Beiträge von Tiberius Valerius Flaccus

    Tiberius hatte es sich an diesem Abend nicht nehmen lassen, bei dieser erstaunlichen Aktion des Vigintivirn mitzuwirken.
    Soweit er das erkennen konnte, ging es hier um mehrere Dinge. Einmal ging es darum, auszutesten, wie die Reinigung einer typischen Straße Roms so vonstatten gehen konnte. Die Schwierigkeiten zu Beginn waren schon offensichtlich. Die Ladeneigner waren nicht eben erfreut gewesen, dass der Karrenverkehr eingeschränkt werden musste. Mit solcherlei Widerständen musste auch anderswo gerechnet werden. Das sollte eingepreist werden.


    Zum anderen ging es wenn man Tiberius fragte auch darum, zu zeigen, dass die Vigintivirn tatsächlich etwas unternahmen und das Problem bei der Wurzel auf der Straße anpackten.
    Daher, fand Tiberius sollte man diese Aktion so gut es ging propagandistisch nutzen.


    Er hatte sich deshalb die Freiheit genommen, ein Banner erstellen zu lassen, das ankündigte, was hier eigentlich passieren sollte.


    - HIER BEFREIEN DIE VIGINTIVIRES DIE STADT VOM DRECK -


    Tiberius ging zu Annaeus Florus und zeigte ihm das Banner. Es war schließlich für den Amtsträger zu entscheiden, was bei dessen Aktin gezeigt wurde.


    "Was denkst du? Die Leute sollten wissen, was wir hier treiben, damit sie angemessen dankbar sein können, meinst du nicht?"

    Chrysogona und Commodus hattne die präzise und entscheidende Frage gestellt. Und Tiberius war sich nicht sicher, dass er eine Antwort hatte.
    "Nun. Vielleicht würde eine Priester sagen, dass letztlich die Kräfte des Übernatürlichen das Kommando haben. Hat man nicht von nationes der Barbaren gehört, die den Verstand von Menschen mithilfe von Naturgeistern und ähnlichem zu beeinflussen? Ich denke, dass dies zumindest manchmal der Fall ist, dass sich das Übernatürliche unserer bemächtigt. Aber nicht immer. Wer hat also ansonsten das Sagen über das Pneuma, den Körper?


    Ich bleibe da bei meiner Ansicht, dass das Hirn letztlich über die Fahrniss des Körpers befindet. Mir ist da auch ein Beispiel aus der Medizin eingefallen und die Ärzte unter uns mögen mich korrigieren: Ist es nicht so, dass es vorkommt, dass ein Mann, der einen Schlag auf den Kopf erlitten hat, bei dem das Hirn in Mitleidenschaft gezogen wurde , manchmal Teile etwa des Gesichtes nicht mehr nutzen kann, die dann Schlaff bleiben. Ich hörte von einem, der die Treppe in der Subura runter fiel, sich den Kopf anhaute, fast starb und fortan nicht mehr zu sprechen in der Lage war. Dies führt mich dazu, dass der Kommandeur des Pneumas und damit der Glieder im Kopf sitzen muss.


    Nun werdet ihr vielleicht sagen: Auch ohne Herzfunktion hört ein Mensch auf zu leben. Aber wissen wir nicht von vielen Organen was seine Aufgabe ist? Ich hörte, das Herz sei in irgendeiner Weise für das Blut zuständig. Die großen Ader führen alle zum Herzen, nicht? Die Blase ist für den Urin zuständig und so weiter. Aber was ist der Saft, den das Gehirn... betreut? Was ist also wenn das Pneuma der "Saft" des Gehirns ist?"

    Tiberius nickte zustimmend. Der Annaeus war sehr ernsthaft bei der Sache und war nicht auf die leichte Ironie hinter dem Augenzwinkern eingegangen. Nun gut. Es war sicher gut für einen angehenden Amtsträger auf dem Weg des Cursus Honorum hinauf die gebotene Ernsthaftigkeit an den Tag zu legen.


    "Ein Schritt nach dem anderen. Aber wie die Schlachtenbummler der Politik, die immer vor dem Senat und vor der Rostra herum lungern, gern sagen: Nach dem Wahlkampf ist vor dem Wahlkampf. Nun, wie dem auch sei. Solltest du irgendwann mal bei irgendetwas Unterstützung brauchst, steh ich dir gern zur Verfügung. Du hast ja bei deinen Plänen für die Infrastruktur viel vor."

    Sim-Off:

    Sorry, hatte ich glatt übersehen.


    Anscheinend war die Iulierin lediglich zwischenzeitlich aus dem Gleichgewicht gewesen. Inzwischen ahtte sie sich wieder gefangen und Tiberius war gern bereit den Grund seinens Hierseins zu erläutern. Auch wenn er bezweifelte, dass die Iulierin mit einem Kommentar zur Getreidegesetzgebung zu begeistern war. Aber man mochte sich da ja irren.


    "Nun, auf der Suche nach neuem Lesestoff bin ich immer. Selbst Homer nutzt sich ja irgendwann ab, nicht wahr? Aber eigentlich bin ich nicht hier um etwas zu kaufen. Eigentlich hatte ich mit Azhar einen Termin bei dem ich mit ihm über den Verkauf meines neuen Kommentars zur Lex Flavia de Frumentationibus, den ich fast fertig habe, verhandeln. Was nützt es, wenn man etwas schreibt, es aber niemand ließt?"

    Tiberius hatte verstanden. Er erhob sich mit dem Praefectus Urbi. Es war das Privileg des Hausherrn und des verdienten Staatsmannes, die Diskussion an dieser Stelle so abrupt zu beenden. Daher respektierte er es auch, dass der Praefectus das letzte Wort in der Sache vor der Verabschiedung hatte und sagte vorm Hinausgehen also lediglich mit neutraler Anwaltsmiene:


    "Nun denn. Danke für deine Zeit, Praefectus. Du hast mir durchaus weitergeholfen. Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg bei deiner verantwortungsvollen Aufgabe. Vale."


    Ohne Eile verließ Tiberius die Villa und trat auf die Straße. Er fand es interessant, dass der Praefectus Tiberius' Frage tatsächlich als eine Art Angriff gewertet hatte. Die Frage war eher als abstrakte Diskussionsfrage danach, ob das Amt des Praefectus Urbi vielleicht zu "vollgeladen" war, formuliert gewesen, auch wenn ihm klar gewesen war, sogar ein bisschen provoziert hatte, dass er damit eine emotionalere Reaktion bekommen würde. Und die war ja dann auch erfolgt. Der Praefectus war nicht erfreut gewesen.

    Der Valerier hatte den Einwand, dass der Claudier als Praefectus Urbi bei einer Vakanz die Befugnisse seines "Untergebenen" übernahm schon erwartet.

    "Danke, dass du mir die Verhältnisse so präzise dargestellt hast. Der Praefectus Annonae, als dein - zusammengefasstt- meldepflichtiger Untergebener. Ja. Allerdings habe ich auch schon andere Meinungen gehört, die die Cura Annonae als von der Schirmbefugnis - so nenne ich das mal - des Praefectus Urbi losgelöst sehen. Sie führen dafür an, dass sich die Befugnis, die auf dem Praefectus Annonae zukommt, einst vom göttlichen Augustus selbst übernommen wurde und dem Praefectus Annonae sodann von diesem selbst übertragen wurde, so wie die Ernennung immer noch beim Princeps liegt, und behaupten, den Praefectores Annonae stehe daher eigentlich eine Rechtsmacht sui generis zu.*Aber dein Ansatz ist sicher die heute durch die Lex zementierte Ansicht."


    Der Claudier sprach viel von Verantwortung, die auf ihn letztlich zurückfalle. Tiberius dachte einen Moment nach und beschloss die Sachlichkeit, ja Bescheidenheit des Claudiers nocheinmal auf die Probe zu stellen.


    "In der Tat trägst du also mit der Aufsicht über all die Beamten eine große Verantwortungslast. Meinst du daher nicht, man sollte dem weisen Augustus raten, die Verwaltung, nun, etwas weiter delegieren? Die Verwaltung hat einige alte republikanische Befugnisse in sich aufgenommen, die vorher etwas anders gelagert waren. Vielleicht wäre es besser, diese der älteren Tradition gemäß auf mehrere Personen aufzuteilen? "


    Er hatte so eine Ahnung, dass vor allem die Aedilen über die starke Stellung des Praefectus Urbi verstimmt sein mochten. Auch der Praetor Urbanus mochte über den starken Praefectus Urbi besorgt sein.


    Sim-Off:

    *Auf die Idee könnte man z.b. außerdem kommen, weil die Getreideversorgung nicht im Aufgabenbereich des Praefectus Urbi wie er in Dig. 1.12.1 beschrieben ist, auftaucht. Im Gegensatz zu den Fleischmärkten z.b.

    Die Einstellung des Annaeus gefiel ihm.


    "Da stimme ich dir vollkommen zu."


    Obwohl schon der jüngere Bruder Cicero seinem berühmten Bruder geraten hatte, bei den Versprechungen nicht zu sparen. Annaeus Florus verfolgte offenbar eine andere Strategie. Und die war Tiberius durchaus sympatischer. Er fragte sich, ob Florus vielleicht auch sonst eher einem popularen Programm folgen würde und beschloss, dem Kandidaten noch ein wenig auf den Zahn zu fühlen.


    "Es ist nur natürlich, dass die Kunst der Volksrede zu den Zeiten einer Regentschaft wie der unseres großmütigen Augustus etwas in den Hintergrund tritt und nicht mehr den Stellenwert hat wie zur Zeit vor der Herrschaft des göttlichen Augustus. Allzu viele lassen sich nun auf der Rostra zu intellektuellen Monologen hinreißen, die das Volk völlig verwirrt zurücklassen. Und allzu intellektuell ist dann auch ihre Agenda..."


    Vielleicht hatte Florus ja noch etwas zu seiner eigenen Agenda zu sagen, die Tiberius sehr interessierte. Er nahm noch einen Schluck.


    "Versteh mich nicht falsch. Ich höre gern eine schöne Rede. In den Gerichtshöfen höre ich von der Sorte allzu wenig. Paradoxerweise.
    Mhm. Hat nicht der Pontifex Flavius in seinem Konsulatswahlkampf einen Redewettstreit austragen lassen? Wenn du also nach einer Idee für deinen nächsten Wahlkampf bist: Meine Stimme hättest du danach jedenfalls sicher."
    meinte Tiberius mt einem Augenzwinkern.

    Da Caesoninus jemand war, der als Aedituus sehr viel mit dem Göttlichen zu tun gehabt hatte jeden Tag, war Tiberius nicht überrascht, als er die Gerechtigkeit der Sphäre des Göttlichen zuordnete.


    "Gerechtigkeit als letztlich losgelöst vom Recht. Das ist eine neue Idee. Interessant."


    Sodann meldete sich Duccius zu Wort. Recht als Ordnung. Drei Aspekte. Iustum, Aequum, Legitimum. Anscheinend hatte Callistus sich da durchaus Gedanken gemacht. Diese semantischen Aufteilungen fielen bei den meisten Diskussionen über das Recht früher oder später unter den Tisch.


    "Und Gerechtigkeit als mögliches Endresultat. Ja. Interessant."


    Sim-Off:

    Keine knallharten Nicht-Positivisten hier was? ;)



    "Und behalte die Aufteilung in Iustum, Aequum und Legitimum auf jeden Fall im Kopf. Die können wir später denke ich gelegentlich noch brauchen.


    Nun, viele andere behaupten, dass es genau anders herum ist. Dass ohne Gerechtigkeit überhaupt kein Recht entstehen könnte. Hierfür beziehen sie sich dann aber wieder auf die Götter, die Caesoninus erwähnt hat. Allerdings mit völlig unterschiedlichen Konsequenzen. Göttliche Gerechtigkeit als Legitimation des weltlichen Rechts. Nicht als zwei voneinander getrennte Sphären.


    Ich hoffe ich hatte dich richtig verstanden.


    Jedenfalls kann ich euch sagen, dass wenn wir unser Recht hier in Rom anschauen, wie du Caesonius sicher weißt, es geschichtlich so aussieht, dass viele unserer Rechtsnormen und ihre Begründung ihren Ursprung im sakralen Bereich, dem Bereich der göttlichen Gerechtigkeit haben, auch wenn uns das vielleicht heutzutage nicht mehr ständig bewusst ist. Aber zu den Ursprüngen gleich mehr.


    Wenn wir uns ansehen, was die großen Denker - Callistus hat die Griechen ja schon erwähnt - dazu sagen, haben wir ein interessantes Bild vor uns.
    Cicero würdest du vielleicht interessant finden, Caesoninus. Recht hat für ihn Gerechtigkeit als Ziel. Er glaubt an das Recht durch die göttliche Vernunft* Die griechischen Philosophen wie Platon und Aristoteles, ihrer allgemeinen Linie folgend, haben für das Recht ein anderes Ziel. Das Recht hat , indem es "gut" und "gerecht" ist, nämlich das Ziel, die eudamonia, das Glück oder die Glückseeligkeit, zu fördern. Sowohl des Privaten als auch im Gemeinwesen.** Wie da die Mittel im Spezifischen sind erstmal nicht von besonderem Interesse.


    Und wenn ihr mich schließlich nach meiner Ansicht fragt, so stellt Recht im Wesentlichen einen Mechanismus dar, der es ermöglicht, Konflikte im Privaten oder im Gemeinwesen zu vermeiden und aufzulösen.


    Hierzu zähle ich alle Normen, die wir uns in unserem Gemeinwesen so gegeben haben. Sei es durch formelles Gesetz des Augustus oder des Senats, sei es durch die allgemeinen Sitten, die wir für selbstverständlich halten. Denn ob man nun durch den Richter wegen eines Gesetzesverstoß oder durch die öffentliche Meinung wegen eines Sittenverstoßes verurteilt und bestraft werde, mag für den einzelnen oft kaum einen Unterschied machen. Ansonsten bin ich eher geneigt, dem großen Cicero zu folgen.


    Aber wie ich schon gesagt hatte. Viele dieser Erklärungsversuche, was Recht ist, sind legitim, haben Stärken und Schwächen und die Philosophen werden sich noch lang um diese Frage streiten. Ich fand es nur nützlich mit dieser Frage zu beginnen, um später gelegentlich darauf zurück zu kommen.


    Wir könnten dieses Thema gern noch eine Weile verfolgen. Wenn also noch etwas dazu loswerden will, kann er das ja jederzeit anbringen.


    Lasst uns aber von den luftigen Sphären der Philosophie einstweilen auf den harten Boden der Praxis zurückkehren.


    Was würdet ihr sagen, ist das Rechtsgeschäft - nennen wir es einfach mal so - , das sich in dieser Stadt am häufigsten abspielt jeden Tag?"



    Sim-Off:

    *In De Legibus steht das.
    **Nikomachische Ethik; Politeia

    Kurz darauf kam der Gastgeber auch zu Tiberius herüber.


    "Salve.Tiberius Valerius Flaccus. Ich wollte dir eigentlich nur zu deiner hervorragenden Auswahl bei den Gladiatoren gratulieren. Eine sehr schöne Mischung."


    Während Tiberius sich als Mann von doch eher einfacher Herkunft in der Gesellschaft der hohen Herren in ihren Villen immer etwas fehl am Platze vorkam, so war dies bei den "einfacheren" Vergnügen nicht der Fall.


    Er meinte bemerkt zu haben, dass die von hoher Herkunft, die sich allzu genau mit Gladiatoren auskannten und abgaben, von ihren Standesgenossen etwas von der Seite angeschaut wurden. Seltsamerweise galt das nicht für die Frauen. Immerhin hatte er hier schon eine Aurelierin gesehen.


    Und Kandidaten, die ordentlich mit Gladiatorenspielen zu hantieren wussten, konnten fast sicher der Gunst des Elektorates zählen


    Tiberius machte eine ausladende Bewegung die den ganzen Raum mit einschloss.


    "Als einer, der Spiele zu Pferde zu schätzen weiß, hatte ich eine Zeit lang das Gefühl, Gladiatoren zu Pferde kämen allmählich aus der Mode. Aber du hast gleich zwei für heute Abend organisiert. Erfrischend."


    Tiberius nahm noch einen Schluck.


    "Ach ja. Ohne, dass ich dir bei dieser Feier mit Politik auf die Nerven fallen will: Deine Rede auf dem Forum war sehr gut. Zuerst dacht ich: Er steht auf der rostra und redet über den Dreck in den Straßen? Aber den Leuten hats durchaus gefallen. Endlich mal einer, der weniger gelehrt daher schwätzt, sondern direkt über die Probleme spricht. Das kam an."

    Dankbar nahm Tiberius im Peristyl Platz.


    "Nun, es ist beruhigend, dass du, gemessen daran, dass es sich bei der Getreideverteilung um eine der wichtigsten Funktionen in der Stadt handelt, Nachlässigkeit unbedingt vermeiden willst."


    Doch dem Valerier war nicht entgangen, dass der Praefectus ihn fragend musterte. Der Daimon lag hier wie eigentlich immer im Detail. Der Praefectus hatte ihm gerade einfach gesagt, was da in dem Gesetz stand. Bei solchen Gesetzen war es allerdings immer so, dass da mehr stand, als eigentlich da stand. Und es war an Tiberius dieses Gesetz hinter dem Gesetz heraus zu finden.


    "Es ist natürlich so, dass du scheinbar einfach als Vertreter des Annonae vorgesehen bist. Ist das nicht seltsam? Lass mich ein bisschen konkreter werden. Du ist der Praefectus Urbi. Dir unterstellt sind die wesentlichen Elemente der zivilen Exekutivgewalt der Stadt. Vor allem durch die städtischen Cohorten. Du bist der Arm der den Willen des großmütigen Augustus in der Stadt ausführt. Dir unterliegt letztlich im Wesentlichen die Exekution der Strafgerichtsbarkeit. Wäre es also nicht praktischer und effizienter, dass du als Praefectus Urbi die Kontrolle über die Cura Annonae und ihre Möglichkeiten der Verteilung und Sanktion haben solltest?


    Die Getreideverteilung ist eine nicht ungefährliche Angelegenheit und darüber hinaus trotz aller Vorsichtsmaßnahmen ständig in der Gefahr des Missbrauchs, der Manipulation und des Diebstahls. Eigentlich verfügen lediglich du mit den Stadtkohorten und die prätorianische Garde ,die den Augustus zu bewachen hat, über den nötigen Muskel um Probleme vor alllem größere Probleme dieser Art zu beseitigen.


    Und sicher würde man sich in Zeiten des Notstandes, von denen wir ja den Göttern sei Dank schon länger verschont geblieben sind, zuerst an dich wenden, um Ruhe und Ordnung in der Stadt sicher zu stellen. Der Praefectus Annonae wäre doch im Endeffekt, käme es hart auf hart, nur ein Anhängsel, der tut, was du oder der weise Augustus ihm sagt, oder nicht?


    Vielleicht kannst du mir die Ratio dahinter verdeutlichen, damit ich sie den Lesern meines Kommentares weitergeben kann."


    Nun war Tiberius wirklich gespannt auf die Antwort. Sie würde ihm viel über den Claudier und sein Verständnis von der Macht verraten.


    Sim-Off:

    Es geht mir vor allem darum, das Zusammenspiel der verschiedenen Exekutivorgane, die nebeneinander in der Stadt herumwursteln, ein bisschen zu beleuchten. :D

    Die Reaktion der Frau war etwas intensiver, als man es bei einem Rempler vielleicht erwarten würde. Der starke Mann? Ein eigenartiges Kompliment in einem Buchladen. Aber natürlich keines über das er sich beschweren würde.


    Etwas verwirrt antwortete er:
    "Nun, kein Grund dich zu entschuldigen, Iulia Phoebe. Ich bin Tiberius Valerius Flaccus. Was führt dich heute hierher zum guten Azhar? Ich hoffe nicht, dass ich zwischen dir und der Rolle nach der du suchst stehe?"


    Er trat etwas vom Regal zurück um Platz zu machen.

    Fast hätte sich Tiberius erschreckt, als der Praefectus ihn ansprach. Er hatte ihn zuerst nicht kommen gehört.


    "Die Muster sind exquisit, Praefectus. Sehr originell. Ich finde sie verleihen dem Raum in dieser hektischen Stadt etwas beruhigendes."


    Aber er war natürlich nicht gekommen, um über die Wanddekoration zu sprechen.


    "Bitte verzeih, dass ich dich in deinen Mußestunden behellige. Aber mein Anliegen hat nicht direkt mit deinem Amt zu tun und ich fand es unzweckmäßig, dich dort aufzusuchen, wo du dich um wichtige Probleme der Stadt zu kümmern hast. Trotzdem hat meine Frage einen Bezug zu deinem Amt.


    Es geht also um folgendes, Praefectus. Ich bin von Beruf zwar Anwalt, glaube aber, dass es denjenigen die das Recht praktizieren auch zukommt, das Recht zu kommentieren, so das Recht auf gelehrte Weise voran zu bringen und ihr Wissen zu teilen.


    Zu diesem Zwecke habe ich gerade einen Kommentar zu einem Gesetz fertig gestellt. Die Lex Flavia de Frumentationibus. Wie dir sicher klar ist, spielt auch der Praefectus Urbi darin eine nicht unerhebliche Rolle. Potentiell wenigstens. Nun hätte ich mich auf der Theorie ausruhen können. Allerdings glaube ich, dass eine Schrift ohne Praxisbezug nicht viel wert ist. Da ich selbst keine Erfahrung in diesen Ämtern habe, suche ich nun also die Magistrate auf und frage sie, wie sie ihre Aufgabe in diesem Bereich sehen. Nur so kann man den Lesern, die Problematik ernsthaft näher bringen.


    Wenn es dir also nicht ungelegen ist, würde ich gern mit dir darüber reden. Deine Rolle als Praefectus im Gefüge der Stadt."


    Sicher kein alltägliches Anliegen. Aber vielleicht war der Claudier auch ganz froh, nicht nur mit dem Üblichen, was die Bittsteller sonst so vortrugen konfrotiert zu sein.

    Tiberius wurde von dem Schrank an der Tür in das absolut beeindruckende Atrium der claudischen Villa.


    Wenn er mal so eine Anlage haben wollte, würde er sich entweder ein neues Haus kaufen müssen, oder die Casa Valeria signifikant erweitern und umbauen. Das war ihm schon bei den Aureliern aufgefallen. Er fragte sich, ob die großen Familien ihre Sitze bereits so ausladend angelegt hatten, oder ob sie mit der Zeit einfach gewachsen waren.


    Und was war es, dass diese Bauten so beeindruckend machte? War es einfach die schiere Größe der Räume? Oder viellecht die Zierden an der Wand? Gar der Fußboden?


    Und so schlenderte er mal hier mal dort hin, betrachtete sich die Stilelemente, die die Claudier verwendet hatten und wartete auf den Praefectus.

    Tiberius war auf den Anblick eines Schranks von einem Kerl gefasst gewesen. Und der Mann vor ihm hatte in der Tat das richtige Format, um der Türwächter einer der mächtigsten Familien des Imperiums zu sein.


    "Salve. Mein Name ist Tiberius Valerius Flaccus. Ich komme, um den Praefectus Urbi zu sprechen."


    Das beantwortete die Frage des Torwächters. Tiberius war ganz froh, dass der Mann nicht nach dem Grund seines Bescuhs gefragt hatte. Er hatte nämlich den Verdacht, dass der Wächter ihn weggeschickt hätte, hätte Tiberius gesagt, er komme in einer rechtlichen Frage. Die Claudiern würde nur denken, Tiberius wollte ihnen ans Leder. Seiner Erfahrung nach, mochten die meisten Leute genau einen Juristen vor ihrer Tür stehen sehen: Ihren eigenen Anwalt. Und selbst da wurde es oft schwierig.

    Tiberius hatte sich eine ganze Zeit lang im Hintergrund gehalten. Einerseits wollte er sich die Gladiatoren genauer ansehen. Einer der Retiarii war sein Favorit. Er war Tiberius nicht bekannt. Aber alle fingen unten an. Und betrachtete man die Statistiken, so fand man heraus, dass im Spiel der Gladiatoren Wendigkeit und Übersicht eine herausragende Rolle spielten. Ein Retiarius hatte die Reichweite und die Übersicht. Valerius verstand jedoch, dass diese Art von Gladiator nicht immer den besten Ruf hatte. Wie ehrenvoll war es denn, seinen Gegner im Netz zu fangen und dann aufzuspießen, wenn der Pöbel es verlangte? Nichtsdestotrotz war der Dreizackkämpfer der spannenste Kämpfer, fand Tiberius. Standen sich Gladiatoren mit Schwert und Schild gegenüber so wurde der Kampf oft sehr langwierig und taktisch - jedenfalls wenn die Gladiatoren das nötige Können besaßen. Andernfalls umkreisten sich die Kämpfer bloß so lange bis einer unkonzentriert wurde und eine Lücke bot. Nein, dann lieber der dynamische mit dem Dreizack.


    Er hatte seine Wahl getroffen. Vielleicht war es nun Zeit für ein Schwätzchen mit dem Gastgeber. Allerdings zeigte dieser gerade einer Dame einen der Reiter. Respektvoll hielt sich Tiberius alsoin der Nähe, aber im Hintergrund. Wenn sie ihn nicht dazu winkten, würde er ihre konzentrierte Betrachtung nicht stören.

    Es war nicht so, dass Tiberius eine klare Antwort erwartet hätte. Dennoch fand er die kryptische Antwort der Sibylle sehr verwirrend. Doch er war zuversichtlich, dass mit der ZEit die Bedeutung des Orakels, das er erhalten hatte, klar werden würde. Vielleicht brauchte er dabei Hilfe. Aber die würde er sich nach Bedarf suchen. Fürs erste war er sehr zufrieden.


    "Ich danke dir. Mögen die Götter dem Orakel allzeit ihre Weisheit offenbaren."

    An diesem Tag hatte Tiberius sich vorgenommen, einem er mächtigsten Männer Roms nach dem Augustus selbst einen Besuch abzustatten. Er hatte dies eigentlich schon eine längere Zeit vorgehabt, verschiedenes hatte ihn jedoch davon abgehalten. Hauptsächlich der Umstand, dass Tiberius' Lehrer Aurelius Lupus so gar nicht auf den damaligen Konsul zu sprechen gewesen war und durchaus deutlich gemacht hatte, dass er von Menecrates nicht viel hielt.


    Nun hielt Tiberius es für angebracht dem Mann einmal selbst auf den Zahn zu fühlen. Zuversichtlich stimmte Tiberius, dass der damalige Konsul ohne weiteres seine Zustimmung zur neuen Lex Mercatus gegeben hatte, an deren Entstehung Valerius ja selbst beteiligt gewesen war, sodass der Praefectus Urbi eventuelle Anmositäten bei sachlicher Arbeit nicht in die Quere kommen ließ. Darüber hinaus war es immer gut, eine derart wichtige Persönlichkeit zu kennen.


    Der Hauptgrund war allerdings für Tiberius beruflicher Natur. Sein neuer Kommentar zur Lex Flavia de frumentationibus war fast fertig. Doch bevor er ihn veröffentlichen würde, gab es da allerdings noch eine Frage, die er mit einem der als Amtsträger im Dunstkreis der Cura Annonae, nämlich als Praefectus Urbi und damit in der Sache Stellvertreter des Praefectus Annonae, gern besprechen würde.


    Und so klopfte er zuverschtlich an die Pforte der Villa Claudia in der Hoffnung, der Praefectus hätte Zeit für ihn.

    Tiberius hört sich interessiert an, was der Iulier zu sagen hatte und nickte dabei zustimmend. Vor allem zu Beginn ließ Caesoninus erkennen, dass er den selben Stolz auf das römische Rechtssystem verinnerlicht hatt, dem Tiberius auch anhing. Es kotte auch wirklich kaum kemand daran zweifeln, dass die Römer allein für sich in Anspruch nehmen konnten, das beste Rechtssystem zu haben.


    "Eine sehr gute Zusammenfassung der Grundidee, wenn du mich fragst, mein Freund. Tatsächlich hätte ich aber hier sehr vielen Antworten zugestimmt. Kaum eine Frage wird unter den Rechtskundigen so stark debattiert, wie die Frage was Recht eigentlich ist.
    Du hast nun einerseits auf die Geltung abgestellt. Räumlich. Zeitlich. Über deine These über die Rechtsbindung der Monarchen werden wir nocht reden. Ich bin mir fast sicher, dass es Leute hier gibt, die mit dir da nicht einer Meinung sind."


    Tatsächlich war es fast gefährlich, solche Ideen kunzutun. Der Kaiser genoss im römischen Gemeinwesen umfassende Freiheit was seine Handlungen betraf. Aber auch hier gab es natürlich Grauzonen. Immerhin konnten Cives den Staat verklagen.


    "Aber zurück zum Wesen des Rechts. Ein Kollege behauptet, das Recht sei ars boni et aequi.* Das Gute und das Gerechte. Und eine Kunst noch dazu. Eine eher poetische Idee also. Ich habe da meine eigene Theorie Wir können gern darüber diskutieren. Aber vorher haben andere hier vielleicht auch noch eigen Ideen. Callistus? Torquatus vielleicht?


    Interessant fand ich auch Caesoninus, dass du auch vergleichsweise prosaisch geblieben bist. Regeln, Bindung, Geltung. Wo bleibt denn bei dir die Gerechtigkeit? Gibt es so etwas für dich? Ist die unwichtig?"


    Sim-Off:

    * Publius Iuventius Celsus hat das gesagt.

    Azhars Buchladen war immer noch eine von Tiberius' liebsten Adressen in der Stadt. Buchläden im Allgemeinen, aber bei Azhar kam noch das exotische ägyptische Flair hinzu, das der Eigentümer des Ladens dem Ort durch dezente Dekorationen nicht aufdringlich, aber deutlich bemerkbar verlieh.


    Heute allerdings wollte Tiberius eigentlich nichts kaufen. Er hatte wieder einmal eine juristische Schrift - ein Kommentar zur Lex Flavia de Frumentationibus - fertig gestellt und war nun in Begriff, mit Azhar in Verhandlungen zu treten, ob er das Ding nicht verkaufen würde. Als Jurist musste man sich einen Namen machen und das ging eben nur wenn man ins Gespräch kam. Prozesse gewinnen war eine Möglichkeit. Publizieren eine andere, wenn auch weniger glamouröse.


    Tiberius war gerade dabei, sich einen Preis zu überlegen, als ihn jemand plötzlich anrempelte und Verzeihung murmelte.


    Aber es war ja nichts passiert.


    "Oh, nicht weiter schlimm. Ich habe die lästige Angewohnheit, im Wege zu stehen, werte Dame."