Was waren die letzten Tage nicht spannend gewesen. Zuerst das Kennenlernen einer jungen hübschen Verwandten von Senator Claudius Menecrates, dann die Schändung des claudischen Tempels und nun auch noch eine unbekannte Sklavin, die in die Domus Iulia einziehen wollte!
Caesoninus hatte wieder mal über den Wachplänen gesessen, als der iulische Ianitor Vibilius geklopft und anschließend dann sein Officium betreten hatte. Und welche Augen hatte er erst gemacht, als ihm zugeflüstert worden war, dass im Atrium eine eigenartige Sklavin sitzen würde, die zuerst behauptet hatte einem nicht existenten Familienmitglied zu gehören, nur um diese Aussage gleich darauf auf den Status „herrenlos“ zu revidieren!
Er musste schon zugeben, das hatte seine Interesse geweckt.
Denn angenommen sie war wirklich eine Sklavin eines unbekannten Iuliers (was in Caesoninus‘ Augen ziehmlich unwahrscheinlich schien), dann hatte sie nach seinem Dafürhalten durchaus das Privileg in diesem Hause arbeiten und leben zu dürfen. Wenn jedoch der andere Umstand stimmen sollte, dann war Caesoninus umso mehr neugierig auf ein Treffen mit ihr, denn herrenlose Sklaven gab es theoretisch nicht. Ein Sklave gehörte immer jemanden, andererseits wäre er ja frei und damit Libertinus, ergo kein Sklave mehr. Dass Sklaven, die wider Erwarten den Dominus verloren und damit „herrenlos“ geworden waren, diesen Umstand nicht zu ihrem Selbstzweck ausnutzen würden die persönliche Freiheit wiederzuerlangen, sondern gleich zum nächsten Haushalt liefen, war ebenso bemerkenswert.
Aber natürlich konnte auch Vibilius‘ Theorie stimmen und es sich bei dem Mädchen wirklich um eine mittellose Bettlerin handeln, die versuchte hier als Sklavin unterzukommen, um vor dem kommenden Winter gefeit zu sein, wenn auch die italischen Schneefälle wesentlich milder waren als nördlich der Alpen.
So also verließ Caesoninus seinen Schreibtisch, um sich ins Atrium zu begeben. Mochten sie einmal sehen welche seiner zahlreichen Vermutungen zutreffen mochte. Da es der gleiche Weg zur Porta war, wurde er vom Ianitor begleitet. Kurz vor dem Atrium jedoch lief Vibilius ein paar Schritte vor in den Raum hinein und nahm Haltung an. Mit formeller Stimme vermeldete er Eirann: „Der amtierende Vigintivir, gewesene Aedituus der Venus Genetrix und Vetter 1. Grades des Hausherrn, Gaius Iulius Caesoninus!“
Nach dieser kleinen, eigenmächtigen Ankündigung verblieb Vibilius in seiner „Hofhaltung“ und warf Eirann einen besonders arroganten und hochmütigen Blick zu, offenbar mit aller Macht darauf hinarbeitend, ihr zu zeigen, dass ein nobler Senatorenhaushalt nichts für eine Bettlerin war.
Caesoninus seinerseits hatte das Theater des Ianitors mit einem Fragezeichen über dem Kopf und einer gehobenen Augenbraue beim Näherkommen verfolgt. Was beim Pluto war DAS gerade gewesen??! War das irgendeine komische neue Familiensitte von der er noch nichts gehört hatte, oder was sollte das sonst gerade gewesen sein? Er fühlte sich jedenfalls etwas seltsam so hoch offiziell angekündigt zu werden, bloß weil er den Raum wechselte... später würde er wohl ein Wörtchen mit Vibilius wechseln müssen.
Caesoninus hatte jetzt das Atrium erreicht und trat in den Raum. Vor ihm saß das junge Ding. Dem Aussehen nach mochte sie nicht viel älter sein, als er selbst. „Salve, mein Name ist Iulius Caesoninus, aber das ist ja nichts neues mehr für dich“, meinte er mit einem undefinierbaren Seitenblick auf Vibilius. Dieser neigte vor ihm noch einmal das Haupt, sah böse zu Eirann und entfernte sich wieder hin zur Porta, Eirann und Caesoninus waren jetzt alleine.
Caesoninus ging weiter auf die junge Frau zu und danach umrundete er sie einmal, dabei Eirann unentwegt musternd. Dann nahm er vor ihr Platz und sah ihr tief in die Augen. Er wollte in ihnen die Wahrheit finden. Was war real? Was war eine Lüge? Caesoninus legte danach die Fingerkuppen aneinander und lehnte sich mit einem interessierten Lächeln zurück.
„Beweise deine Behauptungen.“, sagte er bloß.