Nach dieser harschen Zurechtweisung hatte ich noch ein wenig die Hoffnung, diesmal mit einem blauen Auge davonzukommen, denn wie gesagt, ich kannte mein Gegenüber ja nicht. Niemand hatte mich vor ihm gewarnt oder mir eingeflößt, was ich alles bei Dominus Serapio zu beachten hatte oder mir gar von seiner Vergangenheit erzählt. Warum auch? Es hatte mich ja auch nicht im Geringsten zu interessieren, solange jedenfalls mein eigener Dominus mich nicht auch noch damit beauftragte, mich um die Belange seiner Verwandtschaft zu kümmern. Also nickte ich ihm zustimmend zu und mit erstickender Stimme brachte ich noch gerade so ein „Ja, Dominus!“ hervor, in Erwartung, er würde mich nun gehen lassen, damit ich wieder in das Rattenloch zurückkriechen konnte, aus dem ich zuvor gekrochen war.
Umso überraschender traf mich seine Hand in meinem Gesicht. Blitzschnell füllten sich meine Augen mit Tränenflüssigkeit. Nicht etwa weil er so fest zugeschlagen hatte und mir nun die Backe wie verrückt brannte. Nein, das war es nicht. Dieser Schlag war nicht sehr heftig gewesen. Da hatte ich schon weitaus schlimmeres einstecken müssen in meiner wechselvollen Vergangenheit. Er kam einfach nur zu unverhofft.
Was danach geschah, war einfach nur schräg. Er riss mir den Staubwedel aus der Hand und brach ihn auseinander. Ich blinzelte erschrocken, da ich zunächst dachte, dies sollte nur eine weitere Drohung sein, um mir zu verdeutlichen, was er mit mir als nächstes anstellen wollte, wenn ich mich auch nur noch einen Digitus seinem Cubiculum näherte. Doch dann begutachtete das Ding von allen Seiten, als sei es ein hochkompliziertes Mordwerkzeug. Meine Backe haltend, beobachtete ich ihm dabei und fand es beinahe schon wieder belustigend, wie er das kaputte Reinigungsutensil sorgfältig untersuchte.
Noch nie ´nen Staubwedel gesehen, oder was? hätte ich ihn jetzt am liebsten gefragt. Aber ich ließ es besser und hielt meine lose Klappe, denn ich schätzte meine momentane Lage als eher mittelschwierig, wenn nicht sogar als hochgefährlich ein. Lediglich ein marginales Lächeln hatte ich mir nicht verkneifen können. Doch es war fast schneller wieder verflogen, als es aufgetaucht war. Denn als er endlich mit seiner Inspektion fertig war, wandte sich sein Blick mir wieder zu. Ich zuckte zusammen und begann zu zittern als er mit eisiger Stimme in einem Tonfall, der wenig Spielraum für Austausch von eventuellen Freundlichkeiten ließ, begann mich auszufragen und dabei seine Hände an meinem Körper heruntergleiten ließ. Tausend Dinge, die nun als nächstes passieren konnten, schossen mir gleichzeitig durch den Kopf. Dabei kapierte ich nicht recht, was er eigentlich von mir wollte. Wer sollte mich denn bitte hergeschickt haben? Litt er unter Verfolgungswahn? Ich begriff jedenfalls, dass es nun an der Zeit war, mit der Wahrheit herauszurücken. Wobei Dominus Serapio dabei aber natürlich nicht zwingend erfahren musste, dass dies nicht mein erster Besuch in seinem Cubiculum gewesen war. „N-n-niemand, Dominus! Ehrlich! i-i-ich wollte doch nur… ich wollte bestimmt nichts stehlen, Dominus!“ Nun ja, mit den gleichen Beteuerungen hatte ich ihn schon einmal abgespeist und dafür den Schlag ins Gesicht geerntet. Was würde als nächstes folgen?
Vorerst nichts, was jedoch meine Furcht keinesfalls minderte. Stattdessen schritt er um mich herum, was mich obendrein noch nervös machte, da ich nun nicht mehr in der Lage war, zu beobachten, was er jetzt hinter meinem Rücken vorhatte.
Als ob ich es bereits nicht schon geahnt hätte, begann er sich an meiner Tunika zu schaffen zu machen und riss sie mir ein Stück weit herunter. Ich keuchte vor Angst und mein Zittern verstärkte sich noch mehr, da ich glaubte, dass er mir nun noch mehr Schmerzen zufügen oder mich einfach mit Gewalt nehmen wollte.
Jedoch geschah von alldem nichts. Noch nicht! Aber was in Teutates´ Namen tat er da nur? Schaute er sich etwa nur meinen Rücken an? Besonders schön war der ja nicht. Mehrere Narben zierten dort meine Haut. Narben, die schon eine ganze Weile verheilt waren. Einer meiner Vorbesitzer hatte es besonders anregend empfunden, mein Verhalten mit Hilfe einer Peitsche zu regulieren, was ihm auch kurzfristig gelungen war. Doch letztendlich hatte ich mich als widerstandsfähiger erwiesen und er hatte irgendwann die Lust an mir verloren.
Doch wenn Dominus Serapio genau hinsah, konnte er vielleicht noch eine kleine alte Tätowierung an meinem Oberarm entdecken. Nein, es handelte sich dabei nicht etwa um ein altes Zeichen von einem meiner Vorbesitzer. Es war ein kleines Triskel, welches mir mein Vater eintätowiert hatte, als ich noch klein gewesen war. Er hatte immer gesagt, dass dieses Zeichen mich stets an ihn und meine Mutter erinnern sollte, dass alles was beginnt, ein Ende hat und das Ende auch zugleich wieder ein Anfang sei. Damals hatte ich nicht verstanden, was das bedeutete, doch je älter ich wurde, umso mehr begann ich zu begreifen, was er damals damit gemeint hatte. Dieses kleine Zeichen war der klägliche Rest, was von meiner Familie übrig geblieben war. Verständlich, dass ich darüber mit niemandem reden wollte. Zum Glück hatte ich das bis heute nicht tun müssen, denn wenigstens meine Erinnerungen wollte ich für mich allein behalten.
Während ich noch auf den nächsten Schlag wartete, traf lediglich nur seine Stimme auf mein Ohr. Doch das, was er sagte, klang noch weitaus bedrohlicher. Ich kaufte ihm jedes Wort ab, als er meinte, er kenne Wege, um mich zum Sprechen zu bringen. Auch mit seiner Vermutung lag er goldrichtig! Ich wollte nichts von alledem kennenlernen!
„Ich gehöre Dominus Casca… a-a-aber er weiß nicht, d-das ich hier bin. Ich wollte doch nur… ich wollte mir nur die Truhe da ansehen, weil ich so neugierig war und sie so interessant aussah. Das Muster darauf… so etwas habe ich noch nie gesehen!“ rief ich scheinbar todesmutig und fühlte mich wenigstens für einen kleinen Moment erleichtert, als die Wahrheit aus mir herausgesprudelt war. Im nächsten Moment aber kehrte die Angst wieder zurück. Was wenn Dominus Serapio nun die ganze Geschichte seinem Verwandten- meinem Dominus brühwarm erzählte?
„Bitte sag meinem Dominus nichts davon, Dominus Serapio! Bitte! Ich tue alles für dich! Wirklich alles! Aber bitte erzähle ihm nichts davon, was ich getan habe!“, bat ich ihn mit erstickender Stimme, wobei für mich alles doch sehr relativ war. Schließlich hatte auch ich meine Grenzen. Auch wenn dieses nur sehr verschwommen erkennbar waren. Um das Gesagte noch zu untermauern, quollen nun tatsächlich dicke Tränen aus meinen Augen – die wahren Waffen einer Frau.