit etwas Glück – noch mehr geschätzt würden als in Aegyptus. Mein Vater und ich, wir waren Maler, die in den Häusern unserer Auftraggeber ein und aus gingen, um ihre Wände mit mythischen Szenen und anderen Dingen zu bemalen. Wir hatten beide Talent, doch hier, vor den Toren Roms, sollte es endlich die Vollendung finden. Das alles. Mein Vater Zeki wollte noch einige Jahre arbeiten, ehe er sich in einem schönen Haus zur Ruhe setzen konnte, und ich, ich wollte lernen von den hiesigen Künstlern und Handwerkern, um ihn und meine Schwester versorgen zu können.


    Immer näher kamen wir dem Hafen. Die Molen, die aus dem Wasser heraus ragten, waren ein verheißungsvolles Zeichen. Dahinter lag die Stadt Ostia, die eine Etappe unseres Weges darstellen sollte. Schon morgen würde es weitergehen nach Rom. Noch musste ich meine Augen mit den Hand noch ein wenig mit den Augen beschirmen, doch es war abzusehen, dass die Sonne schon alsbald versinken würde.


    “Ostia!“, sagte mein Vater vertäumt und legte mir die rechte Hand auf die Schulter, während er Thierza mit seiner Linken an sich zog und sie drückte. “Rom wird uns Glück bringen! Ich glaube ganz fest daran.“


    Ich nickte nur und lächelte ihm entgegen, ehe ich meiner Schwester, der schönsten und sanftmütigsten Frau auf diesem Erdenrund, einen aufmunternden Blick zusendete. Thierza hatte nicht an Rom geglaubt. Am liebsten wäre sie in Alexandria geblieben, wohl weil sie es nach langen Reisen endlich als Heimat angesehen hatte. Meine Familie stammt aus Palmyra und auf verschlungen Pfaden über Asia kam sie zunächst nach Griechenland, ehe sie in Alexandria für einige Jahre ein Heim gefunden hatte. Doch es passte zu Vater. Seit Mutters Tod vor so vielen Jahren war er rastlos und er suchte sie wohl an allen Orten, die er zu bereisen in der Lage war. Unser Metier war dabei von Vorteil. Als Maler waren Handwerker, die überall willkommen waren. Zumindest bei jenen, die weniger Vermögen in ihre Häuser investieren wollten als die Reichen und Schönen, nach deren Aufträgen Vater sich sehnte. Hier wollte er sie bekommen, als Kränung seines Lebens.


    Noch bevor das Schiff im Hafen anlegte, wurde es unruhig. Die Besatzung machte sich bereit. Rufen wurde laut und Befehle wurden gebrüllt. Dann legten wir an und langsam, nachdem wir alles mit dem Kapitän besprochen hatten, machten wir uns von Bord. Unsere wenigen Habseligkeiten, allem voran eine alte Truhe mit Intarsien, der noch meiner Mutter gehörte und einige andere weitaus kleinere Dinge, wurden von Sklaven auf das Pflaster des Hafens getragen.


    Hier schauten wir uns um, um einen Fuhrmann ausfindig zu machen, der unser Gepäck noch Rom brachte. Ich mochte es nur ungern zugeben, doch ich fühlte mich recht wohl, trotz all der Ungewissheit der Zukunft. Doch ich vertraute der Leidenschaft und unserem Einsatzwillen, der uns bestimmt den nächsten Auftrag sichern würde. Vielleicht konnte ich auch mit meiner Kunst dazu beitragen. Ich hatte es gelernt zu meißlen und mich auch als Bildhauer zu betätigen. Doch war dies mehr eine Leidenschaft. Nur leider verfügten wir weder über einen Namen, noch einen Rang in unserdem Gewerbe. Nicht hier.


    Vater und ich bezahlten einen raubeinigen Mann, der versprach unser Gepäck schon am morgigen Tage nach Rom zu bringen und uns eine sichere Reise zu gewährleisten. Wir verabredeten eine Stunde und gingen erschöpft und vielleicht deshalb auch blauäugig davon aus, dass er sich an die Abmachung halten würde. Zwar keimte Misstrauen in mir auf, doch ich schob es auf meine eigene Erschöpfung und Anspannung vor all den Herausforderungen. Noch an der Herberge am Hafen, an der wir angekommen waren, und in der wir uns für die Nacht einquartierten, schalt ich mich für derartige Gedanken. Wir würden es schaffen, daran bestand gar kein Zweifel. So redete ich mir es zumindest ein, denn es war wie immer. Eine unbekannte Zukunft mochte zu erschrecken, aber wir hatten es bisher im geschafft. In Palmyra, in Athen und auch in Alexandria. Wir hatten niemals Hunger gelitten und würden es auch niemals tun.


    “Lasst und noch ein wenig essen,“ sagte mein Vater, “Morgen wird ein langer Tag. Wir reisen dem Ungewissen entgegen, so wie Krieger, die kurz vor einer Schlacht stehen und doch wissen, dass die gewinnen werden.“ Spielerisch ballte er seine Hand zur Faust und lächelte meine Schwester und mich verschwöerisch an.
    Natürlich hatten wir Hunger, denn die Wegzehrung war uns schon vor Stunden ausgegangen. Ein wenig Essen und ein wenig Unterhaltung nach den Tagen der Einöde der See würde uns sicherlich gut tun. Also beschlossen wir noch einmal aus unseren kärglich ausgestatteten Zimmer aufzubrechen, in Richtung der Stadt...

    Guten Abend!


    Ich würde mich gerne anmelden. Die Daten?


    Name: Sofian
    Stand: Peregrinus
    Wohnhaft: Roma



    Ich würde im Verlaufe des Spiels den Sofian gerne zu einem Sklaven werden lassen, der dann auf die ein oder andere Weise verkauft wird. Er sollte allerdings (irgendwo) eingefangen werden. Würde das gehen, wenn ich den Wohnsitz Roma wähle und die Geschichte vorher schon irgendwie ausspielen möchte, oder greift dann die Reiseregel?


    Liebe Grüße,
    Sofian