Caesoninus hatte schon ungeduldig bei den anderen Rednern gewartet, als er aufgerufen wurde. Na endlich! Heute war wieder ein Tag, um der Gens Iulia Ehre zu machen, ganz in der Tradition seines wortgewandten Vetters Iulius Dives, der ihm bestimmt gerne heute zugesehen hätte, doch man konnte nicht alles haben. Dafür hatte er beim Rest der anwesenden Familie versucht so viele wie möglich mitkommen zu lassen, damit sie alle ihm zujubeln konnten.
Jetzt schritt Caesoninus hoch auf die Rostra, so wie er es zuletzt schon einmal während seines Wahlkampfes getan hatte. Immer wieder ein erhebendes Gefühl hier hochzusteigen! Diese Bühne war wahrlich für ihn gemacht, hier fühlte er sich wohl und deshalb ließ er sein schmachtendes Publikum nicht lange auf sich warten, das sehnsüchtig seiner goldenen Worte harrte.
So machte Caesoninus eine imposante Eröffnungsgeste und donnerte: "Civis! Wir stehen heute alle hier am Forum Romanum, um Lobeshymnen auf unsere Heimat zu singen! Rom ist groß! Rom ist siegreich, Roma ist das Haupt der Welt. Wir alle sind die Kinder dieser großartigen Stadt und die meisten anderen Völker beneiden uns um unser Bürgerrecht und unsere Art zu leben. Wenn ich euch in der Menge alle fragen würde, ich bin sicher jeder würde mir zur Antwort geben, dass er oder sie stolz ist Römer zu sein und das mit Recht!"
Ein guter Einstieg wie er fand. Pack sie bei ihren Heimatgefühlen und der Vaterlandsliebe, das ist schon die halbe Miete!
Er hatte sich zuvor nur ungefähr überlegt was er sagen wollte, da er die nötige Klarheit und Emotionalität der Rede aus dem Moment heraus entwickeln wollte. So wirkte die Rede seiner Meinung nach plastischer und nicht so gestelzt, als wenn man auswendig gelernte Sätze herunterleiern würde.
"Es war ein langer Weg bis an die Spitze! Wo unsere Vorfahren einst mit Schlamm und Stroh begonnen hatten diese unsere Stadt zu erbauen, dort haben wir letztendlich das Werk mit Stein und Marmor vollendet. Viele Male schon hatten ausländische Könige und Feldherrn versucht uns in die Knie zu zwingen, unsere Männer zu töten, unsere Frauen zu rauben und die Mauern dieser Stadt zu Fall zu bringen. Vom Molosserkönig Pyrrhus, über Hannibal von Karthago bis hin zum König der Könige Mithridates II. und seiner in der Sonne funkelnde reitende Urgewalt, die Kataphrakten. Sie alle waren große und mutige Männer, die aus unterschiedlichen Gründen zum Kriege gegen Roma bliesen und doch schlugen wir am Ende jeden einzelnen von ihnen und warum? Weil wir Römer sind! Und Römer sein bedeutet diszipliniert zu sein, in jeder Lebenslage, überall und jederzeit. Das ist unser Geheimnis, welches unsere Väters Väter vor so langer Zeit entdeckten und das wir seither von Generation zu Generation weitergehegt und gepflegt haben; Disziplin! Mit ihr erbauten wir Weltwunder, mit ihr schufen wir unsere Dignitas und mit ihr eroberten wir die Welt."
Caesoninus wanderte stets der aktuellen Tonalität angemessen von einem Ende der Rostra zur anderen und zurück, und arbeitete mit großen und ausladenden Gesten, um so viele Zuhörer wie möglich während seiner Rede mitzunehmen auf seinem rhetorischen Exkurs in die Vergangenheit, der immerhin am besten zeigte, wieso Roma so großartig geworden war, wie sie es alle heute kannten. Und was daran so schätzenswert war folgte jetzt stante pede.
"Wir haben saubere Straßen aus hartem Stein, eine funktionierende Kanalisation und jeder, selbst die Armen, haben genug zu essen dank der regelmäßigen kostenlosen Getreidespenden an den Plebs. Können das die Germanen auch von sich behaupten, wie sie dort oben in ihren Wäldern im Dreck hocken? Oder die Parther in ihren staubtrockenen Wüsten, während ihrer Kinderopfer? Nein! Nur Rom genießt diese Priviliegien und daher ist es auch unsere Aufgabe diese Errungenschaften zu den anderen Völkern in die Welt hinauszutragen. Roma ist die Fackel, die das Dunkel des Barbarentums erhellt und Zivilisation und Fortschritt mit sich bringt. So sehr wir auch das Verderben unserer Feinde sein mögen, so sind wir ein umso großzügigerer Freund für unsere Verbündeten und jenen, die zu uns gehören wollen. Wir haben so vieles zu geben, lasst es uns mit den anderen teilen auf dass auch sie abschließend erkennen mögen, was jeder von euch schon mit der Muttermilch eingesogen hat; Rom ist groß! Rom ist siegreich, Roma ist das Haupt der Welt!"
Zum Abschluss noch einmal die Wiederholung der formelhaften Lobpreisung Roms vom Anfang, das hielt er für ein besonders gelungenes rhetorisches Mittel. Ob das Publikum und die Richter derselben Auffassung waren, würde sich erst zeigen müssen. Jedenfalls war Caesoninus ans Ende angelangt und so nickte er noch einmal hulfvoll und lächelnd in Richtung Zuhörer und zu den Richtern und verließ anschließend die Rostra, um dem nächsten Redner Platz zu machen.