Beiträge von Narrator

    Zustimmend verfolgte der Statthalter die Ausführungen des Kaisers, da ihm ohnehin nichts anderes übrig blieb. Ihm war diese Provinz anvertraut worden, er hatte die Lage nicht kontrollieren können und die Anwesenheit des Oberbefehlshabers war das klarste Anzeichen dafür. Er war froh, daß er noch immer als Rad im Getriebe angesehen wurde und hier mitreden durfte.


    Von einem weiteren Sklaven ließ er Berichte der Beobachter bringen, die die Lage jenseits der Grenze und die Bewegungen der Parther im Auge hatten. "Hier, dies sind die letzten Meldungen über parthische Truppenbewegungen, nach denen zum Glück tatsächlich kein Grund zur überhasteter Eile besteht. Noch sind keine Zusammenballungen von Truppen zu verzeichnen. Wir müssen aber davon ausgehen, dass die Parther von deiner Anwesenheit wissen." Entsprechende Meldungen lagen bei, denn auch wenn die Römer von vielen Vorgängen überrascht worden waren und überrannt wurden, war ihr Nachrichtennetzwerk noch nicht völlig zusammen gebrochen. Leider würden die Parther früher oder später kaum schlechter informiert sein.

    Die Begrüßung fiel aus Sicht des Statthalters so knapp und trocken aus, wie er es erwartet hatte. Fast jedes andere Zusammentreffen mit dem Kaiser hätte bessere Vorzeichen haben können, erst Recht auf dem Boden der ihm anvertrauten Provinz. Veturius verneigte sich tief vor seinem Befehlhaber und ließ einige Begrüßungsformeln folgen, bevor er zu einer gewissenhaften Antwort ansetzte.


    "Mein Kaiser, für den Aufmarsch der Truppen konnten gute Bedingungen geschaffen werden. Die Lager von Antiochia sind gut gefüllt und warten darauf, die Truppe zu versorgen. Weitere Nahrungsmittel wurden in Zeugma eingelagert und sind auch zur Stunde noch auf dem Weg dorthin. Gegnerische Truppen wurden nicht beim Marsch auf den Sammelpunkt gesichtet, so daß mit einer gefahrlosen Sammlung der Truppen gerechnet werden kann."
    Bevor der Kaiser fragt, ließ er von einem Sklaven eine Karte herbeibringen und vor dem Kaiser ausbreiten, um die letzten Meldungen über die Standorte der Parther und die eigenen Nachschublinien zu erläutern.

    Publius Veturius Cicurinus schien es, als wäre er schon ewig unterwegs nach Antiochia, so zäh gestaltete sich bisher seine Reise. Er verbrachte die Tage im Sattel seines Pferdes und die Abende mit dem Studieren von Berichten der Späher und Unterredungen mit seinen Offizieren. Auch wenn die Reise schier unerträglich lang zu sein schien, so fürchtete Veturius insgeheim den Tag, an dem er in Antiochia eintreffen würde.


    Wieder einmal war er eines Abends in mehrere ausgebreitete Karten versunken, als einer seiner Sklaven an ihn herantrat, offensichtlich wollte er eine Botschaft überbringen.
    "Was gibt es?", fragte Veturius unwirsch, bevor der Sklave etwas sagen konnte.
    "Dominus, die Flotte des Kaisers wurde gesichtet."
    Kopfnickend nahm der Statthalter die Botschaft zur Kenntnis. Nun war es also soweit.
    "Morgen erreichen wir die Stadt, schicke einen Boten voraus.", wies er schließlich an und deutete dem Sklaven, daß er ihn nun alleine lassen sollte.


    Am nächsten Tag passierte der Statthalter um die sechste Stunde die Stadttore Antiochias.

    Mit dem Einsetzen der Flut wurden alle Leinen gelöst und alle Planken eingezogen. Wie üblich bei Ausläufen dieser Art standen Teile der Bevölkerung am Hafen, Freunde schrien sich noch etwas zu, Ehefrauen (oder jene, die es werden wollten) schnieften und winkten mit kleinen, weißen Tüchlein, Kinder plärrten nach dem Papi oder spielten Abfangen mit anderen Kindern.


    Ob sie ihre Lieben wohl je wiedersehen werden? Das wussten nur die Götter und die schwiegen.


    Es dauerte nicht allzulange und die Schiffe verließen nicht nur den Hafen, sondern auch das Gesichtsfeld der Zurückgebliebenen und fuhren ins offene Meer hinaus.

    Der Gott des Meeres ist ein launischer, doch an diesem Tage hatten sie Glück mit ihm. Neptun war ruhig und friedlich, und genauso präsentierte sich die See. Vielleicht wäre ein etwas stärkerer Wind nicht schlecht gewesen, aber he, man kann nicht alles haben. Für die Soldaten mit den nervöseren Mägen war der Wellengang jedoch stark genug, um ihr Essen anders als geplant auszuscheiden. Die anderen hingegen erfreuten sich am guten Wetter, es war der Jahreszeit gemäß sehr heiß, die Sonne schien und kein Wölkchen, auch noch so klein, trübte diese Stimmung.

    Der Decurio nickte zu den Worten des Tribuns, nur beim letzten Satz schüttelte er den Kopf.


    "Nein, das waren alle Anweisungen, die mir gegeben wurden."


    Eigentlich wollte er auch wissen, wo er schlafen sollte, aber das würde er schon an diesem Abend noch erfahren.


    "Vale, Tribunus."


    Mocilla grüßte den Tribun militärisch und ritt danach wieder zurück zum Zug des Kaisers, um Meldung zu erstatten.

    Schnelles Hufgeklapper war zu hören, ein Pferd war es, welches anmutig über die Landstraße förmlich schwebte und als einziges Zeichen seiner Existenz eine Staubwolke hinterließ (und ein paar Pferdeäpfel). Doch war es nicht herrenlos, nein, ein Mann saß auf dem Pferd, wenn man es genau nahm, ein Prätorianer. Zweifelsohne einer aus dem Zuge des Kaisers. Rücksichtslos bahnte er sich einen Weg, manche Passanten mußten zur Seite springen, allerdings war das eher theatralischer Natur. Als der Prätorianer in der Stadt ankam, befragte er einen Einwohner auf den Aufenthaltsort der Legio, der ihn sofort zu den Kaianlagen weiterverwies.


    Nicht lange später erreichte der Prätorianer den Hafen, wo geschäftiges Treiben herrschte. Einen Soldaten befragte er nach dem nächsten Offizier, der verwies ihn an den Tribunus Laticlavius Tiberius Vitamalacus, welcher nicht weit entfernt stand. Der Prätorianer bedankte sich, ging zum Tribun und grüßte diesen militärisch.


    "Tribunus Tiberius Vitamalacus? Decurio Manius Laenius Mocilla. Der Imperator hat mich gesandt um seine baldige Ankunft anzukündigen. Er dürfte in wenigen Stunden in Ravenna ankommen. Weiters möchte der Imperator die Nacht in dieser Stadt verbringen, eine Unterkunft wird daher für ihn und für seinen Stab vonnöten sein."


    Abwartend blickte der Decurio den Tribun an, hatte er doch einiges an Informationen an den Mann gebracht.

    Die Vorbereitungen zu dieser Reise hatten mehrere Tage in Anspruch genommen, nicht nur der Kaiser musste vieles noch erledigen, auch der gesamte Hofstaat war beschäftigt: Reisegewand musste eingepackt, das richtige Fahrzeug ausgewählt werden. Die Prätorianer wurden abermals extra für den Weg geschult und unterrichtet, die Stationen auf dem Hinweg nochmals erörtert. Auch die Sklaven wurden hin und hergescheucht, um den Palast noch einmal auf Hochglanz zu putzen, besonderen Sinn hatte das zwar keinen, aber schaden konnte es auf keinen Fall. Sogar die Köche bemühten sich, um dem Kaiser ein außergewöhnlich gutes Reiseproviant mitgeben zu können.

    Die Natur hat für eine menschliche Schwangerschaft 40 Wochen vorgesehen und eine solche Zeit kann entweder verfliegen oder sie kann sich ziehen wie ein Honigfaden. Die ersten Monate verfliegen tatsächlich in den meisten Fällen, doch wenn die Schwangere Beschwerden hat wie etwa Wasser in den Beinen oder ständiges Aufsuchen der Latrine, dann warten die Frauen auf das hoffentlich baldige Ende und somit auf die Geburt.


    So auch in diesem Fall. Doch vor der Erleichterung haben die Götter die Schmerzen gestellt und ein erster ganz typischer Schmerz erreichte die Hausherrin an diesem Abend, als sie schon längst im Bette lag und gerade am Einschlafen war. Mochte sie noch denken, dass dies nur falscher Alarm sei, so wurde sie eine halbe Stunde später stark daran erinnert, dass das Kind nun wohl endlich soweit war und die Welt mit seiner Anwesenheit beglücken wollte.


    Kurze Zeit später war die Leibsklavin der Hausherrin informiert, welche ihrerseits nach einer Hebamme und einen Medicus schicken ließ. Und nach dem Hausherrn.

    Das klang nach einer verzwickten Sache, war es vermutlich auch. Und gerade er, Renius Gutta, musste sich damit auseinanderschlagen. Ob man vielleicht Diäten bekommen könnte für solche Anliegen? Immerhin schuftete man und sah kein As von dieser Plackerei, man musste sich ja wie ein Sklave vorkommen. Aber gut, davon hatte er jetzt nichts.


    "Dein Vater war sicher schon sui iuris, nehme ich an, nicht wahr?" fragte Gutta, doch eine Antwort erwartete er nicht, sondern überlegte, wie die rechtliche Lage wohl aussehen könnte in so einem Fall. Sicher hätte er jetzt einen seiner Juristen herrufen können, aber das wäre ein Eingeständnis an seine Inkompetenz gewesen, das wollte er nun wirklich nicht. Also hatte er selber seine kleinen grauen Zellen anzustrengen.


    "Also im Prinzip stellt sich mir die Sache so dar: Dein Vater wurde natürlich nicht adoptiert von Vesuvius, sondern adrogiert, aber das ist ja an sich das gleiche. Und da du unter der Patria potestas deines Vaters standest - du wurdest doch nicht emanzipiert? - wurdest du mit deinem Vater in die Gens Vesuvia aufgenommen, dein Name musste sich also auf Vesuvius Claudianus geändert haben. Und als dein Vater wieder in die Gens Claudia zurückging, musste sich also auch dein Name erneut geändert haben, eine der Möglichkeiten wäre dann eigentlich schon Claudius Vesuvianus. Ich fürchte, einen Fehler kann ich derzeit nicht erkennen."

    Der Besucher hatte tatsächlich recht: Umgangsformen schienen in Rom tatsächlich niemanden mehr zu interessieren, hatte es der Besucher ja nicht einmal geschafft, seinen Namen zu nennen.


    Gutta hatte schon von dieser merkwürdigen Begebenheit gehört, allerdings sich nie so wirklich dafür interessiert, was da jetzt genau geschah.


    "Ich weiß jetzt nicht mehr genau wie lange das schon her ist, aber du warst ja schon geboren, als dein Vater in die Gens Claudia zurückging und auch als er von Vesuvius adoptiert wurde, oder?"

    Zum skeptischen Gesichtsausdruck, den Gutta bisher an den Tag legte, gesellte sich sehr schnell eine gerunzelte Stirn. Die Geschichte klang in seinen Ohren äußerst abenteuerlich, denn von einer Umbenennung ohne Adoption hatte er bisher noch nie gehört. Gutta lehnte sich zurück.


    "Wie ist eigentlich dein Name und was genau ist passiert?"


    Und diesmal erhoffte er sich mehr als nur ein paar Brocken, denn unvollständige Informationen halfen ihm sicher nicht weiter.

    Renius Gutta war kein Mann, der sich irgendwie auszeichnete. Weder legte er übermäßigen Ehrgeiz an den Tag, noch zeichnete er sich durch Schönheit oder Intelligenz, Belesenheit oder gute Verbindungen aus. Allerdings gab es auch kaum negative Eigenschaften, die man ihm nachsagen konnte, außer den üblichen, die in Rom keine Erwähnung wert waren.


    Und so sass Gutta hinter seinem Schreibtisch, ließ sich von einem Sklaven Luft zufächern (es war ja in Rom erschreckend heiß) und genoss ein paar Oliven, als der Patrizier eintrat. Etwas genervt wegen der Störung erwiderte er den Gruß dennoch höflich und hörte sich das Anliegen an, jedoch nicht ohne einen etwas skeptischen Gesichtsausdruck. Gutta lehnte sich nach vor und winkte den Luft-zufächernden Sklaven weg, eine Entscheidung, die er schon im nächsten Momente bedauerte.


    "Worum geht es genau?"

    Hier ist einer der Amtsräume der Praetoren. Standardmäßige Ausstattung: Bücherregale mit diversen Papyri und libri gefüllt, ein hübscher Tisch in der Mitte (meistens angeräumt, oder auch nicht, je nach Ordnungsliebe des Prätors), ein kleinerer Tisch mit Korbsesseln herum luden zum Plaudern ein. In den meisten Fällen steht auf besagtem Tisch zwei Karaffen und ebensoviele Becher. Ein Sklave im Hintergrund, der je nach Jahreszeit die Kohlebecken anheizt oder dem Prätor Luft zufächert. Floral angehauchte Muster an den Wänden, zwischendurch ein kitschiges Bildnis einer ländlichen Idylle mit einer hübschen jungen Frau, die gerade Blumen pflückt und dabei lächelt, vielleicht an ihren Liebsten denkend oder Bauersleuten, die gerade ihren Weizen ernten oder Obst pflücken. Auf dem Boden ein Mosaik mit verschiedenen Ornamenten.

    Promotus kam aus dem Stirnrunzeln gar nicht mehr heraus. Wohl ein übereifriges Kerlchen, der Junge da vor ihm.


    "Wenn der Tresvir Capitalis Germanicus Sedulus seine Arbeit macht, dann wird man auch schwerlich das Gegenteil behaupten." kommentierte Promotus die Rede seines Gegenübers trocken, aber nicht unfreundlich. Er konnte sich zwar nicht vorstellen, daß der Tresvir nur zwei aktuelle Fälle zu bearbeiten hat, angesichts der Größe und Einwohnerzahl Roms, aber er wollte da nicht weiter vordringen. "Aber sollte ich tatsächlich einen Auftrag für dich haben, werde ich mich vertrauensvoll an dich wenden."

    In diesem Büro saß einer der derzeitigen Ädilen, Quintus Marcius Promotus, und war gerade dabei, seine Korrespondenzen für den heutigen Tag zu erledigen. Es waren lästige Aufgaben und die Hälfte der Briefe bestanden darin, den Leuten klar zu machen, dass sie Nahrungsmittel, die sie geerbt bekommen haben, nicht einfach so verkaufen dürfen. Mögen sie doch den halbfaulen Fisch selber fressen, verkaufen ging wirklich nicht.


    Promotus schüttelte den Kopf, als der Tresvir hereinspazierte, und runzelte die Stirn, als er dessen Anliegen hörte.


    "Aufgaben? Fühlst du dich etwa in deinem Amt unausgelastet?"

    Kurz und prägnant, wie man es vom Senator gewohnt war.


    "Nun denn, kraft meines Amtes als Praetor Urbanus erkläre ich euch hiermit zu Vater und Sohn."


    Sim-Off:

    Ihr dürft euch jetzt küssen. :D


    Gutta blickte wieder den Claudier, Verzeihung, den ehemaligen Claudier an. "Wie sollt ihr, du und deine Tochter, von nun an genannt werden?"