Das war..... ganz anders als alles was Silas bisher erlebt hatte. Sein Herz pochte wie wild. Er war nicht ganz unerfahren! Camilla, das schönste Mädchen der Welt, hatte hinter dem Stall mit ihm rumgeknutscht, ihre Lippen so weich und zart wie Blütenblätter. Und zweimal war er im Lupanar gewesen, einmal hatte sein Papa ihn dahin mitgenommen zur Feier von Silas' Erwachsenwerden, und einmal hatte er selbst genug gespart. Die Lupae waren auch sehr weich und duftig gewesen. Sie hatten ihn freundlich in die Liebe eingeführt und zum Mann gemacht.
Das jetzt war viel rauer. Bartstoppeln kratzten an Silas' Wange, als Dominus Serapio ihn küsste, und die Arme, die ihn hielten, waren sehnig und voll Narben. Überfordert versuchte Silas, alles richtig zu machen, und die immer forscheren Berührungen auch ein bisschen zu erwidern, und er vertraute dem Herrn ja auch, aber.... es war so komisch. Schon auch aufregend... trotz Silas' Beklommenheit tat sich rasch etwas unter den erfahrenen Berührungen des Herrn... aber er kam sich vor wie auf einem Floß, das auf einem wilden Fluss dahintrieb, ohne Ruder, immer schneller. Oder auf einer Biga, ohne Zügel, und die Pferde gingen durch. Der Atem von Dominus Serapio war laut, und sein Begehren drängend. Silas bekam Angst, eine kalte Angst, die von den Eingeweiden hochstieg, sich in seiner Kehle zusammenballte, und seine Stimme ganz klein machte.
"Ich...möchte... lieber nicht..."
Er konnte gar nicht mehr denken.
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Verlegen zog Silas seinen Umhang um die Schultern, strich sich das Wasser aus den Haaren und kauerte sich neben Dominus Serapio auf den Sand. Die Beeren interessierten ihn gerade gar nicht. In seinem Nacken, wo der Herr ihn gestreichelt hatte, kribbelte es vor Aufregung und Angst zugleich.
Silas hatte sich bisher immer gesagt, dass er ja nichts Besonderes war, und dass Dominus Serapio eben einfach nur nett zu treuen Sklaven war und ihn deshalb auf die Fahrt mitgenommen hatte. Natürlich wusste er um dessen Vorlieben, das Gesinde kannte nun mal das Leben der Herrschaften, die sie rund um die Uhr bedienten... Aber Icarion, oder Narcissus oder Armastan waren alle besonders.
Icarion konnte bestimmt 1000 Gedichte auswendig, und Harfe spielen, und perfekt griechisch sprechen! Narcissus war ganz offensichtlich ein cinaedus, mit seiner gezierten Art und seinen Schönheitsmitteln, ziemlich komisch fand Silas ihn. Und Armastan war ein mega-imposanter schweigsamer Krieger, so respekteinflößend, dass niemand über ihn lachte, selbst wenn er spät aus dem Cubiculum des Herrn kam. Silas war dagegen einfach nur normal, er hatte es schwer mit dem Griechischlernen, konnte nicht kämpfen, und hatte vor kurzem noch Pickel wie ein Rosenbeet im Gesicht gehabt ("das Pickelmonster" hatten die kleinen Mädchen im Haus ihn in der Zeit immer gerufen, jetzt zum Glück nicht mehr).
Von daher hatte sich Silas - auch wenn ihm seit der Rückkehr des Herrn schon der ein oder andere lange Blick aufgefallen war, und auch wenn ihn sein Papa sogar gewarnt hatte - nicht so richtig vorstellen können, dass Dominus Serapio sich echt für ihn interessieren könnte.Aber als Silas jetzt schüchtern den Kopf zu ihm wandte, stand in den Augen des Herrn so deutlich ein Glanz von... von was auch immer, jedenfalls fühlte sich Silas von diesem Blick verschlungen. Doch es war nicht nur das, zugleich stieg eine vage und überraschende Ahnung in Silas auf, davon dass er Macht haben könnte, er, der kleine Sklave, eine Art von Macht über den Herrn.
Silas schluckte, und lächelte nervös, und seine Hände strichen eine Falte des Umhangs unter sich glatt.
Was jetzt?!
Silas wollte alles richtig machen, und den Herrn nicht enttäuschen, der immer so gut zu ihm war. Es hätte bestimmt auch viele Vorteile, der Liebling des Herrn zu sein. Vielleicht wäre sogar irgendwann... Silas wagte es kaum zu denken.... eine Freilassung möglich.... dann könnte Silas seinen größten Traum verwirklichen und Vigil werden! Alles drehte sich in seinem Kopf, und gleichzeitig war ihm ganz flau und flatterig, am liebsten wäre er aufgesprungen und wie ein Hase über die Dünen davongerannt. -
Taktvoll wandte Silas die Augen von Grians verheultem Gesicht ab. So mit Schniefnase wirkte sie nicht mehr so einschüchternd wie sonst immer. Da war es also auch bei dieser wunderschönen Frau nicht viel anders als bei seinen Schwestern – wenn die sich aufregten und Gift und Galle spuckten, dann kam auch meistens kurz danach das große Geheule.
"Mhm. Ja genau." Er nickte und wippte verlegen auf den Fußballen. Zum Glück stimmte Grian gleich zu, ganz hilfsbereit.
"Das ist voll nett von dir. Komm, wir holen die Hundestricke."
Gesagt, getan, ein paar Leckerbissen zur Bestechung dazu, und respektvoll näherte sich Silas dann den bulligen Hunden. Sie lagen an der Kette im Hof, die faltigen Gesichter auf den Pfoten, was ihnen einen griesgrämigen Gesichtsausdruck verlieh. Es waren scharfe Wachhunde, die jeden Fremden eifrig und dröhnend verbellten. Paulinus kam bestens mit ihnen aus, aber einige der Haussklaven fürchteten sich von ihnen. Silas war als Kind mal von einem gebissen worden. Mehr oberflächlich, der Hund hatte eher geschnappt als richtig zuzubeißen, aber es hatte ihm damals einen Riesenschrecken eingejagt und flößte ihm noch immer eine gesunde Vorsicht im Umgang mit den Viechern ein.
Dieser Hund, der damals geschnappt hatte, der lebte allerdings nicht mehr. Die Wachhunde von damals waren alle bei der Plünderung des Hauses im Bürgerkrieg von den Soldaten totgeschlagen worden. Danach waren neue Welpen gekommen, die nun schon lange selbst zu grimmigen Wächtern herangewachsen waren. Vorsichtig leinte Silas sie an.
"Das ist Einohr." Was man auch sah. Er war außerdem der kooperativste von der Bande. "Magst du den nehmen?" schlug Silas darum ritterlich vor.
"Das ist Stumpfnase und das Reißzahn. Den darfst du nicht am Kopf kraulen, das mag er nicht."
Und los ging's. -
Von der Casa Decima hatten sie den schnellsten Weg aus der Stadt heraus genommen, quer über die Via Tusculana, durchs Stadttor und dann vorbei am Minerva-Medica-Tempel in die maecenatischen Parkanlagen.
Die Molosserhunde zogen ganz schön, hüpften ungeduldig, ihre Schlappohren wackelten und die Gesichtsfalten schwabbelten, sie wedelten mit den Schwänzen, als es hinaus ins Grüne ging, schnüffelten eifrig am Wegesrand. Silas hatte, wenn er die Hunde ausführte, immer mehr das Gefühl, dass sie ihn ausführten, und war darum gerade, ganz unabhängig von seinem Sonder-Spezial-Auftrag, froh, dass Grian mit dabei war.
Das Wetter war schön, und einige Spaziergänger genossen geruhsam die Gärten. Die Molosser fingen immer gleich an zu bellen und sich wichtig zu machen, wenn jemand auf sie zu kam, darum steuerte Silas den hinteren Bereich der Anlagen an, wo es ins Brachland überging und kaum Leute waren. -
Mit Feuereifer hielt Silas die Zügel, ganz begeistert, als die starken Pferde anzogen und einem Wink seiner Hand, geführt von Dominus Serapio, gehorchten. Er fühlte sich königlich, wie der große Sotion persönlich, zugleich sicher und auf eine gewisse Weise geborgen, dadurch dass der Dominus direkt neben ihm stand, den Arm um ihn gelegt, und ihn so genau anleitete. Geehrt sogar! Vor all den anderen Sklaven hatte Dominus Serapio ihn ausgesucht um ihn zu begleiten, und ihm schenkte er hier diese kostbare Lenk-Lektion. Das war schon etwas ganz Besonderes.
Als sie rasteten, schirrte Silas die Pferde aus und schüttelte ihnen das mitgebrachte Heu auf. Das erledigt, streifte er sofort die Kleider ab und stürzte sich in die Fluten. Es war genau das dritte Mal, dass er am Meer war. Die ersten beiden Male hatte er bei der Gemüseernte im Domus Calamis aushelfen müssen, das war echt eine blöde Arbeit gewesen. (Die armen Feldsklaven, die das ständig machen mussten, taten ihm leid, es war hundertmal besser, ein städtischer Haussklave zu sein.) Aber abends waren Paulinus und er immer zum Strand gegangen.
Es war toll hier. Das Wasser war noch warm, und flach, der Sandboden nur leicht abschüssig. Prustend und lachend tauchte Silas wieder auf, wischte sich das Salzwasser aus dem Gesicht. Was für ein Spaß! Nur schade dass sein bester Kumpel nicht auch dabei war. Silas schwamm ein bisschen.... sein Papa hatte ihm das schon früh in der Therme beigebracht... und vergnügte sich am Auftrieb des Wassers. Später fand er, selbstvergessen am Saum des Wassers watend, ein paar Muscheln, die er für seine Schwestern einsammelte. Welle um Welle rollte heran und ließ ihre Gischt um seine Knöchel herum fließen. Er sah zum Horizont, der im endlosen Ungefähren mit dem Wolkendunst verschmolz. Im unbestimmten Grau zeichnete sich dort in der Ferne die Silhouette eines Schiffes ab, wohl in der Anfahrt auf Ostia. -
Silas jauchzte vor Freude bei der halsbrecherischen Fahrt. Beide Hände hatte um den Rand der Kanzel geklammert. Ihm konnte es gar nicht schnell genug gehen! Viel zu schnell war der wilde Galopp schon wieder vorbei.
"Das ist ja der Wahnsinn!" rief er begeistert, "Darf ich auch mal, Dominus, oh bitte, ich habe genau zugeguckt wie du das machst mit dem Lenken, bitte darf ich auch mal die Zügel nehmen?!!" -
Auf der Suche nach Grian stromerte Silas durch Haus und Hof. Er sah in all die entlegenen Ecken und Winkel der Casa, in denen sie früher als Kinder Verstecken gespielt hatten, bis hin zum Speicher oder dem Rübenkeller.
Als er im Stall nachsah, hatte Damon natürlich gleich wieder eine Aufgabe für ihn parat – Damon unter die Augen zu kommen war immer gefährlich – und trug ihm auf, die Molosser auszuführen. Na toll, als ob er nichts besseres zu tun gehabt hätte! Mit dem Stallmeister wollte Silas es sich aber nicht verderben. Als er lustlos über den Hof schlurfte, um die Hundestricke zu holen, kam er an dem Schlupfwinkel unter der Treppe zum Sonnendach vorbei. Die Quälgeister Susaria und Iphigenie nannten diese Nische ihre Wolfshöhle und spielten da manchmal, sie seien Romulus und Remus und würden sich gegenseitig erschlagen...
Im Vorbeigehen warf Silas gebückt einen Blick dahinein, schon gar nicht mehr damit rechnend, Grian noch zu finden, aber da war tatsächlich eine Frauengestalt im Schatten und ein gedämpftes Schluchzen drang an sein Ohr. Oh! Silas fuhr zurück, machte noch einen weiteren Schritt rückwärts. Verlegen scharrte er mit dem Fuß auf der Erde und hustete.
"Ähem... äh... Grian....? Bist du... da drin? Kannst du vielleicht.... mir mit den Hunden helfen.... ? Das wär... echt nett, weil, ich soll sie ausführen, aber... bei drei auf einmal verwickeln sich immer heillos die Stricke...." -
Glühend rot bis zu den Ohren wurde Silas, die Augen waren ganz groß und erschrocken auf die tobende Grian gerichtet, er duckte sich ein bisschen und schüttelte hastig den Kopf.
Es war also wahr! Wie hatte Philodemos das nur hingekriegt?
Manche Sklaven lachten, Vincentius am lautesten, er pfiff auch, andere machten pikierte Gesichter, und die alte Pontia empörte sich:
"Kinder benehmt euch, was sind denn das für Ausdrücke. Dies ist ein anständiges Haus."
Silas' große Schwester Olivia aber rief laut durch den Raum:
"Boah, Philodemos, du bist so EKLIG!"
Der verschwand rasch Richtung Küche.
Nachdem die beiden Hauptpersonen abgetreten waren, wurde noch ein bisschen über den Vorfall getratscht, dann ging das übliche Sklavenleben in der Casa wieder seinen Gang.Silas brauchte eine Weile um sich von diesem Schreck zu erholen. Dann nahm er seinen Mut zusammen und beschloss, mal gaaanz vorsichtig nachzusehen, ob Grian jetzt nach dem Streit vielleicht irgendwo in einer Ecke saß und weinte und aufgemuntert werden wollte. Es könnte die Gelegenheit sein, um sie auszuhorchen.... Außerdem tat sie ihm gerade auch ein bisschen leid, so neu und bloßgestellt. Es hieß, sie sei vom Sklavenmarkt. Dort verkauft zu werden, wie eine Amphore Wein, das musste ja der blanke Horror sein! Silas hoffte nur, dass er sowas nie würde erleben müssen.
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Die Aufgabe für kluge und loyale Sklaven, die Silas da erhalten hatte, nahm er ernst. Er hatte sich aber noch nicht getraut, Grian über die alltäglichen Wortwechsel im Sklaventrakt hinaus mal auf den Zahn zu fühlen. Was konnte er Dominus Serapio bisher berichten? Dass sie voll Ruß aus den Hypokausten gekommen war? Dass Philodemos behauptete, er habe sie nackt gesehen und (O-Ton) ihre Titten seien echt der Wahnsinn? Dass sie sich gern ausruhte? Dass sie sich gefreut hatte, als Amanirenas sie fürs Theater herausgeputzt hatte?
Silas glaubte nicht, dass es diese Art von Information war, auf die Dominus Serapio aus war. Erschwerend kam hinzu, dass die schöne Gallierin in Silas, kaum dass sie in der Nähe war, eine heftige pubertäre Verlegenheit auslöste. So beschränkte er sich aufs Augen- und Ohren-Offenhalten und hoffte, dass sich einfach mal eine günstige Gelegenheit ergab. -
"Ja natürlich, Dominus."
Gewiss gab es einen guten Grund für diese Aufgabe. Und wenn das Haus und seine Bewohner in Gefahr waren, dann wollte Silas natürlich mithelfen sie zu beschützen!
Aber etwas mulmig war ihm schon bei dem Gedanken, Grian zu bespitzeln. Sie war mega-schön und dazu hatte sie so eine spitze Zunge, das war schon ziemlich einschüchternd.
Nachdem der Herr ihn entlassen hatte, lugte er natürlich gleich im Gang schon in den Beutel. Nicht schlecht, mehr als genug für einen Circusbesuch (wenn er dazu bloß frei bekäme!) oder einen Lupanarbesuch, oder zwei leckere Honigkuchen, oder ein schönes Umschlagtuch für Mama zum Geburtstag... -
Es war nicht das erste Mal, dass Silas bemerkte, dass Dominus Serapio ihn gerne sah. Dessen Blick, der da auf ihm lag, war schon sehr... lang.
Verlegen sah Silas auf sein Tablett, und die Warnung seines Vaters, an dem Tag so trotzig abgetan, klang ihm plötzlich wieder in den Ohren.
Aber die war bestimmt total übertrieben. Dominus Serapio war immer nett zu ihm. Es war ja auch ganz schön, zu wissen, dass der Herr einem wohlgesinnt war. Die versprochene Fahrt auf dem Zweigespann würde Silas sich jedenfalls nicht entgehen lassen, nur weil seine Alten so herumgluckten. Hoffentlich erinnerte der Dominus sich noch an dieses Vorhaben.
Die Aufgabe hingegen gefiel Silas gar nicht. Er war doch kein Spitzel! Eine Mitsklavin an die Herrschaften zu verpetzen, so was machte man nicht. Aber was konnte er denn anderes antworten als 'ja'.
"Ja... aber glaubst du denn... dass sie uns etwas Böses will, Dominus?" fragte er zögerlich, wobei 'uns' für ihn die Hausgemeinschaft bedeutete. -
Silas tauschte die leeren Krüge gegen die vollen. Eine Aufgabe?
Überrascht, das Tablett noch in der Hand, schon halb zum Gehen abgewandt, einen Fuß angehoben und auf dem Ballen abgestützt, drehte er sich wiederum zu Dominus Serapio. Ganz automatisch nickte er, auch wenn er nicht 'verstand' was der Herr da andeutete, und ob er klug war, da waren die Ansichten geteilt. Die Köchin Candace lobte ihn immer, wenn er die Eigenschaften der Weine, und wozu sie passten, auswendig hersagte, hin und wieder hatte er sogar gegen Dominus Casca beim Mulinello-Spiel gewonnen, aber der furchtbare Schulmeister Orosius ließ keine Gelegenheit aus, ihm zu versichern, dass er strohdumm war. Von daher war Silas sich diesbezüglich nicht sicher. Aber loyal war er, das stand fest.
"Ja, Dominus, was ist es denn?" fragte er erwartungsvoll. Vielleicht eine Aufgabe, deren Belohnung in einem Circusbesuch bestand?! -
Am Rande des kleinen Speisezimmers, an einem mit Weinlaub-Mosaik verzierten Beistelltisch, stand Silas und waltete seines Mundschenk-Amtes. Aufgereiht auf einem Tablett vor ihm waren die Krüge mit Wein und Wasser, das Mischgefäß, die bunt glasierten Becher und Gefäße mit Wermut, Lorbeer, Weinraute und anderen Gewürzen falls gewünscht.
Den Caecuber hatte er bereits in der Cella vinaria beim Abfüllen durch ein Sieb geseiht. Es war ein halbtrockener Vinum sanguineum.
Mit sicherer Hand und der ihm eigenen eleganten Krugführung hatte Silas gemischt, die Becher gefüllt und flink an die Herrschaften sowie an Icarion überreicht. Silas war ganz gespannt darauf, etwas von Dominus Scapulas Abenteuern mitzuhören. Ausserdem überlegte er schon die ganze Zeit, ob er Icarion vielleicht nachher noch abpassen und ihn etwas fragen könnte.
Da Dominus Serapio den Wein so spontan angefordert hatte, hatte der Caecuber leider noch nicht lang genug atmen können, um sich in allen Nuancen wirklich voll zu entfalten, aber auch so schien er Anklang zu finden.ZitatOriginal von Titus Decimus Scapula
“Mhmm… ausgezeichnet! Von einem unserer Weinberge?“
"Ja genau, Dominus Scapula!" antwortete Silas, auf einen fragenden Blick von Dominus Serapio hin. "Er kommt von eurem Weingut bei Cosentia."
Damit war es natürlich kein klassischer Caecuber, sondern ein calabrisierter, aber die Rebsorte gedieh auch dort prächtig. Silas war schon ein bisschen stolz darauf, sich mit den Weinen, die er einschenkte auch gut auszukennen! Stumpf eingießen konnte ja jeder.
"Vom Südwesthang, Lavaboden, mit etwas Myrtenbeere fünf Jahre in der Amphore gereift." -
"Titus Decimus Scapula." wiederholte Ephialtes in aller Gelassenheit. Er war professioneller Ianitor, kannte die Gens von Alpha bis Omega, und ließ sich auch von der offenkundig großen Nervosität des Kollegen nicht aus der Ruhe bringe. "Der Bruder des verstorbenen Scipio?"
Silas, der neugierig hinter Ephialtes hervorguckte, erinnerte sich natürlich auch an Dominus Scipio. Er war immer sehr nett zu ihm gewesen, und sehr locker, alle waren furchtbar traurig gewesen, als er so jung schon zu den Ahnen ging.
"Tritt ein." Ephialtes trat beiseite, um den Kollegen einzulassen, sah selbst die Straße entlang, nach dem Angekündigten Ausschau haltend.
"Mein Name ist Ephialtes. Dies ist Silas." stellte er sich und seinen Gehilfen vor, wartete seinerseits auf die Vorstellung des Neuankömmlings."Salve!" Hippelig reckte Silas den Kopf. Eine mehrjährige Reise! Wie spannend! Er war noch nie weiter als bis Ostia und die Albaner Berge gewesen. Aber der Neue sah so aus, als würde er gleich zusammenbrechen, als wäre er um sein Leben gerannt.
Silas schob ihm hilfreich den Schemel hin, auf dem er eben beim Brettspiel gesessen hatte. "Dein Herr ist wohl sehr streng?""Nicht schwatzen, Silas," wies ihn Ephialtes zurecht, "Lauf! Lauf den Herrschaften Bescheid sagen."
"Ich geh ja schon!" Silas rollte die Augen, als der väterliche Freund plötzlich dann doch wieder einen auf Vorgesetzten machte – und flitzte los, um die Neuigkeit zu verbreiten.
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Im Vestibulum sassen der Ianitor Ephialtes und sein Gehilfe Silas auf Schemeln über ein Spielbrett gebeugt. Es war ein Zwölflinienspiel, aus einem schlichten Holzbrett, in das die Felder und deren Beschriftung eingebrannt waren. In drei Reihen waren die Felder beschrieben mit: Levate Da Locu - Ludere Nescis - Idiota Recede (Gehe fort, mache Platz. Du weißt nicht zu spielen. Unwissender ziehe dich zurück.)
Schon waren alle Steine gesetzt, jetzt ging's um Schlagen. Ephialtes war ein harter Gegner! Silas würfelte, verzog das Gesicht, überlegte, und rückte einen seiner Steine zwei Felder weiter, den mit dem Blitzzeichen. Seine Spielsteine gehörten ihm selbst, sie waren aber nur aus Holz. Jeder trug ein anderes Symbol. Wenn Silas mal zu Geld käme, würde er sich richtig gute Steine aus poliertem Horn kaufen.
"Kein guter Zug, junger Freund." bemerkte Ephialtes, würfelte und zog seinerseits den Baum-Stein in eine Ecke. Wenn Ephialtes es wollte, dann verzog sich in seinem dunklen Gesicht kein einziger Muskel.
"Das denkst du!" Silas schielte auf den Baum-Stein, das war aber Ablenkung, in Wirklichkeit hatte er es darauf abgesehen, den Schiff-Stein zu schlagen.
Sie spielten nicht um Geld, das verboten die Herrschaften, außer an den Saturnalien. Sie spielten um den Nachtisch oder um kleine Gefallen. Die Ergebnisse vorheriger Partien waren mit Kreide hinter der Türe vermerkt.Da klopfte es an der Türe, kräftig. Bedauernd unterbrachen die beiden die spannende Partie. Ephialtes erhob sich, Silas räumte das Brett zur Seite, vorsichtig damit die Steine nicht verrutschten.
[Blockierte Grafik: http://www11.pic-upload.de/18.09.15/ybv2kdx5kten.jpg]|Ephialtes
Schwungvoll öffnete der Ianitor die Porta und blickte dem großgewachsenen, abgehetzt erscheinenden Besucher freundlich entgegen.
"Salve. Was kann ich für dich tun?" -
Der Dominus war gegangen, es begann zu dämmern, und die Arbeit war für heute beendet. Silas sammelte zusammen mit seinem Vater die Werkzeuge ein, zog eine Plane über die Biga. Phintias war untypisch schweigsam, und erst als sie fertig waren, ergriff er das Wort. Leise sprach er, nahm Silas dabei am Arm, und sein Blick war eindringlich.
"Hör mal mein Großer. Das wird dir jetzt nicht gefallen was ich dir sage."
"Was denn?"
"Sei etwas vorsichtig bei Dominus Serapio und geh besser nicht mit ihm Bigafahren."
"Was?!" fuhr Silas auf, empört wie eine gereizte Hornisse. Die Alten gönnten einem ja mal gar nichts! "Du willst mir das verbieten?! Die ganze Zeit soll ich hier schuften und büffeln und darf nicht in den Circus, und wenn mir der Dominus endlich mal eine Belohnung gibt, dann soll ich die ablehnen?!"
"Silas, jetzt hör mir mal zu" Phintias fasste ihn fester am Arm und sah sehr ernst aus. Das war selten. "Darum geht es nicht." Er dämpfte wieder die Stimme, "Es geht darum, dass du... soweit das möglich ist, hier.... etwas Abstand von Dominus Serapio hältst. Er ist manchmal... wüst."
Die Warnung verhallte in Silas' hochgekochter Frustration.
"So'n Quatsch, wieso soll ich nicht auf dem Gespann fahren dürfen!? Ich hab mich so darüber gefreut! Ich lasse mir das nicht verbieten! Du hast mir gar nichts zu sagen!"
"Oh doch, das habe ich. Und deine Mutter wird dir genau das selbe sagen."
"Ihr könnt mir den Buckel runterrutschen! Ihr seid doch auch nur Sklaven! Ich hab die Schnauze voll von euch und euren bescheuerten Verboten!!!"
Silas riss sich los und marschierte mit langen Schritten von dannen.Natürlich war die Sache damit nicht ausgestanden und er bekam an dem Abend noch richtig Ärger, sowohl von seinen Eltern, als auch von der strengen Vilica für den Aufruhr im Hof.
So endete dieser Tag im Leben des jungen Silas mit Zank und Zähneknirschen. -
"Das wäre toll!" Silas bekam ganz leuchtende Augen. Selbst mitzufahren, wie mega gut mußte das sein. Vielleicht dürfte er sogar mal... selbst die Zügen führen?! Paulinus würde Augen machen, und sogar Camilla, die immer so gleichgültig tat, wäre bestimmt davon beeindruckt, wenn ihr das zu Ohren kam.
Dominus Serapio war wirklich sehr nett.
Aus den Augenwinkeln bemerkte Silas, dass sein Vater, der mit der Feile in der Hand an der Werkzeugbank stand, wenig begeistert erschien. Nein, das war noch untertrieben. Er sah besorgt aus, fast erschrocken. Was war denn mit Papa los? Ihn konnte normalerweise nichts erschüttern. -
Wer da unter dem Wagen hervorrobbte, das war Dominus Serapio selbst. Wie gut, dass Silas sich gerade nicht über den üblen Schulmeister und die Plage des Griechischunterrichtes ausgelassen hatte.
Sein Vater zeigte dem Dominus die erneuerten Beschläge. Auch an Silas richtete der Dominus eine Frage. Der Stolz, als erwachsen wahrgenommen zu werden, ließ ihn noch ein Stück in die Höhe wachsen.
"Ja natürlich Herr! Immer wenn wir können gehen wir zu den Rennen und feuern die Aurata an. Sotions letzter Sieg war der Wahnsinn!" erwiderte er enthusiastisch. -
Als die Sonne tiefer gesunken, die Schatten länger geworden und die Mittagshitze vergangen waren, belebte sich der Hof der Casa Decima. Auf einem Areal von gestampfter Erde und Sand trainierten die Leibwächter des Hauses, Freigelassene und Sklaven miteinander. Wuchtig stießen die hölzernen Übungswaffen aneinander, als Akadios mit Natakamani focht, und Armastan mit Sidonius. Styrkar und Pelias trugen einen Ringkampf aus, der nicht gerade nach freundschaftlichem Übungskampf aussah.
Silas trat näher, quer über den Hof, voll Respekt für die bewunderten Custodes und auch ein bisschen in der Hoffnung, dass die Leibwächter ihn vielleicht beim Kampftraining mitmachen ließen (und ein großes Kriegertalent in ihm entdecken würden.)
Styrkar hatte ihm schon hin und wieder was gezeigt und ein bisschen mit ihm geübt und versucht, in Silas 'den Germanen zu wecken'. Seit Styrkar was mit Silas' großer Schwester am laufen hatte, war er besonders nett zu ihrer ganzen Familie. Silas wäre gerne so groß wie Styrkar und so muskelbepackt wie Akadios gewesen... Dann hätte niemand von ihm verlangt sich mit Griechisch herumzuplagen. Er hoffte jedenfalls noch ein Stück zu wachsen...Just in dem Augenblick, da wurde sein Name gerufen. Es war die Stimme seines Vaters:
"Silas! Komm mal her, greif hier mal mit zu!"
Neben der ehemaligen Schmiedewerkstatt stand eines der Zweigespanne von Dominus Serapio, auf Holzklötzen aufgebockt, und Phintias war damit beschäftigt es zu warten.
Also kein Leibwächter-Zugucken für Silas. Als ob er nicht heute schon genug geschuftet hätte. Wenig begeistert trottete er zu seinem Vater. Der tauschte gerade einen angerosteten Beschlag an der Kanzel der Biga aus. Unter dem Fahrgestell ragten noch zwei Beine von einem Helfer hervor.
"Halt das mal." wies Phintias seinen Sohn an, und Silas hielt den neuen Beschlag, während sein Vater ihn zurechtfeilte und dann anschraubte. "Und, was hast du heute so getrieben, mein Großer?"
"Nicht besonderes, Papa."
"Wie war der Unterricht?" erkundigte sich Phintias unverdrossen. Er selbst war ganz zufrieden mit seinen Aufgaben als 'Hausmeister' der Casa, und auch nicht von übermäßigem Ehrgeiz oder Tatendrang belastet. Aber der Umstand, dass sein Sohn weiter ausgebildet wurde und vielleicht einmal 'höhere Aufgaben' im Haushalt übernehmen würde, erfüllte ihn doch mit väterlicher Anteilnahme.
"...Normal." -
Nach dem Unterricht hatten Paulinus und Silas sich verkrümelt. Sie kannten alle Winkel und Schlupflöcher des Hauses und waren ausgebüxt, waren während der Siesta-Zeit durch die nahen Horti Maecenatis gestreift und hatten die Eichhörnchen mit Nüssen gefüttert.
Bei der Rückkehr hatte Stallmeister Damon sie erspäht und gleich mit Arbeit eingedeckt. Also misteten sie, und stiegelten dann die Pferde."Ich wünschte, wir könnten zu den Circusspielen gehen." meinte Silas (zum wiederholten male) zu Paulinus, während er eine Bürste durch das schwarzbraune Fell einer schönen Reitstute gleiten lies, grollend weil die blöde Vilica ihnen diesen Spaß nicht gönnte.
Ob sie vielleicht von Dominus Casca direkt die Erlaubnis bekommen könnten? Er war sehr nett, hatte die Ziege Beate verschont und spielte manchmal Mulinello mit Silas. Oder von Domina Valentina? Die war ganz lieb und doch praktisch schon die Hausherrin. Aber die Vilica sah es gar nicht gern wenn sie so umgangen wurde.
"Ich weiß was! Heute abend, da haben die Herrschaften nichts geplant, keiner wird einen Mundschenk brauchen und sie werden gar nicht merken wenn ich nicht da bin. Lass uns zumindest heute abend zum Ludus Matutinus gehen." Die Kaserne der Tierkämpfer lag gleich um die Ecke. "Ich habe gehört, für ein As lassen die einen rein, die Tiere angucken. Sie sollen auch nen Elefanten haben, und einen wilden Bären."
Aber Paulinus war nicht so begeistert "Ähm... heute abend kann ich nicht." meinte er, den Blick nur auf den Schweif des Pferdes gerichtet, den er gerade entwirrte.
"Wieso?"
"Ich kann einfach nicht. Und überhaupt... findest du es nicht auch... traurig, die schönen wilden Tiere, und dann werden sie alle abgeschlachtet in der Arena, aufgeschlitzt, leiden Schmerzen."
Paulinus war manchmal seltsam. Silas zuckte die Schultern.
"Schon schade, aber da muß man sich halt mit abfinden."
Sonst gäbe es ja keine Tierhetzen. Aber irgendwie erinnerte ihn das an seine Frage von heute morgen, und daran, dass diese noch lange nicht ausreichend beantwortet war...
"Es ist grausam. Grausam und unnötig! Die ganzen Ludi."
"Sei doch nicht so ein Spaßverderber."
"Hör zu:" gab Paulinus – in einem komischen beseelten Tonfall – zurück. "Wir Menschen sollten gut zueinander sein. Gut zu uns und gut zu der wunderbaren Schöpfung um uns herum. Wir sollten sie lieben und achten und nicht Blut vergießen zum Spaß oder... für falsche Götzen."
Was sollte man dazu sagen?! Lieben, also nee. Silas zog eine Grimasse des Unverständnisses und striegelte mit langen Zügen das Pferd. Vielleicht war Paulinus verliebt und darum verwirrt. Aber eigentlich waren sie beide doch schon lange in Camilla verliebt, Haussklavin des Nachbarn und das schönste Mädchen der Welt.
"Irgendwas verschweigst du mir."
Paulinus holte tief Luft, schien etwas sagen zu wollen, zügelte sich dann widerstrebend. Erst nach langem Schweigen kam: "...Ich werde dir zeigen was ich meine. Irgendwann. Bald."
"Na gut, du Geheimniskrämer." Verträglich klopfte Silas ihm auf den Rücken. Paulinus war ein feiner Kerl, auch wenn er manchmal komisch war.