Würde es das Spiel schon geben, Purgitius Macer wäre gewiss ein glänzender Pokerspieler. Keine Miene verzog er bei Caesoninus Antworten. Kein Hinweis für den Jungen, ob dem Senator gefiel, was er da hörte. Im Gegenteil. Er saß nur ruhig da und stellte eine Frage nach der anderen. Caesoninus registrierte dieses Verhalten durchaus und merkte es für sich selbst für die Zukunft vor. Dies war bereits ein erster brauchbarer Punkt, den er soeben gelernt hatte. Manches Mal war es vielleicht ganz hilfreich und auch angebracht sich nicht in die eigenen Karten sehen zu lassen. Entsprechend vorbeugen konnte man dem offensichtlich mit so einer Miene wie sie Senator Purgitius zur Schau trug. Sehr interessant.
Sich zurückzunehmen und zu horchen, anstatt voranzubreschen und jedermann seine Empfindungen mitzuteilen mochte bei der Jugend gerne nur allzuschnell vergessen sein, doch gerade dieses Verhalten half einen in gewissen Situationen bestimmt besser weiter.
Doch nun kam es zum Eingemachten. Was stellte sich Caesoninus unter einem Tirocinium Fori vor? "Nun, Senator, soweit ich weiß ist ein Tirocinium Fori als eine Art einjähriges Praktikum eines angehenden Jungpolitikers vor dessen erstem Amt bei einem verdienten Senator definiert, um erste Einblicke ins reale Handwerk der Politik zu gewinnen. Ein solcher Schüler soll seinen Lehrmeister in der Öffentlichkeit überallhin begleiten, an all seinen Beratungen teilnehmen und natürlich soll er sich auch nicht für kleinere Arbeiten wie einfache Botengänge zu schade sein." Caesoninus machte eine kurze Pause. "Demnach schließe ich, dass ich all diese drei Grundthemenpunkte gewiss einmal in meinem Tirocinium Fori vorfinden werde. Wärst du einer der pedari, also einer aus den hinteren Rängen des Senats, es gebe gewiss nicht viel für mich zu tun, oder zu lernen. Doch dem ist nicht so. Lege mir das folgende jetzt bitte nicht als Heuchlerei, oder gar als Anbiederung aus, aber Fakt ist, dass du eine der tragenden Säulen des Senats bist. Ein angesehener Konsular, ein großer Römer." Caesoninus ließ dazu ein angemessenes, zuversichtliches Lächeln sehen. "Doch warum erwähne ich das überhaupt, wirst du dich fragen? Nun, weil ich damit sagen will, dass ein Senator der vorderen Reihe gewiss auch abseits der Ehrenämter genug Tätigkeiten zu vollrichten hat, von denen ein junger Naseweis wie ich es bin lernen kann. Ein solch wichtiger Senator wird um Rat gefragt, vielleicht sogar darum gebeten bei dem einen, oder anderen Gesetzesentwurf rhetorisch, oder mit Ideen mitzuwirken, wie z.B. einst Iulius Caesar mit seinen oft wasserdichten Gesetzesentwürfen. So ein Senator könnte als Kläger, oder als Verteidiger vor Gericht glänzen, wie einst Tullius Cicero diesem größten aller Redner. So ein Senator ist nunmal eine mächtige Stimme, wie der alte Bär Aemilius Scaurus der Ältere, wenn es im Hohen Haus ansteht über eine gewichtige Thematik zu debatieren. Kleinere Männer kommen auch gewiss von Zeit zu Zeit, um so einen Senator auf ihre Seite zu ziehen bei dem einen, oder anderen Thema. Die Überzeugungsmethoden die sie sich dabei einfallen lassen könnten könnte ich mir gewiss niemals alle ausmalen. Doch WAS ich kann ist danebenstehen und zusehen. Ich sehe zu wie so ein Senator sich die Anliegen Anderer anhört und bin immer dabei, wenn er dann beginnt seine eigenen Gedankenkonstrukte zu spinnen. Auch kann ich verstehen lernen auf welche Weise niedere Leute versuchen wichtige Politiker zu umgarnen und für ihre Themen zu gewinnen suchen, denn ich stehe dann im Hintergrund und kann dabei lernen, wann und wie es gilt die Lüge von der Wahrheit zu unterscheiden."
Caesoninus machte wieder eine Pause. Ob Vetter Dives wohl stolz auf ihn wäre? Die Atmosphäre hier im Arbeitszimmer beflügelte Caesoninus in seiner Art zu reden. Wer weiß wer hier schon aller genau auf seinem Platz gesessen und mit Senator Purgitius handfeste Politik gemacht hatte!
Nachdem die Pause lange genug angedauert hatte, damit der Senator sich seine eigenen Gedanken dazu machen konnte schloss der Iulier mit den Worten: "Was ich mit dieser ein wenig zu einer Rede verkommenen Antwort sagen wollte ist, dass du gewiss ein vielbeschäftigter Mann bist, Senator. So vielbeschäftigt, dass ich nicht viel mehr zu tun brauche, als dich bloß in deinem üblichen Tagewerk zu beobachten, um schon eine Menge zu lernen. Alleine während wir hier sitzen und miteinander sprechen habe ich schon von dir gelernt und Gedankengänge begonnen durchzugehen, die mir so nie wichtig erschienen sind bisher." Wieder ließ Caesoninus seine fröhlich-freche Art sehen, doch natürlich um einiges gezügelter. Immerhin war das hier Ernst.