[Blockierte Grafik: http://img401.imageshack.us/img401/4120/prinzessin2ep2.jpg] | Prinzessin Shirin Abgar, Rose von Edessa
Wie ein Garten, erfüllt von den schönsten Blumen, von exotischen Orchideen, verwöhnten und umsorgten Luxusgewächsen, stellte sich die Zuschauertribüne dar, auf der die Damen des Hofes unter Baldachinen Platz genommen hatten, um dem Schauspiel beizuwohnen. Es war eine Pracht wie die Farben ihrer Gewänder leuchteten, wie reich der Schmuck an zarten Hälsen und schlanken Handgelenken in der Sonne blitzte und blinkte, wie hauchzarte Schleier vor lieblichen Gesichtern wogten.
Unter ihnen, ganz vorne in der ersten Reihe, befand sich die Prinzessin Shirin, die Enkelin des Satrapen von Edessa, des alten Narseh Abgar, der nach der verlorenen Schlacht den Nacken vor den Römern hatte beugen müssen. Eine Schmach, die die junge Prinzessin mit loderndem Zorn erfüllte! Sie war nun hier auf die ebenso höfliche wie energische Einladung des Königs der Könige Osroes hin - eine Einladung, der man besser sogleich Folge leistete, und die ihr ohnehin sehr recht war, bot doch der flamboyante Hof des Sháh-in-Sháh in den herrlichen Palästen von Assur wesentlich mehr Zerstreuung als die Gesellschaft ihres verbitterten alten Grossvaters im eroberten Edessa.
Rosenrote Seide raschelte, und die feinen blattförmigen Goldplättchen ihres hohen Diadems gaben ein leises Klingen von sich, als die junge Edelfrau sich ein wenig vorbeugte, begierig die Demütigung des Gefangene in aller Vollständigkeit zu goutieren. Das satte Klatschen, als die Peitsche auf den Rücken des niederträchtigen Römers traf war Musik in ihren Ohren, und in ihre kohlschwarzen Mandelaugen trat ein hasserfülltes Funkeln.
Dass der Mann die Peitsche tapfer und stumm ertrug, liess Shirin jedoch unwillig die Lippen schürzen. Sie wollte ihn schreien und wehklagen hören, er sollte leiden wie ihr Volk gelitten hatte, all die guten Leute von Osroene, die gestorben waren als sie ihr Land gegen die abscheulichen Invasoren zu verteidigen suchten!
Aber das Schauspiel hatte ja gerade erst angefangen. Die Prinzessin liess sich ein paar kandierte Rosenblätter reichen, und ein schneegekühltes Getränk. An diesem nippend lehnte sie sich zurück, und verfolgte weiter das Geschehen.
In der Menschenmenge, die sich um die Plattform drängte, und wo man sich weit weniger herrschaftliche Zurückhaltung auferlegte, wurden Rufe laut, die den Auspeitscher anfeuerten und den Römer verfluchten:
"Mehr!"
"Fester!"
"Die Daevas sollen Dich zerfetzen mit ihren Krallen du römischer Hund! Mörder! Schlächter! Leiden sollst Du, siebentausend Jahre lang!"
"Kopf ab! Kopf ab!"
"Reiss ihm das Fleisch von den Knochen!"
"Werft ihn zwischen die Mahlsteine, zermalmt ihn wie eine Natter!"
"Kopf ab! Kopf ab!"
"Sperrt ihn in den Ofen, und röstet ihn bis er schwarz ist!"
Immer lauter skandierten die Zuschauer, ein geifernder Chor der nach Rache und mannigfaltigen Qualen für den Gefangenen verlangte. Geballte Fäuste wurden gegen den Römer gereckt. Unrat, gammliges Gemüse und Steine flogen durch die Luft zu der Plattform hin.