Tja, in meinem recht kurzen Leben hatte ich schon eine ganze Menge erlebt. Nach den nicht so schönen Ereignissen in meiner Kindheit und Jugend, hoffte ich doch, dass nun die besseren Zeiten anbrachen. Dabei fand ich es gar nicht so schlimm, nicht frei zu sein. Denn mal ehrlich gesagt, so eine tolle Hütte, wie ich sie nun hatte, hätte ich mir nie im Leben leisten können, wenn ich frei gewesen wäre. Dennoch steckte mir immer die Angst im Nacken, einen Fehler zu begehen, der für mich, da ich ja nicht frei war, fatale Folgen haben konnte. Das war eben der Nachteil, wenn man auf die Gunst seines Dominus angewiesen war. Als Silas dann erzählte dann, dass die Casa früher noch vornehmer gewesen war, konnte ich mir das gar nicht vorstellen. „Echt?! Na ja, wenn die Chefin des Hauses die Nichte des Kaisers gewesen war…“, dann ging es wahrscheinlich schon. „Und warum wohnt der Consular und seine Frau nicht mehr in der Casa?“, wollte ich dann noch wissen, denn es musste ja irgendeinen Grund dafür geben. Und da sich Silas ja so prima mit allem auskannte, wusste er auch bestimmt eine Antwort darauf.
Natürlich fand er es auch nicht so toll, dass ich in den Cubicula der Herrschaften herumgeschnüffelt hatte. Mittlerweile wusste ich ja selbst, dass es eine ganz dumme Idee gewesen war. Aber was konnte ich denn gegen meine Neugier machen? Als Dominus Serapio angekommen war, hatte ich einen Blick auf seine Sachen werfen können. Danach hatte ich einfach nicht mehr an mich halten können. Und als mir nun Silas erzählte, dass der Dominus ihn einmal mit in den Serapis-Tempel mitgenommen hatte, in dem er die Flügelsonne gesehen hatte, wurde die Sache noch mysteriöser. Natürlich war mir klar, dass der Name des Dominus vom Gott Serapis abgeleitet worden war. Aber nun fragte ich mich, worum es in seinem Kult ging. Doch eine Antwort auf diese Frage bekam ich nicht. Zumindest nicht heute. Denn Silas meinte plötzlich, ich solle mir keine Sorgen machen. Wie er das wohl meinte? Dachte er vielleicht, vom Dominus hätte ich keine Strafe zu erwarten? Wenn er das dachte, dann war er ziemlich naiv. Wobei ich ja noch ziemlich glimpflich davongekommen war. Aber was Silas dann sagte, brachte mich dann doch zum Erstaunen.
„Aha“, meinte ich zu seinem Geheimtipp. Ehrlich gesagt, wusste ich nicht, was ich davon halten sollte. Zwar hatte ich mit Domina Valentina noch nichts zu tun. Aber ich hatte immer den Eindruck, sie sei eifersüchtig auf mich, weil ich die Sklavin ihres Verlobten war. Obwohl es da überhaupt keinen Grund dafür gab. Mein Dominus war so beschäftigt, dass er für mich sowieso keine Zeit hatte.
„Meinst du wirklich?“, fragte ich schließlich, denn wie hätte ich sie überzeugen können, dass es keinen Grund für ihre Befürchtungen gab. Vielleicht sollte ich sie einmal ansprechen. Allerdings war das wohl auch nicht die feine Art, wenn Sklaven einfach so die Herrschaften anquatschten.
Zugegeben, mit meinem Küsschen hatte ich Silas ganz schön aus dem Konzept gebracht. Dabei wollte ich mich doch nur bedanken. Ob ich ihn mochte? Na klar, nach diesem Tag war er auf jeden Fall mein bester Freund, denn einen anderen hatte ich ja nicht. Und ob da mehr war? Das wusste ich selbst nicht so genau, da ich gar nicht so genau wusste, was Liebe ist, denn ich war noch nie richtig verliebt gewesen. Bevor ich noch länger darüber nachdenken konnte, riss mich Silas‘ Geschrei aus dem Moment heraus. Mist! Die Hunde waren weg! Erst jetzt merkte ich auch, dass Einohr sich ebenfalls klammheimlich davongemacht hatte. „Einohr! Wo bist du? Sofort hierher!!!“, schrie ich, aber Einohr ließ sich davon wenig beeindrucken. Ob Silas‘ Speck-Trick Wirkung zeigte?