Beiträge von Tiberius Valerius Flaccus

    Ja, was hatte Tiberius die Sybille gefragt.
    "Natürlich. Wie dumm von mir. Wie sollst du mir helfen, wenn du die Frage nicht weißt. Ich hatte gefragt, ob ich mich eher dem Dienst an den Göttern oder der Verwaltung des Gemeinwesens verschreiben sollte. Die Kanzlei lastet mich nicht recht aus und das richtige Amt könnte mich auch voran bringen. In jeder Hinsicht."
    Im Gegensatz zu dem Aurelier, der durch seine Herkunft allerlei Karrierevereinfachungen genießen konnte, waren diese Tiberius verschlossen und es war ein steiniger Weg nach oben für einen normalen Cives. Septemvir undTrecenarius. Mehr war für die ruhmreichen Valerier noch nicht drin gewesen. Aber vielleicht konnte Tiberius das ja ändern.


    "Diese ganzen Symbole des Überantürlichen weisen ja eher nicht auf die Verwaltung hin?"

    Wenn man einfach so ins kalte Wasser geworfen wurde, konnte Tiberius sich vorstellen, dass es nicht besonders einfach sich in dem Gewirr zurecht zu finden. Zumindest wenn man sich nicht auf einen Hausadvokaten des Vertrauens verlassen konnte. Aber wenn Lucius frisch aus Mantua gekommen war seinerzeit war es durchaus möglich, dass bestimmte Verbindungen einfach fehlten.


    "Jaja Senatoren, die nicht wussten, was sie bewirtschaften durften, haben schon lang für aufsehenerregende und unterhaltsame Prozesse gesorgt, da verrate ich kein Geheimnis. Was die neue Lex Mercatus angeht, so war der dafür zuständige Ädil Aurelius Lupus so freundlich mich daran ein bisschen mitwirken zu lassen, als ich mein Tirocinium dort gemacht hatte. Wenn du also Fragen hast, steh ich dir gern zur Verfügung.Ich nehme an du hast ihn bei deinem Wahlkampf den Haruspex Aurelius schon kennengelernt?"

    Noch jemand, der sich tatsächlich dafür interessierte, was er so zu verzapfen hatte. Eine nette Abwechslung.


    "Meine letzte kleine Schrift dreht sich um die Lex Frumentationibus, die bald heraus kommen wird, wenn der letzte Schliff dran gekommen ist. Eins der wichtigeren Gesetze wenn du mich fragst. Jeder Amtsträger, der sich mit Verteilung beschäftigt sollte einen guten Plan haben von dem was da so drin steht. Wenn du mich fragst ist die Getreidespende eines der wichtigsten Mittel um die soziale Kohäsion Roms sicher zu stellen. Und über wichtige Sachen schreibt man. Aber eigentlich wollte ich schon lange mal was zur neuen lex mercatus schaffen. Die ist sehr interessant. Eines der Gesetze, die auch immer wieder Senatoren in die Bredullie gebracht hat. Kurios, nicht wahr?


    Daneben ist auch eins meiner Projekte ein Werk über die allgemeine Grundsätze und Methoden. Spezielle für die nicht iuristisch ausegbildeten Leute. Viele Streitigkeiten könnten vermieden werden, wüssten die Leute nur über die Grundmechaniken bescheid."
    Er nahm noch einen Schluck.


    "Du siehst: langweilig wird mir nicht."

    Mit dieser Aufschlüsselung konnte Tiberius in der Tat etwas anfangen. Überaus aufschlussreich.


    "Wie interessant. In meinem Gewerbe ist die Diskussion der Stoff aus dem die Welt besteht. Du erinnerst dich an unsere Gespräche bei der Lex? Deswegen nimmt man uns als Schwätzer wahr. Ein Jammer."


    Für Tiberius konnte eine Diskussion viele verschiedene angenehme Facetten annehmen. Die erforschung des Geistes des Gegenübers. Das Aufnehmen von neuen Ansichten. Vor Gericht nahm es dann zwangsläufig die Form eines Wettkampfes an. Der oft auch nicht den Anforderungen des Aurelius an eine gewisse Sinnhaftigkeit entsprechen würde. Man konnte ishc auch über Dachbalken und ein Paar Fuß Feldweg stundenlang austauschen.
    Dass man den Austausch von Ideen als generell überflüssig oder langweilig erachten konnte, war ihm noch nie in den Sinn gekommen.


    "Aber ich werde mir das merken. Ein schmaler Grat. Danke für deine Einsichten. Aber wenn es dir nichts ausmacht, hätte ich auch noch eine Frage, die nicht die Eigenschaften von Senatoren betrifft. Ich war neugierig und habe mir das Übernatürliche einmal genauer angesehen.Die Sybille in Cumae hat mir das hier"


    Er zeigte dem Aurelier die Tafel


    Der Wald hat weit mehr Lücken als Bäume, und trotzdem erscheint er undurchdringlich. Nur wer hinein geht, kann auch wieder heraus kommen, aber weder hier noch dort wird die Arbeit ihn rufen, denn die Stille übertönt jedes Geräusch. Wer im Wald steht, kann den Mond nicht sehen, doch jener sieht mehr als nur den einen Wald. Du fragst nach einem Weg und kennst doch schon alle Antworten, denn ohne Ziel gäbe es auch keinen Start.


    "gegeben. Ich muss dir sagen, dass ich nicht alle Antworten kenne. Ganz im Gegenteil. Du kennst dich mit dem Übernatürlichen aus. Vielleicht kannst du mir weiter helfen? In dem Text gibts verschiedene Dinge und Symbole. Wald. Mond. Bäume. Alles sehr rätselhaft."


    Tiberius wusste, dass sich Lupus als Haruspex mit Eingeweideschau beschäftigte. Aber vielleicht wusste er auch bei Orakelsprüchen Rat.

    Tiberius freute sich immer, wenn man über seine Versuche beim Humor lachte.
    Hernach überging Florus seine Frage danach was er nach seiner Zeit als Vigintivir vorhatte ziemlich glatt. Vielleicht wusste er einfach noch nicht was er machen wollte, wollte aber keine Unentschlossenheit zeigen? Wie auch immmer.


    "Auf der Rostra? Nein. Aber ich denke, dass bald die ersten kompliierteren Fälle zur brandneuen Lex Mercatus kommen. Das will alles schön ausjudiziert werden und da bin ich gern hautnah dabei. Außerdem lehre ich noch ein bisschen nebenbei und bastle an juristischen Schriften herum, die viellecht irgendwann einmal veröffentlicht werden könnten. Mal sehen. vielleicht ergibt sich in nächster Zeit ja noch irgendwas anderes."

    Tiberius machte sich eine mentale Notiz, beim nächsten Mal etwas weniger Honig in den Wein zu tun.


    "Nun, es freut mich, dass ich dem Gemeinwesen zu Diensten sein konnte."


    Götter, dachte er, ich klinge ja schon wie ein Politiker.


    "Wenn ich eine sinnvolle Angelegenheit sehe, bin ich immer dabei, wenns ums Anpacken geht. Außer vielleicht, du verkündest mir jetzt, dass moorgen die Cloaca renoviert werden muss.", fuhr er mit einem Augenzwinkern fort.


    "Jedenfalls hast du etwas Wichtiges während deiner Amtszeit angepackt. Das wird dir sicher nicht schaden. Was hast du eigentlich vor, wenn dein Vigintivirat vorbei ist?"

    Jetzt wo er hier war, fiel der Unterschied zwischen dem etwas emotionalen Praefectus und dem Aurelier noch deutlicher ins Auge. Lupus war die Sachlichkeit in Person. Oder schien zumindest so.


    "Wenn ich mich recht erinnere, ging es bei meiner Frage um die konkreten Kompetenzen, die die der Praefectus auf sich vereint. Ich will dich nicht mit staatstheoretischer Geschichte langweilen, aber es ist der Fall, dass das Amt des Praefectus im Laufe der Zeit einen ganzen Haufen Kompetenzen angesammelt hat, die vorher verteilter waren. Ich wollte nun von ihm wissen - ganz abstrakt und theoretisch formuliert wohlgemerkt - ob das zuträglich ist, oder ob die Verteilung der Kompetenzen der Effizienz wegen wieder ein bisschen breiter gestreut werden sollte. Hintersinn der Frage war auch, das Selbstverständnis des Praefectus ein bisschen zu beleuchten. Versteht er sich eher als Überherr der Verwaltung oder eher als ein Glied unter vielen, die die Verwaltung des Augustus betreiben? Das hat der ehrenwerte Praefectus aber in den falschen Hals bekommen. Glaubte wohl ich würde ihm Überfordertheit unterstellen.
    Ich bin noch nicht so gewandt im Umgang mit so hohen Herren, die ich nicht kenne. Habe ich einen Fehler in der Etikette gemacht, als ich ihn das gefragt habe? "


    Die Antworten auf diese Fragen nach dem richtigen Umgang zu finden, sah Tiberius als essentiell für seine Karriere an. Man durfte nicht aus Ignoranz ungehobelt erscheinen.


    Die Bemerkung des Haruspex, dass er mit seiner Meinung über Menecrates nicht hausieren gehen wollte, fand Tiberius etwas ironisch, konnte er sich doch genau daran erinnern, dass der damalige Aedil den damaligen Konsul in seiner Gegenwart als "dumm" bezeichnet hatte.


    "Als ich da raus bin, habe ich seine Reaktion eher als Unsicherheit gedeutet. Falls dem so sein sollte, könnte es dich vielleicht einfach politisch interssieren."

    Tiberius schüttelte leicht den Kopf. Vielleicht hätte er sich etwas deutlicher ausdrücken sollen.


    "Ich glaube du hast das Problem nicht ganz verstanden. Was du ansprichst, ist die Frage, wie zu verfahren ist, wenn jemand eine mangelhafte Sache kauft oder verkauft. Dafür haben wir eine relative einfache Lösung gefunden. Caveat Emptor. Der Käufer trägt das Risiko.* Und das hat auch was für sich. Wer ein stumpfes Schwert kauft, ist nun mal ein Idiot.Etwas anderes gilt natürlich, wenn der Verkäufer aktiv betrügt.Aber darauf wollte ich gar nicht hinaus. Wir hatten festgestellt, dass der Wille der beiden Geschäftspartner und auch deren Äußerungen übereinstimmen müssen. Nun können sich hier aber Unklarheiten ergeben. Ein paar Beispiele:Was passiert wenn einer der Vertragspartner sich zwar übereinstimmend äußert, aber sein Wille insgeheim nicht übereinstimmt? Wir nennen so etwas versteckten Dissens. Ein Dissens bedeutet: Kein Vertrag.**Was passiert, wenn einer der Vertragspartner zum Beispiel aus Versehen etwas anderes erklärt, als er eigentlich will? Wenn er sich jedenfalls entweder über den Vertragstypus , den Kaufgegenstand, oder den Preis irrt, kommt kein Vertrag zustanden. Erinnert euch an die Essentialia Negotii.


    So weit so einleuchtend. Nicht ganz so klar - und darauf wollte ich heraus: Was passiert beim Error in Substantia? Was meine ich damit? Einen Irrtum über Beschaffenheit des Gegenstandes. So ein Irrtum kann passieren, wenn die Vertragsparteien in ihrer Vertragsvereinbarung die sachliche Beschaffenheit des Verkaufsgegenstands nicht eindeutig klar machen. Ein Käufer kann eine Schale kaufen wollen, aber es konnte entweder die Schale aus Holz oder die aus Ton sein. In der Hektik auf dem Markt passieren solche Irrtümer öfter als man denkt. deswegen nehme ich den hier auf. Bei den Rechtsgelehrten haben sich drei Lösungen heraus gebildet: Eine Ansicht*** meint, dieser Irrtum sei egal.Eine andere Ansicht**** meint das Gegenteil. Ein solcher Irrtum sei nie egal.


    Welche Ansicht würdet ihr bevorzugen? Versucht doch schon mal ein bisschen juristisch zu argumentieren. Die nötigen Fakten über Willen und Erklärungen habt ihr."


    Sim-Off:

    *Im heutigen deutschen Recht anders geregelt. Siehe § 437 BGB
    ** Heute in Deutschland in § 155 BGB geregelt
    *** Marcellus
    **** Julian; Die dritte Ansicht von Ulpian lasse ich der Einfachheit halber weg Außerdem wirkte Ulpian erst im 3. Jhdt.

    Das überraschte ihn dann aber doch. Positiv natürlich. Trotzdem wollte er hier im Buchladen nicht in eine Rechtsvorlesung ausbrechen. Einen kleines Appetithäppchen konnte er aber sicher geben.
    "Nun, das Frumentationibus ist eines der wichtigsten Gesetze, die wir haben, nicht? Es regelt die Getreidespenden für tausende Bürger, die auf dieses Gesetz angewiesen sind. Also ist es sinnvoll sich damit außeinander zu setzen."


    Er glaubte nicht, dass sein Gegenüber auf irgendwelche spenden angewiesen war. Trotzdem war den meisten höheren Damen und Herren die Bedeutung der Spende natürlich bewusst.


    "Es kann eigentlich gar nicht genug darüber geredet werden und das Recht muss sich immer weiter entwickeln. Deswegen hab ich dieses Ding geschreiben und ich bin gespannt, wie es so angenommen wird. In unseren Kreisen wird sowas gern diskutiert."


    Sim-Off:

    Warum überseh ich das hier immer...

    Ein Haussklave brachte auch schon ein Tablett mit Bechern der Jahreszeit angemessenen Würzweines. Man hatte ihm nicht extra sagen müssen, dass für diese Gelegenheit ein ordentlicher Tropfen kredenzt werden sollte. Tiberius hatte sich nach dem Besuch beim Aurelius Lupus daran gemacht, seine eigene Mischung zu kreieren, was sich als nicht gerade einfach heraus gestellt hatte.


    "Natürlich habe ich Zeit." Er deutete nochmal auf die Becher. "Das ist eine neue Mischung. Ich glaube sie ist durchaus ganz ordentlich gelungen. Ein bisschen mehr Honig und ein bisschen weniger Pfeffer. Mein Koch hat vorher auch ein bisschen mit einem braunen Zeug aus seiner Heimat Aithiopia herum experimentiert, das er cahve oder so ähnlich genannt hat. War fürchterlich bitter. Wird hier wohl nie eine größere Anhängerschaft finden."


    Er schüttelte den Kopf bei dem Gedanken an den Geschmack.


    "Also. Wie geht es dir? Ist die Putzaktion bei den Bürgern gut angekommen?"

    Tiberius nickte und nahm noch einen Schluck Wein, bevor er fortfuhr.


    "Du liegst völlig richtig. Der Kaufvertrag passiert täglich tausende Male auf den Straßen und in den Gebäuden der Stadt. Ohne, dass wir es groß bemerken würden. Er hat nur einen Sinn. Einen Gegenstand oder ein Stück Land von einer Person zur anderen zu kriegen. Aber wie das geht, ist bei genauerem Hinsehen vielleicht gar nicht so simpel und es kann eine Menge schief gehen. Ich fange damit an, weil der Kaufvertrag der wichtigste und eingängigste Vertrag ist und er eignet sich gut, um grundlegende Prinzipien zu verdeutlichen. Aber beginnen wir doch am Anfang. Was ist ein Kaufvertrag? Wir römischen Juristen nennen das einen Konsensualvertrag. Es gibt auch noch den Realvertrag und den Litteralkontrakt, aber die lassen wir einstweilen außen vor. Ein Konsensualvertrag zeichnet sich dadurch aus, dass beide Vertragsparteien den Willen zum Abschluss des Kaufvertrags haben, also ein Consensus besteht und sie sich über Kaufsache und Kaufpreis einig sind und ihren Willen auch mit entsprechenden Äußerungen kundtun. Diese beiden Dinge nennt man Essentialia Negotii. Der Verkäufer hat sodann die Pflicht, dem Käufer die Sache, um die es bei dem Kaufvertrag ging zu übereignen - wie das genau vonstatten geht, dazu kommen wir gleich und der Käufer hat die Pflicht, den Kaufpreis zu bezahlen. Das sind die Grundlagen. Ihr findet das auch in § 5 der Lex Mercatus übrigens.


    Was passiert, wenn einer der beiden seiner Pflicht nicht nachkommt? Dann kann der andere zum Prätor gehen. Der Käufer kann mit der Actio Empti die Ware heraus bekommen, Der Verkäufer mit der Actio Venditi den Kaufpreis. Ich habe euch jetzt die Grundlagen genannt. Habt ihr bis hierher Fragen oder Anmerkungen? Lasst diese Konstruktion einfach mal auf euch wirken. Übereinstimmende Willenserklärungen, Essentialia Negotii. Klingt einfach, nicht? Was passiert nun aber, wenn irgendetwas nicht nach Plan läuft? Nehmen wir an, der Käufer irrt sich in irgendeiner Form. Zum Beispiel: Er sieht die Sache, die er kaufen will im Laden vor sich liegen, irrt sich aber über die Substanz der Sache. Kann dann noch ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen sein?"

    Demetrios der Türsteher führte den Viginivirn in das Atrium der Casa, wo der Hausherr tatsächlich mit einem Traktat über römisches Vertragsrecht auf einer Bank herum saß und überrascht aufsah, als ihm angekündigt wurde, wer ihn aufgesucht hatte.



    "Annaeus. Schön dich zu sehen. Willkommen in meinem bescheidenen Haus. Nimm doch Platz."


    Er deutete auf ein paar bequem gepolsterter Korbstühle und bedeutete nebenbei dem Türsteher, dafür zu sorgen, dass Erfrischungen heran zu schaffen.

    DEMETRIOS, Türsteher


    Demetrios war einigemaßen verblüfft einen Amtsträger des Staates vor der Tür vorzufinden.


    "Natürlich, Domine. Bitte. Der Dominus Tiberius befindet sich im Atrium und wird dich dort sicher gern empfangen. Wenn du mir bitte folgen möchtest?"


    Der Herr Tiberius hatte klar gemacht, dass seine Tür jederzeit für so gut wie jeden offen zu stehen hatte. Besonders für potentielle Mandanten, Freunde und einflussreichere Persönlichkeiten. Der Vigintivir konnte mehrere Kategorien davon erfüllen.

    Dankend nahm Tiberius den Gewürzwein an. Hervorragendes Gemisch. Natürlich waren die Aurelier in der Lage nur die edelsten Gewürze zu verwenden und das schmeckte man.


    "Ah, vorzüglich. Du musst mir unbedingt die Mischung verraten."


    Allerdings war er nicht gekommen, um Kochrezepte auszutauschen:


    "Nun also. Ich war in den letzten Wochen ein wenig umtirebig und einige begebenheiten waren von, sagen wir seltsamer Natur. Zum Beispiel war ich beim Orakel in Cumae. Ein beeinruckender Ort. Aber leider war der Orakelspruch genauso rätselhaft, wie ich befürchtet hatte. Ich weiß, dass du dich mit den Dingen des Göttlichen auskennst. Vielleicht kannst du mir ja bei der Interpretation ein bisschen weiter helfen. Falls das in deine Zuständigkeit fällt.


    Andererseits war ich auf dem Gebiet des Rechts relativ umtriebig. Mein Kommentar zur Lex Frumentaria ist so gut wie fertig, er muss eigentlich nur noch veröffentlicht werden. Und hier gabs dann die zweite etwas seltsame Begebenheit. Du wirst dich erinnern, dass der Praefectus Urbi eine bedeutende Rolle im Bereich der Getredeversorgung darstellt. Um ein bisschen Praxisbezug zu bekommen - die Ansicht des eigentlichen Amtsinhabers ist für die Interpretation des Gesetzes von größter Bedeutung. Deswegen hab ich den Mann mal aufgesucht. Und um ihm auch persönlich ein bisschen auf den Zahn zu fühlen. Der Amtsträger definiert das Amt, sagt man. Allerdings hatte Menecrates kein gesteigertes Interesse an einer abstrakten rechtlichen Diskussion. Leider. Unser Treffen war abrupt zu Ende, weil er sich offenbar persönlich angegangen fühlte. Ein Jammer. Der Grad der Dünnhäutigkeit dieses Herrn hat mich dann doch überrascht. Vielleicht ein Zeichen von Unsicherheit? Oder Unzufriedenheit? Ich dachte vielleicht, das könnte dich interessieren. Wenn ich mich recht erinnere, warst du ja keiner, der Lobeshymnen auf den damaligen Konsul gesungen hat. Typisches Verhalten?


    Außerdem habe ich einen gewissen Aenaeas Florus Minor, der ja gerade sein Vigintivirat bestreitet, kennengelernt. Der packt die Dinge an. Könnte weit kommen. Sicher kennst du ihn? Wenn nicht könnte ich ihn dir gerne vorstellen."

    Dem Valerier viel die angegriffene Stimme des anderen kaum auf. Viele Leute waren an den allherbstlichen Leiden erkrankt. Tiberius war bisher glücklicherweise verschont geblieben.


    "Salve Aedilicus. Ich hoffe, ich störe dich nicht allzu sehr, aber es haben sich in letzter Zeit einige teils seltsame Begebenheiten zugetragen, zu denen ich gern deine Meinung hören würde, die dich aber auch so interessieren könnten. Und einen Brief wollte ich dir nicht schicken, weil eine dieser Sachen den Praefectus Urbi betrifft und mir dafür ein Brief nicht angenehm war."


    Er nahm den noch etwas blassen Aurelier in Augenschein.


    "Wenn dir allerdings nicht wohl ist, komme ich irgendwann anders gern nochmal wieder. Besonders dringend ist es nämlich nicht."

    Tiberius setzte ein freundliches Gesicht auf, als er das vertraute Gesicht des Türhüters vor sich sah.


    "Salve, ich hätte ein oder zwei Dinge mit deinem Herrn Aurelius Lupus zu besprechen, die teilweise etwas sensibel sind, wenn es gerade nicht zu ungünstig ist."


    Tiberius hatte inzwischen nämlich auch beschlossen, dem Aurelier von seinem etwas eigenartigen Gespräch mit dem Praefectus Urbi zu berichten. Er erinnerte sich, dass der damalige Aedil Aurelius ganz und gar nicht gut auf den damaligen Konsul zu sprechen gewesen war.

    Wieder klopfte Tiberius an Tür der Villa Aurelia um mit dem gewesenen Ädilen Lupus zu reden.


    Einerseits hatte er den Briefwechsel nicht vergessen und Tiberius wollte das Thema Recht nocheinmal persönlich ansprechen. Andererseits hatte er da diesen Orakelspruch der Sybille herum liegen, mit dem er nicht viel anzufangen wusste. Aber er wusste, dass Lupus sich in diesen Feldern besser auskannte, als er. Vielleicht konnte er sich ja einen Reim drauf machen.

    Tiberius machte sich daran, eine Gruppe zu beaufsichtigen, als ihm noch eine Frage kam.


    "Sag mal, was machen wir eigentlich mit dem Mist, der nicht in die Kisten soll? Eigentlich muss der Dreck in die Cloaca. Wenn du mich fragst ist die Scheiße"


    hier fand er diesen ungehobelten Begriff durchaus angemessen.


    "das größte Problem hier. Du hast nicht zufällig mal angefragt, ob man für alle paar Straßenzüge einen Skalven abstellen könnte, der diesen Unrat zusammen schüppt und in die Cloaca kippt? Dann würds in der Gegend auch nicht so stinken wie Sau."


    Für einfach Bürger würde sich das kaum geziehmen. Und sicher würde einer der reicheren Poltiker sich gern beim Pöbel beliebt machen, wenn er als Opfer für das Gemeinwesen ein paar Sklaven für eben dieses Gemeinwesen abstellen würde. Der Praefectus vielleicht?

    Tiberius nickte und sah zu einem Teil der Mannschaft herüber.


    "Ihr habts gehört. Die großen Abfallprodukte zuerst. Kisten und Gedöns. Passt auf, dass ihr nichts weg räumt, was anderen Leuten noch lieb und teuer ist, sonst kann ich euch morgen führ noch in der Basilika wegen Diebstahls verteidigen, hehe. Aber das werdet ihr ja schon mitkriegen.Dann werden wir mal loslegen, wie?"

    Flaccus rollte das Banner wieder ein.
    "Wie du meinst. Du bist der Chef. Ich dachte mir bloß, dass wir so viel Aufhebens um deine gute Idee machen sollten wie möglich. Damit es auch jede mitkriegt. Hehe.
    Soll sich doch herum sprechen, dass der Vigintivir anpackt. Aber gut."


    Erwartungsfroh sah er sich in der Gasse um. Hier gab es viel zu tun.


    "Also? Wo fangen wir an?"