Beiträge von Tiberius Valerius Flaccus

    Tiberius Herz machte einen veritablen Satz, als er hörte, dass er gewonnen hatte. Damit hatte er nicht gerechnet. Nicht weil er seine Rede nicht für gut gehalten, sondern einfach weil er es anders im Gefühl gehabt hatte.
    Schnell hatte er sich jedoch einigermaßen gefasst und trat mit Calpetanus vor auf die Rostra, um seine Dankbarkeit ob dieses Urteils zu zeigen. Dort überreichte ihm der Pro Magistro auch die Siegesurkunde.


    Den Zwischenfall vorher hatte er schon fast wieder vergessen. Er würde auch nicht zulassen, dass ein Beigschmack sich in seinen Moment der Freude mischen würde. Auch darüber, was dieser Sieg noch außer dem Preis mit sich bringen mochte, wollte er nicht denken, sondern einfach den Moment genießen.


    Bemüht, gemessen und nicht allzu überschwänglich aufzutreten, dankte er dem Pro Magistro und der ganzen Jury des Wettbewerbs und auch bei Calpetanus, einfach weil er daneben stand und Tiberius fand, dass auch der Ausrufer seine sache hervorragend gemacht hatte. Ihm klopfte das Herz aber immer noch bis zum Halse und er hoffte, das Publikum wäre einverstanden mit der Wahl der Jury. Bisher hatte er götterseidank noch keine Buhrufe gehört.

    Tiberius konnte die blieb die Normalität der sich ihm präsentierenden Szenerie natürlich auch nicht verborgen.


    "So weit so unauffällig, mhm."


    Er war durchaus fasziniert von dem was er da sah. Die Opfergaben in einem Tempel sagten ihm eine Menge. Waren die Verehrer des Merkurs wohlhabend? War ihnen seine Gust viel Geld wert? Wie populär war Mercurius eigentlich bei den Einwohnern der Stadt.


    aber er würde sich nicht ablenken lassen.


    Und so begann er, nachdem er sich versichert hatte, dass ihnen keiner weiter gefolgt war, den Raum auf weitere Auffälligkeiten zu untersuchen. War irgendwo ein Stein locker? Verdeckte ein Korb praktischerweise ein Loch im Boden?

    Tiberius beugte sich zu dem Schloss hinunter.


    "Nein. Ein Einbrecher hätte sicher kurzen Prozess mit dem Schließmechanismus gemacht."


    Er war aber noch nicht bereit dem Schluss des Pro Magistro zuzustimmen.


    "Aber ich würde noch keine vorschnellen Schlüsse ziehen. Das Geld könnte immer noch auf dem Weg vom Tempel zur Einnahmenliste verloren gegangen sein. Wir sollten aber vielleicht trotzdem den guten Aedituus noch einmal befragen, ob ihm nicht doch etwas komisch vorgekommen ist. Auf seine Reaktion wäre ich gespannt. Aber natürlich erst, wenn wir uns das Innere weiter angekuckt haben, schlage ich vor."

    Hi Laevinus, ich bin einfach mal so frech und greife der Stadtwache vor. Soweit ich weiß ist es durchaus zulässig, dich für eine andere Gens zu entscheiden. Auch wenn ich dir natürlich nicht ausreden will, auf Tiberius Caudex zu warten, wenn du das möchtest. Allerdings könnte das möglicherweise in der Tat eine ganze Weile dauern. (Der Kollege Caudex war vor ca. einem Monat das letzte Mal online, wobei er natürlich jederzeit wieder da sein könnte, das kann ich dir nicht sagen.)
    Aber wenn du sagst, ich will jetzt wirklich loslegen, gibt es natürlich andere gentes, die gerade etwas aktiver sind.Diese Aufzählung ist natürlich nicht abschließend und nicht wertend gemeint. Aber das sind die die mir regelmäßig auch auffallen. :D


    Wenn du zum Beispiel trotzdem gerne patrizisch unterwegs wärest, gäbe es da noch die Gens Flavia oder die Gens Aurelia.
    Solltest du offen für Plebejer sein, gibt es da eine ganze Reihe. Wenn dich intensiveres Spiel innerhalb einer Familie interessiert, dann wärest du bei den Decimern und den Juliern sicher aktuell sehr ordentlich aufgehoben. Plebejisch aber auf jeden Fall etabliert ist die Gens Octavia. Kleinere Gentes wären zum Beispiel die Gens Didia, die gerade neu wiederbelebt wurde und natürlich die Gens Valeria ;).


    Du siehst, die Qual der Wahl.
    Aber erstmal herzlich willkommen im IR :)

    Tiberius hatte mit verschiedenen Buchläden ausgehandelt, sein kurzes Buch über das Recht zu verkaufen. Einer war dieser hier. Und so konnte man in der Auslage dieses Buchladens auch schon den ersten Teil seines Werkes bestaunen.



    Institutiones
    Eine kurze Einführung in das überlieferte Recht*


    Prologos


    Mit diesem kleinen Buch kann der interessierte Leser einen ersten Überblick über das überlieferte Recht der Römer, insbesondere aus der Zeit vor dem Kaiser Divus Iulianus, erlangen. Zu jedem der hierin angesprochenen Punkte gibt es noch ungleich viel mehr zu erfahren. Es ist aber das Ziel, in drei Büchern einen möglichst knappen Überblick zu geben. Der geneigte Leser wir im ersten Buch etwas über das Recht an sich und das Recht der Person im Besonderen erfahren. Das zweite Buch wird, wenn es erscheint, von den Sachen handeln. Das dritte Buch schließlich wird die Obligationen und Klagearten behandeln.


    Liber Primus


    Über das Recht


    Der neugierige Geist mag zuerst fragen, woraus das Recht im römischen Gemeinwesen überhaupt besteht. Es besteht klassischerweise aus den Statutsgesetzen, den Plebisziten, den Senatus Consulta, den Kaiserkonstitutionen, den Edikten der Magistrate und der Rechtsmeinungen der Juristen.


    Plebiszite gehen von der plebejischen Volksmasse aus. Üblicherweise wurde hierzu die Volksversammlung bemüht. Seit der Lex Hortensia sind nicht nur die Plebejer an Plebiszite gebunden, sondern auch die Patrizier.
    Ein Senatus Consultum ist ein Erlass oder Befehl, der vom Senat erlassen wird. Einem solchen kommt die volle Gesetzeskraft zu.


    Von überragender Bedeutung sind die Konstitutionen des Augustus selbst. Diese können die Form von Edikten, Reskripten oder Dekreten annehmen. Hierbei sind Reskripte die Antworten, die der Kaiser auf Anfragen von Privatpersonen gibt. Den Magistraten des römischen Gemeinwesens kam es von alters her zu, in ihrem Amtsbereich ihrerseits Edikte mit Rechtskraft zu erlassen.
    Im Besonderen ist hier das Edikt des Prätors zu nennen, das die Klagearten auflistete, die er vor den ihm unterstehenden Gerichten zulassen wollte. Über die Jahre hat sich so ein beträchtlicher Korpus von Klagearten gebildet.


    Schließlich sind auch die Meinungen der Juristen für das Recht von besonderer Bedeutung, insbesondere die Meinung der Juristen, die der Augustus mit dem ius respondendi ausgestattet hat. Dieses erlaubt jenen Juristen auf Rechtsfragen mit Gesetzeskraft zu antworten. Falls mehrere unterschiedliche Meinungen von Juristen zu einem Thema vorliegen, so solle der Richter nach seiner eigenen Auffassung entscheiden, ob er der einen Meinung folge, oder der anderen.



    Personen


    Grob gibt es zwei Kategorien, in die Menschen eingeteilt werden. Freie und Unfreie. Die Unfreien sind die der Sklaverei unterworfenen (servi). Bei den Freien wird zwischen den Bürgern (cives), den Freigelassenen (liberti) und den Fremden (peregrini) unterschieden.
    Das römische Bürgerrecht erlangt man entweder durch Geburt, Freilassung oder Verleihung.


    Die Lex Aelia Sentia hat gewisse Bedingungen an die Freilassung eines Sklaven gestellt. Nach dieser erwirbt ein Sklave, der frei gelassen wird so lange er noch nicht dreißig ist, nicht das Bürgerrecht, sondern erwirbt den Status der Latiner. Der Weg zu den Bürgerrechten ist diesen Freigelassenen allerdings nicht versperrt. Heiratet er etwa eine römische Bürgerin und hat mit ihr einen Sohn, so kann er, sobald der Sohn ein Jahr alt ist, mit sieben Zeugen beim Prätor das Bürgerrecht beantragen.



    Die Freilassung


    Traditionell sind dann auch verschiedene Arten der Freilassung zu unterscheiden. Eine häufige Art der Manumissio ist die per testamentum, also durch letztwillige Verfügung im Testament. Diese Praxis hatte derart überhandgenommen, dass der göttliche Augustus die testamentarische Freilassung begrenzte.
    Ein Sklave kann auch per censum, also mit Eintragung in die Bürgerrolle als freier Bürger in die römische Gemeinschaft aufgenommen werden. Eine einfachere Art stellt die Freilassung per epistulam also durch Zusendung eines Briefes mit dem darin ausgedrückten Willen, dass der Sklave frei sein möge, dar.
    Auch mündlich kann eine Freilassung erfolgen, wenn sie inter amicos, per convivium bzw. per mensam, also durch eine herkömmliche Willenserklärung ausgeführt wird. Hier müssen jedoch Zeugen anwesend sein. Schließlich finden wir als Möglichkeit der Freilassung auch die Manumissio per vindictam vor.
    Die Freilassung geschieht hier wie der Name schon sagt, durch Vindicatio, über die wir später noch hören werden.
    Wir können erkennen, dass die Freilassung in jedem Falle einen Rechtsakt darstellt, der auf irgendeine Art bezeugt werden muss, auch wenn es nur die Zeugen bei der mündlichen Freilassung per convivium sind.



    Die Hausgewalt


    Eine weitere Unterscheidung besteht in der Frage ob Leute sui iuris sind oder unter der Hausgewalt eines anderen steht. Maßgeblich ist hier nicht, ob die betreffende Person frei oder unfrei im Sinne von Sklave oder Nicht-Sklave ist. Auch ein römischer Bürger kann unter der Hausgewalt stehen.
    Sklaven stehen stets in der Hausgewalt ihrer Eigentümer. Der Pater Familias hat allerdings auch die Gewalt über seine Ehefrau und seine Kinder. Darüber, dass der Hausvater die in seiner Gewalt stehenden nicht misshandelt, darüber wacht das Sittengesetz.
    Die Personen in der Hausgewalt des Pater Familias sind auch potentielle Objekte der rituellen Mancipatio, über die noch zu reden sein wird. Auch über die Emancipatio werden wir uns an späterer Stelle Gedanken machen.



    Die Ehe


    Einem römischen Bürger ist es gestattet, die Ehe mit Frauen aus den folgenden Personengruppen einzugehen. Natürlich ist eine Ehe mit einer römischen Bürgerin zulässig. Schon seit Jahrhunderten ist auch die Ehe zwischen Plebejern und Patriziern erlaubt. Auch mit einer Latinerin oder Fremden, deren Gruppe das Recht hat, römische Bürger zu heiraten, ist die Ehe zulässig.
    Ein Sohn aus einer solchen rechtmäßigen Ehe erlangt den Rechtsstatus als Bürger des Vaters und gelangt unter seine Hausgewalt. Generell folgt in der Ehe der Rechtsstatus des Kindes dem des Vaters.
    Nahe Verwandte, wie Geschwister, Eltern oder Großeltern und Onkel oder Tanten, sowie Cousins ersten Grades zu heiraten, ist verboten.



    Die Adoption


    Nicht nur die natürlichen Kinder stehen unter der Gewalt ihres Hausvaters, sondern auch die Kinder, die jener adoptiert hat.
    Es ist weithin akzeptiert, dass der Grund dafür, dass unser Volk so aufgeschlossen gegenüber Adoptionen ist, derjenige ist, dass für den Fall, dass jemand ohne Erben stirbt, der Totenkult nicht beachtet werden kann. Aus diesem Grund sind diejenige ohne natürliche Erben angehalten geeignete Personen zu adoptieren.
    Eine Adoption kann auf zwei Wegen erfolgen. Die eine ist die Adoption vor der Volksversammlung. Diese Form der Adoption wird Hinzubefragung genannt (adrogatio). Hier wird der Adoptierende gefragt, ob er den neuen Sohn (Frauen steht dieser Weg der Adoption vor der Volksversammlung generell nicht zu) annehmen möchte, und die Volksversammlung wird befragte, ob sie zustimmt.
    Die zweite, weit häufigere Art der Adoption, ist die durch Magistratsbeschluss (adoptatio). Dabei können auch Frauen adoptiert werden.
    Frauen können jedoch selbst überhaupt nicht adoptieren.



    Die Manus


    Eine besondere Eigenart des römischen Rechts ist die der Manus. Es handelt sich hierbei sehr wörtlich um die Gewalt, die eine Person über eine andere ausüben kann. Die Manus betrifft hier die Gewalt des Mannes über die Frau. Von alters her kennen wir drei Arten, wie ein Mann die Manus über die Frau erwirbt. Alle diese Arten haben mit der Eheschließung zu tun. In der alten Zeit kannte unser Volk zwei Arten die Ehe zu schließen. Die eine war die Confarreatio, die Speltbrot-Ehe. Diese ist nur Patriziern zugänglich und wird heute nur noch selten praktiziert. Nur jemand der aus einer Speltbrot-Ehe hervorgegangen ist, kann zum Beispiel Rex Sacrorum werden. Wie geht also eine Speltbrot-Ehe vonstatten?

    Sie wird vor dem Flamen Dialis geschlossen. Dabei müssen auch zehn Zeugen sein. Das Brautpaar sitzt mit bedeckten Häuptern auf zwei zusammen gebundenen Stühlen und bringen dem Jupiter Farreus ein Opfer aus Speltweizenbrot dar. Daher auch der Name dieses etwas eigenartigen Instituts. Da diese Form der Ehe den Patriziern vorbehalten ist, stellt sich natürlich die Frage, wie ein Plebejer die Manus über eine Frau erwerben kann. Wir können hierzu feststellen, dass dieses Problem bei den Plebejern auf weit praktischere Weise gelöst wird, als bei den Patriziern. Ein Plebejer kauft seine Frau einfach, wenn er die Manus zu erwerben wünscht und zwar per Mancipatio, auf die wir später noch eingehen werden. Die Manus an der Frau konnte auch durch Usucapio nach einem Jahr ersessen werden.

    Solches Vorgehen mag dem fortschrittlichen Betrachter durchaus geschmacklos vorkommen und tatsächlich befindet sich auch die Kaufehe in unserer Zeit auf dem Rückzug, seit auch die manus-freie Ehe wirksam ist. Damit aber keine Manus durch Ersitzung entsteht, sollte die Frau das Trinoctium beachten. Um den Prozess der Ersitzung zu unterbrechen muss sie einmal im Jahr drei Nächte außerhalb des Hauses ihres Mannes verbringen. Allerdings führt die Nichteinhaltung des Trinoctiums in unserer Zeit kaum mehr zu einem Wechsel der Manus. Viele Frauen verbleiben auch ohne Trinoctium sui iuris.



    Die Vormundschaft


    Viel ist auch über die Vormundschaft zu sagen. Wir wollen uns hier jedoch auf das Wesentliche beschränken. Männer können bis zum Heranwachsendenalter unter Vormundschaft gestellt werde. Bei Frauen gibt es keine solche Altersgrenze. Populär ist die Anordnung der Vormundschaft in Testamenten. Der Erblasser bestimmt ein seinem letzten Willen einen Vormund für seine unmündigen Kinder.
    Wird der Junge sodann volljährig, endet an diesem Zeitpunkt die Vormundschaft. Bei Frauen endet diese Vormundschaft gemäß der Lex Iulia Papia Poppaea, mit einer Mutterschaft.
    Man kann einen Vormund auch durch einfache Erklärung benennen. Ist keine dieser Möglichkeiten genutzt worden, wird jedenfalls in Rom gemäß der Lex Atilia im Fall des Falles der Praetor Urbanus einen Vormund bestellen. In den Provinzen geschieht entsprechendes gemäß der Lex Iulia et Titia.
    Eine Ausnahme bilden natürlich die vestalischen Jungfrauen. Die Vormundschaft endet hier in dem Moment, in dem eine Frau in den Dienst der Vesta tritt.


    Mal sehen, ob die Leute sich interessiert zeigen würden.


    Sim-Off:

    *Zu Beginn des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts, das wir hier spielen, steht die römische Jurisprudenz in ihrer Blütezeit. Es wird bis weit in die Neuzeit dauern, ehe das Recht ein Niveau erreichen kann, das mit dem der klassischen römischen Jurisprudenz auch nur im Ansatz vergleichbar ist. Das klassische römische Recht wirkt bis in viele Bereiche der heutigen kontinentaleuropäischen Rechtsmaterie hinein, besonders was des Privatrecht angeht. So möchte ich hier einen kleinen Einblick in den Sachstand des klassischen Rechtes geben. Ich habe mich, wie man unschwer erkennen kann, sehr eng an den historischen Vorbildern der Institutionen des Gaius und des Iustinian orientiert und versuche primär deren Inhalte auf ein hier konsumierbares Maß herunter zu brechen. Das ist ein nicht ganz unkomplizierter Prozess. Deshalb bin ich für Korrekturen und Anregungen immer dankbar. :D
    Außerdem habe ich, wo ich mich nicht auf Primärquellen gestützt habe, auf U. Manthes "Geschichte des römischen Rechts" zurück gegriffen.

    Tiberius setzte auf die Antwort des Aedituus seinerseits sein salbungsvollstes Lächeln auf. Er war dem Didier während seiner Laufbahn nicht persönlich vorgestellt worden, soweit Tiberius sich erinnerte, er hatte aber auch nichts Schlechtes über ihn gehört.
    Der Pro Magistro würde das Gespräch sicher selbst fortsetzen wollen und so machte Tiberius sich einstweilen nützlich und notierte das Gesagte auf der Tafel, die er mitgebracht hatte.



    -Templum Mercurium-
    Aedituus Vol. Didius Molliculus: Guter Zustand, gut besucht, Opfer positiv. Folgerung: Mercurius wohlgesonnen.
















    Mal sehen, wie der andere reagierte. Mancher wurde nervös oder aggressiv, wenn man begann, seine Aussagen aufzuzeichnen. Die Reaktion mochte vielleicht etwas hinter die Fassade blicken lassen. Vorausgesetzt da war irgendwas, das sie entdecken konnten.

    "Wie du wünschst"
    Der Pro magistro sprach einen gewissen wunden Punkt an. Tiberius glaubte nicht, dass jener große Erfahrung in verdeckten Ermittlungen hatte und Tiberius hatte die auch nicht wirklich. Dasselbe galt für Fragen der Tempelbausubstanz. Obwohl er in dieser Frage bei dem Flavier ein durchaus erhebliches Wissen vermutete.


    Für Tiberius war Architektur immer interessant gewesen, aber die genaue Zementmischung oder solche Dinge hatte er als notwendig aber trivial betrachtet.
    Im Zweifelsfall würde die Autorität des Amtes und das intrinsische Selbstvertrauen und Autorität des Patriziers sehr nützlich für die Informationsgewinnung sein, davon war Tiberius überzeugt.
    Und er würde seinen Beitrag leisten. Kritische Fragen konnte er auch.
    Er holte die Wachstafel heraus, die er mitgebracht hatte und versuchte möglichst geschäftsmäßig und routiniert in die Gegend zu schauen.

    Tiberius hatte dem Pontifex pro magistro mit hochgezogenen Augenbrauen zugehört. Der Verdacht, dass bei dieser Anomalie nicht alles mit rechten Dingen zu gegangen war, lag auch für Tiberius nicht eben fern. Die Gaben für die Tempel stellten erheblich Reichtümer dar, besonders für diejenigen, die von Haus aus nicht so begütert waren. So mussten die Spenden für viele auch eine Versuchung darstellen, die leicht unwiderstehlich werden konnte.
    Er dachte einen Moment nach.


    "Nun. Zunächst würde ich den Weg, den eine Spende normalerweise nimmt, von Anfang bis Ende untersuchen. So können wir feststellen wo das Leck im Rohr ist. Wenn in den Cellae alles in bester Ordnung ist und das eigentliche Spendenaufkommen im Tempel normal, dann wissen wir, dass beim Einsammeln oder Transport etwas "abhanden kommt" oder bei der Buchung Fehler passiert sind."


    Akten waren immer anfällig für Fehler, die einem Beamter aus Müdigkeit oder weil er andere Probleme hatte, unterlaufen mochten. Aber wenn Unregelmäßigkeiten in den Akten regelmäßig wurden, steckte oft genug ein krimineller Wille dahinter.


    "Dazu sollten wir die beteiligten Aeditui und Beamte auf jeden Fall intensiv aber natürlich diskret befragen. Eigentlich habe ich vollstes Vertrauen in die Leute des Cultus. Aber eine Garantie gibt es leider auch hier nicht. Aber mein Verdacht geht aber auch in die Richtung nachgemachter Schlüssel. Kriminelle sind findig. Ein alter Jurist erzählte mir einmal von einer Bande, die unbemerkt Tunnel in eine ganze Reihe von wohlhabenden Häusern gegraben haben. Gallier aus den Alpen, die ihr halbes Leben in Stollen verbringen, können sowas durchaus. Will heißen, wir können kein Möglichkeit ausschließen.
    Wenn alle Befragungen nichts ergeben, müssten wir wahrscheinlich... unangenehmeren Mitteln greifen und die Tempel und ihre Bediensteten... nun, eingehender beobachten... lassen."


    Spionage und Denuziation waren zwar dazu angetan, schnelle Ergebnisse zu liefern. Allerdings war die Qualität dieser Ergebnisse oft genug zweifelhaft.


    "Wobei es soweit hoffentlich nicht kommt.


    Bei der Frage der Ermittlungstaktik haben wir nun zwei Möglichkeiten. Entweder wir suchen heimlich, still und leise nach dem Leck. Damit würden wir auf jeden Fall die Reputation des Cultus am besten schützen, aber es könnte länger dauern. Oder man rennt aufgebracht zu den Tempeln, veranstaltet einen Aufstand und zetert möglichst laut herum, damit der Missetäter mitbekommt, dass wir ihm auf der Spur sind. Dann macht er möglicherweise einen Fehler oder kommt sogar zu dem Schluss, dass die Sache zu heiß geworden ist und stellt seine Operation ein. Im Sinne der Reputation des Cultus würde ich allerdings erstere Möglichkeit vorziehen."


    Das war, was Tiberius spontan dazu einfiel.

    Tiberius wäre jedenfalls am Gebaren des Curiatianus nicht aufgefallen, dass irgendetwas nicht stimmte. Er war in aufgeräumter Stimmung als er in das Officum geführt wurde.
    Die Regia hatte eine eingespielte Mannschaft an altgedienten Kultbeamten. Unregelmäßigkeiten gab es eher selten, soweit Tiberius das festgestellt hatte.


    "Salve. Was kann ich für dich tun?", fragte er freundlich.

    Caesoninus hatte eine beachtliche Rede gehalten und so klatschte Tiberius auch gebührenden Beifall.
    Er erwiderte den Klapps auf die Schulter und grinste. "Dank dir."


    Dann konzentrierte er sich wieder auf die Rede. Es war ein erhebendes Gefühl auf die Plattform zu steigen. Die Lautstärke der Menge, die er hinter der Rostra nur gedämpft gehört oder in seiner Konzentration einfach nicht wahrgenommen hatte, war nun dabei, ihn zu überwältigen. Er blinzelte, als die Aufregung wie eine Welle über ihn herein brach. Zum Glück hatte er keine Zeit, groß herum zu hampeln. Tiberius atmete tief ein und aus, gab sich einen Ruck und marschierte festen Schrittes zum Rand der Rostra damit ihn alle sehen konnten. Dort angekommen blickte er kurz herum. Das Forum war durchaus voll geworden.


    Tiberius nutzte die Zeit, die das Publikum brauchte, um etwas zur Ruhe zu kommen, um auch die "Richterbank" mit einem respektvollen Nicken zur Kenntnis zu nehmen und wandte sich dann aber wieder dem großen Publikum auf dem Platz zu. Er hörte der Menge kurz zu, die nun, da der nächste Redner oben stand, zügig leiser wurde. Trotzdem konnte er etwas von der Stimmung einfangen. Leicht, fast volksfestartig. Die Leute waren hier um eine gute Zeit zu haben und sich in ihrer eigenen römischen Größe bestätigen zu lassen. Hervorragend.
    Schließlich begann er zu reden.


    "Quiriten. Es ist mir heute eine ganz besondere Ehre vor euch zu sprechen und ich danke dem gewesenen Konsul und ehrenwerten Pontifex pro magistro Flavius Gracchus dafür, dass er uns hier zusammen gerufen hat, um Roma, unsere Stadt, gebührend zu ehren."


    Tiberius hatte die schon etwas altertümliche Anrede "Quiriten" für die Römer als solche mit Bedacht gewählt. Sie sollte gleich von Anfang an den "traditionelle" Ästhetik, die er in der Rede haben wollte, etablieren. Ansonsten hielt er die Einleitung bewusst kurz. Die Leute wollten keine Lobrede auf die Honorationen der Stadt hören, sondern auf Rom selbst.
    Er achtete auch darauf laut und deutlich zu reden. Unter freiem Himmel trug die Stimme nicht besonders weit. Er hatte das in den letzten Tagen höchstpersönlich ausprobiert, um eine Ahnung davon zu bekommen, wo er mit der Lautstärke hin musste. dabei hatte er herausgefunden, dass es weniger die Lautstärke das Problem war, sondern die Deutlichkeit der Worte. Es hatte ihn einige Zeit gekostet, um heraus zu finden, wo die goldene Mitte zwischen Nuscheln und überdeutlicher Gesichtsakrobatik lag.
    Er fuhr fort.


    "Und da bräuchte ich hier gar nicht allzu viele Worte zu machen. Wir alle kennen doch die Größe unseres Gemeinwesens und unserer großartigen Stadt. Schauen wir uns doch nur einmal um. Wir sind von den Göttern schon dadurch besonders gesegnet, dass wir von uns behaupten können, in der Sicherheit dieser Mauern zu sein und zwischen ihren Gebäuden zu gehen.


    Es findet sich nirgendwo auf der Welt ein Ort, der sich mit dieser Stadt messen könnte. Keine andere Stadt nennen so viele ihre Heimat. Nirgendwo sonst werdet ihr so viel Pracht und Anmut in den Gebäuden finden und nirgendwo einfallsreichere Bauwerke, die uns das Leben so erleichtern. Von den Straßen, die täglich die Last des Reiches auf ihren Steinen tragen, zu den Aquädukten, die unsere Stadt mit ihrem Wasser am Leben erhalten. Händler aller Länder spülen die Reichtümer der Welt Tag für Tag zu diesem Ort. Unser Reichtum ist ohne Beispiel auf dem ganzen Erdkreis."


    Tiberius wollte das beschreiben, was die Zuschauer auch tatsächlich sehen konnten. Straßen, Mauern und Aquädukte waren praktischerweise nicht nur Errungenschaften der römischen Zivilisation, sondern auch Dinge die die Leute sehen, anfassen, "benutzen" konnten. Seine Rede sollte an dieser Stelle gezielt plastische Inhalte haben. Und eine Referenz zum Reichtum der Stadt ging natürlich immer.


    Aber nun war es Zeit für die Antithese:
    "Und doch, Quiriten, mag in so manchem unter uns gelegentlich Zweifel an unserer Größe aufkommen. Berichtet man uns nicht, die Barbaren des Nordens seien größer und stärker, als wir es gewöhnlich sind? Sagt man nicht, dass die Griechen geistreicher und intelligenter seien als wir? Manche behaupten, die Pyramiden in Aegyptus seien die größten Bauwerke, die jemals Menschen zustande gebracht haben. Und wer weiß, welche Pracht und Größe in den Ländern des Fernen Ostens auf den ausdauernden Reisenden warten? Können wir uns also wirklich hier versammeln und proklamieren, Roma sei das Beste und Größte, was die Menschheit je erschaffen hat und wir die besten und größten, die diese Stadt rechtmäßig ihr Eigen nennen? Oder haben wir uns nur die guten Eigenschaften anderer zu Nutze gemacht? Die Kraft und Schnelligkeit der Barbaren, die uns als Sklaven unsere Bauwunder verwirklichen? Und die Philosophie und Architektur und sogar die Mythen, von denen die Griechen behaupten, sie gehörten eigentlich ihnen?"


    Einfach die ganze Zeit unreflektiert zu rufen, "Wir sind toll!" hätte es für Tiberius nicht getan. Er trug das natürlich mit einem etwas ironischen Tonfall und hochgezogenen Augenbrauen vor, so wie er vor Gericht eine interessante aber letztlich abwegige Idee der Gegenseite abhandeln würde. Das Publikum sollte mit diesen Fragen vor allem zum Denken über seine Worte angeregt werden, um dann aber zu dem Schluss zu kommen, den Tiberius ihnen nun anbieten würde:


    "Diesen Zweifeln, Quiriten, können wir selbstbewusst und mit Gewissheit entgegen treten. Wir können uns unseres Platzes in der Geschichte als größtes Gemeinwesen der Welt sicher sein. Denn es sind nicht die Kraft unserer Arme oder die Gewitztheit unseres Geistes allein, die uns besonders machen. Diese können bestenfalls Mittel zum Zweck sein. Kraft allein garantiert weder Erfolg im Frieden noch im Krieg und der schlaue und gewitzte Geist allein ist besonders anfällig für die Korruption der niederen Gelüste."


    Das trug er nun im Gegensatz zum vorherigen Abschnitt mit besonderer Entschiedenheit. Klare Gesten und ein schärferer Tonfall. Der Zweck war klar. Barbarische Kraftmeierei und östliche Dekadenz taten es nicht.


    "Nein, Quiriten, was uns ausmacht, ist die uns eigene Tugend, die uns von unseren Vorvätern vermacht wurde, und die wir gemeinhin Virtus nennen. Wir finden sie in den Beispielen, die uns unsere Geschichte überliefert. Wir finden sie in der Kraft und dem Mut, die der Gründer Romulus uns zeigte, als er die Widrigkeiten der alten Zeit überwand und diese Stadt gründete.


    Wir finden sie in dem Pflichtgefühl, das Cincinnatus uns so trefflich vorführte, als er der Versuchung der Gier, der Ruhmsucht und der Korruption der Macht widerstand und nach getaner Pflicht zu seiner Arbeit an der Scholle zurückkehrte, so wie es geziemte.


    Wir finden diese Tugend und Tapferkeit und Kriegskunst mit der der große Scipio Africanus die Karthager besiegte und dafür sorgte, dass niemand mehr die Vorherrschaft Romas über den Erdkreis anzuzweifeln wagte. Wir finden sie in unserem Recht, das jedem die Möglichkeit bietet, Gerechtigkeit zu erlangen. Wir finden sie in der Tüchtigkeit unserer Händler und der Tapferkeit unserer Soldaten, denen kein Feind je dauerhaft wird widerstehen können."


    Nun kam natürlich die Synthese mit der Tiberius den Leuten die Großartigkeit ihrer eigenen Geschichte und ihrer Tugend vor Augen führen wollte. In einem gebildeten Salon mochte das alles vielleicht etwas abgedroschen sein, aber das hier war eine Volksrede und Tiberius musste Beispiele nehmen, die allgemein bekannt waren.
    Während dieser Aufzählung wurde er stetig etwas lauter und schneller und erhöhte auch seine eigene Körperspannung. Hier musste die Energie sein.
    Das praktische an "Tugend" war natürlich, dass es sich doch um ein metaphysisches, zwar bekanntes, im Ganzen aber eher unscharfes Konzept war. Es gab den Leuten in der Menge die Gelegenheit sich mal als "etwas Besseres" zu fühlen, und zwar als etwas Besseres im Gegensatz zu den "Barbaren" und "Dekadenten". Vor allem wollte Tiberius aber einen Nerv bei der aus nobiles bestehenden Richterbank treffen. Die würden mit dem Konzept bestens vertraut sein und sicher nichts dagegen haben, wenn man ihnen diese römischste aller Tugenden so entschieden zuschrieb.


    Eines durfte aber in der Reihe des Positiven nicht fehlen.
    "Und wir finden sie in der Weisheit des göttlichen Augustus, der den Staat rettete und eine nie gekannte Zeit des Wohlstands in das Gemeinwesen brachte, die der gegenwärtige Princeps mit so viel Geschick und Weisheit weiter führt. Möge er die Geschicke des Staates noch eine lange Zeit weiter lenken."
    In seiner Rede keinen Bezug zum Kaiser zu machen, wäre Tiberius mindestens als unweise vorgekommen.


    Nun wurde es Zeit für den Schlussakkord. Das hier war eine Volksrede auf dem Forum. Allzu langes herum monologisieren, würde die Aufmerksamkeit des Publikums ermüden und das würde auch die Richterbank zur Kenntnis nehmen.
    Noch einmal kondensieren und zuspitzen. Ein Bezug auf den Segen der Götter und ein klarer Schlusspunkt. Eine ernste, eindringliche Mimik und eine starke, aber sparsame Gestik


    "Solange wir diese Tugend in uns behalten, ist uns der Segen der Götter gewiss. Diese schauen mit Wohlwollen auf uns, die Rechtschaffenen, die Tapferen und Pflichterfüllten. Wir brauchen dazu keinen Pomp, keinen korrumpierenden Überfluss. Seid euch bewusst darüber, wer ihr seid und zu welcher Stadt ihr gehört und jeder unter euch, der Virtus in sich findet, kann sich seiner eigenen Größe sicher sein. Darin, Quiriten, liegt der Glanz und die Größe Romas."


    Damit beendete Tiberius seine Rede, hielt aber noch einen Moment die Körperspannung aufrecht. Der Auftritt endet erst, wenn der Spieler von der Bühne ist. Bis dahin musste die Spannung da sein.
    Und dann war sein Auftritt auch schon zuende. Er nickte noch einmal der Richterbank zu, trat von der Sichtkannte der Rostra zurück und stieg von der Plattform herab.
    Um sich herum nahm er erst einmal nichts weiter wahr. Erst wo die Anspannung nun von ihm abfiel, merkte er, wie groß sie eigentlich gewesen war und es war kein gutes Gefühl. Etwas orientierungslos lehnte Tiberius am Fuß des Bauwerkes. Er würde erst mal Pause machen.

    Tiberius hatte darauf geachtet, sich früh genug auf den Weg zum Forum zu machen, um sich an die Stimmung des Ortes zu gewöhnen. Das war wichtig, um in den richtigen Rhythmus und die richtige Stimmung zu kommen. Er hatte sich als einer der Redner schon mal hinter die Rostra begeben und konzentrierte sich nun auf die Rede, die er natürlich auswendig gelernt hatte. Er hatte noch nie auf der Rostra geredet. Die Plattform hatte auch nicht mehr die Beeutung, die sie während der Republlik gehabt hatte, als von hier aus regelmäßig monumentale Ereignisse der Geschichte ihren Ausgang nahmen.


    Trotzdem war die Ehrwürdigkeit des Monumentes unbestreitbar und für Tiberius absolut greifbar. Er versuchte sich von der Athmosphäre inspirieren zu lassen. Es würden heute vielleicht weniger die Worte sein, die eine gute Rede ausmachen würden, sondern viel mehr als sonst das gesamte Paket der Rhetorik von der Gestik bis zur Mimik.


    Mit diesem Gedanken vertiefte sich Tiberius wieder in seine Konzentation.

    Die Lösung, die Caesoninus ihm da präsentiert hatte, war durchaus eine logische. Trotzdem entsprach sie nicht dem, was die Gelehrten als Motiv hinter den Tötungsgesetzen vermuteten. Die Gesetze waren in dieser Form nur verständlich, wenn man sich in die betreffende Zeit hinein dachte. Auch eine gute Übung. Erst der Kontext der Geschichte erweckte altes Recht zum Leben. Und da das römische Recht schon alt war und der römsiche Geist Innovationen vom als gut anerkannten - Tiberius Blick schweifte kurz zu seiner Cicero-Schriftrolle - ablehnte, kamen auch im Recht keine revolutionsartigen Änderungen vor.


    "Eine sinnvolle Antwort, Caesoninus, aber leider wohl nicht die richtige. Du siehst, wir müssen den Kontext beachten. Was meint Numa, wenn er sagt "der Mörder soll wie ein Vatermörder behandelt werden"? Das ist in der Tat entscheidend.


    Hierzu müssen wir uns die Situation vor diesem Gesetz ansehen. Man glaubt zu wissen, dass auch schon vor Numa der Mörder ein Mörder war und jemanden umzubringen nichts war, was im Gemeinwesen als eine prima Sache angesehen wurde. Nun müssen wir uns aber die Folgen ansehen, wenn jemand vor dem Gesetz des Numa einen anderen umgebracht hat - wohlgemerkt aus einer anderen Sippe, Familia, Gens, Clan, was du willst.


    Was dann einsetzte war das Racheprinzip. Ein Mord muss seinerseits mit einem Mord gesühnt werden. Und dieser wieder und immer so weiter. Das ist keine gesunde Entwicklung. Also stellt Numa den Mörder, der jemanden tötet, der nicht zu seinem besonderen Familienhaufen gehört, dem gleich, der jemanden aus seiner eigenen Familie ermordet hat. Und innerhalb der Familie gibt es keine Blutrache. Wir haben es also mit einer Abschaffung der Blutrache durch die Hintertür zu tun. Absolut brillant.


    Was will ich dir damit sagen? Der geschichtliche Kontext ist immer wichtig und wir müssen danach streben, diesen so genau zu kennen, wie wir können. Außerdem wollte ich euch das verschlungene Denken demonstrieren, dass der Rechtsanwender braucht. Und drittens die Weisheit des Königs Numa"


    Tiberius nahm noch einen Schluck.


    "Ist das verständlich?"

    Tiberius nickte.


    "Ich bin dir zu Dank verpflichtet und werde meine Pflichten stets getreulich erfüllen."


    Dies war ein große Moment für Tiberius. Er sollte wirklich die Chance bekommen. Auch gegenüber Lupus war er dankbar. Auch wenn es sicher nicht schädlich war einen Klienten im Collegium Pontificum unter zu bringen, war es nicht selbst verständlich, dass sich der Patron in dieser Form für einen einsetzte. Damit er etwas mit den Händen zu tun hatte, nahm Tiberius noch einen Schluck Wein.


    Sim-Off:

    Sorry. Glatt übersehen.

    So. Nun war also der Augenblick da, auf den es wirklich ankommen würde. Tiberius würde eine überzeugende Antwort liefern müssen.


    "Ja, weshalb. Die Gründe sind da durchaus vielfältig. Zum einen ist das Ganze Thema des Umgangs mit den Göttern faszinierend. Wer wollte nicht mehr darüber lernen, wie man aus dem Flug der Vögel und dem Blick in die Eingeweide eines Tieres tieferes Wissen über die Welt und den Willen der Göttlichen erlangen kann? Mit der Beziehung des römischen Volkes mit den Göttern steht und fällt diese Stadt."


    Er sagte das ganz nüchtern, war es für ihn doch ein simples Factum.


    "Wie könnte also die Verwaltung auch nur annähernd so einen Reiz ausstrahlen? Und die Militärlaufbahn war meine Sache nicht. Darüber hinaus habe ich in gewisser Weise den Eindruck, dass ich durch den Dienst im Cultus den Göttern meine Dankbarkeit für das große Glück erweisen kann, das ich bisher im Leben erfahren habe. Es nicht selbstverständlich von da wo ich herkomme auch da hin zu kommen, wo ich jetzt bin. Und natürlich reizt mich als Jurist besonders am Collegium der Pontifices dessen Vergangenheit im römischen Rechtssystem. Als Hüter des alten Rechts üben sie auf die Juristen immer noch eine immense Faszination aus. Es würde also auch mein Lernen im Bereich des Rechtes vervollkommenen. Daneben ist es natürlich ein hervorragender Karriereschritt.
    Ich bin mir der hohen Verantwortung, die dieser Weg mit sich brächte, sehr bewusst. Aber ich glaube, dass ich durchaus eine brauchbare Ergänzung für den Cultus im Allgemeinen und das Collegium der Pontifices im Besonderen darstellen könnte und würde."

    Da war er, einer dieser neuralgischen Punkte, die Tiberius bereits antizipiert hatte.


    "Leider nicht. Ich habe mich bisher als einfacher Cives auf diesen beschwerlichen Weg gemacht."


    Er war nervös, wie der aristokratische Pontifex dies auffassen würde. Naive Populisten würden wahrscheinlich vermuten, dass der Patrizer immer mit einer gewissen Abneigung auf die einfache Klasse herab blicken würde. Es erschien einleuchtend. Allerdings hatte er gerade in besonders konservativen Kreisen der höheren Sphären die seltsame Haltung gesehen, die auf das genaue Gegenteil der clichehaften Herablassung hinaus lief. Tiberius vermutete, dass das mit dem natürlich vollkommen romantisierten Bild vom tradtionellen Römer, der sein einfaches, ehrliches Tagwerk verrichtet, zurückging. Cincinnatus und der ganze Rest. Die Reaktion des Flaviers würde Tiberius also vielleicht auch einiges über dessen politische und ideelle Haltung verraten.